Protokoll 33. Verhandlungstag – 5. Sept 2013

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Zeug_innen:

  • KOK Martin Gi. = Bundeskriminalamt, Vernehmungsbeamter des Angeklagten Holger G.
  • Waltraud N. = Zeugin im Mordfall İsmail Yaşar

[türkçe]

Nach der Sommerpause begann die Verhandlung mit der Anhörung eines Kriminaloberkommissars zur Vernehmung von Holger G. und der gemeinsamen Begehung in Zwickau. Der Angeklagte Holger G. wird auch weiterhin nicht vor Gericht aussagen oder weitere Einlassungen machen. Anschließend wurden mehrere Beweismittel durch Vorführung bzw. Vorlesen in den Prozess eingeführt: Ein Video aus der Kölner Keupstraße, Videos, Bilder und Audios der Notrufe zum Brand in Zwickau und schließlich der ausführliche Vorstrafenregister des Angeklagten . Zuletzt begann die Zeug_innenvernehmung zum Mord an İsmail Yaşar: Frau N. beschrieb recht detailliert, wie sie im Auto am Tatort vorbeifahrend zunächst zwei Männer in schwarzer Kleidung mit Fahrrädern gesehen hatte und kurz darauf Schussgeräusche wahrnahm.

Der Verhandlungstag beginnt um 9.45 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung folgt die Vernehmung des ersten Zeugen. Es ist der Kriminaloberkommissar Gi., der eine Vernehmung des Angeklagten Holger G. durchgeführt hat. Gi. berichtet, dass er am 27. November 2011 mit Holger G. im Zuge einer so genannten Ausantwortung [= das befristete Überlassen eines Gefangenen in den Gewahrsam einer Polizeibehörde] mit dem Helikopter von der JVA Köln nach Zwickau geflogen sei. G. habe in einer Vernehmung am 25. November 2011 angegeben, eine Waffe von Jena nach Zwickau gebracht zu haben. Bei der Ausantwortung sei es um die Rekonstruktion des Weges gegangen, den G. bei der Übergabe der Waffe zusammen mit Beate Zschäpe vom Zwickauer Bahnhof zur Wohnung der Untergetauchten in der Polenzstraße gelaufen sei (siehe Protokoll zum 24. Verhandlungstag). Nach der Rekonstruktion seien sie zurück zum „Aero-Club“ gefahren, wo der Helikopter gelandet sei. Dort habe die Vernehmung stattgefunden.

Es sei dabei um eine Konkretisierung des Zeitpunkts der Übergabe der Waffe gegangen. Am 25. November habe sich G. nicht festlegen können, deswegen sei nochmal ein Versuch unternommen worden. Es habe mehrere Anhaltspunkte gegeben, die eine zeitliche Eingrenzung zuließen. Das sei einmal gewesen, in welcher Währung G. das Zugticket bezahlt habe. Das Ticket sei in D-Mark bezahlt worden, es müsse also vor der Währungsumstellung gewesen sein, also spätestens zum 31. Dezember 2001. Ein zweiter Anhaltspunkt sei der Führerschein gewesen, den G. im Juni oder Juli 2001 bekommen habe. G. habe angegeben, ab diesem Zeitpunkt keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt zu haben. Außerdem müsse man davon ausgehen, dass der der Polizei bekannte Nutzungszeitraum der Polenzstraße am 1. Mai 2001 beginnt, so dass man das so eingrenzen könne. Einen konkreten Zeitpunkt habe G. aber nicht nennen können.
Vorsitzender Richter Manfred Götzl fragt nach der Nutzung von PKW durch G. Der Zeuge Gi. gibt an, G. habe zunächst einen Opel Vectra besessen, dieser sei im Frühjahr 2002 verunfallt, daher habe G. bis Juni oder Juli 2002 kein Auto gehabt, danach habe habe G. einen Honda Civic gehabt. Götzl hält Gi. aus dessen Vermerk vor, es gebe eine zeitliche Lücke im Frühjahr 2002, während der G. laut Aussage mit dem Zug gefahren sei.
Götzl fragt nach G.s Verhalten in der Vernehmung. Gi. antwortet, es sei eine ganz angenehme Vernehmungssituation gewesen. Er habe G. schon von der vorangegangen Vernehmung gekannt. Die Vernehmung habe in einem Nebenraum des Clubhauses des „Aero-Clubs“ stattgefunden. Das „fliegende Personal“ sei nicht anwesend gewesen.

Dann fragt RAin , Verteidigerin von Ralf Wohlleben. Bei der Ausantwortung solle G. eine Bemerkung bezüglich eines Aldi-Marktes gemacht haben, ob Gi. daran eine Erinnerung habe, will sie wissen. Gi. sagt, das beziehe sich wahrscheinlich auf die Vernehmung vom 25. November 2011. Er, so Gi., könne sich nur noch erinnern, dass Holger G. als lokalen Anhaltspunkt Straßenschienen benannt habe. Er selber könne sich erinnern, dass sich in der Nähe ein Supermarkt befindet. Er wisse aber nicht, ob G. angegeben habe, dass der Aldi damals noch nicht bestanden habe und ob das von den Ermittlern überprüft wurde.
RA Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten S. fragt, ob Holger G. etwas zur Herkunft der Waffe angegeben habe. Gi. antwortet, das beziehe sich auf den 25. November: G. habe angegeben, dass er die Waffe von Wohlleben erhalten habe in Jena, und dass sie sich in einer Tasche befunden habe. G. habe angegeben, nur per Tastsinn gemerkt zu haben, dass es sich um eine Waffe handele, und dass Wohlleben auf G.s Nachfrage gesagt habe, dass G. das alles besser nicht ergründen, keine Nachfragen stellen und den Botendienst erfüllen solle. Auf Frage von Nebenklagevertreter RA Yavuz Narin sagt Gi. noch einmal, er sei am 25. November 2011 bei der durch den Beamten KOK Sch. durchgeführten Vernehmung G.s dabei gewesen. Er wisse aber nicht, ob G. dort davon gesprochen habe, dass er Angst vor etwas habe, wenn er aussage. Er, Gi., habe die Vernehmung vom 25. November nicht rekapituliert, weil heute die Vernehmung vom 27. November Gegenstand sei. Der Name sei ihm bekannt, aber ob er am 25. November gefallen sei, wisse er nicht. (siehe Protokoll zum 25. Verhandlungstag)

Die Vernehmung endet um 10.05 Uhr, es folgt eine Pause bis 10.23 Uhr.

Nach der Pause fragt Richter Götzl, ob von Seiten des Angeklagten Holger G. Einlassungen zu erwarten sind. G.s Verteidiger RA Rokni-Yazdi antwortet, es gebe derzeit keine weitere Einlassung von G.

Danach werden mehrere Videos und Fotos gezeigt.
Zunächst ein Ausschnitt aus der MDR-Sendung „Kripo-Live“ von 1998, in der der Fahndungsaufruf nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gesendet wurde. Kurz zuvor waren die Drei nach einer Durchsuchung am 26. Januar 1998 abgetaucht. Gezeigt wird neben den Fahndungsfotos unter anderem der mit einem Hakenkreuz bemalte Koffer, in dem sich die nicht zündfähige Bombe befand, die am Jenaer Theaterplatz gefunden worden war. Danach spricht eine Vertreterin der Kripo Jena.
Dann werden Ausschnitte aus den Aufnahmen einer Überwachungskamera am Kölner Gebäude des Musiksenders „Viva“ gezeigt, das sich in unmittelbarer Nähe zur Keupstraße befand, wo der NSU am 9. Juni 2004 einen Nagelbombenanschlag beging. Zu sehen sind Aufnahmen vom Tattag in der Zeit zwischen 14.18 Uhr und 15.41 Uhr, die von Kameras aus verschiedenen Perspektiven an der Treppe vor dem Eingang zum Gebäude stammen. Zu sehen ist unter anderem ein Mann mit Kappe, der zwei Räder an der Treppe zum Eingang des Gebäudes vorbei schiebt. Später ist zu sehen, wie ein anderer Mann mit Kappe ein Rad mit einem auf dem Gepäckträger angebrachten Hartschalenkoffer am Eingang vorbei schiebt.

Nach diesen Videos wird ein Video gezeigt, das eine Anwohnerin vom Brand in der Zwickauer 26 gemacht hat. Danach werden 74 Bilder gezeigt, die ebenfalls von der Anwohnerin stammen. Sie zeigen das Haus vor, während und nach dem Brand sowie die Lösch- und Abrissarbeiten. Es folgen zwei weitere Videos und wenige Bilder vom Brand, die ebenfalls von einem Nachbarn stammen. Deutlich wird die Heftigkeit des Brandes.

Im Folgenden werden die Notrufe, wie sie bei Polizei und Feuerwehr wegen des Brandes eingegangen sind, abgespielt.

Es folgt eine Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu einem Beweisantrag der Nebenklagevertreterin RAin Basay vom 32. Verhandlungstag. Oberstaatsanwältin Greger sagt, die Nachermittlungen zum Anschlussinhaber der Telefonnummer seien schon in den Aktennachlieferungen enthalten und nennt die Fundstelle. Der Vernehmung der Zeugin Le. trete die BAW nicht entgegen, sie schlage aber vor, über die Vernehmung des Beamten, der Le. vernommen habe, erst nach der hiesigen Vernehmung Le.s zu entscheiden.

Es folgt eine Erklärung von RA Kaiser, Verteidiger von André E. Im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen Hänßler (siehe Protokoll zum 32. Verhandlungstag) seien, so Kaiser, insbesondere durch die Nebenklage Fragen gestellt worden, die nichts mit den Taten zu tun hätten, und die Hänßler schon vor diversen Untersuchungsausschüssen beantwortet habe. Die Fragen seien unzulässig und spielten für das Verfahren keine Rolle. Das Interesse der Nebenklage sei nachvollziehbar, es sei aber nicht Aufgabe des hohen Senats, sondern der Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder. Es gebe einen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages mit circa 1350 Seiten. Es erscheine sinnvoll, dass die Protokolle und Abschlussberichte der Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder eingeführt werden und zwar im Wege des Selbstleseverfahrens. Auf einen persönlichen Eindruck durch Einvernahmen komme es nicht an. Mehr als dies werde zum Feststellen der Ermittlungspannen nicht benötigt, die Informationen könnten die Nebenklagevertreter ihren Mandanten dann zur Verfügung stellen. Damit sei Aufklärungsinteresse und Beschleunigungsgebot genüge getan.

Nach einer Pause folgen um 11.48 Uhr die Verlesung einiger Dokumente, die so ins Verfahren eingeführt werden. Zunächst wird ein Strafbefehl gegen Ralf Wohlleben von 1997 – wegen öffentlichen Verwendens von Kennzeichen von NS-Organisationen – verlesen. Es ging um vier so genannte „Gaudreiecke“ mit der Aufschrift „Jena / Thüringen“. Der Strafbefehl lautete auf 100 Tagessätze à 13 DM.
Dann wird ein Urteil des Landgerichts Gera von 2000 verlesen. Es handelte sich hierbei um ein Berufungsverfahren. Vor dem Amtsgericht Jena waren Wohlleben und André K. wegen gefährlicher Körperverletzung in einem minderschweren Fall und Nötigung verurteilt worden. Die Berufung wurde verworfen, nur die Höhe der Tagessätze bei André K. wurde verringert. Es ging darum, dass , André K.s. Bruder, und Jana A. zwei Frauen, die im Verfahren auch als Nebenklägerinnen auftraten, wegen einer Brandstiftung gegen Christian K.s Auto zur Rede stellen wollten. Nachdem diese Unterredung erfolglos blieb, waren dann André K. und Wohlleben den beiden Frauen hinterher gelaufen. K. griff die Frauen am Kragen und drückte sie gegen einen Maschendrahtzaun. Wohlleben sicherte den Tatort ab. Verurteilt wurde Wohlleben zu 100 Tagessätzen zu je 50 DM. Im Zusammenhang mit diesem Urteil werden weitere Vorstrafen bzw. Einträge von Wohlleben genannt: 1991 ein Diebstahl, 1992 eine Sachbeschädigung, 1996 ein weiterer Diebstahl, ebenfalls 1996 eine Körperverletzung, 1997 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung, 1998 Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz. Dann wird ein Urteil des Amtsgerichts Gera von 2007 verlesen. Beim Verfahren 2007 ging es um einen Text über einen Aussteiger aus der rechten Szene auf zwei Websites der Thüringer , von denen eine von Wohlleben und eine von dem Geraer Neonazi Gordon Richter betrieben wurde. Wegen übler Nachrede wurde Wohlleben zu 60 Tagessätzen zu 10 Euro verurteilt. Dann wird zu Wohlleben noch eine Kassenanordnung von 2009 verlesen; Wohlleben hatte in einer Strafsache etwa 55 Euro zuviel gezahlt. Es folgen noch die Verlesung der Geburtsurkunde Zschäpes, der Heirats- und Scheidungsurkunde der Mutter und des ersten Stiefvaters von Zschäpe sowie Zschäpes  Ausbildungsvertrag zur Gärtnerin im Gemüsebau.

Nach der Mittagspause beginnt gegen 13.50 Uhr die Vernehmung der Zeugin N. Götzl fragt nach ihren Erlebnissen am 9. Juni 2005, dem Tag, an dem İsmail Yaşar in Nürnberg ermordet wurde. N., freiberufliche Musiklehrerin, berichtet, sie habe um 8.30 Uhr Musikunterricht gehabt, und sei eine Stunde danach mit ihrem Auto zum Sport in der Zerzabelshofstraße gefahren. Die Stephanstraße, die sie normalerweise für diesen Weg nehme, sei an dem Tag gesperrt gewesen und sie sei über die Regensburger und die Scharrerstraße gefahren. In der Scharrerstraße habe sie wegen eines abbiegenden Autos und wegen Fußgängern abbremsen müssen. Sie habe dann zwei schwarz gekleidete junge Männer gesehen und Räder und habe gedacht, die machen vielleicht eine Radtour. Sie habe hin geguckt und der eine Mann habe sich zu ihr umgedreht. Sie sei erschrocken, weil es kein junger Mann war, kein Teenager, sondern einer, der ihrer Meinung nach nichts Gutes vorgehabt habe. Dann sei sie eine Biegung weiter gefahren und habe an einer Ampel halten müssen. Die Zerzabelshofstraße sei zu diesem Zeitpunkt recht still gewesen. Sie habe dann Schüsse gehört oder geglaubt, Schüsse zu hören. Sie habe gedacht, vielleicht überfallen die die Post oder Sparkasse, habe den Gedanken aber verworfen und sei weiter zum Sport gefahren. Das Fitnessstudio sei in der Zerzabelshofstraße, so N. auf Frage Götzls. Dann beschreibt sie, wo sie die Männer gesehen habe. Sie sei an der Velburger Straße vorbei gewesen, da komme vom Edeka der Anlieferplatz, dort habe auch die Dönerbude gestanden. Einer der beiden Männer habe dort zum Fenster rein geschaut, einer habe weiter weg am Straßenrand gestanden. Mit diesem habe sie auch den Blickkontakt gehabt. Als sie an den beiden Männern vorbei gefahren sei, habe sich der eine Mann umgedreht, denn er habe zuvor zu dem Mann hin geschaut, der in die Dönerbude rein geschaut habe. Er habe in ihr  Auto geblickt, sie denke, dass das zufällig gewesen sei. Den Mann, der in die Bude geschaut habe, könne sie nicht beschreiben, so N. Mit dem anderen habe sie intensiven Augenkontakt gehabt, er habe braune Augen und ein fein geschnittenes Gesicht gehabt. Außerdem habe er starken Bartwuchs, aber keinen Bart gehabt, vielleicht einen Dreitagebart, und sei stark gebräunt gewesen. Die Größe der beiden sei für sie schwer einzuschätzen: der Mann, der sie angeschaut habe, sei vielleicht 1,80m groß gewesen, der andere vielleicht etwas größer, aber das könne sie ganz schlecht beurteilen.

Götzl will wissen, wie sie auf den Eindruck gekommen sei, dass er nichts Gutes vorhabe. N.: „Er schaute wirklich bös.“ Sie hätte in dem Fall nicht aussteigen wollen und habe gemerkt, dass da etwas sei. Er habe sie richtig angestarrt, richtig fixiert. Die Geräusche, die sie gehört habe, seien dumpf gewesen, kein heller Schuss, dumpf, mit Schalldämpfer. Sie habe tatsächlich gedacht, vielleicht hätten die die Post oder Sparkasse überfallen, so N. auf Frage von Götzl, habe dann aber an ein Kind gedacht. Sie habe einen engen Terminplan gehabt und es seien viele Leute unterwegs gewesen. Sie habe gedacht, wenn dem so sei, hätten es ja andere auch bemerkt. Zwischen dem Augenkontakt an der Dönerbude und den Geräuschen seien vielleicht zwei Minuten vergangen, mehr nicht. Sie habe um 10 Uhr im Fitnessstudio sein wollen, so N, und sei etwa eine Stunde geblieben. Auf der Fahrt vom Fitnessstudio zurück fahre sie immer durch die Scharrerstraße. Dort habe sie Absperrungen durch die Polizei gesehen und Kriminalbeamte in weißen Anzügen. Weil es aber nicht bei der Post oder der Sparkasse gewesen sei, habe sie sich keine Gedanken gemacht. Götzl fragt, ob sie denn nicht die Überlegung hatte, bei der Polizei nachzufragen. N. verneint. Am nächsten Tag, als sie in der Zeitung gelesen habe, dass es ein Mord war, habe sie gedacht: „Da warst du doch vor Ort.“ Dann habe sie es aber auch auf sich beruhen lassen, erst nach und nach sei die Erinnerung gekommen.
Dann geht es um die Räder. Eines habe in der Nähe des Mannes am Straßenrand gestanden, das andere bei dem Mann, der in die Dönerbude guckte. Ob er das Rad gehalten habe oder es abgestellt gewesen sei, wisse sie nicht, es sei zu lange her. Das andere Rad habe weiter weg von dem Mann am Straßenrand gestanden, sie habe aber nicht ausweichen müssen. Ins Parkhaus des Fitnessstudios sei sie gegen zehn Uhr eingefahren, ihre Uhr gehe immer etwas vor. Ihr Tempo sei etwa 30 km/h gewesen, Radio habe sie nicht gehört. Bei dem Mann, mit dem sie Augenkontakt gehabt habe, habe sie keine Frisur in Erinnerung, die Haare seien schwarz gewesen. Der andere Mann habe schwarze Haare oder ein „Käppi“ gehabt, sie habe keine Erinnerung. Sie bestätigt, dass sie die hinteren Fenster im Auto einen Spalt breit geöffnet gehabt habe. Götzl fragt nach den Zeiten und hält N. aus eine früheren Vernehmung vor, sie habe angegeben, ca. 10m von der Dönerbude entfernt habe ein Mann auf dem Gehsteig 3 m von ihr entfernt gestanden, da sei es etwa 9.55 Uhr. gewesen, weil es bei der Einfahrt ins Parkhaus Goldbachcenter 9.57 Uhr gewesen. N. bestätigt das, aber ihre Uhr gehe immer drei Minuten vor, in Wirklichkeit sei es vielleicht 9.54 Uhr gewesen. Götzl hält ihr vor, sie habe den ersten Mann als „vom Typ her Südländer“ beschrieben. N. bestätigt auch das: „Weil der so braun war.“ Sie sei in der Südstadt aufgewachsen, da hätten sie viele „Südländer“. Der Mann habe braune Augen gehabt, Haare habe sie nicht gesehen. An ihre Angaben, der Mann habe dunkle, kurze Haare gehabt, es könne aber auch eine Mütze gewesen sein, kann sich N. nicht erinnern. Die Kleidung der Männer sei schwarz gewesen, bestätigt N. auf Vorhalt Götzls. N. geht noch einmal auf die Uhrzeit ein. Sie sagt, sie habe das Auto um 10.02 Uhr abgestellt, das heiße, es sei eigentlich eine Minute vor zehn gewesen. Das könne sie jetzt noch sagen, weil sie immer auf die Uhr schauen müsse. Dann sagt Götzl, sie habe von metallischen Gegenständen in der Größe eines Fahrrades gesprochen. N. sagt, das sei das Fahrrad gewesen, sie wisse aber nicht, ob die grün oder schwarz waren. Die Richtung, aus der die Geräusche gekommen, könne sie nicht genau benennen, sie habe aber das Gefühl, sie seien von rechts gekommen. Die Geräusche habe sie an der ersten Ampel in der Zerzabelshofstraße vor der Bestelmeyerstraße gehört, so N.

Götzl liest aus der Vernehmung vor, sie habe von vier oder fünf schussähnlichen Geräuschen von rechts gesprochen. Auf Frage sagt N., zwischen den Geräuschen sei kein Abstand gewesen. Dann geht N. nach vorn, um anhand einer Skizze zu erläutern, wo sie entlang gefahren ist und wo sie die Männer gesehen habe und wo sie die Geräusche gehört habe.
Götzl sagt, N. habe am nächsten Tag nach der Vernehmung, noch einmal telefonisch Angaben bei der Polizei gemacht und mitgeteilt, der beschriebene Mann habe eine deutlich gebräunte Gesichtshaut. N. bestätigt das. Bei den Lichtbildvorlagen habe sie immer gesagt, dieser Typ Mensch sei es gewesen, aber wirklich erkannt habe sie nie wen. Sie kenne Bilder von Mundlos und Böhnhardt aus der Presse, bestätigt sie auf Frage von Götzl. Bei der letzten Vernehmung habe sie der Polizei gesagt, am nächsten komme Mundlos der Person, der am Straßenrand stand. Aber sie habe nicht sagen können, „der war's“.
Nach einer Pause, in der der Angeklagte André E. die Zeitschrift „“ liest, geht es um 14.45 Uhr weiter.

Weitere Personen habe sie an der Dönerbude nicht gesehen, so N. auf Frage der Nebenklagevertreterin RAin Link. Nebenklagevertreter RA Scharmer fragt, warum sie sich am nächsten Morgen telefonisch noch mal bei der Polizei gemeldet habe. Sie sei gefragt worden, wie der Mann ausgesehen habe und sei sich mit der Hautfarbe nicht ganz sicher gewesen, so N. Sie habe sich das nochmal durch den Kopf gehen lassen und habe richtig stellen wollen, dass der Mann leicht gebräunt gewesen sei. Scharmer erwidert, bei der Vernehmung sei die Rede von „vom Typ her Südländer“ und am nächsten Tag habe sie von „deutlich gebräunt“ gesprochen, da bestehe ja ein Unterschied. N. sagt, es gebe ja auch junge Deutsche, die schnell braun werden. Sie habe klarstellen wollen, dass es niemand so hellhäutiges war wie sie selbst, sondern jemand der schon viel in der Sonne gewesen sei. Scharmer fragt, was für Personen N. bei bei der Lichtbildervorlage vorgelegt wurden. N. fragt zurück, ob es um die Nationalität gehe. Scharmer fragt, ob sich die Personen ähnlich gesehen hätten. N. verneint das: „Da waren richtige Verbrechervisagen dabei.“ Es sei alles „wild durcheinander“ gewesen.
Dann fragt RAin Schneiders, ob der Zeugin ein Phantombild vorgelegt werden könne. Die Zeugin nimmt das Bild in Augenschein und bestätigt, dass es das Phantombild sei, das sie zusammen mit einem Polizisten ausgearbeitet habe. Sie sei des Öfteren bei der Polizei gewesen, bei der letzten Vernehmung seien ihr dann Bilder von Mundlos und Böhnhardt vorgelegt worden, das sei aber gewesen nachdem der NSU aufgeflogen sei. RA Klemke, Verteidiger von Wohlleben, fragt zu dieser letzten Vernehmung. Sie habe in Nürnberg stattgefunden, so N. Sie meine, es sei ein Kriminalbeamter aus München gewesen, mit dem sie zuvor noch nichts zu tun gehabt habe.

Der Verhandlungstag endet um 14.57 Uhr.

Nebenklage-Vertreter Sebastian Scharmer erklärt zum Aussageverhalten des Angeklagten Holger G.:

“Holger G. möchte von der Regelung aus § 46b StGB – oft als „Kronzeugenregelung“ bezeichnet – profitieren. Danach kann deutlich milder bestraft werden, wer wesentliche Aufklärungshilfe leistet. [..] Im Prozess allerdings hat er – was sein Recht ist – allein eine schriftliche Erklärung von seinem Verteidiger vorlesen lassen, die seinen eigenen Tatbeitrag versucht herunterzuspielen und leider viele Fragen offen lässt. Holger G. läuft insoweit Gefahr, dass der „Strafrabatt“, den er sich durch seine vorherigen Aussagen erhofft hat, durch sein Prozessverhalten jedenfalls deutlich relativiert werden wird.[…] Naheliegend erscheint, dass Holger G. im Rahmen einer kritischen Befragung Details offenbaren würde, die ihn stärker belasten, als zuvor.“

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