Protokoll 100. Verhandlungstag – 1. April 2014

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Im ersten Teil des heutigen Verhandlungstages wird Reiner Bode befragt. Bode war über viele Jahre der V-Mann-Führer des Nazis und berichtet über die Zusammenarbeit mit einem der führenden Köpfe des Thüringer Heimatschutzes. In der Vernehmung wird auch der erfolglose Versuch des Thüringer Verfassungsschutzes thematisiert, über Brandt die untergetauchten Jenaer Nazis aufzuspüren. Im Anschluss an die erste Befragung stellen VertreterInnen der Nebenklage mehrere Beweisanträge. Im zweiten Teil der Verhandlung wird Thomas Ro. gehört. Ro. bot dem untergetauchten Trio 1998 in seiner Chemnitzer Wohnung für mehrere Wochen Unterschlupf und unterhielt auch im Anschluss freundschaftliche Kontakte zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. In der zähen Befragung wird auch die Rolle Ro.s bei den „Skinheads Chemnitz“ angesprochen, ebenso dessen persönliche Verbindungen zu „“.

Zeugen:

Der Verhandlungstag beginnt um 9:50 Uhr. Erster Zeuge ist der ehemalige Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (TLfV) Reiner Bode, der zeitweise den V-Mann Tino Brandt führte. Bode berichtet, er habe „die Quelle“ Tino Brandt etwa im Jahr 1994 aus der „Forschung und Werbung“ übernommen. Zunächst habe er Brandt zusammen mit seinem Kollegen Fr. geführt, der dienstrangmäßig über ihm gewesen sei. Zu neunzig Prozent habe er selbst jedoch mit Tino Brandt zu tun gehabt, so Bode. Brandt sei seine einzige Quelle im Bereich „Rechtsextremismus“ gewesen, weil er eigentlich im Bereich „Linksextremismus“ tätig gewesen sei. Das habe mit seinen Kenntnissen zu Mailboxsystemen zu tun gehabt, damals habe es das bekannte „“ gegeben. Brandt sei instruiert worden, am „Thule-Netz“ teilzunehmen. Er, Bode, habe Brandt bis irgendwann 1998 geführt, jedenfalls bis zum Verschwinden der Drei in Jena. Man habe dann versucht, die Spur der Drei aufzunehmen, indem Brandt sein KFZ zur Verfügung gestellt habe. Dieses sei mit Spurtechnik vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ausgerüstet worden. Die Quelle habe die Aufgabe gehabt, das Fahrzeug André Kapke zu überlassen, in der Hoffnung, dass dieser sie dann zu den Dreien führt. Das sei begleitet worden durch ein Spurfolgeteam vom BfV und ein Observationsteam vom TLfV. Das Ergebnis sei bekannt: Kapke habe sie letztlich nicht zu den Dreien geführt. Götzl fragt Bode nach der Struktur im Amt damals. Bode sagt, er habe eigentlich zum Referat 21 gehört und linke Quellen gehabt. Er sei bei Brandt eine „Daueraushilfe“ seit 1994 gewesen, als die Struktur das noch hergegeben habe. Damals habe man noch nicht so genau unterschieden. Zu der Zeit seien in dem Bereich Rechtsextremismus Fr. als Verantwortlicher, und dann Schr. und Sch. tätig gewesen. Die Führung der V-Leute hätten Fr., Zw. und später Wießner gemacht. Wießner sei eigentlich für Forschung und Werbung zuständig gewesen, aber das Referat sei später aufgelöst worden. Auf Nachfrage sagt Bode, er vermute, er habe Brandt im Sommer oder Herbst 1998 abgegeben, er habe keine Gelegenheit gehabt, Akten einzusehen. 2000 oder 2001 sei er nochmal mit der Quelle betraut worden, er habe sie nämlich abschalten sollen. Über den Grund für die Abschaltung Brandts könne er nur spekulieren, so Bode, Roewer [ehemaliger TLfV-Präsident]habe das gewollt, er vermute ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Wießner und Roewer. Roewer habe angedeutet, dass er dem Kollegen Wießner das nicht zutraut, dass er vermutete, dass dieser nicht loyal ist. Näheres habe Roewer nicht ausgeführt, es sei aber auch nicht dessen Art gewesen, Dinge näher auszuführen. Er habe Brandt abgegeben, weil die Strukturen bereinigt werden sollten, es habe gefestigtere Strukturen im Amt gegeben. Es sei auch „nicht förderlich“, wenn man in zwei „extremistischen Bereichen“ Quellen führe. Er habe Brandt in der Regel einmal die Woche getroffen, anlassbezogen oder bei Nachfragen auch mehrmals. Üblicherweise hätten sie sich donnerstags abends getroffen. Die Quelle sei die meiste Zeit in Coburg gewesen, anfangs nicht, aber dann im Verlauf. Er habe in einem rechtsextremistischen Verlag gearbeitet. Naheliegend sei daher ein Treffen im Raum Coburg gewesen. Das sei an unterschiedlichen Orten gewesen: Parkplätzen, Gaststätten, Hotels. Manchmal habe er Brandt nach Thüringen reinfahren lassen und man habe sich auf halbem Weg getroffen, die Quelle sei ja mobil gewesen. Anfangs sei Brandt recht jung gewesen, um die 20. Da sei er in seinen politischen Ansichten schon sehr gefestigt gewesen, aber sicher nicht in seiner Persönlichkeit. Brandt sei ein überzeugter Neonazi, Rechtsextremist gewesen. Bode sagt, er glaube, dass Brandt am Anfang gedacht habe, er könne mit ihnen spielen. In der „Werbephase“ habe sich Brandt auch „offenbart“, habe aber das Pech gehabt, dass er das gegenüber einer anderen Quelle getan habe. Diese habe „Alarm geschlagen“ und das sei ihnen wieder zugespielt worden. Sie seien darüber hinweggegangen, hätten aber zunächst Treffs mit Hilfe der Oberservationsgruppe abgehalten, um nicht selbst gefährdet zu sein. Sie hätte ja nicht gewusst, ob er sich der ganzen Szene offenbart hat. Später hätten sie den Eindruck gehabt, dass er sich nur bei dem einen offenbart hat. Er und Fr. seien aber immer argwöhnisch gewesen und hätten alles, was man bei Treffs beachtet, beachtet. Sie hätten kurzfristig gesagt, wo die Treffen stattfinden sollen, und diese observiert, manchmal mit Observationskräften. Auf Frage sagt Bode, er wisse nicht, wie genau sich Brandt offenbart habe, aber die angesprochene Quelle habe das ihrem V-Mann-Führer gesagt und der wieder ihnen: „Über die Quelle darf ich aber nicht reden.“ Auf Frage, was mit „Neonazi“ gemeint sei, sagt Bode, Brandt habe in seinem ganzen Leben nichts anders gemacht. Von der Familie abgesehen habe er nur Kontakte ins rechtsextreme Milieu gehabt, auch „hochgradige Kontakte“. Das unterstreiche die Tätigkeit für „Nation & Europa“. Da werde nicht jeder eingestellt, nur jemand, der fest verankert ist. Es gebe keinen Zweifel, Brandt sei ein ganz überzeugter Neonazi gewesen. Dass Brandt dachte, er könne ein Spiel spielen, hätten sie verhindert durch klare Ansagen, und indem sie ihn „verführt“ hätten mit Geld. Brandt habe einen „Verräterkomplex“ gehabt. Sie hätten ihn „angefüttert“, aber auch mal angedeutet, der „Geldhahn“ werde zugedreht, wenn er Informationen nicht liefert, bei denen sie davon ausgegangen seien, dass er darüber verfügt. Die Zusammenarbeit sei dann einfacher gewesen. Später habe es Probleme gegeben, weil Brandt „omnipotent“ gewesen sei. Er sei gut vernetzt gewesen, mutmaßlich auch weil sie ihn finanziell gut ausgestattet hätten, so dass er den Ton in der Szene angegeben habe. Das hätten sie nicht gewollt, deswegen hätten sie Treffs angesetzt, wenn wichtige Treffen der Szene waren. Bei Drohung der Abschaltung sei Brandt dann gekommen. Brandt sei immer den ganzen Tag in der Szene aktiv gewesen, deswegen sei es eine „Gratwanderung“ gewesen, die „Bremse reinzukriegen“. Das sei sicherlich nicht so gelungen, wie gewünscht. Wenn sie Informationen von anderen Ämtern gehabt hätten, wo sie den Eindruck hatten, dass muss er auch wissen, dann hätten sie ihn gezielt „auf einen Stuhl gesetzt“ und gefragt. Dann habe Brandt gesagt, er habe nicht dran gedacht. Sie hätten nicht gewusst, ob er das bewusst vorenthalten oder nicht erinnerlich hatte. Man müsse sich vorstellen, wenn jemand rund um die Uhr in rechtsextremistischen Zusammenhängen vernetzt ist, dann sei es normal, dass man bei ein oder zwei Treffs pro Woche nicht alle Infos „abgreifen“ könne, die aufgelaufen sind. Am Anfang hätten sie gemerkt, dass er hin und wieder Infos zurückzuhalten versucht habe. Das sei aber zunehmend besser geworden, weil Brandt erkannt habe, dass sie auch andere Informationen hatten. Auf Frage sagt Bode, der „Verräterkomplex“ sei bei V-Leuten völlig normal, bei linken noch mehr, aber auch bei rechten. Die müssten sich an Zusammenarbeit mit dem Staat, den sie eigentlich bekämpfen, gewöhnen. Das sei eine gewisse Schizophrenie, lindern tue dann die finanzielle Zuwendung. Je länger das gehe, desto mehr trete der Komplex in den Hintergrund. Zum Schluss sei der bei Brandt „nur noch rudimentär“ gewesen. Götzl fragt, woran Bode das festgemacht habe. Sie hätten das nie direkt angesprochen, so Bode, damit mache man nur darauf aufmerksam. Es habe später einfach viele Situationen gegeben, dass Brandt völlig unbefangen mit wichtigen Leuten in der Szene telefoniert habe und das Handy laut gestellt habe, so dass er, Bode, habe mithören können. Auf Frage nach der Bezahlung Brandts sagt Bode, genaue Summen könne er nicht nennen. Im Verhältnis sei Brandt die bestbezahlte Quelle gewesen. Vielleicht eine Quelle sei ähnlich bezahlt worden. Brandt sei jedenfalls „Spitzenverdiener“ gewesen. Er habe in der Woche neben separat abgerechneten Auslagen zwischen 200 und 400 DM bekommen, manchmal auch eine „Sonderprämie“. Im Verhältnis zu anderen Quellen habe die Relation gestimmt, so Bode. Zu den Sonderprämien sagt Bode, wenn z. B. Heß-Gedenkmärsche gewesen seien und sie zeitnah Infos hätten haben wollen, dann hätten sie Brandt eine „Motivationsprämie“ in Aussicht gestellt, die er letztlich auch bekommen habe. An diesen Aufmärschen hätten sie dran sein wollen, um die Sicherheitsbehörden gut informieren zu können. Die Größenordnung dieser Summen wisse er nicht mehr. Bezahlt worden sei Brandt immer im Zusammenhang mit Treffen mit ihm. Auf Frage sagt Bode, die Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe seien sehr lange bekannt gewesen in der V-Mann-Führung, weil man die wichtigsten Protagonisten des Thüringer Heimatschutzes (), „so nannte sich das Beobachtungsobjekt“, aus jeder Region gekannt habe, wenn man die Quelle Brandt geführt habe. Brandt sei aus Saalfeld-Rudolstadt, was etwas weg von Jena sei. Der überwiegende Ansprechpartner in Jena für Brandt sei André Kapke gewesen, und in Gera Gordon Richter. Es sei beabsichtigt gewesen, dass Brandt in Saalfeld-Rudolstadt aktiv ist. Es seien bei Brandt Informationen zu den „Sektionen“ Gera oder Jena, Stadtilm oder Gotha des THS angefallen, die habe man mit aufgenommen, man habe aber nicht vorgehabt, die Szene nur mit Brandt „abzulichten“, sondern Hoffnung auf andere Quellen im Bereich Gera oder Jena gehabt. Nach dem Verschwinden der drei sei es dann doch so gewesen, dass es keine Zugänge im Bereich Jena gegeben habe. Dann hätten sie sich mit der Quelle Brandt „abgemüht“, die Spur aufzunehmen. Das habe nicht unbedingt gut gehen müssen oder können, weil Brandt eigentlich nichts in Jena zu tun gehabt habe, sondern nur wegen guter Kontakte Zugang nach Jena gehabt habe. Der beste Draht sei zu Kapke gewesen und sie hätten die Hoffnung gehabt, dass Kapke sie mit dem Fahrzeug zu den Dreien führt. Götzl fragt, was die wesentlichen Informationen gewesen seien. Bode sagt, er habe nur eine dunkle Erinnerung. Es sei Brandt gelungen, Kapke das Auto unterzujubeln. Er meine sich zu erinnern, dass Kapke sich trotzdem verfolgt gefühlt und „geschüttelt“ habe, obwohl das Observationsteam nicht sichtbar gewesen sei. Trotzdem habe Kapke verlauten lassen, er sei „unter Wind“, würde observiert. Es könne natürlich auch sein, dass „Topleute“ in der Szene immer davon ausgegangen sind, dass sie observiert werden. Zur Frage, in welchem Zusammenhang die Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aufgetaucht seien, sagt Bode, seit 1994 habe es in aller Regelmäßigkeit Treffen des THS gegeben, überwiegend in Gorndorf, einem kleinen Ortsteil von Saalfeld, in der Kneipe „Am Weinberg“. Da sei die komplette Szene „aufgeschlagen: 70, 80, 90 Leute“. Auch diese Namen seien immer wieder aufgetaucht, auch im Zusammenhang mit Demos. Man müsse auch noch Wohlleben und Kapke dazu zählen. Jedem, der sich mit der Szene beschäftigt habe, seien die Namen mehr als geläufig gewesen. Aus der Szene in Gera würden ihm, Bode, auch noch Namen einfallen, aus Gotha nicht mehr, das sei aber der Zeit geschuldet. Götzl fragt zu Bodes Erkenntnissen zu den Themen Puppentorso, Stadionbombe, Briefbomben. Sie hätten sicher Quellen abgefragt, so Bode, aber er könne ja nur von Brandt reden. Er habe den sicher dazu gefragt, es sei aber nichts Konkretes dazu gekommen, Das habe er damals für normal gehalten, denn das habe in Jena stattgefunden. Nicht jeder habe gewusst, was wer gemacht hat. Es habe Mutmaßungen gegeben, aber nicht mehr. Er vermute, dass Brandt gesagt habe, er traue das dem oder dem zu, nicht, dass er jemanden geliefert hätte: „Da hätte es den konkreten Zugang in Jena gebraucht.“ Götzl fragt, ob es Bemühung um weitere Quellen gegeben habe. Die habe es immer gegeben, so Bode, aber nachdem ein „Riss durch dieses Amt“ gegangen sei, sei der Bereich „Forschung und Werbung“ eingedampft worden. Der Präsident sei wohl mit der Arbeit unzufrieden gewesen. Er und Fr. hätten das immer beklagt. Man könne eine Quelle nur dann kontrollieren, wenn es Zusatzinformationen gebe, man habe sich nie total sicher sein können, ein Restzweifel sei immer geblieben. Götzl fragt zur Niederlegung der Informationen von Brandt. Bode sagt, sie hätten Brandt „versucht zu erziehen“, schriftliche Berichte zu liefern, hätten das aber aufgegeben. Was Brandt geliefert habe, sei nicht sehr geeignet gewesen und es sei gefährlich für die Quelle. Dann hätten sie mitgeschrieben, das Diktiergerät laufen lassen, Dinge von ihm entgegengenommen. Über das Mailbox-System sei dann wenig gekommen und sie hätten davon gelassen, denn da seien auch andere Ämter gut drin gewesen, so das sie sich die „Doppelarbeit“ hätten sparen können. Diese Informationen seien dann schriftlich umgesetzt worden in Deckblattberichte, Vorabberichte und manchmal nur mündlich, wenn es habe schnell gehen müssen. Gut erinnern könne er sich, dass sie zu den Treffs immer mit einer Liste mit Personen gegangen seien, Brandt habe immer neue Personen geliefert und sie hätte da versucht, Struktur rein zu bringen, Spitznamen usw. zu klären. Brandt habe dann gekreuzt, wer da war. Oder sie hätten ihm Bilder vorgelegt und er habe erklärt, wer was ist. Auf Frage sagt Bode, er habe nach seiner Erinnerung das Stellenzeichen 211 verwendet, wobei das aus dem Bereich „Linksextremismus“ stamme. Er habe es aber wohl auch bei Brandt verwendet. 22 habe für die Abteilung „Rechtsextremismus“ gestanden, 21 für „Linksextremismus“ und 23 für „Forschung und Werbung“. Die Einstufung von Brandt wisse er nicht mehr, so Bode, aber er sei höhergestuft worden mit der Zeit. Vermutlich sei es einen ziemlich hochwertige Stufe gewesen. Denn die Berichterstattung habe dem entsprochen, was zu erwarten gewesen sei. Er sei z. B. mal vom Präsidenten angegangen worden, dass die Quelle gelogen hätte. In der Sicherheitslage des Landes Thüringen sei am Freitag die Info gekommen, dass große Ereignisse am Wochenende in Gotha bevorstehen würden, an einer Tankstelle, was Brandt nicht berichtet habe. Er habe Brandt angerufen, der habe gelacht und gesagt, es seien am Mittwochabend schlecht getarnte Zivilbeamte da gewesen, die hätten sie „ordentlich verarscht“. Und am Wochenende sei auch nichts in Gotha gewesen, und sie hätten später erfahren, dass die beiden Polizisten tatsächlich dort waren. Die Zuverlässigkeit der Quelle sei überprüft worden durch Observationsmaßnahmen und Abgleich mit Berichten aus anderen Bundesländern und vom BfV.  Außerdem habe er sich mit V-Mann-Führern anderer Bundesländer getroffen, die Berührungspunkte mit Brandt hatten. Was ihnen gefehlt habe, sei eine weitere gute Quelle im THS, von daher habe es ein „Restrisiko“ gegeben, dass sie nicht alles mitgeschnitten haben. Zum Verhalten Brandts sagt Bode, dass der ihm immer „so ein bisschen verschmitzt“ vorgekommen sei, der habe immer so ein Lächeln gehabt, entweder sei das Unsicherheit gewesen oder eine Mischung aus Unsicherheit und „geglaubter Überlegenheit“. Außerdem glaube er, so Bode, dass Brandt ein Stück weit genossen habe, dass er wusste, dass er wichtig für sie war, ohne dass sie es ihm gesagt hätten. Brandt habe sich aber wahrscheinlich aufgrund ihrer Nachfragen ein gewisses Bild machen können, wo sie gut und wo nicht so gut drauf sind. Es sei ganz schwierig, Brandt als Persönlichkeit zu beschreiben, manchmal sei er ihm wie ein „Kindskopf“ vorgekommen. Brandt habe einen „Spieltrieb“ gehabt, habe immer das neueste Handy haben wollen. Da sei er ihm, Bode, nicht so reif vorgekommen, wie er sich politisch reif gegeben habe: „Das ist aber auch nichts Ungewöhnliches in der Szene.“ Der Deckname von Brandt sei „Otto“ gewesen und die Nummer „VM 2045“, so Bode auf Frage. Der Hauptgrund für die Abschaltung von Brandt sei seines Wissens gewesen, dass Brandt in der ein wichtiges Amt übernommen haben oder habe übernehmen wollen, da sei dem „Dr. Roewer der Kragen geplatzt“. Brandt habe damals noch 6.000 DM Schulden beim Amt gehabt: Darlehen, die Wießner ihm vermacht habe. Er, Bode, habe dann gesagt, das sei die Abschaltprämie, weil sie das Geld eh nie wieder gesehen hätten. Damit sei Brandt abgeschaltet und für ihn, Bode, erledigt  gewesen. Brandt habe normal reagiert, ein bisschen geschockt. Letztlich habe Brandt wohl gut deuten können, dass er sich nicht an Weisungen gehalten habe und einfach zu prominent geworden sei, um als V-Mann geführt zu werden. Aber er, Bode, wisse es nicht mehr. Zw. habe sich nur mit Brandt getroffen, wenn er selbst oder Fr. nicht gekonnt hätten, so Bode. Das sei vielleicht drei oder viermal im Jahr gewesen. Bode sagt, er und Fr. hätten die Quelle oft zu zweit getroffen, denn zwei könnten mehr Infos „abgreifen“ und die Quelle habe „richtig Arbeit gemacht“. Bode verneint, jemals Kontakte zu Angehörigen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aufgenommen zu haben. Von Kontakten seitens des Amtes wisse er nur aus der Presse, dienstlich habe er nichts erfahren. Die beiden weiteren Quellen, die akquiriert wurden, habe er auch nicht gekannt. Auf Frage sagt Bode, seine Berichte seien über den Abteilungsleiter an die Auswertung gegangen. Der Abteilungsleiter sei der Vizepräsident gewesen, Auswerter, soweit er wisse, der Kollege El.. Besprechungen habe es mit ihm selbst eher selten gegeben, wenn dann eher mit Fr., so Bode. Götzl fragt zum „“-Spiel und Bode sagt, er glaube, dass er sogar ein oder zwei Spiele über Brandt habe besorgen können. Das Spiel sei ein Thema gewesen, aber zu Details könne er nichts mehr sagen. Götzl fragt, ob im Gespräch mit Brandt die Rede davon war, dass Geldmittel für Passbeschaffung benötigt wurden. Bode antwortet, er wisse nicht, ob es unter seiner Ägide gewesen sei oder er es aus der Zeitung wisse, er halte es aber für möglich. Die Abgabe von Brandt irgendwann 1998 habe er nicht bedauert, „denn das war ein Spagat, links und rechts zu führen.“ Die Kennziffer von Zw. kenne er nicht mehr, so Bode, die von Fr. könne 221 gewesen sei, Zw. sei im Referat 22 angesiedelt gewesen. Es folgt eine Pause bis 11:22 Uhr. Dann erklärt Bode auf Frage, dass ein Deckblattbericht dazu diene, die Auswertung zu informieren in Bezug auf das Beobachtungsobjekt, hier den THS. Andere Dinge würden nur in die V-Mann-Akte gehen; da würden nur die Leute etwas von mitbekommen, die Zugang zum V-Mann haben, denn daraus ergebe sich ja die Identität des V-Manns. Dann nimmt Bode Dokumente in Augenschein, um zu sagen, von wem diese Berichte stammen. Einen Bericht erkennt er als seinen. Götzl sagt, eben habe Bode gesagt, er habe keine Gelegenheit gehabt, jetzt nochmal Unterlagen einzusehen, und fragt, ob Bode das nicht gedurft habe oder was er damit meine. Bode: „Ich habe mich schlichtweg nicht darum bemüht.“ Götzl bittet Bode um eine Darstellung, was er letztlich von Brandt habe bekommen wollen. Ein ständiger Auftrag sei gewesen, die Szene „abzulichten“, personell, um zu wissen, wer ist Mitglied, wer nicht, sagt Bode. Desweiteren habe es Tage in der Szene gegeben, die von großer Bedeutung seien, also „Führergeburtstag“, Heß-Gedenkmarsch, Sommersonnenwende. Da habe es Aufträge gegeben, im Vorfeld zu klären, was geplant ist. Und ansonsten seien immer mal wieder Nachfragen aus der Auswertung gekommen, bestimmte Dinge nachzufragen. Es seien der Quelle immer mal wieder Lichtbilder vorgelegt worden aus Observationen, um Leute zu identifizieren oder Zusammenhänge zu verifizieren. Konkretes sei ihm heute nicht mehr erinnerlich, so Bode. Götzl fragt, ob es mal um Pässe für Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gegangen sei. Bode sagt, er könne ganz schwer unterscheiden, was in seinem Kopf noch vorhanden ist aus der Dienstzeit, und, was er in der Presse gelesen habe, aber er könne es nicht ausschließen. Bode verneint, Kontakt mit dem Bereich Zielfahndung des LKA gehabt zu haben, er habe damals zu Polizei und Staatsanwälten überhaupt keinen Kontakt gehabt. Götzl unterbricht Bodes Einvernahme an dieser Stelle und sagt, man werde zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.

Götzl fragt nach angekündigten Stellungnahmen und Beweisanträgen. Oberstaatsanwalt (OSta) Weingarten sagt, die Bundesanwaltschaft (BAW) trete dem Beweisantrag von Rechtsanwältin (RAin) Basay, den Zeugen Thomas Bi. zu laden, nicht entgegen.
Nebenklagevertreterin RAin Pinar beantragt Lichtbilder, die im Jahr 1996 von der Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltung in Worms gemacht worden sind, zur Akte zu reichen und dem Zeugen Brandt vorzuhalten. Brandt sei auf mindestens einem Bild zu sehen und werde bestätigen, dass dort auch Böhnhardt und Mundlos gewesen seien. [Bilder der Veranstaltung finden sich hier] Die Bilder würden verdeutlichen, dass Zschäpe bereits 1997 fest in die rechtsextremistische Szene integriert war und für deren Ideologie öffentlich warb. Heß stehe in der Szene für die „gute Seite“ des Nationalsozialismus (NS), es gehe darum, den NS strategisch zu verharmlosen. Zschäpe habe im Bewusstsein des ideologischen Hintergrunds der Heß-Märsche durch ihre Teilnahme für diese Ideologie geworben. Die Fotos würden eine herausgehobene Rolle Zschäpes belegen, sie habe sich bei der Veranstaltung alleine bewegt und Aufgaben übernommen. Auf einem Lichtbild sei zu sehen, wie Zschäpe an einer Gruppe von Neonazis vorbei geht, dieses Bild sei sicherlich für den Sachverständigen [Saß] interessant. Ein weiteres Bild zeige Zschäpe, die gemeinsam mit Wohlleben, Mundlos und einer weiteren Person neben der Demonstration Spalier steht, demonstrativ abgegrenzt von den weiteren Demonstranten. Hierbei würden sie die schwarz-weiß-rote Flagge halten. Ein weiteres Bild zeige die Flaggenhalter, wie sie mit der Flagge in der Hand rennen. Die schwarz-weiß-rote Flagge verweise auf die im „Dritten Reich“ verwendeten Farben, sei ein öffentliches Anknüpfen an den NS. Zschäpe und die drei anderen Flaggenhalter hätten sich gesondert neben der Demonstration postiert, wodurch sie ihr mehr Ausdruck verleihen würden. Bundesanwalt Diemer sagt, die BAW trete dem Antrag nicht entgegen. Zschäpes Verteidigerin RAin Sturm fragt, woher die Fotos stammen. Pinar sagt, der erste Teil des Antrags ziele darauf, Brandt auf die Fotos anzusprechen.
RA Reinecke beantragt, den Einschreibebeleg Asservat 2.12.436 (13) (siehe 95. Verhandlungstag) in Augenschein zu nehmen, sowie das Kündigungsschreiben eines Herrn André E. für die Wohnung Wolgograder Allee zu verlesen. In Aufbau und Diktion entspreche dies vollständig dem Kündigungsschreiben von für die Wohnung in der Altchemnitzer Straße vom 13.12.1998 [Datum unklar, Red. NSU-watch]. Letzteres sei bereits in Augenschein genommen worden. Aus dem Einschreibebeleg ergebe sich, dass es erst am 22.12.1998 abgeschickt wurde. Der erste Raubüberfall des Trios habe am 18.12.1998 stattgefunden. Aus dem völlig identischen Aufbau, der identischen Diktion und den selben Schrifttypen ergebe sich, dass die Schreiben zwar von den beiden Personen unterschrieben, aber nicht gefertigt wurden. Denn nach eigenen Angaben habe Ri. den Angeklagten E. nicht gekannt. Die Schreiben seien vom Trio gefertigt und nur zur Unterschrift vorgelegt worden. Es erscheine ausgeschlossen, dass Böhnhardt und Mundlos hinter dem Rücken der Angeklagten den Überfall und die Kündigung der Wohnung vornehmen konnten. OStain Greger sagt, die BAW trete dem Antrag nicht entgegen. Es folgt die Mittagspause bis 13.05 Uhr.

Dann wird der Zeuge Thomas Ro., 44, gehört, der Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe kurz nach ihrem Untertauchen Unterschlupf in seiner damaligen Wohnung in Chemnitz gewährt hat. Die Vernehmung des Zeugen gestaltet sich überaus schwerfällig. Ro. spricht mit starkem sächsischen Akzent. Er sagt immer wieder, er wisse Dinge nicht mehr, antwortet oft mit Gegenfragen und führt Sätze nicht zu Ende. Auf die Frage des Vorsitzenden, was er beruflich mache, sagt Ro. zunächst: „Nix.“ Dann sagt er, er habe Ausbaumaurer gelernt. Götzl fragt zu möglichen Kontakte zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, wann er sie kennengelernt habe, was er dazu sagen könne. Ro. sagt, er habe die irgendwann kennengelernt, wann wisse er nicht mehr. Götzl sagt, Ro. werde es ja in Zusammenhänge einordnen können. Ro.: „Was soll ich dazu erzählen?“ Götzl hakt nach und Ro. sagt: „Die sind eines Tages zu mir gekommen, dann wieder weg und das wars dann.“ Das sei 1998 oder 1999 gewesen, er wisse es nicht mehr. Gewohnt habe er in der Friedrich-Viertel-Straße, er glaube, in der Nummer 85. Da habe er ab 1996 gewohnt, nach der Bundeswehr. Götzl sagt, Ro. solle vielleicht ein bisschen ausholen, wo er aufgewachsen ist, wesentliche Daten. Ro.: „Ich bin normal aufgewachsen.“ Götzl: „In Chemnitz?“ Ro.: „In Karl-Marx-Stadt.“ Auf Frage von Götzl sagt Ro., er wisse nicht mehr, ob er Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe früher schon mal gesehen habe. Er gehe mal davon aus, dass er die da zum ersten Mal gesehen hat, sei sich aber nicht sicher. Auf die Frage, auf welcher Grundlage Ro. davon ausgehe, sagt der, es habe früher mal geheißen, dass „die auch mal dort und dort waren“. Es könne sein, dass er die gesehen habe: „Sagen wir mal nein, bevor ich was Falsches sage.“ Götzl sagt, das werfe jetzt Fragen auf, auch Ro.s Tonfall. Ro.: „Ich sage nein.“ Götzl sagt, er habe Ro. darauf hingewiesen, dass auch Verschweigen strafbar sei, Ro. sei „nicht der erste und nicht der letzte Zeuge“, man könne das ggf. nachprüfen. Dann sagt Götzl, Ro. solle die Situation schildern, als die damals zu ihm gekommen seien. Ro. sagt, es habe bei ihm geklingelt, hier wollten drei Personen schlafen und er habe die Tür aufgemacht. Auf Frage, ob die einfach bei ihm hätten schlafen können, obwohl er sie nicht kannte, sagt Ro., das seien nicht die ersten Personen gewesen, die bei ihm geklingelt und geschlafen hätten, das sei bei ihm immer so gewesen. Götzl möchte wissen wer sonst noch zu der Zeit bei Ro. übernachtet habe. Ro.: „Ich kann doch jetzt nicht…“ Götzl sagt, das müsse sein. Ro. sagt, er kenne die doch nicht mit Namen, die 1999 bei ihm geschlafen hätten, Bands aus Italien, Ungarn, England, da kenne er keine Namen. Diese Leute könne er nicht beschreiben: „Die haben geklingelt, rein und dann…“ Jedes Wochenende hätten Leute bei ihm geschlafen, immer wenn Partys oder Konzerte gewesen seien, die müsse er doch nicht alle kennen. Götzl fragt, was nachdem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe geklingelt haben, passiert sei. Ro. sagt, er habe die Tür aufgemacht „und dann, wie das halt so ist, geschlafen“. Götzl sagt: „Wenn man sich das bildhaft vorstellt, geklingelt, Tür auf, geschlafen.“ Ro.: „Was soll ich dazu noch sagen?“ Klingeln und Tür aufmachen, lasse sich noch nachvollziehen, so Götzl. Ro. sagt, er könne das nicht ausführlicher darstellen, das sei dann so gewesen, „wie wenn Sie Besuch bekommen“. Die seien eine oder zwei Wochen bei ihm geblieben. Götzl: „Und dann?“ Ro.: „Waren die weg. “ Er wisse nicht, wo die dann hin sind. Er bejaht, noch weiter Kontakt gehabt zu haben, auch 1999 noch. Er habe sich mit den Dreien mal getroffen und sei Fahrrad gefahren, habe Computerspiele und DVDs ausgetauscht. Das sei in Chemnitz gewesen und später in Zwickau. In Chemnitz habe man sich in der Stadt getroffen, im Stadtpark oder bei der Kaufhalle, „wo man sich halt trifft“. In Zwickau habe man sich in einer Wohnung getroffen, in welcher wisse er nicht mehr, die sei zumindest im Erdgeschoss gewesen. Er denke mal, dass das die Wohnung von den Dreien war, wisse aber nicht, wer die angemietet hat. Das sei 1999, 2000 gewesen. Götzl fragt, wie es zu diesen Treffen gekommen sei. Ro. sagt, er habe DVDs und Computerspiele gehabt, die hätten sie ausgetauscht. Götzl möchte wissen, wie es zu diesem regelmäßigen Austausch kam. Ro.: „Weil man sich gut verstanden hat vielleicht, oder?“ Wer bei ihm geschlafen habe und sich gut benehmen könne, mit dem könne er weiter gut Kontakt haben; ein paar gemeinsame Interessen und dann passe das. Auf Nachfrage sagt Ro., die gemeinsamen Interessen seien Spiele, DVDs und Fahrradfahren gewesen. Er bejaht, dass sich das auf alle Drei beziehe. Götzl fragt, wie es mit Mundlos war. Ro.: „Unproblematisch.“  Auf Nachfrage sagt er, es sei „kumpelhaft“ gewesen. Auf Frage, ob es jemanden gegeben habe, mit dem Ro. engeren Kontakt hatte von den Dreien sagt Ro.: „Wir haben alle drei gleich behandelt.“ Götzl fragt, wie die Drei mit Ro. umgegangen seien. Ro. sagt: „Ganz normal.“  Auf Frage, was er damit meine, sagt Ro., sich treffen, ein paar Interessen, er wisse auch nicht was „nicht normal“ ist. Götzl fragt zum Fahrradfahren, was man gemeinsam unternommen habe. Ro. sagt, man habe eine Fahrradtour gemacht in Chemnitz auf den Radwegen, „wo man so lang fährt“, im Stadtpark. Da seien nur die „zwei Kerle“ dabei gewesen. Das habe man vielleicht einmal im Monat gemacht, manchmal auch zweimal oder einen Monat gar nicht. Das sei dann immer verbunden worden mit dem Tauschen von Spielen. Dabei sei es allgemein um Computerspiele gegangen: Strategie, Adventure. Und um Spielfilme. Götzl fragt, ob der Tausch von Spielen und DVDs mit allen Dreien gewesen sei. Ro. sagt, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs gewesen seien, sei Beate nicht dabei gewesen, wenn er bei denen in der Wohnung gewesen sei, sei es mit allen dreien gewesen. Die Radtouren seien eine Stunde lang gewesen „oder so“. In Zwickau sei er drei- oder viermal gewesen. Die Abstände zwischen den Besuchen seien auch unterschiedlich gewesen. Er wisse nicht mehr, wann er zum ersten Mal in Zwickau war. Auf Nachfrage sagt er, er habe die regelmäßig getroffen, wann das in Zwickau war, wisse er nicht mehr . Das sei 1999/ 2000 gewesen, genau wisse er es nicht mehr. Auf Frage, wie es zu diesen Treffen gekommen sei, sagt Ro., man habe telefoniert. Er habe eine Telefonnummer von denen gehabt. Götzl fragt, wer sich gemeldet habe. Ro: „Der Mundlos, Böhnhardt oder…“ Eine Erinnerung an die Nummer habe er nicht, er habe sich die damals aufgeschrieben. Er habe den Dreien seine Festnetznummer gegeben damals. In Chemnitz habe er die Drei nicht nochmal in einer Wohnung besucht, er habe nichts über deren Aufenthalt in Chemnitz gewusst. Auf Götzls Frage, ob er mal nachgefragt habe, fragt Ro. zurück, warum er da nachfragen solle. Götzl: „Weil ein Zusammentreffen dann vielleicht einfacher gewesen wäre.“ Ro. antwortet, ob er nun in eine Wohnung gehe oder sich im Stadtpark treffe, das sei für ihn das gleiche. Er habe sicherlich mal nachgefragt, wie es denen geht, aber er habe es ja auch gesehen. Götzl: „Wie ging's ihnen denn?“ Ro.: „Ganz normal.“ Götzl hakt nach, und Ro. sagt, keiner sei krank, es sei ganz normal gewesen: „So wie Sie und ich jetzt hier sitzen.“ Auf die Frage, was die für Räder fuhren, sagt Ro., das wisse er nicht, er kenne sich nicht aus. Er selber habe so ein Billigding für 149 DM vom Kaufland. Bei den Radtouren sei es in den Gesprächen um Spiele und DVDs gegangen, um das Wetter und wann man sich das nächste Mal trifft. Götzl fragt, wie lange die bei ihm in der Wohnung geblieben seien. Ro.: „Ein, zwei, drei Wochen, kann ich nicht mehr sagen.“ Er habe nicht nachgefragt, warum die bei ihm übernachten wollen. Die Wohnung sei eine Zweizimmerwohnung, mit Stube und Schlafstube gewesen. Die Gäste seien vorne in der Hauptstube gewesen. Götzl: „Die Gäste hatten die Hälfte Ihrer Wohnung belegt?“ Ro.: “ Sehr richtig.“ Götzl möchte wissen, was Ro. über deren Situation erfahren habe, aber Ro. antwortet wieder, die hätten bei ihm schlafen wollen und dann sei es okay gewesen. Götzl sagt, es sei normal nachzufragen, wo jemand herkommt. Ro. habe ja geschildert, dass auch wer aus dem Ausland bei ihm geschlafen habe, da sei es ja normal, dass der in Chemnitz eine Unterkunft braucht, und fragt, wie das bei den Drei gewesen sei. Ro. sagt, er habe später erst erfahren, dass die aus Jena sind. Da habe einer angerufen und gesagt, er solle mal den Fernseher anmachen. Das sei der Herr Starke gewesen, so Ro. auf Nachfrage, der habe gesagt: „Du weißt aber schon, wen du da hast?“ Bei „Kripo Live“ sei dann gekommen, dass drei Leute gesucht werden, die untergetaucht sind. Auf Götzls Frage, wer gesucht wurde, sagt Ro.: „Na, die Dreie.“ Er könne nicht mehr sagen, wann das war, zwei, drei, vier Tage später, nachdem die schon bei ihm gewohnt hätten. Götzl fragt, ob die Drei die Sendung mit angesehen haben. Ro. sagt, er gehe mal davon aus, aber es habe in der Wohnung zwei „getrennte Fernseher“ gegeben. Sie hätten sich nicht weiter darüber unterhalten. Götzl fragt, ob Ro. den Dreien nicht gesagt habe: „Ihr wart im Fernsehen.“ Ro. sagt, es habe ja bestimmt jeder bald gewusst, dass sie untergetaucht sind, und dann müssten sie aus seiner Wohnung raus. Deswegen frage er ja nicht weiter groß nach. Auf Frage sagt Ro., das sei sicherlich ungewöhnlich, aber was solle er machen: „Das war halt so und dann ist es so gewesen.“ Götzl fragt, ob Starke wusste, dass die bei ihm sind. Ro.: „Ich gehe davon aus, er hat die auch zu mir gebracht .“ Als die bei ihm geklingelt hätten, habe Starke ihm eben nichts erklärt, so Ro. auf Frage. Starke habe gesagt, kannst du drei Personen aufnehmen, und da habe er gesagt, ja. Starke habe ihn, Ro., nicht schon vorher kontaktiert. Götzl: „Also, der Herr Starke hat bei Ihnen geklingelt?“ Ro. bejaht das. Der Zeuge verneint, dass Starke ihm etwas erklärt habe, warum die bei ihm übernachten sollen, aber Starke habe dann angerufen und gesagt, er solle mal den Fernseher einschalten. Starke sei ein Freund gewesen, den habe er schon vom Fußball zu DDR-Zeiten gekannt. Auf die Frage, ob Starke zu der Zeit mal Kontakt zu ihm gehabt habe, sagt Ro., er sei mit den Drei in der Zeit immer alleine gewesen. Götzl fragt, wer sich um das Essen gekümmert habe. Ro.: „Na, Einkaufen, Kochen Essen.“ Götzl erwidert, das sei doch eine sehr knappe Beschreibung. Ro. sagt, er gehe davon aus, dass er selbst größtenteils bezahlt hat, es könne aber auch sein, dass die etwas einstecken hatten. Mit Böhnhardt sei er ein-, zweimal einkaufen gewesen.

Auf die Frage ob Ro. zu der Zeit berufstätig war, sagt er, es könne sein, dass er da Winterpause hatte, er sei sich nicht sicher, wann das war. Die Drei seien größtenteils in der Wohnung gewesen, er selbst nicht, er habe ja auch noch einen Alltag gehabt. Die Drei hätten Fernsehen geguckt, Essen gemacht, er wisse nicht, was man da noch machen solle, so Ro. auf Frage, womit die Drei sich in seinem Beisein beschäftigt haben. Götzl fragt, ob die Drei Ro. gesagt hätten, dass sie jetzt nach Zwickau ziehen. Das verneint Ro., eines Tages habe er nach Zwickau kommen sollen, nicht mehr nach Chemnitz. Er glaube, dass Mundlos das gesagt hat, irgendeiner müsse angerufen haben. Er habe die Adresse nicht gehabt, sondern sei immer von Mundlos oder Böhnhardt vom Bahnhof abgeholt worden. Er bejaht, dass es immer dieselbe Wohnung gewesen sei. Götzl fragt, ob Ro. derjenige war, der die Filme überbracht habe. Das sei gegenseitig gewesen, so Ro., es seien damals auch noch Videokassetten gewesen. Auf Frage nach der Wohnung sagt Ro., es sei eine Erdgeschosswohnung gewesen, er sei nur in der Stube, der Toilette und der Küche gewesen, mehr habe er nicht gesehen. Zwickau kenne er nur eigentlich nur vom Fußball und diesen Besuchen. Vom Bahnhof habe man zu der Wohnung eine Viertelstunde gebraucht, er sei wohl unter einer Brücke durchgelaufen, sei sich aber nicht sicher. Er denke, dass das so 2000 gewesen sei, nach drei, vier Malen sei dann der Kontakt abgebrochen. Er könne nicht mehr sagen, wie es dazu kam. Der letzte Kontakts sei 2000 oder 2001 gewesen. Götzl fragt, ob es einen besonderen Vorfall gegeben habe, was Ro. verneint. Er sei auf Montage gewesen, in Berlin und Dresden. Er verneint, nochmal versucht zu haben, die Drei zu erreichen. Er habe auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht nochmal Kontakt gehabt. Auf Frage, ob Ro. gewusst habe, weswegen die Drei untergetaucht sind, sagt Ro. das sei ja in „Kripo Live“ gekommen, dass die einen Koffer abgestellt hätten und man eine Garage gefunden habe. Auf Frage sagt Ro., sie hätten sicherlich mal kurz drüber gesprochen. Götzl fragt, was die zu diesen Vorwürfen gesagt haben. Ro.: „Die suchen eine Wohnung, und dann sind sie eines Tages ausgezogen.“ Er habe nicht bei der Suche nach einer anderen Wohnung geholfen, sonst hätte er ja gewusst, wo die dann gewohnt haben. Götzl fragt, ob nicht darüber gesprochen worden sei, wann die ausziehen. Darauf sagt Ro., denen sei wahrscheinlich bewusst geworden, dass bei ihm geklingelt wird, dass er Besuch kriegt, deswegen hätten sie wohl eine Wohnung gesucht. Ro. sagt, hätte er eine Wohnung für die Drei gehabt, dann hätte er sie ihnen besorgt, er sei aber nicht behilflich gewesen: „Eines Tages haben die gesagt, wir machen jetzt wieder weg.“ Ro. sagt, er habe mit niemandem darüber gesprochen, dass die Drei sich bei ihm aufhalten, auch danach habe er nicht darüber gesprochen. Mit Starke habe er fast keinen Kontakt mehr gehabt, den habe er im Jahr noch ein-, zweimal getroffen oder so. Götzl: „Er hat dafür gesorgt, dass die bei Ihnen übernachten und dann soll das mit Starke überhaupt kein Gesprächsthema mehr gewesen sein?“ Ro.: „Nein.“ Götzl fragt, die Drei seien Ro. sympathisch gewesen, sie hätten Unternehmungen gemacht, gemeinsame Interessen gehabt, und dann habe er nicht wissen wollen, wo die wohnen. Ro. verneint das. Auf die Frage, warum nicht, sagt er, er habe ja gewusst, dass sie gesucht werden: „Warum soll ich da wissen, wo die wohnen?“ Die Drei hätten freundschaftlich zueinander gestanden, so Ro. Auf die Frage, ob zwischen einzelnen Personen eine engere Verbindung bestanden habe, sagt Ro.: „Nein, nicht dass ich wüsste.“ Er bejaht, dass alle gleich miteinander umgegangen seien. Wie Starke zu denen gestanden habe, wisse er nicht, der habe ihm auch nicht gesagt, woher er die Drei kenne. Dann gibt es eine Pause bis 14:36 Uhr.

Götzl fragt dann, ob die Personen damals in seiner Wohnung etwas dabei gehabt hätten, Kleidung oder Sonstiges. Das wisse er nicht mehr, so Ro. Es könne sein, dass er denen was von seiner Kleidung zur Verfügung gestellt hat, so Ro. auf Frage, es könne schon möglich sein, dass er damals eine Jogginghose oder sowas gegeben habe. Er verneint, dass die Drei einen Computer dabei gehabt hätten, aber er selbst habe einen zu Hause gehabt. Götzl fragt, ob die Drei Waffen dabei hatten, was Ro. verneint. Er verneint auch, dass Waffen mal Thema waren. Götzl fragt, ob mal gesprochen worden sei, was geschieht, wenn Ihnen die Polizei auf die Spur kommt. Ro.: „Die haben halt sachte gemacht.“ Die seien bestimmt nicht zu dritt aus der Wohnung raus und in Chemnitz herumgelaufen. Götzl: „Ich dachte, Sie waren mit denen beim Einkaufen.“ Ro. sagt, er sei nur mit einem Einkaufen  gewesen, die Kaufhalle sei zwei Minuten entfernt. Mal sei er mit Böhnhardt, mal mit Mundlos Einkaufen gewesen, vielleicht auch mit Zschäpe, das wisse er nicht mehr. Götzl fragt, ob es mal Gespräche über polizeiliche Fahndung gegeben habe, wie Ro. sich verhalten solle. Er habe mit niemandem darüber gesprochen, so Ro., aber das habe er von sich aus gemacht. Götzl: „Das war nicht meine Frage.“ Ro.: „Nein.“ Er sagt, sich an die Polizei zu wenden, sei damals keine Überlegung gewesen. Götzl fragt, ob Ro. aufgefordert worden ist, mit niemandem zu sprechen. Ro.: „Weiß ich nicht, kann sein, ich hab das von mir aus gemacht.“ Als er „das“ gesehen habe, sei ja dann logisch gewesen, dass er nicht mit jedem quatscht. André E. kenne er, so Ro. auf Frage, wie lange wisse er nicht. Er kenne ihn von Veranstaltungen und Partys, er sei ihm normal bekannt, nicht so gut. Als die Drei bei ihm wohnten, habe er E. noch nicht gekannt. Götzl hakt nach, wann er E. kennengelernt hat, und Ro. spricht von 2003/2004. Götzl fragt, was das für Veranstaltungen waren. Ro. sagt, das seien sportliche Veranstaltungen und Partys und Konzerte gewesen. Er habe E. vielleicht mal bei einem Fußballturnier, bei einem Volleyballturnier oder sowas gesehen. Götzl fragt: „Was sagt Ihnen denn der Begriff ‚Blood & Honour‘?“ Ro. sagt, das sei eine verbotene Organisation. Götzl: „Was für eine Organisation?“ Ro.: „Was soll ich dazu sagen, eine nationale, das wird wohl ziemlich jeder wissen, oder?“ Götzl fragt, was Ro. zu den „88ern“ sagen könne. Ro.: „Dass das irgendeine Zahl ist, die mit irgendwas in Zusammenhang gestellt wird.“ Götzl fragt, mit was. Ro.: „Das muss ich doch hier nicht sagen, oder?“ Götzl sagt, das interessiere ihn schon, er müsse bei Ro. immer alles nachfragen, Ro. solle die Frage beantworten. Ro. schweigt. Götzl: „Wofür steht es? Was meinen Sie mit ‚irgendwas'“. Ro. schweigt sehr lange und sagt dann: „Ich weiß es nicht.“ Auf die Frage Götzls, was die für Leute gewesen seien, sagt Ro. nach einer Pause, das seien ganz normale Leute: „Wir haben Konzerte, Partys gemacht.“ Auf Nachfrage sagt Ro., er beziehe sich damals da mit ein, das sei 1996, 1999, 2000 gewesen, er wisse es nicht. Auf die Frage, ob die „88er“ etwas mit „Blood & Honour“ zu tun hatten, sagt Ro.: „Eigentlich nicht.“ Er bejaht, dass er selbst bei „Blood & Honour“ „ein bisschen was mitgemacht“ habe, Konzerte organisiert. Da seien verschiedene Gruppen aufgetreten, deutsche und internationale, und in Deutschland. Götzl fragt, was Ro.s Aufgaben gewesen seien. Ro. sagt, er habe mal Saalschutz gemacht, mal jemanden abgeholt. Götzl fragt, welche Leute in Chemnitz dazugehörten, wer da mit Ro. zusammen war. Ro. sagt, er sei zu Veranstaltungen hin, habe ein bisschen was mitgemacht und das sei es dann gewesen. Götzl: „Sie haben Konzerte organisiert?“ Ro.: „Mit organisiert, Saalschutz und sowas.“ Götzl sagt, das sei doch nicht im luftleeren Raum passiert. Ro.: „Das will ich hier nicht sagen.“ Götzl: „Das Gefühl habe ich auch.“ Ro. müsse das aber sagen, die Kontakte, so Götzl weiter. Ro.: „Die will ich aber nicht sagen. “ Götzl sagt, dann müsse Ro. mit Ordnungsmitteln rechnen. Ro.: „Ja.“ Götzl sagt, man mache jetzt eine Pause und dann könne sich Ro. das überlegen, wenn er sich weigere, auszusagen, müsse man Ordnungsgeld und Ordnungshaft in Betracht ziehen.

Es folgt eine Unterbrechung bis 15:09 Uhr. Götzl erinnert Ro. an die Frage, mit welchen Personen er im Rahmen von „Blood & Honour“ Kontakt hatte. Ro. sagt, er sei der Meinung, dass er dazu nicht aussagen wolle und könne. Es habe 2006 bei ihm eine Hausdurchsuchung deswegen gegeben und das Ermittlungsverfahren gegen ihn sei seines Wissen noch nicht eingestellt. Das laufe bei der StA Dresden. Es folgt eine Pause bis 15:33 Uhr. Dann verkündet Götzl, dass die StA Dresden ihm mitgeteilt habe, dass das Verfahren 2010 nach § 153 StPO eingestellt worden sei. Ro. sagt auf Frage, er wisse davon nichts. Götzl sagt, man gehe dem nach und unterbreche Ro.s Einvernahme.

Der Verhandlungstag endet um 15:37 Uhr.

Nebenklage-Rechtsanwalt Scharmer erklärt zur Vernehmung des VS-Mitarbeiters:
„Es ergibt sich das ziemlich klare Bild, dass Brandt den Verfassungsschutz kontrollierte – nicht andersherum. […] Der Thüringer Verfassungsschutz ist damit mitverantwortlich für den aktiven Aufbau von extremistischen Neonazistrukturen, wie dem Thüringer Heimatschutz, zu dem letztlich auch das Trio und deren Unterstützer gehörten – mitverantwortlich damit auch für die Morde und Sprengstoffanschläge. Die Vernehmung zeigt, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes insgesamt kontraproduktiv ist. Diese Institution gehört zumindest in dieser Form abgeschafft.“

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