Spurensuche zum Anschlag in der Kölner Keupstraße

0

Von Britta Kremers, erschienen in: Lotta – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen, #56, Sommer 2014

Der Bombenanschlag am 9. Juni 2004 in der Keupstraße – mindestens 22 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt – hätte die ErmittlerInnen schon unmittelbar nach der Tat auf die Spur Rechtsterrorismus stoßen müssen. Die 1999 vom Combat 18-Sympathisanten David Copeland in London verübten Nagelbombenanschläge wirken wie Vorbilder für die Kölner Tat. Das war auch der britischen Kriminalpolizei aufgefallen, die ein umfangreiches Dossier an das BKA und die Kölner Polizei schickte. Letztere „ermittelte“, dass Copeland noch inhaftiert war, folglich als Täter ausschied, und verfolgte die Spur nicht weiter. Auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) waren die Londoner Anschläge bekannt, in einem internen Dossier wurden diese mit der Nagelbombe in Köln verglichen und 18 Adressen von Usern des Combat 18-Forums in der Umgebung von Köln aus einem Antifa-Hack aufgeführt. Das Dossier soll dann laut BfV an den VS NRW gegangen sein, der es an die ermittelnde Polizei weiterleiten sollte. Doch sowohl den im Bundestag-UA vernommenen NRW-VerfassungsschützerInnen als auch den PolizistenInnen war das Dossier unbekannt. Unklar ist, ob es über­haupt seinen Weg zum VS NRW fand.

Ebenfalls nicht aufgeklärt werden konnte, auf wessen Anweisung das Lagezentrum der Polizei im NRW-Innenministerium das ermittelnde LKA gegen 17.36 Uhr aufforderte, die in dessen ersten Bericht formulierte Einschätzung des Anschlags als „terroristische Gewaltkriminalität“ zu streichen. Zehn Minuten vorher war Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) über den Anschlag in Kenntnis gesetzt worden. Behrens konnte sich vor dem Bundestags-UA nicht daran erinnern, diese Korrektur beauftragt zu haben. Fortan allerdings rückte ein mögliches politisches Motiv immer weiter in den Hintergrund. Nicht nachvollziehbar ist weiterhin, warum ein Mitarbeiter des BfV am Tattag gegen 19.53 Uhr dringend einen Kollegen des VS NRW sprechen wollte. Beide Geheimdienstler waren keine „Auswerter“ oder Analysten, sondern in der „Beschaffung“, d.h. in der Werbung und Führung von V-Leuten, führend tätig. Was hatten sie so Dringendes zu besprechen, was nicht bis zum nächsten Morgen hatte warten können? Die im Bundestags-UA getätigten Aussagen dazu sind nicht schlüssig.

Ungeklärt ist auch, was zwei Zivilpolizisten kurz nach der Explosion am Tatort machten, die dort von einem Zeugen gesehen wurden. Erst als sich der Zeuge 2012 an den Bundestag-UA wandte, nannte das NRW-Innenministerium die Namen zweier Polizisten, die in der Folge zum ersten Mal überhaupt vernommen wurden. Sie gaben an, nicht in Zivil, sondern uniformiert gewesen zu sein. Gegenüber JournalistInnen sagte der Zeuge aus, bei den beiden Beamten habe es sich nicht um die Männer gehandelt, die er gesehen habe.

Auch zwei vom LKA und BKA aufgestellte operative Fallanalysen änderten nichts daran, dass in Richtung Neonazi-Szene nicht ausreichend ermittelt wurde, obwohl die Profiler die Botschaft der Tat korrekt deuteten und den Tätern einen Hass auf Türken bescheinigten. Sie erkannten darin aber ein persönliches und kein politisches Motiv, da eine Bekennung fehlte. Die Polizei nahm an, dass die Täter in der Gegend über ein „Depot“ verfügten, da die Bombe aufgrund ihrer Bauweise für lange Transporte ungeeignet war. Hatten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auch bei diesem Anschlag lokale Helfer_innen?