Protokoll 189. Verhandlungstag – 4. März 2015

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Am heutigen Verhandlungstag sagt als einziger Zeuge der Bruder André Kapkes aus, da der eigentlich auch geladene Gordion Meyer-Plath aus Termingründen wieder abgeladen wurde. Wie auch Kapkes Bruder André, der ebenfalls schon aussagte, gehörte er zum Thüringer Heimatschutz. Nach eigenen Angaben allerdings zu einer Gruppe, die jünger war als Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Wohlleben und zu der auch Carsten Schultze gehörte. Der Zeuge schrieb nach deren Abtauchen ein Lied über die Drei. Später wurde er auf einer NPD-Schulungsveranstaltung auf das Trio angesprochen.

Zeuge: Kapke (THS, Erkenntnisse zu Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Wohlleben, Schultze)

Richter Götzl fragt Zschäpe zu Beginn, ob es ihr wieder gut gehe, worauf diese nickt und bittet sie, sich über ihre Anwälte zu melden, wenn etwas sein sollte. Danach erklärt er, dass es Terminkollisionen gab und Gordion Meyer-Plath, der heute als erster Zeuge aussagen sollte, abgeladen sei. Da der nächste Zeuge, der jüngere Bruder von André Kapke, erst für 11 Uhr geladen sei, sei jetzt Zeit für Anträge und Erklärungen.

NK-Anwalt Elberling gibt gemeinsam für die NK-Vertreter Hoffmann und Kuhn eine Stellungnahme nach §257 zu dem Gutachten des Sprengstoffsachverständigen Dr. Mölle und des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Peschel (185. Verhandlungstag) ab. Die Berichte der beiden Sachverständigen hätten noch einmal die mörderische Dimension der Nagelbombe in der Keupstraße deutlich gemacht. Die ballistischen Versuche von Dr. Mölle hätten ergeben, dass die in der Bombe enthaltenen Nägel noch in einer Entfernung von 25 Metern eine kinetische Energie von weit über 79 Joule aufgewiesen hätten, dem Grenzert für „wirksame Treffer“ der NATO-Norm für Kriegsgerät. Es sei festzustellen, dass bis in 100m Entfernung Gefahr für Leib und Leben bestanden hätte, durch die Nägel und bis zu 50m Entfernung mit schweren Verletzungen und Gefahr für Leib und Leben durch die Splitter der Gasflaschen und Teilen des Fahrrads bestanden hätte. Glassplitter von Fenstern und Türen seien geeignet gewesen, schwere Verletzungen herbeizuführen.

Nach Angaben von Peschel komme die Gefahr ganz erheblicher psychische Folgeschäden hinzu, ein häufige Folge seien posttraumatische Belastungsstörungen. Es sei festzustellen, dass die von Peschel genannten Symptome einer posttraumatische Belastungsstörung von einer ganzen Reihe von Geschädigten aus der Keupstraße geschildert, bei vielen diese Diagnose gestellt worden sei. Für alle Menschen, die sich während des Anschlags in dem von Dr. Mölle skizzierten Bereiches befanden hätten, inkl. der zur Keupstraße gelegenen Läden und Wohnungen, auch im ersten Stock, habe die konkrete Gefahr von lebensgefährlichen Verletzungen bestanden.

Götzl fragt erneut Zschäpe, ob sie der Aussage der Zeugin So. folgen konnte. Nach kurzer Beratung erklärt die Verteidigung, ihre Mandantin habe der Zeugin nicht in Gänze folgen können. Götzl erklärt, dass die Zeugin dann noch einmal gehört werde. RA Klemke gibt eine Erklärung zur Zeugin Ha. ab: Es sei spürbar greifbar gewesen, dass diese den Angeklagten Carsten Schultze möglichst entlasten wollte. Bezüglich der anderen Angeklagten, insbesondere Ralf Wohlleben, sei ein deutlicher Belastungseifer zu spüren gewesen, daher sei die Aussage mit Vorsicht zu genießen.

Nun folgt ein Beweisantrag mehrerer NK-Anwält_innen, vorgetragen von RA Elberling, zu laden. Der Zeuge werde bekunden, dass die KS Jena um 1995 aus politischen Diskussionen u.a. von Mundlos, Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach und André Kapke gegründet wurde und das Ziel hatte, den Staat zu bekämpfen und eine nationalsozialistische Gesellschaftsform zu schaffen. Schon in der Anfangsphase habe es Diskussionen um die Bildung einer militanten Organisation gegeben. Insbesondere Uwe Mundlos glaubte, den NS wieder einzuführen zu können, die Einheit der Rasse habe für ihn im Vordergrund gestanden. Ralf Wohlleben habe diese Einstellung geteilt. In seiner BKA-Vernehmung hab der Zeuge anschaulich die Entwicklung einer losen Jugendgruppe zu einer radikalen politischen Gruppe beschrieben. Er habe auch von seiner eigenen Radikalisierung und dem Drang, etwas Sichtbares zu tun, berichtet. Diese Tatsachen seien für die Frage des Vorsatzes bei Gerlach und Wohlleben erheblich. Sie hätten zu den Gründungsmitgliedern der KS Jena gehört und seien von Beginn an eine Gruppe mit dem Ziel eines Umsturzes gewesen, die auch über bewaffnete Aktionen diskutiert habe. Das Trio habe sich nicht erst in Chemnitz radikalisiert, sondern schon vor dem Abtauchen. Gerlach und Wohlleben sei die die gewalttätige Ausrichtung derer, die sie unterstützen, klar gewesen.

Nach knapp einer Stunde Pause geht es um 11:21 Uhr weiter. Gekommen ist der Zeuge Kapke, 34-jähriger Softwareentwickler aus Jena und Bruder des früheren THS-Anführers André Kapke. Götzl bittet ihn, seine Kenntnisse zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe im Zusammenhang darzustellen. Durch seinen Bruder [André Kapke] habe er die Drei in der ersten Hälfte 1996 kennen gelernt, sie seien drei-vier Jahre älter als er gewesen. Gemeinsam habe man dann Demonstrationen und politische Veranstaltungen besucht, sei regelmäßig auf politische Veranstaltungen gefahren. Er sei damals 16 Jahre alt gewesen, trotz des Altersunterschiedes seien Leute seines Alters von der KS Jena weitgehend akzeptiert worden. In diesem Personenkreis, ca. 40 Personen in Jena, habe man sich regelmäßig getroffen. Auf Nachfrage sagt er, sie seien gemeinsam auf Demonstrationen gefahren.

Götzl fragt nach den einzelnen Personen Böhnhardt, Zschäpe, Mundlos. Kapke sagt, in seiner Wahrnehmung sei das bis 1998 kein Trio gewesen, sondern gemeinsam mit Wohlleben, Gerlach, seinem Bruder und anderen, deren Namen er jetzt nicht wisse, ein Freundeskreis, der Sachen zusammen unternommen hätte. Mundlos habe er als eloquenten, intelligenten Menschen wahrgenommen, er habe gedacht, er studiert. Böhnhardt habe auf ihn verschlossen gewirkt, er würde sagen, eine Black Box. Er habe aber auch fröhliche Züge gehabt, eine gewisse Unberechenbarkeit, Affinität zu Waffen und Gewalt. Zschäpe habe er als heitere Person wahrgenommen, nicht besonders intelligent, aber eine gewisse Bauernschläue und es habe eine gewisse besondere Zuneigung in Bezug auf die beiden Uwes gegeben, da habe es wohl Liebschaften gegeben. In dieser Zeit (1996/1997) sei sie gerade mit Böhnhardt liiert gewesen. Zu der Beziehung zu Mundlos könne er keine Beobachtungen mitteilen, das sei scheinbar vor der Zeit seines Kontakts gewesen.

Götzl fragt nach der Unberechenbarkeit Böhnhardts, von der der Zeuge gesprochen habe. Kapke sagt, in einem Moment habe er gelacht und sei fröhlich gewesen, im nächsten Moment habe sich seine Miene verfinstert. Einmal habe er bei einer Diskussionsveranstaltung erlebt, wie er angerempelt wurde und schlagartig aggressiv wurde, dem Anderen gedroht habe und auf ihn losgehen wollte und von anderen zurück gehalten werden musste. Zur erwähnten Affinität zu Waffen sagt der Zeuge, Böhnhardt habe immer einen Schlagstock oder Messer, Schreckschusspistole dabei gehabt. Zu scharfen Waffen könne er aber nichts sagen. Befragt zu Waffen bei Mundlos, hat der Zeuge kein konkretes Beispiel. Beide hätten sich aber ca. ab der Jahreswende 1996/97 optisch radikalisiert. Sie seien in braunen Uniformen, Schaftstiefeln aufgetreten und sich in ihrer Optik angeglichen. Fast wie Brüder hätten sie ausgesehen.

Nach Beate Zschäpe befragt, sagt der Zeuge, bei gemeinsamen Treffen hätten sie nicht den Eindruck als Pärchens gemacht. Es seien keine Zärtlichkeiten ausgetauscht worden, aber viel Neckerei, gegenseitiges Hochziehen. Götzl fragt noch einmal zu der Personenkonstellation der Drei. Es sei Sympathie sichtbar gewesen, aber nach seiner Wahrnehmung hätten sie in der Clique keine Sonderrolle gespielt, seien aber häufig zusammen im Auto gefahren. Dies sei auch mit Informationen seit 2011 geprägt. Zur Rolle von Gerlach und Wohlleben gibt der Zeuge an, dass am ehesten sein Bruder und Ralf Wohlleben erst nach dem Abtauchen eine Führungsrolle übernommen hätten. Bis dahin seien die zuvor genannten Personen der harte Kern der Szene in Jena gewesen. Wohlleben habe sich um die jüngeren Leute gekümmert, André Kapke die überregionale Netzwerktätigkeit übernommen. Holger Gerlach habe er eher wie einen Mitläufer mitbekommen, irgendwann sei dieser weggezogen. Nach dem Abtauchen habe er ihn erst wieder auf einem Konzert in Hildesheim getroffen. Das Verhältnis zwischen seinem Bruder und ihm, dem Zeugen, sei nicht brilliant gewesen, sie verstünden sich nicht besonders gut. Der Kontakt zu Wohlleben sei besser gewesen. Er habe Schulungen angeregt, Tipps zu Umgang mit der Polizei gegeben, auf Veranstaltungen eingeladen. Befragt zu seinem Bruder André Kapke, sagt der Zeuge, mit der überregionalen Netzwerktätigkeit meine er überwiegen Thüringen. Er habe Kontakt zu gehabt, insbesondere nach Saalefeld-Rudolstadt, aber auch nach Berlin, nach Gera.

Götzl fragt, was der Zeuge vom Abtauchen mitbekommen habe. Im Frühjahr 1998 seien sie noch als große Gruppe, 20 Personen aus Jena, deutlich mehr aus Thüringen, auf einer Demonstration in Dresden gewesen. Danach sei es plötzlich still geworden. In der ca. dritten Februarwoche habe er einen Anruf von Carsten Schultze bekommen, der gesagt habe, er solle mal in die Zeitung schauen. Dort sei ein Bild von Rohrbomben und dem Pogromly-Spiel gewesen. Er habe gesagt, kannst du dir vorstellen, wer das war. Wenige Tage später sein ein Fahndungsaufruf mit Bildern in der Zeitung gewesen. Insbesondere das Spiel Pogromly sei ihm bekannt gewesen, er habe es zu Hause bei Zschäpe gesehen, vermute er.

Auf Nachfrage erklärt der Zeuge, der letzte Kontakt zu den drei Personen sei im Januar 1998 in gewesen. Danach habe er gar keinen Kontakt mehr gehabt. Im Januar 2000 sei er von Edda Schmidt [Rechtsextremistin aus Baden-Württemberg] angesprochen worden, es würden Leute aus Chemnitz kommen, die etwas über Leute wüssten, die untergetaucht sind. Das sei für ihn irritierend gewesen, da in der Szene in Jena kolportiert wurde, die seien im Ausland, Südafrika, oder von einem Geheimdienst umgebracht. Bei der Veranstaltung sei er mit Edda Schmidt und einer weiteren männlichen Person in den Wald gelaufen, dort habe die Person von drei Personen aus Jena erzählt, die hätten Bomben gebaut und würden in einer Plattenbauwohnung wohnen den ganzen Tag Playstation spielen. Die Person habe seit sechs Wochen keinen Kontakt mehr. Die Situation sei ihm sehr seltsam vorgekommen und er habe es vermieden, weitere Fragen zu stellen. Götzl stellt weitere Nachfrage und der Zeuge erläutert, die Veranstaltung sei eine Schulung zu Brauchtum gewesen, in einer Jugendherberge in Eisenberg bei Jena. Dort habe Tino Brandt auch jedes Jahr Geburtstag gefeiert und die gesamten Kosten übernommen. Die Person hätte szenetypische Kleidung getragen und älter als er gewirkt, er vermute um die 25 Jahre. Namentlich sei sie nicht vorgestellt worden. Er habe gelesen, dass es VS-Notizen dazu gebe, die seien ihm von einem Journalisten zugespielt worden. Diese seien nicht korrekt, Wohlleben und Brandt seien nicht dabei gewesen, nur Edda Schmidt. Die Person sei mit einer weiteren Person im Auto gekommen, aber diese habe nicht mit ihm gesprochen.

Götzl fragt, was er den VS-Notizen entnommen habe. Der Zeuge sagt, sinngemäß, dass Edda Schmidt, Wohlleben und Brandt dabei gewesen seien und Wohlleben das Gespräch unterbrochen hätte. Für ihn seien das allererste Informationen nach zwei Jahren gewesen. Die Information, dass sie in Chemnitz seien, habe auf ihn relativ banal gewirkt, die ganzen Erzählungen in der Szene hätten ein wesentlich spektakuläreres Bild gezeichnet von den Drei. Mehrere Jahre später, aber vor 2011, habe er seinen Bruder angesprochen, aber der habe ihm zu verstehen gegeben, dass es ihn nicht interessiert und er es nicht weitersagen sollte. Im November 2011 habe er sehr mit sich zu hadern gehabt und von seinem Gewissen her Probleme, ob er es preisgeben soll, so der Zeuge. Aber dann habe sich der Journalist mit der VS-Akte gemeldet. Es sei einer der beiden Autoren von dem Buch „Die Zelle“ gewesen.

Dann fragt Götzl nach Edda Schmidt. Der Zeuge sagt, er habe sie beim Jahreswechsel 1999 auf einer Veranstaltung kennengelernt. Bei der besagten Veranstaltung sei er der Einzige aus Jena gewesen, er vermute deshalb sei er ausgewählt worden, oder wegen dem Lied, das er geschrieben habe. Götzl fragt nach dem Lied. Das Lied „Warum?“ oder „5. Februar“, sagt der Zeuge. Er sei damals in der Liedergruppe Eichenlaub gewesen. Nach dem Anruf von Carsten Schultze sei er sehr konsterniert gewesen, da er nicht davon ausgegangen sei, dass sie hinter den Bombenattrappen stecken. Dies habe er in dem Lied für sich verarbeitet. Es sei im Mai 1999 veröffentlicht worden.

Götzl fragt, wie das Gespräch im Januar 2000 zu Ende gegangen sei. Dazu fehle ihm die Erinnerung, so der Zeuge. Er glaube, das sei im Sande verlaufen. Er habe nie mit anderen Personen darüber gesprochen, auch nicht später mit Edda Schmidt. Heute würde sich ihm die Frage stellen, warum jemand aus Südwestdeutschland nach Eisenberg komme und mit jemanden aus Jena darüber rede. Es sei in Jena darüber nicht geredet worden. Götzl kommt auf den Anruf von Schultze zurück. Diesen habe er ca. 1994 kennen gelernt, so der Zeuge. Sie hätten gemeinsam Nachhilfe besucht. 1996/97 habe er ihn dann im Bus auf der Fahrt zu einer Demonstration nach München wieder getroffen. Früher habe er ruhig, introvertiert gewirkt. Dort habe er dann Szeneklamotten getragen und recht offen, selbstbewusst gewirkt. Sie hätten Telefonnummern ausgetauscht und es habe sich eine gute Freundschaft entwickelt. Er sei kein Schlägertyp gewesen, nicht dogmatisch und immer engagiert. Ab 1998 habe er sich in seiner Altersgruppe einen guten Stand erarbeitet, als charismatisch, angesehen, auch als Führungsfigur. Ob Schultze auch zu der Eingangs genannten Clique gehört habe, will Götzl wissen. Das sei ein abgeschlossener Freundeskreis gewesen, die Älteren. Dann habe es noch die Jüngeren gegeben, da hab Schultze dazu gehört. Nachdem die Drei abgetaucht seien, sei er eng mit Wohlleben befreundet gewesen.

Nach Kontakten von Schultze zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe befragt, sagt der Zeuge, er habe nichts dazu mitbekommen. Auch von den Kontakten des Ralf Wohlleben zu ihnen habe er erst im November 2011 durch den Journalisten erfahren. Es sei ihm befremdlich gewesen, dass Leute, die er selbst gekannt habe an Bomben, Morden, Banküberfällen beteiligt gewesen seien. Auf die Frage, ob finanzielle Unterstützung mal ein Thema gewesen sei, sagt Kapke, einmal sei in einem Club in Jena eine Klingelkasse herumgereicht worden. Es hieß, das Geld sei für Kameraden auf der Flucht oder im Knast. Aber in der Szene in Jena habe es einen Gehorsam gegeben, das sind welche von uns, da darf man sich nicht davon distanzieren. Mit seinem Bruder habe er nicht darüber gesprochen, aber da er ihn in den Wochen nach dem Abtauchen kaum gesehen habe, vermute er, dass er da involviert gewesen sei. Dann folgt um 12:08 Uhr die Mittagspause.

Weiter geht es um 13:20 Uhr. Richter Götzl fragt noch einmal nach dem Telefonat mit Carsten Schultze. Der Zeuge sagt, aufgrund des Spiels sei ihm klar gewesen, dass die Drei das gewesen seien. Nach Tino Brandt befragt, erzählt er, dass er diesen Anfang 1996 über seinen Bruder kennenlernte. Zu dieser Zeit sei dieser stark im Bereich Saalfeld-Rudolstadt aktiv gewesen, ab 1998 sei er auch häufiger in Jena gewesen. Sie seien öfters in Saalfeld gewesen, auf einem Stammtisch, wo sich die Kameradschaftsszene getroffen habe, in dieser Zeit habe es einen lebhaften Austausch gegeben.

Dann fragt Götzl nach , den der Zeuge aber nur aus der Presse kennt. Auch beim einer Lichtbildvorlage des BKA habe er niemanden erkannt, er habe eine Vermutung zu einer der Personen auf den neun Fotos gehabt, aber keinen exakten Treffer. Götzl kommt noch einmal auf das Thema Waffen zurück. Schreckschusswaffen seien ein Thema gewesen, die Situation in Jena habe sich ab 1996/97 dahingehend verschärft, dass sich Leute aus der rechten Szene, wohl auch aus der linken, bewaffnet hätten, mit Schlagstöcken etc. Von scharfen Waffen habe er aber niemals gehört. Zu Gewalt zur Durchsetzung von politischen Szene befragt, gibt der Zeuge an, Gewalt sei ein legitimes Mittel gewesen, was oft vollkommen unrechtmäßig ausgeübt worden sei. 1998/99 habe die gesamte Szene in Jena ein Mobilisierungspotential von 100-150 Personen gehabt, bis auf wenige Ausnahmen sei der Großteil gewaltbereit gewesen. Götzl fragt nach dem Personenkreis. Dieser sei ihm nicht in der Form als gewalttätig aufgefallen, dass sie losgezogen seien, um Leute zu verprügeln. Erlebt habe er aber eine Prügelei in Jena von Rechten untereinander und Gewaltandrohungen bei politischen Auseinandersetzungen bei Demonstrationen und Infoständen.

Der vorsitzende Richter fragt nach Tibor Re. Kapke sagt, dieser sei ein gewaltbereiter, unberechenbarer Kerl. In einem Interview habe er, der Zeuge, sich mal negativ über die Gewaltbereitschaft in der Skinheadszene geäußert. Daraufhin habe ihn Re. in Winzerla an die Wand gestellt und bedroht, dass er über die Szene nichts erzählen soll. Re. habe im Knast gesessen, weil er jemanden abgestochen habe, er habe große Angst vor diesem Menschen gehabt. Auf einen Vorhalt aus seiner Vernehmung hin, berichtet der Zeuge, dass Tibor Re. mal eine Frau „hart rangenommen“ habe. Es sei 1998/99 gewesen, dabei sei noch Carsten Schultze gewesen und ein weiterer mit dem Spitznamen „Pimpf“ und wahrscheinlich noch einer. Sie seien nach Lobeda zu einer Frau eingeladen worden, die habe ihnen 100 Mark gegeben, um an der Tankstelle Alkohol zu kaufen. Re. sei dageblieben und als sie wiedergekommen seien, sei die Frau am Weinen gewesen, und auf den Balkon gerannt, sie hätten verhindern müssen, dass sie springt. Was passiert sei, wisse er nicht, aber er habe Vermutungen.

Befragt zu den Turner Tagebüchern, antwortet der Zeuge, diese würden ihm nichts sagen. Götzl fragt zur der ersten BKA-Vernehmung am 27.06.2012, dort habe der Zeuge zu den drei Personen Böhnhardt/Mundlos/Zschäpe gesagt, die Gruppe habe jedem etwas vorgelebt, quasi Ideologie. Sie seien im Alter von ca. 16 Jahren gewesen, so Kapke, relativ neu in der Szene mit wenig Erfahrungen, Kennnissen. Im Beisein der drei Personen oder der Clique habe er immer das Gefühl gehabt, die passen auf dich auf. Auch ein gewissen Stolz, mit den Großen unterwegs zu sein. In dem Zusammenhang seien auch immer die Floskeln, Parolen gefallen und man nehme halt auch automatisch die Ideologie auf. Zur Ideologie führt er aus: nationalistisch, rechtsradikal, ausländerfeindlich, antisemitisch, sehr starker Bezug aufs Dritte Reich, Verherrlichung der SA und Waffen-SS.

Götzl fragt nach Kontakten des Zeugen zu Ausländern. Nein, aber das Paradoxon der Zeit sei, dass sie gar keine Ausländer gekannt, aber den Eindruck gehabt hätten, sie hassen zu müssen. Ein Grund dafür sei ihm nicht bekannt, aber die Musik, die Sprüche. Götzl hält aus der Vernehmung vor, dort habe er gesagt, er sei immer der Meinung gewesen, dass Bombenbau der falsche Weg zur Durchsetzung politischer Ziele sei, die Interviews seien noch im Internet, aber verändert, er vermute, dass diese zum Teil durch Gerlach oder Wohlleben bewusst verändert worden seien; die Antworten seien durch diese Personen entgegen genommen und an die Empfänger weitergeleitet worden. Zu diesem Vorhalt sagt der Zeuge, das klinge sicherlich schizophren. Aus einer Art Gehorsam habe sich niemand getraut, die zu kritisieren. Andererseits sei er der Meinung gewesen, dass das nicht in Ordnung ist und ihnen in politischen Auseinandersetzungen nichts bringe, eine Ambivalenz.

Die Interviews seien über Gerlach und Wohlleben an ihn herangetragen worden, die hätten einen persönlichen Kontakt gehabt. Der Zeuge liest aus einem mitgebrachten Ausdruck des B&H-Magazins vor, wahrscheinlich von 1999: „Warum?“ sei flüchtigen Kameraden gewidmet, es sei von Erwig geschrieben, das sei damals sein Pseudonym gewesen, so der Zeuge. „Trotzdem stehen wir zu dem was unsere Kameraden getan haben. Wir verurteilen sie deshalb nicht, alle sollen es lassen, die drei zu verurteilen”. Für ihn klinge das sehr widersprüchlich, so der Zeuge. Man habe ein Interview abgegeben, das später gelesen und der Text sei anders gewesen, als der, den sie damals geschrieben hätten. Es sei Praxis gewesen, dass Interviews umgeschrieben wurden, ohne dass man selbst gefragt worden sei.

Götzl hält eine weitere Passage aus der Vernehmung vor, es seien schon alle Nazis gewesen, vor allem der Mundlos. Der Zeuge sagt, die Ideologie des NS sei verherrlicht worden, als System der Zukunft, nach dem zu streben sei. Nach dem Abtauchen bis 2000 sei nur einmal in einer Diskothek ein Geldbeutel rumgereicht worden, so der Zeuge auf Nachfrage. Es habe nur wenige Gespräche gegeben, die Drei seien im Ausland. Daher sei sehr ungewöhnlich gewesen, als der mit dem Thema konfrontiert worden sei. Bei einem Interview mit einem Stern-Journalisten im November 2011 habe er Stein und Bein schwören können, dass er nicht gewusst habe, wo die Drei seien und das sei zuvor auch schon so gewesen. Als bekannt geworden sei, welche Bekannte alles Support geleistet hätten, mit Waffen, habe ihn das schockiert, da er nicht das nicht gewusst habe und auch nicht habe vorstellen können.

Götzl fragt nach Listen von Zivilfahrzeugen. Kapke gibt an, dass es 1996/97 fast wie ein Sport gewesen, bei Kontrollen die Nummern und Typen von Zivilfahrzeugen zu notieren, die sie an Mundlos und Böhnhardt weiterreichen sollten. Für sie junge sei das ganz toll gewesen. Auf eine weitere Frage erklärt der Zeuge, es sei mal die Rede von Ausweisen gewesen, dass Russen oder Ukrainer 6000 oder 7000 Mark bezahlen, wenn man seinen Ausweis verliere, also verkaufe. Nach dem Untertauchen habe er dazu nichts mitbekommen. In einem weiteren Vorhalt geht es um die Stellung von Ralf Wohlleben, dieser sei bis zum Untertauchen gleichberechtigt gewesen und danach den koordinativen Part der Szene in Jena übernommen, er sei der logistische Kopf gewesen. Dazu sagt der Zeuge, sein Bruder sei ein bisschen der Hitzkopf gewesen, nicht so superbeliebt, Wohlleben sei mehr angesehen und um ein freundschaftliches Verhältnis mit den ganzen Personen bemüht gewesen. Dadurch habe dieser einen guten Stand gehabt. Er sei um Schulungen, Aktionen bemüht gewesen und habe sich in der Kommunalpolitik engagiert.

Götzl hält weiter vor, in der Vernehmung habe der Zeuge gesagt, Gewalt sei in der Szene immer allgegenwärtig, um sich auf den Tag X vorzubereiten, falls mal Krieg ausbricht. Dazu erläutert Kapke, als Tag X sei der Tag gemeint, an dem das Gesellschaftssystem nicht mehr lebensfähig sei und die Neonazis das Ruder übernehmen. Darauf müsse man sich vorbereiten, ideologisch schulen. Gewalt habe er aus ganz nichtigen Gründen erlebt. Wenn die Haarfarbe nicht gefallen habe, die politische Gesinnung. Gerade in der Skinheadszene habe es regelrechte Exzesse gegeben. Er habe nicht gemeint, dass man das System mit Gewalt stürzen sollte, das habe aber schon Duktus sein können. Sein persönliches Empfinden sei gewesen, dass sie politisch versuchen sollten etwas zu verändern. Götzl fragt nach scharfen Waffen und deren Besorgung. Er habe nie erlebt, dass darüber gesprochen worden sei, so der Zeuge. Das einzige Gerücht sei gewesen, dass man auf die Märkte zu den Russen gehen und dort Waffen kaufen könne.

RA Stahl sagt, der Zeuge habe gesagt, es sei für ihn kein Trio gewesen, sondern einzelne Personen. Kapke antwortet, der Begriff des Trios treffe nur auf die Zeit nach dem Abtauchen zu, weil es drei Personen gewesen seien. Vorher sei es nach seiner Wahrnehmung in der Personengruppe relativ auf Augenhöhe gewesen. Stahl fragt nach konkreten der Beziehung Zschäpes. Kapke antwortet, ihm sei die alte Beziehung zu Mundlos bekannt, die wechselhafte Beziehung zu Böhnhardt und die Liaison mit aus Chemnitz. Zur Ideologie, die vorgelebt wurde, führt der Zeuge aus, dass Zschäpe mitgeschwebt sei, in der Konstellation. Böhnhardt und Mundlos seien aufgefallen, Mundlos als ideologischer Kopf. Zschäpe habe er als selbstbewusst wahrgenommen. Er selbst sei Anfangs Mitläufer gewesen, habe sich dann radikalisiert, auch an den NS geglaubt und sicherlich auch Sachen an andere weiter gegeben, was er heute sehr bereue. Stahl entgegnet, das würde man merken und fragt nach Kontakt zu Journalisten. Der Zeuge antwortet, zwei hätten ihn kontaktiert, er habe das ungern gemacht. Das ZDF habe vor seiner Haustür gestanden und versucht, ihn zu erpressen. Mit denen habe er nicht geredet, auch mit dem Spiegel nicht, der gleich seinen Namen veröffentlicht habe. Er habe das Gefühl gehabt, auch ein wenig ausgenutzt zu werden, daher habe er Ende 2012/Anfang 2013 aufgehört mit Journalisten zu sprechen. Auf Frage erklärt er, das erste Interview freiwillig gegeben zu haben, da er mithelfen wollte aufzuklären.

Nun fragt RAin Sturm, wie häufig der Zeuge mit Journalisten gesprochen habe und wie lange. Dieser sagt, jeweils einmal, für ca. zwei Stunden. Gefragt hätten alle konkrete Fragen zu der Zeit und auch zu den Drei. Sturm bitten den Zeugen für die Zeit 1996-98 zu skizzieren, mit wem er damals unterwegs war und wie häufig. Der Zeuge sagt, wegen des langen Zeitraums erinnere er sich nicht im Detail, primär mit den Rechten seiner Altersgruppe, seinem Freundeskreis. Personen wie Carsten Schultze, seinen Schulkameraden. Abends habe man zusammen was unternommen, die Älteren eher am Wochenende getroffen, aus Demonstrationen gefahren, in die Disko gegangen. Sturm fragt nach der KS Jena. Kapke sagt, das seien die Leute gewesen, sie sich primär im Winzerclub getroffen hätten, Leute wie Nico Eb., Apel, er komme jetzt nicht mehr auf alle Namen.

Dann beginnt RA Klemke mit der Frage zu weiteren Personen aus Kapkes Freundeskreis. Dieser antwortet,er hätte 1996 primär mit Schulkameraden verkehrt, die auch in der rechten Szene waren. Er habe ab 1998 gewissen Widersprüchen entdeckt und Studenten aus einer Burschenschaft kennengelernt. Dadurch habe er sich mehr in konservativen, auch noch rechtsextremen Kreisen aufgehalten, aber immer mehr die ideologischen Widersprüchen erkannt. Sein Freundeskreis sei gespalten gewesen, Burschenschafter, akademisches Milieu, aber auf anderer Seite noch die Szene. Klemke sagt, der Zeuge habe ausgesagt, Carsten Schultze sei aktionistischer geworden. Dieser sei aufgeblüht, immer aktionistischer geworden, so Kapke. Er sei immer selbstbewusster geworden, eine Situation sei gewesen, dass er bei der Jungen Gemeinde ein Plakat geklebt hätte, wäre er erwischt worden, hätte es Haue gegeben. Rechts und Links seien sich nicht grün gewesen und hätten sich beide nichts geschenkt, auch um umgekehrten Fall hätten Linke von Rechten auf die Decke gekriegt.

Klemke fragt nach Kapkes NS-Ideologie. Der Zeuge antwortet, es habe ein ideologisches Spektrum gegeben, aufgeladen durch latenten Nationalismus, latenten Antisemitismus, latente Ausländerfeindlichkeit, durch eine sehr völkische Ideologie, stark rassistisch, Bezug aufs Dritte Reich, ein Großmachtstreben. Er persönlich habe sich stark mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, mit dem Thema Flucht, weniger mit Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, mangels Projektionsfläche. Der Zeuge konkretisiert, mit latent meine er allgegenwärtig, unkritisch übernommen, Parolenhaft. Auf die Frage, auf welchen Schulungen er gewesen sei, zählt der Zeuge eine Rechtsschulung in Heilsberg auf, in Jena hätten Vertreter der Weltkriegsgeneration gesprochen, die Schulung in Eisenberg zu Kultur und Brauchtum und darüber hinaus immer wieder Schulungen, wo das rechtsextreme und nationalsozialistische Weltbild verfestigt wurde, und versucht worden sei, einen ideologischen Unterbau herzustellen.

Klemke hält aus der BKA-Vernehmung vor zur Führungsrolle von Ralf Wohlleben nach dem Weggang der Drei. Der Zeuge sagt, dass Wohlleben in Jena dazu beigetragen hätte, dass rechte Strukturen sich weiterentwickeln. Nach seiner heutigen Wahrnehmung sei dieser ein sehr spaßorientierter Mensch gewesen, der auch unpolitische Freunde gehabt habe, was in der Szenerie sehr ungewöhnlich gewesen sei. Das politische Tagesgeschäft habe großen Teil seiner Zeit eingenommen, ein Widerspruch aus Alkohol, Parties, Gewalt und der Politik. Das Weltbild habe auf ihn widersprüchlich, nicht schlüssig gewirkt. Wohlleben habe sehr seriös gewirkt, Jeans und Turnschuhe getragen, nicht den typischen Szenecode. Er habe auch ständig eine Freundin gehabt, was auch nicht selbstverständlich gewesen sei in der Szenerie.

Klemke fragt nach Gewalt, worauf der Zeuge sagt, er habe ad hoc kein Beispiel, wo er eine konkrete Gewalttat erlebt habe. Er wisse aber, dass er sehr schnell Leute angeschrien habe und verbal aggressiv wurde, wenn einer von den Jüngeren seinen eigenen Kopf hatte. Vom Hörensagen kenne er auch einen Vorfall mit zwei Frauen aus der linken Szenerie. Der Zeuge berichtet, er habe 1998/99 in einem Laden in Jena gearbeitet, wo er zwei Frauen aus der linken Szene kennenlernte und mit ihnen einen kleinen Austausch startete. Er habe zwischen linker und rechter Szene vermitteln wollen ohne Gewalt und Drohungen. Es sollte ein Gespräch mit den Mädchen aus der linken und zwei aus der rechten Szene geben. Abgesichert worden sei das Ganze von seinem Bruder, Schultze und Wohlleben seien auch dabei gewesen. Das Gespräch habe nicht stattgefunden, da ein Mädchen von seinen Begleiterinnen angefangen habe sie voll zu pöbeln und das Ganze verbal entgleist sei, woraufhin es abgebrochen worden sei. Er sei nach Hause gefahren und habe später erfahren, dass die beiden Mädchen abgefangen wurden von den Personen, die das absichern sollten und ihnen auch der Personalausweis weggenommen worden sei.

Klemke fragt erneut nach der zuvor erwähnten Gewalt, woraufhin der Zeuge von verbaler Gewalt spricht. In der Mitläuferszene und Skinheadszene sei Gewalt oft Mittel zum Zweck gewesen, in der ideogisierten Szene sei Gewalt verpönt gewesen. Es sei gesagt worden, wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir Sympathien erreichen. Gewalt sei aber insbesondere zur Selbstverteidigung oder in Situationen, wo es notwendig gewesen sei, akzeptiert gewesen. Klemke fragt nach konkreten Absprachen zu Gewalt gegen Ausländer. Der Zeuge sagt, verbale Gewalt sei Standard gewesen, er habe aber nicht konkret erlebt, dass Ausländer verprügelt oder angegangen worden seien, das einzige, was er erlebt habe, war, dass eine Dönerbude kaputt gemacht worden sei. Es folgt eine kurze Pause 15:05 Uhr.

Dann fragt RA Klemke nach Beispielen für verbale Gewalt von Ralf Wohlleben. Der Zeuge sagt, konkrete Beispiel könne er nur sinngemäß wiedergeben, wenn es einer der Jüngeren betrunken und daneben benommen habe, habe Wohlleben geschrien, oder bei Demonstrationen, wenn Linke aufgetaucht seien, sei er lautstark aufgetreten. Es entspinnt sich ein Disput, da Nebenklage-RA Scharmer Fragen von Klemke beanstandet, da sie suggestiv gestellt seien. Richter Götzl ermahnt Klemke, Fragen zu stellen. Klemke sagt, dass Kapke zuvor gesagt habe, Carsten Schultze sei weniger dogmatisch, dies aber in der BKA-Vernehmung anders dargestellt habe. Auch dies wird von RA Scharmer beanstandet, wegen einer inhaltlichen Behauptung in der Frage, die bislang nicht feststehe. Daraufhin formuliert Klemke die Frage um. Der Zeuge sagt, dogmatisch habe er damit verbunden, dass es Leute gegeben habe, die die Parolen nachgeplappert hätten, was Schultze nicht immer getan habe. Mit ideologisch gefestigt meine er den Prozess, dass er von einem Mitläufer zu einem politischen Akteur geworden sei, der argumentieren konnte, insbesondere bei Infoständen mit Bürgern.

Dann legt Wohllebens Anwältin Schneiders dem Zeugen zwei Bilder mit drei Personen vor [u.a. Thomas Starke, Andreas Graupner, ]. Der Zeuge kann aber keine Person als die Person von der Schulungsveranstaltung von 2000 identifizieren. Schneiders fragt nach der finanziellen Situation Wohllebens, doch auch dazu gibt der Zeuge an, nichts Konkretes sagen zu können, außer dass die über Sozialhilfeniveau gewesen sei und er gearbeitet habe. Befragt nach seiner Formulierung aus der BKA-Vernehmung, dass es die Meinung nicht gab, man müsse einen gewaltsamen Umsturz durchführen, sagt der Zeuge, er können solche Diskussionen nicht ausschließen, aber nach seiner Wahrnehmung sei in Jena ab 1998/99 immer stärker geworden, dass man auf politischer Ebene eine Veränderung des Systems erreichen müsse.

Nun fragt der Angeklagte Carsten Schultze. Dieser duzt den Zeugen in seinen Fragen. Er fragt den Zeugen, wie der Kontakt nach der München-Fahrt verlief und ob der Zeuge sich erinnern könne, ob er ihn, den Zeugen, mal nach einem Fahrtplatz zu einer JN-Veranstaltung gefragt habe. Beides verneint Kapke. Schultze fragt weiter, ob er sich erinnern könne, dass er den Zeugen im Bus gefragt habe, wie er Kontakt in die Szene bekommen könne. Der Zeuge duzt Schultze ebenfalls und sagt, er könne sich erinnern, dass Schultze gesagt habe, er hätte sich aufgrund eines Aufklebers an die Kontaktadresse gewandt und so zu der Busfahrt nach München gekommen. Im Bus hätten sie dann Handynummern ausgetauscht.

Als nächstes folgen die Fragen der Nebenklage. Es beginnt RA Elberling, der nach Kontakten zu B&H fragt. Der Zeuge antwortet, dass eine Einladung über Gerlach gekommen sei, ob sie in Hannover spielen wollen, mit Stigger, der damals ein Star in der rechten Musikszene gewesen sei. Er habe nicht gewusst, dass es ein B&H-Konzert sei und dies erst durch Banner vor Ort gesehen. Auf die Frage, welche Sektion das Konzert veranstaltet habe, sagt der Zeuge, vermutlich die Sektion Niedersachsen. RA Elberling fragt nach Eichenlaub-CDs. Es sei eine veröffentlicht worden, im Selbstvertrieb. Dann fragt der RA nach dem Interviews. Neben dem im B&H-Magazin sei eines in der RockNord und im Fanzine veröffentlicht worden, so der Zeuge. Die Vermittlung des B&H-Interviews sei über Holger Gerlach oder einen Freund gelaufen, den Namen wisse er nicht. Elberling fragt zu B&H Sachsen und Thüringen. Ihm sei nur ein Name bekannt, sagt der Zeuge, ein „Riese“ aus Gera. In Jena seien ihm B&H-Aktivisten nicht bekannt, nur die Skinheadband Vergeltung, die Kontakte zu der Skinheadgruppe Hatebrothers in Jena/Raum Kahla gehabt hätten und häufig zu B&H-Konzerten gefahren seien. RA Elberling fragt zur Burschenschaft, die der Zeuge besuchte. Es sei die Burschenschaft Jenensia gewesen, er sei kein Mitglied gewesen, habe Gast-Status gehabt. Außer ihm sei eine weitere Person aus der ursprünglichen Nazi-Szene gekommen, Ralf Ö., mit dem er auch befreundet gewesen sei und der dort eingetreten sei.

Dann fragt RAin von der Behrens nach und vom . Der Zeuge sagt, er habe sie vom Sehen gekannt, aber keinen Kontakt gehabt. Das Madley sei der Szeneladen in Jena gewesen, jeder in der Szene habe mal Kontakt mit dem Laden gehabt, Konkretes über Ralf Wohlleben diesbezüglich könne er nicht sagen. RAin Behrens fragt zur Rolle von Gerlach beim Hildesheim-Konzert. Der Zeuge sagt, dazu habe er keine Information. Er habe in der Presse gelesen, dass dieser als Ehrengast begrüßt worden sei, das sei ihm nicht mehr in Erinnerung. Wer die Organisatoren dieses Konzertes waren, könne er nicht konkretisieren. Von der Behrens geht erneut auf die Interviews ein. Kapke sagt, Holger Gerlach habe definitiv das im B&H-Magazin vermittelt, das im sächsischen Fanzine sei über Ralf Wohlleben gelaufen.

RAin Behrens fragt nach dem Titel des Liedes „5. Februar“, zu welchem Ereignis sie bei dem Titel zurück gerechnet hätten. Kapke antwortet, der ursprüngliche Titel sein „Warum?“ gewesen, ein halbes Jahr später, im Sommer 1999 hätten sie den Titel geändert und versucht auf das Datum zurück zu rechnen. Die CD sei eine On-Demand-Produktion gewesen. Es habe ihn aber niemand darauf angesprochen, dass das Datum falsch sei. Nach Geldsammlungen auf Eichenlaub-Konzerten befragt, sagt der Zeuge, er habe einmal in Bad Salzungen erlebt, dass Geld für seine Gage gesammelt wurde. Die RAin hält aus einem BKA-Vermerk, Telefonat mit Tibor Re., vor, dass auf mehreren Konzerten der Gruppe Eichenlaub in Chemnitz und Berlin Geld für die untergetauchten Kameraden und den THS gesammelt worden sei. Der Zeuge gibt an, dass das eine glatte Lüge sei, sie solle den VS fragen, ob es dort Konzerte gegeben habe. Re. sei in der gewaltbereiten Skinheadszene gewesen, er könne sich nicht erinnern, dass der jemals auf einem Konzert von ihnen gewesen sei. RAin Behrens fragt nach Edda Schmidt. Sonst habe niemand aus Jena zu ihr Kontakt gehabt, sagt der Zeuge, aber vermutlich Tino Brandt. Er könne aber nicht ausschließen, dass andere Personen sie kannten, da sie ein bekannter Name in der Szene sei.

Nun fragt NKRAin Basay nach einem Grundstück in Kahla, unterhalb der Leuchtenburg. Dies sei ein Hanggrundstück auf halber Höhe zwischen Kahla und der Leuchtenburg, dass 1996/97 von Tino Brandt gekauft worden sei. Er könne sich an zwei Lagerfeuerabende mit Böhnhardt und Mundlos erinnern. Nach Schießübungen befragt, gibt der Zeuge an, dass dort einmal Schießscheiben hingen und dort offensichtlich mit Luftgewehren geschossen wurde. RAin Basay fragt, ob der Zeuge mal mit seinem Bruder und Böhnhardt angeklagt gewesen sei. Dieser antwortet, er könne sich erinnern, es sei um eine Schlägerei gegangen, und das Verfahren sei eingestellt worden. Auf den Vorhalt, dass die drei Beschuldigten im Dezember 1996 jemanden mit Faustschlägen und Fußtritten erheblich verletzt haben sollen, sagt der Zeuge, Hintergrund sei ein Mädchen gewesen, dass mit einem der beiden liiert gewesen sei. Das Verfahren habe mit einer Einstellung geendet.

NKRA Narin fragt nach dem Vorfall mit den zwei Mädchen, wer die Begleiterin gewesen sei, die die Mädchen angepöbelt hätte und der Rolle von Ralf Wohlleben. Dies sei gewesen, so der Zeuge. Wohlleben habe auf einem Parkplatz gewartet, wenn Linke auftauchen habe er sie schützen sollen. Ein Strafverfahren deshalb gegen seinen Bruder und Wohlleben habe mit einer Verurteilung geendet, glaube er. RA Narin fragt nach dem Stammtisch in Saalfeld und ob dort germanische Mythologie eine Rolle gespielt habe. Dies sei der Mittwochs-Stammtisch gewesen, germanische Mythologie habe schon eine Rolle gespielt. Narin will wissen, wer noch in dem engen Kreis der Clique gewesen sei, daraufhin sagt der Zeuge, Leute aus der Band Vergeltung und nennt weitere Personen. Narin fragt weiter nach einem Barny und der Band Vergeltung. Barny sei der Bassist der Band gewesen, so der Zeuge. Es sei bekannt gewesen, dass Vergeltung Kontakt zu den Hatebrother gehabt hätten und regelmäßig zu Konzerten ins Ausland gefahren sei, nach Ungarn und Tschechien, in der Regel seien das B&H-Konzerte gewesen. Damit endet um 15:44 Uhr die Einvernahme des Zeugen.

Anschließend folgt noch ein Beweisantrag von RAin Schneiders. Sie beantragt Edda Schmidt zu laden, zur Überprüfung der Angaben des Zeugen Kapke. Er habe angegeben, dass ihn Edda Schmidt angesprochen habe, daher könne sie angeben, wer die andere Person gewesen sei. VP Otto hätte die Person als Andreas Graupner erkannt. Die Beweisaufnahme werden ergeben, dass ihr Mandant Ralf Wohlleben, keine zentrale Rolle gespielt habe, da die Kontaktaufnahme nicht durch ihn, sondern Schmidt gelaufen sei.
Dann sagt Bundesanwalt Diemer, der Beweisantrag Tom Tu. zu laden sei eine sinnvolle Ergänzung, daher trete der GBA diesem nicht entgegen. Die Verhandlung endet um 15:48 Uhr.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Der Zeuge gab an, sich Anfang der 2000er aus der Szene zurückgezogen zu haben. Er machte im Gericht den Eindruck, dass er sich durchaus bemühte, sein Wissen von damals zu schildern. Insofern bildete er einen Gegenpol zu vielen anderen Zeugen aus der (früheren) Nazi-Szene. Insbesondere machte er längere Ausführungen zur ideologischen Ausrichtung der Nazi-Szene, insbesondere zu dem unbedingten Rassismus und Antisemitismus, den auch er damals vertrat. Allerdings war eine deutliche Tendenz zur Verharmlosung erkennbar, wenn es um die Gewaltbereitschaft der Szene ging.
Sein Rückzug aus der Szene, so der Zeuge heute, sei u.a. über Kontakte zur Burschenschaft Jenensia Jena eingeleitet worden – also genau der Burschenschaft, aus der 1999 elf Burschen wegen extrem rechter Veranstaltungen und Kontakten zum THS ausgeschlossen wurden und die Burschenschaft Normannia gründeten, die zeitweise sogar Veranstaltungen im „Braunen Haus“ durchführte.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/03/04/04-03-2015/

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