Protokoll 160. Verhandlungstag – 18. November 2014

0

An diesem Verhandlungstag sind zwei Polizeibeamte als Zeugen geladen. Zunächst wird wieder auf eine Vernehmung Beate Zschäpes von 1996 eingegangen, die den Komplex „Puppentorso“ betraf. Der geladene Beamte kann sich allerdings kaum erinnern. Im zweiten Teil des Tages stehen das NSU-Bekennervideo und seine Vorgänger im Fokus. Nicht nur wird der BKA-Beamte zu seiner Verschriftung derselben vernommen, sie werden auch im Gerichtssaal gezeigt. Nach Entlassung aller Zeugen für den Tag nimmt die GBA Stellung zu verschiedenen Beweisanträgen und macht dabei deutlich, dass sie den NSU für eine von der Neonaziszene isolierte Gruppe ohne Netzwerk hält. Vertreter_innen der Nebenklage widersprechen dieser Einschätzung.

Zeugen:

  • Bernd Fr. (pensionierter Kriminalbeamter, Vernehmung von Zschäpe 1996)
  • Frank Le. (BKA, NSU-Video und Vorversionen)

Der Verhandlungstag beginnt um 9:47 Uhr. Auf der Besucherempore hat der Neonazi Karl-Heinz Statzberger Platz genommen. Er trägt einen Pullover der Neonazi-Band „Skrewdriver“. Erster Zeuge ist Bernd Fr. Richter Götzl sagt, es gehe um eine Vernehmung von Beate Zschäpe vom 31.07.1996 (siehe dazu die Vernehmung des Zeugen Horst Bu. am 153. Verhandlungstag). Er sei abgeordnet gewesen zur Soko Rex in Erfurt für ein halbes Jahr, so Fr. Da sei das reingefallen mit dem Vorkommnis in Jena und sie hätten ihn dahin geschickt. Er sei da einen Monat gewesen. Er müsse dazu sagen, dass er das erst in der Akte gesehen habe. Der Name Zschäpe habe ihm gar nichts gesagt. Aber jetzt habe er die Vernehmung gelesen. Sie hätten Zeugenaussagen beschafft der so genannten rechten Szene. Die Personen seien ihnen vom Staatsschutz in Jena zugearbeitet worden. Und die seien alle abgearbeitet worden. Da sei eine Puppe an der BAB 4 aufgehangen worden. Es sei darum gegangen, den Personenkreis, der in Frage kommen könnte, als Zeugen zu hören. Zschäpe sei eine der letzten gewesen, bevor er wieder weg sei. Er habe gefragt, die Fragen seien vorher im Team besprochen worden. In der Vernehmung sei zum Ausdruck gekommen, zusammengefasst, dass die Sache mit der Puppe erst durch Kontakte mit anderen zur Sprache gekommen sei. Er habe „so ein ganz klein bissel“ den Eindruck gehabt, dass die sich abgesprochen hätten, und er habe die auch alle danach gefragt.

Die seien auf einer Fete gewesen in Schwarzbach. Zschäpe habe immer gesagt, es könne sein, dass der Mundlos dabei war: „Ich kannte die Namen alle nicht.“ Sie seien vor Mitternacht zu Zschäpe in die Wohnung und hätten da Karten gespielt, so Fr. über die Angaben Zschäpes. Und Zschäpe habe gesagt, sie könne sich nicht erinnern, dass jemand nochmal weg war. Mehr falle ihm nicht ein. Götzl: „Zschäpe sagte Ihnen zunächst nichts, als Sie die Vernehmung durchgelesen haben?“ Durch die Medien sei das ja bekannt geworden, so Fr. Er habe sich da „zweitrangig“ mit beschäftigt und sei recht erstaunt gewesen, als er die Vorladung gesehen habe. Er sei damals wieder in sein ursprüngliches Kommissariat zurückgegangen, da habe sich das für ihn erledigt, er habe dann mit Staatsschutz nichts mehr zu tun gehabt. Götzl fragt, ob beim Durchlesen jetzt eine Erinnerung an Situation kam. Er habe zu dem Ganzen dort überhaupt keinen Kontakt gehabt, denn er sei ja von einer anderen Dienststelle gewesen.

Götzl sagt, Fr. habe davon gesprochen, dass die Fragen im Team gemacht worden seien. Es seien ja mehrere gewesen, so Fr., ein Kollege aus Erfurt sei ab und zu mit gewesen. Es sei darum gegangen, die vom Staatsschutz benannten oder ermittelten Personen zu hören, den oder die Täter zu der Puppe zu finden. Götzl fragt, ob Fr. eine Erinnerung daran habe, dass die Fragen im Team gemacht worden seien. Fr. sagt, das sei die Richtung gewesen, er könne ja nicht dahin ohne etwas zu wissen, einer habe ja dann die ganzen Aussagen zusammennehmen müssen, „der hat geschwindelt und der oder jener“. Er wisse nicht mal, wie es ausgegangen ist. Götzl fragt, ob Zschäpe als Zeugin oder Beschuldigte vernommen wurde. Fr.: „Als Zeugin.“ Götzl hält vor, dass in den Akten von Beschuldigtenvernehmung die Rede ist. Fr.: „Gibt's doch gar nicht. Ist das die mit der Schreibmaschine?“ Fr. nimmt den entsprechenden Teil des Protokolls in Augenschein und sagt dann, es tue ihm leid, die anderen habe er als Zeugen gehabt. Götzl fragt, ob Fr. beim Durchlesen dieser Vernehmung eine Erinnerung an die damalige Situation zurückgekommen sei. Fr.: „Es gab keine Probleme.“ Götzl: „Erinnern Sie sich daran, dass es keine Probleme gab?“ Fr. sagt, wenn man sich eine Vernehmung wieder ansehe nach zig Jahren, dann erinnere man sich daran. Er wüsste jetzt nicht, dass es Außergewöhnliches gegeben habe.

Götzl: „Ja, kam eine Erinnerung zurück?“ Das einzige sei der „Sachverhalt Puppe“ gewesen, so Fr., und da habe sich der Rest aufgespult. Auf Frage sagt er, er habe schon noch andere Zeugen gehört, Teilnehmer bei der komischen Fete. Er habe noch den Namen Kapke oder Kopke im Kopf. Der sei damals bei so einem Betrieb gewesen, der Verkehrsleiteinrichtungen, Stoppschilder usw. aufstelle. Es sei ja noch eine Bombenattrappe gefunden worden, wo so ein Ständer von Verkehrsschildern eine Rolle gespielt habe. Aber der habe gesagt, dass diese Ständer von seinem Betrieb nicht verwendet würden. Man habe dann weiter gemacht, weil es die Ständer ja nicht gewesen seien. Gegen wen sich das Ermittlungsverfahren richtete, könne er leider nicht mehr sagen, so Fr. auf Frage. Götzl fragt, was Fr. mit den vom Staatsschutz benannten Zeugen meine. Fr. sagt, die hätten jemanden vom LKA angefordert, der denen hilft. Götzl fragt, inwiefern das Aufträge vom Staatsschutz waren oder ob Fr. selbst mit Ermittlungen befasst gewesen sei. Fr. sagt, sie hätten jeden Tag gesprochen, wer und wo. Er habe sich in Jena ja nicht ausgekannt.

Götzl fragt nach der Aufgabe der Soko Rex. Die sei gegründet worden mit Kollegen „verschiedener Volkspolizei-, nee, KPIs“. Im Saal kommt Gelächter auf. Und „Rex“ habe „rechtsextrem“ geheißen. Sie seien bis Suhl und überall gewesen. Er sei im Prinzip abgeordnet gewesen nach Jena und denen unterstellt. Götzl: „Was war jetzt Ihr Aufgabenbereich?“ Fr.: „Soko Rex.“ Götzl: „Innerhalb der Soko Rex?“ Fr.: „Allgemein.“ Sie hätten in der Früh zusammengesessen und dann habe es geheißen, ihr macht das und ihr fahrt dahin. Es sei um andere Dienststellen gegangen, die sie angefordert hätten. Götzl fragt, womit Fr. jetzt befasst gewesen sei, um welche konkreten Vorfälle es gegangen sei. Er wisse keinen Vorgang mehr, so Fr., das seien vielschichtige Sachen gewesen, sie hätten viel zugearbeitet. Das habe bei „81a“ [gemeint vermutlich: § 86a StGB, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen]angefangen: „Und alles was in Richtung rechts ging.“ Götzl fragt, was der Hintergrund dieser Vernehmung war, was ermittelt werden sollte. Es habe ermittelt werden sollen, wer konkret an dieser Tat beteiligt war., so Fr.

Götzl fragt, wie sich der Vorfall genau dargestellt habe. Fr.: „Die Sache mit der Puppe.“ Er sei ab Juni erst in Jena gewesen, so Fr., und der Vorfall war vom 12. auf den 13. April gewesen, Tatzeit etwa 1:20 Uhr. Ein LKW-Fahrer habe die Puppe gesehen und wahrscheinlich Schwierigkeiten mit dem Herz gekriegt. Deshalb sei das groß aufgespielt worden. Und dann sei es um den Personenkreis der rechten Szene gegangen. Götzl fragt, welche Ermittlungshandlungen Fr. denn noch in Erinnerung habe. Er könne sich nur entsinnen, dass er hier und da bei Hausdurchsuchungen dabei gewesen sei, so Fr. Götzl: „Ja, bei wem wurde durchsucht?“ Fr.: „Meistens waren das Wohnungen.“ Götzl: „Mir geht es um die Personen.“ Wenn er sage, das war jemand von denen, dann müsse er aussagen, wir haben das und das gefunden, so Fr., und eben das wisse er nicht. Götzl sagt, es gehe nur um das, an was sich Fr. erinnere, und fragt, ob Fr. die Befragungen mit Personen in Verbindung bringt. Fr.: „Nur dieser Kapke, irgendwie.“ Da sei es doch wieder los gegangen mit den so genannten „Heß-Tagen“, das sei doch im April gewesen.

Götzl fragt nochmal zu den Fragen, die im Team gemacht worden seien. Fr. sagt, es solle nicht der Eindruck entstehen, jeder habe die diktiert gekriegt. Es sei abgesprochen worden, es habe Hinweise gegeben und dann hätten sie das Konzept selber ausgearbeitet. Götzl fragt, ob das damals üblich gewesen sei. Fr. sagt, es heiße ja nicht umsonst Teamarbeit und die Soko Rex habe ja nicht nur aus ihm bestanden. Da sei schon schon eine Kontrolle da gewesen, damit nicht irgendwas Sinnloses gemacht werde. Nach den Vernehmungen habe man sich zusammengesetzt, was herausgekommen sei. Götzl fragt, ob sich Fr. denn an den Ort Schwarzbach erinnere. Fr. verneint, der sei nur genannt worden. Die Beschuldigten und Zeugen hätten ausgesagt, dass sie dort und dort gewesen seien. Es sei rein um die Fete gegangen. Götzl fragt erneut, ob bei Fr. im Rahmen der Vorbereitung eine Erinnerung zurück gekommen sei an die damalige Situation, an das, was er jetzt sage. Fr. sagt, das seien jetzt von ihm wirklich weit hergeholte Erinnerungen. Er habe ja niemanden fragen können. Götzl fragt, was da wieder in Erinnerung gekommen sei, ob Fr. das differenzieren könne. Fr. sagt, er wisse jetzt nicht, dass etwas außergewöhnlich sei.

Götzl fragt, ob sich Fr. erinnere, ob das bei Zschäpe eine Vernehmung war, die an Vorvernehmungen angeknüpft hat. Fr.: „Stimmt, Frau Zschäpe ist schon irgendwann gehört worden, aber fragen Sie mich jetzt nicht in welchem Zusammenhang, das weiß ich jetzt wirklich nicht.“ Götzl stellt die Frage, ob sich Fr. in dem Zusammenhang an Namen von Beschuldigten oder Zeugen erinnere. Fr. verneint das, da könne er nur auf die Vernehmung verweisen. Vorhalt aus dem Vernehmungsprotokoll: Zschäpe sei vorgehalten worden, dass sie in der Vergangenheit wiederholt zum Sachverhalt Puppe gehört worden sei und gesagt habe, wenn sie etwas zum Alibi Böhnhardts wisse, wolle sie das der Polizei mitteilen; dann sei sie gefragt worden, aus welchen Gründen sie, als sie etwas zu St., Wohlleben, Böhnhardt erfahren habe, dies nicht der Polizei gemeldet habe. Dazu sagt Fr., wenn das so da stehe, dann sei es so gewesen. Auf Nachfrage sagt Fr., er habe im Justizministerium die Vernehmung nicht auswendig gelernt, aber sich eine Übersicht verschafft, um was es ging.

Auf die Frage, ob ihm die Namen Böhnhardt, St., Wohlleben etwas sagen, sagt Fr., die seien damals genannt worden. Götzl fragt, worum es beim „Alibi des Uwe Böhnhardt“ gehe. Er sei vielleicht davon ausgegangen, dass sie dazu gehört worden, bzgl. der Puppe, so Fr. Götzl fragt, inwiefern es damals bei den Ermittlungen um das Alibi Böhnhardts gegangen sei. Das könne nur ein anderer Kollege gewesen sein, so Fr. Götzl verweist auf die Frage an Zschäpe, aus welchen Gründen die sich nicht bei der Polizei gemeldet habe. Fr. sagt, es könne so gewesen sein, dass Zschäpe dem damals zuständigen Beamten gesagt habe, dass sie sich melde, wenn sie etwas höre, und dass ihm das vor seiner Vernehmung mitgeteilt worden sei. Er verneint, eine Erinnerung zu haben, wie es damals war. Götzl hält vor, dass Zschäpe angegeben habe, dass man nach den Durchsuchungen bei ihr, Böhnhardt und Kapke miteinander gesprochen habe, wo sie gewesen sein könnten. Götzl sagt, es gehe ihm gar nicht um Details, und fragt, ob eine Erinnerung an die damalige Vernehmungssituation kommt. Er wisse nicht, in welche Richtung er die Frage beantworten solle, so Fr., es sei so wie es da steht: „Ich kann es nur wiederholen, es tut mir leid.“

Götzl fragt, wie Fr. damals Vernehmungen und Protokollierung gehandhabt habe. Fr. sagt, manchmal habe man eine Sekretärin mit gehabt, manchmal einen zweiten Kollegen, manchmal sei man alleine gewesen. Götzl fragt, ob Fr. jeweils die Fragen vorbereitet habe. Er habe es doch gesagt, so Fr., sie hätten sich Stichpunkte gemacht, es habe ja nicht jeder machen können, was er will. Götzl sagt, hier sei eine Frage mit vorangegangenen Vorhalten niedergelegt worden, und fragt, ob das so üblich gewesen sei. Er habe dem Zeugen oder Beschuldigten ja mitteilen müssen, um was es ging, so Fr. Götzl sagt, Fr. solle berichten, wie üblicherweise die Protokolle erstellt worden seien. Er habe sich für sich persönlich einen Vernehmungsplan gemacht, so Fr., und wenn sich aus den Antworten Fragen ergeben hätten, habe er entscheiden müsse, ob er die nächste Frage stellt oder nicht. Götzl: „Wie sind denn die Antworten damals von Ihnen niedergelegt worden im Protokoll?“ Die seien mit der Maschine niedergelegt worden, er würde sagen fast wortwörtlich. Götzl fragt, was von Zschäpe zu der Angabe, dass man gesprochen habe, wo man gewesen sein könnte, weiter angegeben worden sei. Fr.: „Das habe ich doch gesagt: Zu der Fete.“ Er habe ja nicht einfach unterstellen können: „Das habt Ihr abgesprochen.“ Man habe die Frage stellen können, ob das abgesprochen wurde, mehr nicht. Götzl fragt, welche Personen dort auf der Fete gewesen seien. Fr. erwidert, das habe er schon mal gesagt, alle möglichen. Vorhalt: Sie, Zschäpe, erinnere sich daran, dass der Kapke angerufen und gesagt habe, dass man zu einer Geburtstagsfete fahre. Götzl fragt, was Fr. dazu sage. Fr.: „Sagen wir mal, die Erinnerungen, die zurückgekommen sind, sind ja Grundlage dieser Vernehmung. Die kamen erst wieder, langsam, mit dem Durchlesen der Vernehmung.“

Götzl: „Ja, und die Vernehmungssituation, haben Sie sich wieder erinnern können?“ Fr. wiederholt, dass es da nichts Besonderes gegeben habe. Wäre etwas Besonderes gewesen, hätte er sich vielleicht wieder dran erinnert. Vorhalt: Auf der Fete seien sie, Böhnhardt, Mundlos und St. gewesen. Das seien die Namen, die Zschäpe genannt habe, so Fr. Im Nachhinein seien diese Leute alle gehört worden, aber nicht von ihm. Vorhalt: An diesem Donnerstag habe sie auch in den Abendstunden in Jena die Polizei verständigen wollen, was jedoch nicht geklappt habe; sie sei am Dienstag abgeholt und in der KPI Jena zur Person und dem Alibi oben genannter Personen gehört worden. Götzl fragt, ob Fr. das etwas sage mit Dienstag und Donnerstag. Der Donnerstag sage ihm gar nichts, „ob die da jemand angerufen hat oder was“. Vorhalt: Zu dieser Fete seien sie gekommen, weil Wohlleben Einladungen gehabt habe, die er von bekommen habe, der Ort sei Schwarzbach gewesen, wenn sei sich recht erinnere. Das sei ihre Aussage gewesen, die Namen habe er erst gehört, wo sie sie genannt habe, so Fr. Auf Frage sagt Fr., Grundlage seiner jetzigen Aussage sei, dass im im Protokoll steht. Götzl sagt, hier sei es noch um die Frage, wer zu dieser Fete mit welchem PKW gefahren sei, wann die Fete verlassen worden sei.
Fr. sagt, er habe das gewusst, dass Götzl das frage. Jemand habe von der Mutter das Auto gehabt, aber eigentlich sei das untergegangen.

Götzl sagt, dann sei es darum gegangen, ob Personen abwesend waren. Das sei das gewesen, um was es eigentlich ging, so Fr., dass sie ihr Alibi und die Alibis der anderen bestätigt. Und da müsste stehen, soweit sie sich erinnere, sei niemand abwesend gewesen: „Aber ich weiß jetzt auch nicht, wie weit die Wohnung von der Brücke weg war.“ Vorhalt: Im Wesentlichen seien alle Personen zusammen gewesen, bis auf wenige Minuten, falls mal jemand auf Toilette gewesen sei, sie könne nicht hundertprozentig sagen, ob Böhnhardt die ganze Nacht bei ihr im Bett gewesen sei. Götzl sagt, Zschäpe sei vorgehalten worden, dass ihr aus ihren bisherigen Vernehmungen die Aussagen bekannt seien, welche Meinung sie heute dazu habe. Götzl fragt wie die Antwort Zschäpes gelautet habe. Fr. sagt, es sei besser, er vermute nichts, das gehe nicht. Vorhalt: Sie bleibe dabei, dass es weder Böhnhardt noch die anderen, noch sie selbst gewesen seien, auf den Fingerabdruck Böhnhardts könne sie sich nach wie vor keinen Reim machen. Fr. sagt, es sei nur allgemein von einem Fingerabdruck an dieser eigenartigen Bombenattrappe gesprochen worden. Dass der Fingerabdruck von Böhnhardt gewesen sei, habe er erst im Nachhinein erfahren, er kenne das Protokoll der Spurensicherung nicht. Vorhalt: Zschäpe sei gefragt worden, ob zwischen ihr und den genannten Personen ein gemeinsames Alibi abgesprochen worden sei, um sich gegenseitig zu entlasten. Fr.: „Da müsste stehen: ‚Nein.'“ Vorhalt: Nein, sie hätten sich in keinster Weise abgesprochen, aber ausgetauscht, so dass sich jeder an den fraglichen Zeitraum erinnert habe.

Dann nimmt Fr. die Unterschriften auf dem Protokoll in Augenschein. Das eine sei seine Unterschrift, so Fr., die andere von einem Kollegen von der Soko Rex. Götzl sagt, daneben finde sich eine weitere Unterschrift: „Beate Zschäpe“. Er fragt, ob sich Fr. erinnere, dass Zschäpe das unterzeichnet habe. Fr. sagt, er gehe davon aus, bei dem was er sehe. Götzl fragt, was das jetzt heiße. Wenn das jemand verweigert habe, so Fr., sei das nochmal im Protokoll vermerkt worden, deswegen gehe er davon aus, dass sie das unterschrieben und damit bestätigt hat, dass sie das Protokoll gelesen hat. Zschäpes Verteidiger RA Stahl fragt, ob Fr. an die Vernehmung eine irgend geartete Erinnerung habe heute. Er habe doch schon gesagt, so Fr., dass die Erinnerungen gekommen seien, als er die Vernehmung in Erfurt gelesen habe. Stahl fragt, was Fr. in Bezug auf die Situation erinnere. Fr.: „Soll ich jetzt sagen, woran ich mich erinnere und woran nicht.“ Stahl: „Ja:“ Fr.: „Dann wären ja die ganzen Fragen jetzt umsonst.“ Stahl fragt, ob Fr. ein Bild vor Augen habe. Er habe nicht mal ein Bild von der damaligen Beschuldigten, so Fr. Stahl:“ Da kommen wir der Sache näher. Wissen sie ob die Vernehmung morgens oder abends war?“ Fr. sagt, Stahl wolle bestimmt die Uhrzeit und das Zimmer wissen. Darauf sagt Stahl, dass niemand Fr. einen Vorwurf mache, er wolle nur wissen, ob Fr. eine Erinnerung habe. Fr.: „An die Zeit nicht.“

Auf Frage sagt Fr., er habe nur noch zwei Bilder vor Augen: dass ihm jemand gegenüber gesessen habe und seinen Vernehmungsplan. Stahl: „Sie können sich erinnern, wer am 31.07.1996 vor Ihnen saß?“ Fr. sagt, nach der Niederschrift sei es Zschäpe gewesen. Stahl fragt, ob Fr. also kein Bild vor Augen habe. Er müsse doch nach 18 Jahren nicht wissen, wie die ausgesehen habe, erwidert Fr. Es sei eine Frau gewesen. Stahl fragt, was sie anhatte. Es tue ihm leid, so Fr., er wisse auch nicht, ob sie raucht und ob man eine Pause gemacht habe. Er habe ganz am Anfang gesagt, dass der Name Zschäpe ihm gar nichts gesagt habe, bis er die Vorladung erhalten habe und die Akte in Erfurt eingesehen habe. Er gehe davon aus, dass zumindest ein Ausweis vorgelegen habe in der Vernehmung. Er gehe davon aus, dass die Person, die vor ihm gesessen, auch die Person sei. Und diese weibliche Person habe unterschrieben mit „Beate Zschäpe“. Stahl fragt, ob Fr. vor seinem „inneren Auge“ sehe, dass die Person damals am Ende das Protokoll unterschrieben hat. Er habe das damals mit der Schreibmaschine geschrieben und da würden drei Unterschriften stehen: „Die Antwort, da saß die Frau Zschäpe und ich erkenne sie wieder, gibt es nicht.“ Wenn hier angezweifelt werde, dass diese Frau die Frau Zschäpe sei, dann habe sie einen Fälschung begangen. Stahl: „Ich frag doch nur, Herr Fr.“

Stahl hält vor: Zschäpe habe angegeben, sie sei am Dienstag von Beamten des LKA Erfurt zu Hause abgeholt und in der „KPI Jena zum Alibi meiner Person und der o. g. Personen gehört“ worden. Stahl fragt, ob das Fr.s Formulierung ist oder die Formulierung der Zeugin. Er würde sagen, das einzige, was von ihm sei, sei das „o. g.“, so Fr. Stahl fragt, ob „KPI“ usw. Zeugensprache ist. Fr. sagt, er verstehe das nicht. Stahl: „Ich habe keine Fragen mehr.“ Wohllebens Verteidiger RA Klemke fragt, was denn in Fr.s Vernehmungsplan stand. Fr. sagt, er habe das Protokoll nicht. Klemke sagt, wenn sich Fr. an den Plan erinnere, dann müsse er sich doch an die Fragen erinnern. Er habe das Protokoll gelesen, antwortet Fr., aber den Vernehmungsplan gebe es nicht mehr, das sei sein persönlicher gewesen. Klemke fragt, wie Fr. dann sagen könne, er erinnere sich an den Vernehmungsplan. Fr.: „Ich weiß jetzt nicht, was Sie wollen.“ Der Vorsitzende habe Namen von Personen vorgehalten, sagt Klemke. Er fragt, welche Namen das gewesen seien, die Zschäpe genannt habe. Fr. fragt, ob er jetzt hier falsch sei, die Namen würden im Protokoll stehen. Klemke sagt, Fr. solle seine Frage beantworten. Fr. will die Fragen zunächst nicht beantworten. Klemke fragt, warum Fr. eben gesagt habe, das seien die Namen, die Zschäpe genannt habe, wenn er keine Erinnerung habe. Fr. fragt zurück, wer sie sonst genannt haben solle.

Klemke fragt, ob Fr. noch eine Erinnerung an die Fragen habe. Fr. verneint das. RA Heer sagt, Fr. habe gesagt, es habe Ausdrücke gegeben, wo er gesagt habe, das können wir so nicht schreiben. Es habe Vernehmungen gegeben, das beziehe sich nicht auf diese, da sei etwas gebraucht worden, wo man sich geeinigt habe, dass man das so nicht schreiben könne, sagt Fr. Da gehe es z. B. um „schweinische Sachen“ über einen Toten. Dann kann man sich mit dem Täter einigen, ob man das wirklich so wörtlich reinschreiben wolle. Es sei nicht so, das er hier Suggestivfragen gestellt habe, so Fr. weiter. Heer sagt, er habe das Gefühl, dass Fr. sich angegriffen fühle und fragt, ob Fr. eine Erinnerung habe, ob es im Gespräch mit der Frau am 31.07.96 auch so eine Situation gegeben habe, wo man sich auf eine Formulierung geeinigt habe. Fr.: „Nein.“

NK-Vertreterin RAin Lunnebach fragt, ob Fr. bei seiner Vorbereitung im Justizministerium auch Teile der Akte gelesen hat. Er habe sich eine Übersicht verschafft, so Fr., es sei ja um die Sache mit der Puppe gegangen. Lunnebach sagt, Fr. habe ja von einer Zeugenvernehmung gesprochen, der Richter habe aber gezeigt, dass es eine Beschuldigtenvernehmung gewesen sei: „Können Sie noch sagen, warum das möglicherweise eine Beschuldigtenvernehmung war?“ Da sei er jetzt leicht überfragt, so Fr., das habe ihn irritiert. Lunnebach fragt, ob die Person aus Fr.s polizeilicher Sicht zurecht als Beschuldigte vernommen worden sei, was Fr. da für eine Vorgeschichte in Erinnerung habe. Gar keine, so Fr., die rechte Szene in Jena sei ihm vollkommen unbekannt gewesen, und da habe Zschäpe dazu gehört, die er dann habe vernehmen dürfen. Lunnebach sagt, laut Akten solle Fr. sowohl Böhnhardt vernommen haben als Beschuldigten, als dann auch Kapke als Beschuldigten. Da sei alles vor der Vernehmung Zschäpes gewesen. Er habe doch dem Vorsitzenden schon gesagt, so Fr., dass sie Zschäpe nicht vorgehalten hätten, was die anderen gesagt haben. Lunnebach fragt, was für Erinnerungen Fr. an Erkenntnisse aus anderen Vernehmungen, z. B. Böhnhardts am 18.07. zur daktyloskopischen Spur in Zusammenhang mit dieser Puppe, habe. Es falle ihm nicht ein, so Fr. Lunnebach fragt, ob sich Fr. erinnere, Böhnhardt am 18.07. vernommen zu haben. FR. sagt, er könne sich überhaupt nicht entsinnen an Antworten. Lunnebach: „Aber an die Vernehmung?“ Fr.: „Jetzt wo Sie es sagen, ist es klar.“ Lunnebach: „Auch dass es um den Fingerabdruck ging?“ RA Klemke beanstandet.

Lunnebach fragt anders, ob sich Fr. erinnere, dass Gegenstand der Vernehmung auch der Böhnhardt zugeordnete Fingerabdruck gewesen sei. Fr. verneint das. Das stehe nicht da drin, er sei nur zu seiner Vernehmung vorgeladen worden. Er verneint, sich diese Vernehmung nochmal angesehen zu haben, als er sich den Überblick in Erfurt verschafft habe. Ihm seien dort drei Riesenkisten hingestellt worden und es habe geheißen, er solle sich mal einen Überblick verschaffen. Die Kollegin habe ihm gesagt: „Hier ist die Vernehmung der Frau Zschäpe.“ Und dann habe er sich die davor und danach angeguckt. Von einer anderen Vernehmung sei nicht die Rede gewesen. Vorhalt aus der Vernehmung Zschäpes: In der Vergangenheit sei sie wiederholt zum Sachverhalt Puppe gehört worden. Lunnebach fragt, was der Satz bedeutet. Er habe mit diesen vorangegangenen Vernehmungen überhaupt nichts zu tun gehabt. Lunnebach fragt, ob die Fr. Vernehmung Zschäpes vom 20.06., die von anderen durchgeführt worden sei, vorgelegen habe. Fr. verneint das. Lunnebach hält vor, dass Zschäpe laut Protokoll angegeben habe, dass sie dabei bleibe, dass es weder Uwe Böhnhardt noch die anderen noch sie selbst gewesen sei, zu dem Fingerabdruckruck Böhnhardt könne sie sich nach wie vor keinen Reim machen. Das könne man so interpretieren, als hätte Fr. es vorgehalten.

Götzl beschwert sich. Lunnebach fragt, wie Fr. das verstanden habe, wie Zschäpe das gemeint hat. Wieder beanstandet Klemke, das sei suggestiv. RA Stahl schließt sich an. Der Zeuge habe überhaupt keine Erinnerung an die Situation. Lunnebach erwidert, das sei ja unsinnig, der Vorsitzende habe den ganzen Vormittag gefragt. Der Zeuge habe gesagt, das mit dem Fingerabdruck habe keine Rolle gespielt, aber es sei eine Antwort Zschäpes dazu protokolliert. Götzl sagt, das setze aber voraus, dass Fr. sich an die Antwort erinnert. Lunnebach: „Kein Problem.“ Götzl bittet Lunnebach einfach ein bisschen Geduld zu haben. Lunnebach sagt, sie hätte das längst gemacht, zunächst zu fragen, ob er sich erinnert, dass das Beate Zschäpe gesagt hat. Stahl beanstandet erneut, aber Götzl sagt, danach könne nochmal nachgefragt werden. Fr.: „Da steht's.“ Lunnebach sagt, sie wisse nicht, was das heißt. Wieso solle er sich jetzt dran erinnern. Es gebe Sachen wenn man vernehmen wolle und herauskriegen wolle, dass ein Auto rot ist, dann rede man so lange, bis das Auto rot ist: „Das ist suggestiv.“ Götzl: „Das ist nicht suggestiv. Es ist nur eine Nachfrage.“ Fr.: „Ich meine das so, wie das im Protokoll steht.“ Der Zeuge wird entlassen.

Nach einer Pause geht es um 11:49 Uhr mit Frank Le. vom BKA Meckenheim weiter (zuletzt 43. Verhandlungstag). Götzl sagt, es gehe um die Verschriftung von Videos, ihn interessiere, wie Le. vorgegangen sei. Es seien zwei Vermerke vom 20.08.2014, so Le. Grundlage sei ein Auftrag des Gerichts gewesen, die Verschriftung des NSU-Videos und der beiden Vorgängerversionen. Das eine Asservat sei das NSU-Bekennervideo an die PDS in Halle, zu dem er schon mal als Zeuge geladen gewesen sei, die anderen beiden Asservate basierten auf Unterordnern aus der Frühlingsstraße, jeweils eine Videodatei. Er habe die Videos erstmal im Kontext des Auftrags betrachtet und dann nach Rücksprache mit dem GBA entschieden, dass er Textteile protokolliere, also diese Textteile, die von den Machern des Videos selbst produziert wurden: Kommentare, Texte, Zeitschriftenausschnitte. Was er nicht aufgenommen habe sei, wenn TV-Beiträge im Original übernommen worden seien und bspw. auf Textilien „Polizei“, „Feuerwehr“ oder auf einem Werbeaufsteller „Langnese“ zu sehen gewesen sei. Auch bei dem Pink-Panther-Comicteil seien Textteile aus dem Original übernommen und nicht verändert worden, diese Textteile habe er nicht aufgenommen.

Dann habe er entschieden, den Vermerk tabellarisch zu machen: erste Spalte Zeitraum, wann entsprechende Textteile im Bild zu sehen gewesen seien, zweite Spalte der Text und dritte Spalte ggf. für Anmerkungen. Bei der Auswertung habe er drauf geachtet, den Text in Großbuchstaben wiederzugeben, wenn Großbuchstaben verwendet worden seien. Problematisch habe sich die Aufnahme der Zeitungsausschnitte gestaltet. Die seien ins Bild hinein gekommen, es sei gezoomt worden oder geschwenkt, manchmal seien einzelne Worte ins Bild gekommen, die keinen Sinn ergeben hätten. Götzl: „Ich denke, dass wir uns diese beiden Videos anschauen.“ Dann wird zunächst die erste bekannte Vorgängerversion des NSU-Videos, Datei „NSU Video sehr alt“ [phon.], dann das zweite; Datei „NSU-Video CD Aktuell“ [phon.] und schließlich das NSU-Bekennervideo, wie es letztlich verschickt wurde, in Augenschein genommen (siehe Protokoll zum 43. Verhandlungstag und Transkript des Bekennervideos).

Zum ersten Video sagt Le., da seien an einer Stelle Buchstaben zu sehen, die keinen Sinn ergeben hätten, das habe er weggelassen. In dem Video seien zwei Taten explizit thematisiert worden. Götzl sagt, zu dem Zeitungsausschnitt mit dem Bild von Enver Şimşek, da heiße es in Le.s Anmerkung, dass der Artikel nochmals verwendet worden sei. Le. bejaht das, im Video von der „CD Aktuell“ dürfe der gleiche Artikel verwendet worden sein. Beim zweiten Video sagt Le., auch in diesem Video seien die drei Fotos zu sehen, die auch im NSU-Bekennervideo zu sehen seien, das sind Täterfotos Şimşek, Özüdoğru, Taşköprü, die am Tatort gemacht worden seien. Zu einem kurzen Video mit „Paulchen Panther“, wo die Unterschrift „Frühling“ und in der Mitte Zeichentrick-Einzelszenen in einem kleinem Monitor zu sehen sind, sagt Le., das sei im Prinzip der Vorspann des Bekennervideos, wenn man weiter klicke, komme man zum Hauptfilm. Nach der Inaugenscheinnahme fragt Götzl Le.: „Sind von Ihrer Seite noch Anmerkungen?“ Le.: „Nein.“ Es folgt die Mittagspause bis 13.37 Uhr.

Götzl sagt, in den Vermerken finde sich häufiger der Begriff „NSU“ und dann stehe in Klammern: „Symbol“. Damit habe er das NSU-Symbol gemeint, so Le., das zu sehen sei, das N, das S und das verschlungene U. Klammern mit drei Punkten würden bedeuten, dass Zeitungsartikel nicht vollständig zu sehen gewesen seien, so Le. auf Frage. Dann sagt Götzl, dass die Vernehmung Le.s unterbrochen wird, es sei beabsichtigt, die Verschriftungen, soweit es um Zeitstempel gehe, zu verlesen, nicht die Anmerkungen. Er fragt, ob es Einwendungen dagegen gebe, dass Le. anwesend bleibt. Das ist nicht der Fall und Richter Kuchenbauer beginnt mit der Verlesung der Verschriftungen der von den Machern selbstproduzierten Textteilen aus den beiden Vorgängerversionen. Er liest zunächst immer den Zeitstempel vor, zu dem ein bestimmter Text eingeblendet wird, bei dann den entsprechenden Text. Danach verliest Richterin Feistkorn die Verschriftung der selbst produzierten Textteile des verschickten NSU-Bekennervideos.

Danach sagt Götzl, dass die Vernehmung von Le. fortgesetzt wird. Er fragt Le., ob das jetzt die Verschriftungen seien, wie er sie in den Videos wiedergefunden habe. Le. bejaht das. Zschäpes Verteidigerin RAin Sturm sagt, Le. habe eben gesagt, er habe sich die Originalvideos angesehen, und fragt, ob damit die „Paulchen-Panther-Videos gemeint seien. Le. bejaht das. Er nennt an Videos, die er erkannt habe, „Rosarot in Uniform“, „Der rosarote Bastler“ und zwei weitere [nach Mitschrift vermutlich: „Rosarot am langen Faden“ und „Rosarote Ampeln gibt es nicht“]. Sturm: „Also drei?“ Le.: „Nein, vier.“ Sturm fragt, ob der Sprecher aus den Videos auch in dem Originalvideo vorgekommen sei. Mit dem habe er sich nicht explizit beschäftigt, so Le., aber die Teile hätten sich original angehört, er habe nicht weiter in die Richtung ermittelt. Der Zeuge wird entlassen.

Auf Frage von Götzl nimmt NK-Vertreter RA Rabe den Beweisantrag zur Besprechung LfV Kassel und PP Kassel zurück. Dann fragt Götzl den Angeklagten Schultze, ob der bereit ist, sich zu den Vermerken zu äußern, die mit dem Zeugen Wießner (157. Verhandlungstag) besprochen worden seien und in denen er auftauche. Als Termin sei der 25. November geplant. Schultzes RA Hösl sagt, sie hätten ohnehin überlegt, sich zu äußern. NK-Vertreter RA Behnke zieht seine vorbehaltene Erklärung zum Zeugen Bu. zurück. NK-Vertreter RA Hoffmann gibt zur Aussage von Norbert Wießner (158. Verhandlungstag) eine Erklärung nach § 257 StPO ab. Die Vernehmung habe eines deutlich gemacht, so Hoffmann: Dass man bei der Bewertung der Aussage von Tino Brandt manchmal einen Perspektivenwechsel vornehmen müsse. Es sei deutlich geworden, dass Wießner im Umgang mit dem V-Mann ein Wir-Gefühl entwickelt habe, das man sich aus der heutigen Sicht fast nicht vorstellen könne. Wießner habe gar nicht mehr trennen können. Wenn er gesagt habe: „Wir konnten nicht stärker nachfragen“, und eigentlich Brandt gemeint habe, der nicht konkreter in der Szene habe nachfragen können. Er habe das gleichgesetzt damit, nicht gegenüber Brandt nachzubohren. Das sei für Wießner „eine Sache“ gewesen.

Er habe quasi eine Überidentifikation gezeigt mit seinem V-Mann und die Sachen, von denen er geglaubt habe, die könnten den V-Mann Brandt gefährden, schon gar nicht von diesem erfragt. Das würde bedeuten, dass es tatsächlich sein könne, so Hoffmann weiter, dass Brandt habe erzählen können, was er wollte, und alles Unangenehme habe weglassen können. Und so könne es sein, dass die von Brandt geschilderte Ehrlichkeit tatsächlich da war. Weil er nichts Unangenehmes habe schildern müssen, man völlig einverstanden gewesen sei mit allem, was Brandt geben würde. Es sei schwierig zu sagen, ob diese Darstellung durch Wießner zutrifft, oder ob sie einen Verkleisterung der eigenen Unfähigkeit war. Es sei aber möglich, dass Brandt in dem Rahmen, in denen er Geschehnisse offenbart habe, eine Ehrlichkeit gehabt habe, weil etwas anderes von ihm gar nicht gefordert worden sei.

Dann verliest OStAin Greger Stellungnahmen des GBA zu Beweisanträgen. Sie beginnt mit dem Antrag von RAin Basay auf Beiziehung einer Zielfahndungsakte und Vernehmung des Zeugen Wunderlich. Es handele sich um Beweisermittlungsantrag, der abzulehnen sei. Die Beweisermittlungspflicht gebiete es nicht, die Telekommunikation des Zeugen Starke 1998 aufzuklären und zu diesem Zweck die Zielfahndungsakte beizuziehen. Dem Antrag sei nicht zu entnehmen, inwieweit die Feststellung von Kontaktpersonen der drei Untergetauchten und die Feststellung des damaligen Kenntnisstandes der damaligen Ermittlungsbehörden zur Aufklärung der angeklagten Taten beitragen könne. Soweit die Antragssteller belegen wollten, dass Starke gegenüber Dritten geäußert habe, dass in der Umgebung „nur Türken aufhältig“ seien, sei ein Bezug zur Ermordung Kubaşık acht Jahre später nicht ersichtlich. Der Schluss der Antragssteller, dass die drei Untergetauchten mglw. davon Kenntnis bekommen hätten und dass das ein Grund für die Tat in Dortmund gewesen sein könne, beruhe auf einer Spekulation. Der Schluss liege schon im Blick auf die erhebliche Zeitspanne eher fern. Zudem belegten die umfangreichen Ausspähunterlagen von Böhnhardt und Mundlos über Jahre hinweg, dass diesen durchaus Aufenthaltsorte von Menschen mit Migrationshintergrund in Großstädten nicht unbekannt gewesen seien.

Auch die Bezüge zu André Kapke, und führten zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Antragssteller die Konspirativität der Kommunikation im Unterstützerkreis sowie Unterstützungsleistungen weiter aufklären wollten, rechtfertige dies die Beiziehung nicht. Denn dazu sei bereits eine umfangreiche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung durchgeführt worden, es sei bereits hinreichend belegt. Eine darüber hinausgehende Klärung der Umstände 1998 müsse sich daher dem Senat nicht aufdrängen. Einer Vernehmung des Zeugen Wunderlich werde nicht entgegengetreten. Er sei auch vom GBA als Zeuge benannt, insbesondere mit Blick auf den Angeklagten Wohlleben. Zum Beweisantrag von RA Scharmer und RA Ilius auf Zeugenvernehmung von sagt Greger, der Beweisantrag sei aus rechtlichen Gründen abzulehnen. Denn sämtliche Beweistatsachen seien für das Verfahren ohne Bedeutung. Die Antragssteller hätten Beweiserhebungen zu einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund, zu Diskussionen in der rechten Szene betreffend die „“ sowie zur bundesweiten und internationalen Kontakten des Zeugen Gottschalk, Waffengeschäften, Nutzen der Kontakte für den Aufbau von Zellen, beantragt. Des weiteren solle Gottschalk bekunden, dass die Ermordung von Migranten ohne Bekennerschreiben bei Kennern der „Turner-Tagebücher“ auf eine Neonazimordserie schließen lasse. Der Antrag habe die Aufhellung rechter Strukturen insbesondere im Raum Dortmund und rund um die Zeugen Gottschalk und zum Gegenstand.

Die Aufklärung dieser Strukturen könne nicht zu einer Aufklärung der angeklagten Taten hier im Verfahren führen. Denn es gebe keine tragfähigen Anhaltspunkte auf die Existenz von lokalen Unterstützern an den jeweiligen Tatorten. Dies gelte auch für Dortmund. Es gebe auch keinen Anhaltspunkte, dass Gottschalk über Wissen zu den angeklagten Taten verfügt habe oder, etwa über Mittelsleute, Kontakte zu den drei Untergetauchten gehabt habe oder Informationen mit ihnen ausgetauscht habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass die drei Untergetauchten oder Unterstützer mit einer -Zelle in Dortmund zusammengearbeitet hätten oder dass Gottschalk oder andere für den Mordanschlag in Dortmund verantwortlich sein könnten. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass es einen Informationsaustausch zwischen Seemann, Gottschalk und den Untergetauchten und den weiteren Angeklagten gegeben habe. Das würden die Antragssteller auch nicht behaupten. Ihre Ausführungen erschöpften sich in bloßen Vermutungen und Spekulationen. Sie würden sich auf Kennverhältnisse, internationale Vernetzungen der rechten Szene und Diskussionen der rechten Szene stützen. Es fehle an konkreten Bezügen zur Anschlagsserie und zur von der Szene abgeschotteten Gruppe des NSU.

Soweit Gottschalk bekunden solle, dass die Ermordung migrantischer Einzelhändler ohne Bekennerschreiben die Handschrift einer C18-Zelle tragen solle, sei das für das Strafverfahren nicht von Relevanz. Denn zu klären sei, ob die angeklagten Personen verantwortlich für die Tat sind und und ob eine rechtsradikale Gesinnung ein Motiv für die Tatbegehung ist. Anhaltspunkte, dass die Angeklagten einer C18-Gruppierung angehörten, hätten sich nicht ergeben. Die Frage, ob die Neonaziszene nach den Anschlägen die Handschrift von C18 erkannt habe, spiele keine Rolle. Mangels konkretem Bezug zu den angeklagten Taten und Personen gebiete auch die allgemeine Aufklärungspflicht, die begehrte weitere Abklärung nicht. Zum Antrag Scharmers auf Vernehmung von Seemann sagt Greger, dieser sei aus Rechtsgründen abzulehnen, die Beweistatsachen aus dem Antrag seien ohne Bedeutung. Sie verweise hierzu zunächst auf ihre Stellungnahme vom 03.07.2013 zum Beweisantrag der NK Yozgat und auf die Stellungnahme zur Zeugenvernehmung Gottschalk. Die Ausführungen zu Gottschalk würden auch hier gelten. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Existenz lokaler Unterstützer und Waffenlieferanten. Ermittlungen zu weiteren Unterstützern und Waffenlieferanten würden im anhängenden Verfahren des GBA laufen. Die BAW werde den Senat unverzüglich unterrichten, sollten daraus neue Erkenntnisse zu Waffenhändlern oder Unterstützern erwachsen. Derzeit gebe es auch aus dem Briefwechsel Zschäpes mit Schmiemann keine Anhaltspunkte für Kontakte zu Seemann oder weiteren Personen in Dortmund. Die Aufklärungspflicht gebiete die aufgeworfenen Fragestellungen und Beiziehungen von Dokumenten nicht. Für die in der Hauptverhandlung zu klärende Frage, ob und wie die Angeklagten strafrechtlich verantwortlich sind, lasse sich kein konkreter Bezug ableiten und keine erkennbare und sinnvolle Möglichkeit zur Aufklärung der angeklagten Sachverhalte.

RA Scharmer repliziert, es erstaune schon, dass die BAW unterstelle, es handele sich um reine Vermutungen. In den Anträgen sei ja ausgeführt worden, worauf sich gestützt wird, z. B. den Vermerk von 2011 aus dem PP Dortmund, der in den hiesigen Akten fehle, aber den Haftsachenbänden entnommen werden könne. Dort habe Seemann der Polizei unaufgefordert mitgeteilt, dass er Angaben zu denn Waffen TT 33 und Bruni mache könne. Und diese Waffen hätten sehr wohl Verfahrensbezug. Man kläre hier zurecht auf, wie die Ceska zu den Tätern gekommen ist. Deswegen könne er sich nicht erklären, warum das nicht für die TT 33 und die Bruni gelten solle. Dieser Vermerk fehle in den Akten. Aber die BAW behaupte, sie würde neuere Erkenntnisse zeitnah mitteilen. Das stimme nicht. Auch Vernehmungen seien hier teilweise erst wesentlich später vorgelegt worden. RA Hoffmann sagt, die BAW habe gerade eben zu zweien der Anträge, wo es um die Frage der Vernetzung der Angeklagten und des NSU mit C18- und -Strukturen gehe, ins Zentrum gestellt, nach der bisherigen Beweisaufnahme habe sich ergeben, der NSU sei eine von der Szene isoliert Gruppe gewesen: „Dann war ich wohl in einem anderen Prozess.“

Man habe Hinweise, dass B&H Sachsen oder B&H Chemnitz beschlossen habe, die drei, den NSU, zu unterstützen, ihnen Waffen zu besorgen. Man habe bereits geklärt, dass die Unterbringung direkt durch Mitglieder und Umfeld von B&H Chemnitz erfolgt sei, dass man sich beim Fahrradfahren getroffen habe, das man sich besucht habe, dass man mehrfach die Wohnung gewechselt habe, einzelne in B&H-Zeitungen geschrieben hätten, dass sie sich Hilfe geholt oder Hilfe gegeben hätten fürs Layout: „Das ist doch keine von der Szene isolierte Gruppe.“ Wenn man davon ausgehe, dass es einen Beschluss bei B&H Chemnitz oder Sachsen gab, die drei Abgetauchten mit Waffen und Logistik zu unterstützen, dann sei es keine Vermutung, wenn man sage, dann muss man diejenigen Kontakte zum selben organisatorischen Zusammenhang überprüfen. Und wenn es dann in einer anderen Stadt eine identische Organisation gebe, die mit der in Sachsen verbunden sei und danach einer sage, er können Hinweise auf die Tatwaffen geben, „dann kann ich nicht verstehen, wie Sie zu dem Schluss kommen“.

NK-Vertreter RA Bliwier sagt, Gregers Stellungnahme sei verräterisch. Sie räume ein, dass es Ermittlungen genau in die Richtung gebe, die die Beweisanträge initiierten. Man werde es aber nicht hinnehmen, dass der GBA entscheide, was verfahrensrelevant ist. Man habe das schon mal gehabt bei Temme. Die Dinge gehörten hier in die Hauptverhandlung. Wenn der GBA in diese Richtung ermittele, dann werde nicht akzeptiert, dass der GBA entscheidet, wann das in die Hauptverhandlung kommt. NK-Vertreterin RAin von der Behrens sagt, bei den Turner-Tagebüchern sei der Bezug am offensichtlichsten. Seemann habe unmittelbar nach dem Auffliegen geäußert, dass die Ermordung von Einzelhändlern die Handschrift der „Turner-Tagebücher“ trage. Man habe zwei Angeklagte, bei denen die „Turner-Tagebücher“ gefunden worden seien, z. T. gelöscht gleich nach dem 04.11.2011. Dann müsse es für die Angeklagten noch viel naheliegender gewesen sein. Es gebe hier offensichtlich eine Verbindung, es sei nicht zu verstehen, warum die Relevanz nicht gesehen werde. Das andere sei, darauf habe Hoffmann schon hingewiesen: Wenn es heiße, die NK würde sich in Spekulation ergeben, dann sei das z. T. richtig.

Denn wenn so jemand wie Seemann nicht vernommen werde, obwohl er solche Hinweise gebe, dann müsse man spekulieren, warum auf die förmliche Vernehmung einer so wichtigen Person verzichtet worden sei. NK– Vertreter RA Langer sagt, was auch gegen eine Vermutung spreche, sei, dass das Bekennervideo beginne mit: „Der NSU ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz Taten statt Worte“. Da spreche aus dem Selbstverständnis der Täter, dass sie sich selbst einem Netzwerk angehörig gefühlt hätten. NK-Vertreter RA Narin sagt, er wolle erwidern auf die Behauptung, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die drei C18 unterstützt hätten. C18 sei kein Verein und keine Partei, es gelte der Grundsatz der Tat. C18 sei der bewaffnete Flügel von B&H. Und es sei der Sektionschef von B&H Thüringen, gewesen, der dem Trio Gelder habe zukommen lassen, und gesagt habe, die Drei würden jetzt „jobben“ und kein Geld mehr benötigen. Wießner habe hier ausgesagt dass „Jobben“ in der Terminologie von C18 ein Synonym für Banküberfälle sei. Und es sei Carsten Szczepanski gewesen, der eine Meldung über „weitere“ Banküberfälle weitergegeben habe. Deshalb habe man hier sehr wohl Anhaltspunkte dafür, dass das Trio eine C18-Zelle war oder in dem Kontext agierte. Der Verhandlungstag endet um 14.40 Uhr.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Der Vorsitzende legte besonderen Wert auf die von den Machern selbst erstellten Texte, beispielsweise den nach jedem dargestellten NSU-Anschlag wiederholten Satz, das Opfer „weiß nun, wie ernst uns die Erhaltung der deutschen Nation ist“. Beate Zschäpe hatte Zugang zu dem Rechner, auf dem sich die Videos befanden. Es gibt konkrete Hinweise, die in den kommenden Wochen noch thematisiert werden, dass sie selbst Passagen dieser Videos bearbeitet hat. Die Mordserie war also von der ersten Tat an geplant, die Gruppe scheint sich allerdings erst später entscheiden zu haben, ihr Bekennervideo nicht zeitnah nach den Taten zu veröffentlichen.

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2014/11/18/18-11-2014/

    » «