V-Mann-Porträt: Tino Brandt

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Jahrelang spitzelte für den Thüringer Geheimdienst. Der staatlich finanzierte Neonazi baute den »« auf und unterstützte die abgetauchten NSU-Mitglieder.

von Anton Maegerle, erschienen in der rechte rand, Heft 150

Der ehemalige thüringische Neonazi-Führer und -Spitzenfunktionär Tino Brandt war von den 1990er Jahren bis um die Jahrtausendwende die Schlüsselfigur des »Thüringischen Heimatschutzes« (THS), aus dem der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) hervorging. Zugleich stand Brandt als V-Mann in Diensten des »Thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz« (). Bis zu seiner Enttarnung war Brandt die maßgebliche Informationsquelle des TLfV. Im Auftrag des Inlandsgeheimdienstes suchte der Spitzel Kontakt zu dem NSU-Trio. Brandt war mit der versuchten Beschaffung falscher Reisepässe und der Organisation von Spendengeldern für die späteren Rechtsterroristen beschäftigt. Seit Ende Juni sitzt Brandt in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, einen minderjährigen Jungen sexuell missbraucht und später an Freier vermittelt zu haben.

Geld für die Szene

Als 19-Jähriger wurde Brandt 1994 vom TLfV unter seinem damaligen Behördenchef Helmut Roewer als V-Mann verpflichtet. Brandts Decknamen waren »Otto« und »Oskar«. 2001 flog Brandts V-Mann-Tätigkeit auf. Für seinen Spitzeldienst hat Brandt im Laufe der Jahre ein Spitzensalär in Höhe von circa 100.000 Euro kassiert. Fahrtkosten, Auslagen und technische Geräte wie Telefon, Fax, Computer, Modem und Handy wurden vom Amt zusätzlich erstattet. Über die Höhe des staatlichen Spitzelhonorars an Brandt zeigte sich Uwe Kranz, einst Leiter des Landeskriminalamts Thüringen, in seiner Zeugenaussage im Februar 2013 vor dem Erfurter NSU-Untersuchungsausschuss geschockt. Brandt habe ihm mit dem Aufbau des THS viel Arbeit bereitet: »Ich fasse es nicht. Ich darf gar nicht darüber nachdenken.«

Die Steuergelder will der braune Lebemann größtenteils in Neonazi-Strukturen gesteckt haben. Auch wenn diese Schutzbehauptung kritisch zu hinterfragen ist, gilt als sicher, dass Brandt Gelder in die braune Bewegung hat fließen lassen. Spätestens seit Anfang 1995 waren die späteren NSU-Rechtsterroristen in THS-Zusammenhängen aktiv, besuchten Kameradschaftsabende und nahmen an von Brandt mitorganisierten Demonstrationen teil.

Vom Verfassungsschutz instruiert

Seinen politischen Werdegang startete Brandt unter anderem im Umfeld der Neonazi-Gruppe »« (NB). Unter dem Pseudonym »Till Eulenspiegel« agierte Brandt als Vielschreiber des Neonazi-Mailbox-Verbunds »«. Reiner Bode, einer der V-Mann-Führer von Brandt, führte in seiner Zeugenvernehmung am 1. April 2014 beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München aus, Brandt sei vom TLfV instruiert worden, am »Thule-Netz« teilzunehmen.

Nach seinem beruflich bedingten Umzug 1996 nach Bayern initiierte Brandt die Gründung des »Fränkischen Heimatschutzes« als Pendant zum THS. Über Jahre hinweg arbeitete er als kaufmännischer Angestellter beim rechten Verlag »« im fränkischen Coburg, 80 Kilometer von Rudolstadt entfernt. Vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss sagte Kriminalhauptkommissar Manfred Kellner am 22. Januar 2013 aus, die oberfränkische Neonaziszene sei nach dem Zuzug von Brandt »auffälliger« geworden. Die bayerischen Verfassungsschützer waren über den Zuzug des umtriebigen Brandt nicht erfreut.

Schießübungen in Thüringen

Graue Eminenz bei »Nation Europa« war . Auf Bitte von Brandt kaufte Dehoust im Juli 1996 ein 2.180 Quadratmeter großes Grundstück im thüringischen Kahla. Auf dem Gelände sollen Neonazis Schießübungen durchgeführt haben. ZeugInnen identifizierten auf Fotos unter anderem Brandt und Böhnhardt.

Mit Wissen des Verfassungsschutzes organisierte Brandt Spendensammlungen bei Konzerten und reichte die Einnahmen an André Kapke und Ralf weiter. Er erteilte im Auftrag des TLfV Kapke den Auftrag, falsche Pässe für das NSU-Trio zu besorgen. Das Geld dafür, 1.000 Euro, kam vom Verfassungsschutz. Geld aus der Kasse des Inlandsgeheimdiensts floss auch für das vom Trio in Anlehnung an das populäre Spiel »Monopoly« selbst hergestellte antisemitische Brettspiel »«. Die Anspielung auf die Reichspogromnacht kostete 50 Euro. Brandt besorgte im Auftrag des TLfV mehrere Exemplare.

Ermittlungsverfahren eingestellt

Gegen Brandt wurden 35 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Brandt »war im Zeitraum seiner nachrichtendienstlichen Führung an einer Vielzahl von als verfassungsfeindlich geltenden Aktionen beteiligt«, räumte das Thüringische Innenministerium im März 2012 in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu dem V-Mann ein. Trotz der hohen Zahl an Ermittlungsverfahren gegen Brandt kam es jedoch nie zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Neonazis und V-Mannes.

Brandt wurde am 12. Mai 2001 in einem Artikel der »Thüringer Allgemeinen« als V-Mann geoutet. Nach seiner Enttarnung trat er als stellvertretender Landesvorsitzender der Thüringer NPD zurück und verschwand, wie auch der THS – der nun ohne treibenden Motor war – von der politischen Bühne.

Für bundesweite Schlagzeilen sorgte Brandt erstmals wieder im März 2012. Bei einer Hausdurchsuchung bei Brandt war die Polizei auf Hinweise gestoßen, dass dieser von 2004 bis 2008 Besitzer einer Doppelhaushälfte in Hardthausen am Kocher (Kreis Heilbronn) war. Während dieser Zeit war im April 2007 in Heilbronn die Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter erschossen und ihr Kollege Martin A. von NSU-Terroristen schwer verletzt worden. Behördenangaben zufolge hat Brandt mit dem Kauf dem in finanzielle Nöte geratenen Freund Herwig L. helfen wollen. L. lebte eine Zeit lang in Ostthüringen.