Protokoll 249. Verhandlungstag – 9. Dezember 2015

0

An diesem Verhandlungstag lässt ihren Verteidiger ihre Einlassung zur Anklageschrift verlesen. Dabei gibt sie u.a. an, von den Morden stets erst im Nachhinein erfahren zu haben. Die Zuschauer_innenempore ist bis auf den letzten Platz gefüllt, viele Interessierte haben keinen Einlass mehr bekommen. Im Anschluss an die Erklärung beantragt RA Grasel erneut die Aufhebung der Bestellung der Verteidiger_innen Sturm, Heer und Stahl als Pflichtverteidiger_innen.

Vor dem Justizzentrum haben viele Fernsehsender ihre Kameras aufgebaut, auf der Nymphenburger Straße stehen neben dem dauerhaft dort aufgestellten Container der öffentlich-rechtlichen Sender mehrere Übertragungswagen. Bereits in der Nacht haben erste Zuschauer_innen sich angestellt, um in den Saal zu kommen. Schon gegen 8 Uhr stehen mindestens 100 Zuschauer_innen in einer Schlange, die sich weit über das auf dem Vorplatz aufgestellte Wartezelt hinaus erstreckt. Immer wieder laufen Fernsehteams die Reihe ab, um Interviewpartner_innen zu finden. Als gegen 09:15 Uhr keine Zuschauer_innen mehr eingelassen werden, stehen noch viele Menschen an.

Die Zuschauer_innenempore ist bis auf den letzten Platz besetzt. Heute ist erneut Foto- und Kameratermin. Unten im Saal warten Fotograf_innen und Kameraleute darauf, dass Beate Zschäpe den Raum betritt. Das erste Mal anwesend ist Zschäpes Wahlverteidiger RA , der auf dem Platz rechts von Zschäpes Platz sitzt, links davon sitzt RA Grasel. Zschäpes „Altverteidiger_innen“ sitzen rechts von Borchert. Der Angeklagte Eminger und seine Verteidiger sitzen wie bereits gestern in der zweiten Reihe neben der Verteidigung Wohlleben.

Um 09:42 Uhr betreten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und Carsten Schultze den Saal. Zschäpe grüßt Borchert und Grasel mit Handschlag. Sie dreht sich nicht wie früher üblich von dem Kameras weg, sondern setzt sich demonstrativ auf ihren Platz und blickt in Richtung der Kameras.

Das Gericht betritt um 09:46 Uhr den Saal. Nach der Begrüßung geht Richter Götzl zur Präsenzfeststellung über. Bei der Verteidigung Zschäpe sagt er: „Erstmals zugegen Herr Rechtsanwalt Borchert.“ Anwesend sind die Nebenkläger_innen Elif und Gamze Kubaşık, Adile und Abdulkerim Şimşek, Ayşe und İsmail Yozgat, Michaela und Yvonne Boulgarides sowie Sandro D'Alauro.

Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: „Für heute ist angekündigt eine Erklärung der Angeklagten Frau Zschäpe. Ich bitte darum, wenn Sie abgegeben werden sollte, sie vorzutragen.“ NK-Vertreter RA Hoffmann fragt, ob es die Erklärung dann schriftlich gibt. Götzl sagt, es liege eine schriftlich vor, man werde das dann, nachdem sie vorgetragen ist, kopieren für die Verfahrensbeteiligten. RA Grasel sagt, er werde vorab einige Exemplare an die Richterbank und die Verteidiger verteilen.

Dann beginnt er mit der Verlesung:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Götzl,

nach Beratung mit meinen zwei Verteidigern, Herrn Rechtsanwalt Mathias Grasel sowie Herrn Rechtsanwalt juDr. Hermann Borchert, gebe ich zur Anklageschrift des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof vom 5. November 2012 folgende Stellungnahme ab.

I.

Ich wurde am 2. Januar 1975 als Beate Apel in Jena geboren. Meinen Vater, der wohl Rumäne war und ‚Botanic‘ hieß – wobei ich die Schreibeweise dieses Namens der Ermittlungsakte entnommen habe – habe ich nie kennengelernt.

Meine Mutter Annerose Else heiratete am 30.12.1975 einen Herrn Trepte. Deshalb hieß ich ab Ende 1975 Beate Trepte. Nach weniger als zwei Jahren ließ sich meine Mutter von Herrn Trepte scheiden und heiratete kurz darauf Herrn Günther Zschäpe, sodass mein Name seit dieser Zeit Beate Zschäpe lautet.

Mit etwa drei Jahren besuchte ich den örtlichen Kindergarten, wobei ich von Montag bis Freitag von meiner Oma Anneliese Apel betreut wurde. Die Wochenenden verbrachte ich bei meiner Mutter und bei Herrn Günther Zschäpe.
1981 wurde ich an der Otto-Grotewohl-Schule eingeschult. Nach der 4. Schulklasse besuchte ich anschließend die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Schule.
1985 zog ich mit meiner Mutter in die Ernst-Zielinski-Straße 42 in Jena. Die Wohnung befand sich in einem neuerstellten Wohngebiet, einer sogenannten Plattenbau-Siedlung. Dort wohnte ich bis zum Jahr 1996.

Etwa 1988 hatte meine Mutter einen neuen Freund namens Peter, der sich drei bis vier Mal pro Woche in unserer Wohnung aufhielt. Zu dieser Zeit begannen die Alkoholprobleme meiner Mutter und es fanden zunehmend Auseinandersetzungen zwischen uns beiden statt. Die Streitigkeiten bezogen sich insbesondere auf ihren Alkoholkonsum sowie darauf, dass meine Mutter den Haushalt schleifen ließ – es sei denn, Peter war anwesend.
Zur Wendezeit 1989/1990 wurde meine Mutter arbeitslos und die Geldprobleme, die bis dahin sowieso schon bestanden, wurden immer größer. Ich erhielt von meiner Mutter so gut wie kein Geld, was dazu führte, dass ich mich innerhalb des Freundeskreises an kleineren Diebstählen beteiligte.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich zu dieser Zeit den Respekt vor meiner Mutter verloren hatte – ich hatte mir von ihr nichts mehr sagen lassen.
1991 machte ich meinen Hauptschulabschluss und nahm eine ABM-Stelle an, wobei ich monatlich 900 DM verdiente. 1992 begann ich schließlich meine Ausbildung zur Gärtnerin, die ich 1995 erfolgreich abschloss. Eine feste Arbeitsstelle als Gärtnerin fand ich nicht, sondern nahm erneut eine ABM-Stelle an.

Ebenfalls zur Wendezeit 1989/1990 lernte ich Uwe Mundlos kennen. Er und ich wohnten in Jena im Wohngebiet „Winzerla“. Wir trafen uns an einem Jugendtreff – einem Spielplatz – welcher „Schnecke“ genannt wurde – benannt nach einem Betonstein, der das Aussehen einer Schnecke hatte.

Noch im Jahr 1991, kurz nach meinem Hauptschulabschluss, zog Uwe Mundlos in unsere Wohnung in die Ernst-Zielinski-Straße 42 in Jena ein. Er stammte aus gutem Elternhaus und hatte eine Lehre als Informatiker bzw. Datenverarbeitungskaufmann abgeschlossen.

Wir verbrachten unsere Freizeit in einer Clique, die sich regelmäßig an der „Schnecke“ traf. Wir hörten gemeinsam Lieder mit nationalistischem Inhalt und sangen – manchmal könnte es auch als grölen bezeichnet werden – diese Lieder auch nach.
Wesentlichen Beitrag dazu, dass ich mich auf diese Art der Freizeitgestaltung einließ, hatte mein Cousin . Dieser trat nicht nur in entsprechender Kleidung auf (Bomberjacke, Frisur, etc.), sondern animierte auch zu verbalem Auftreten, das von rechtsgerichteten Jugendlichen erwartet wird. Bei diesen Aktivitäten blieb es, bis ich Uwe Böhnhardt kennenlernte.

An meinem 19. Geburtstag lernte ich Uwe Böhnhardt kennen, der mir auf meiner Geburtstagsparty von einer Freundin vorgestellt wurde. Ich verliebte mich in ihn, war aber zu diesem Zeitpunkt noch mit Uwe Mundlos zusammen. Auch als ich von meiner Freundin erfuhr, dass er bereits vielfach straffällig geworden und auch schon im Gefängnis war, änderte sich an meiner Liebe zu ihm nichts.
Uwe Mundlos begann seinen Dienst bei der Bundeswehr am 01.04.1994 und nach ein paar Monaten trennten wir uns und er zog aus meiner Wohnung aus, wobei es keinerlei Streit zwischen uns gab. Anschließend ging ich eine Beziehung mit Uwe Böhnhardt ein. Uwe Böhnhardt zog nicht in meine Wohnung in der Ernst-Zielinski-Straße 42 ein, sondern verbrachte nur die Wochenenden bei mir.

Schon als ich Uwe Böhnhardt [an dieser Stelle liest Grasel „Uwe Mundlos“ vor; siehe Frage von Götzl im Anschluss an die Erklärung]kennenlernte bestand seine Kleidung aus Bomberjacke sowie Springerstiefeln, sodass schon äußerlich unschwer zu erkennen war, welche politische Einstellung er hatte.

Seine Einstellung zu Waffen konnte man schon damals daran erkennen, dass er eine Vielzahl an Waffen, wie etwa eine Armbrust, einen Morgenstern oder einen Nunchaku an der Wand in meiner Wohnung aufgehängt hatte.

Mit Beginn unserer Freundschaft änderte sich mein Freundeskreis. Ich hatte nicht mehr so viel Kontakt zur Gruppe, die ich regelmäßig mit Uwe Mundlos an der „Schnecke“ getroffen hatte, sondern wandte mich immer mehr Uwe Böhnhardt's Freunden zu.
Uwe Böhnhardt's Freunde hatten eine intensivere nationalistische Einstellung als der Freunddeskreis [Fehler im Original, auch nachfolgend sind Rechtschreibfehler unkorrigiert, die Red.] um Uwe Mundlos und traten auch entsprechend auf. Die Aktivitäten der Gruppe in politischer Hinsicht waren ausgeprägter. Es wurden nicht nur Lieder mit nationalistischem Inhalt gesungen bzw. gegrölt, sondern es erfolgten auch verschiedene Unternehmungen, wie zum Beispiel der Besuch von Konzerten, Stammtischen, Demonstrationen, Wehrmachtsausstellungen oder Sonnenwendfeiern.

Die Clique um Uwe Böhnhardt, der ich mich nach dem Kennenlernen des Uwe Böhnhardt angeschlossen hatte, nannte sich „Kameradschaft Jena“ und bestand aus vier bis fünf Personen. Es wurden kleine finanzielle Beiträge bezahlt, wobei Uwe Böhnhardt der Kassenwart war. Ich war kein Mitglied dieser Kameradschaft und hatte auch keinen Beitrag bezahlt. Ich hatte mich auch nicht zugehörig gefühlt.
Aktiv wurde ich erst, nachdem zu unserer Gruppe gestoßen war, womit sich unser Zusammenleben und Tun drastisch veränderte.
Tino Brandt wurde für mich der Mittelpunkt aller Aktionen. Es gab nicht nur die „Kameradschaft Jena“, sondern es gab noch andere Gruppierungen. Tino Brandt hatte diese einzelnen Gruppierungen, die alle eine rechte Einstellung hatten, koordiniert. Er organisierte Zusammenkünfte, bei denen Rechtsauskünfte erteilt wurden, wie zum Beispiel das Verhalten bei einer Hausdurchsuchung oder einer Festnahme.
Tino Brandt war diejenige Person, die Geld zur Verfügung stellte und somit unsere Aktivitäten erst ermöglichte. Er organisierte, dass wir beispielsweis am Rudolf-Hess-Gedenkmarsch oder am Sandro-Weigel-Gedenkmarsch oder an sonstigen rechtsgerichteten Demonstrationen teilnehmen konnten. Tino Brandt war derjenige, der die Initiative ergriff, sei es durch Ideen, sei es durch Geld, das er zur Verfügung stellte oder durch Übergabe von Lesematerial mit nationalistischem Inhalt. Mit seinem Geld wurden Plakate geklebt, Aufkleber gefertigt, rechtes Propagandamaterial verteilt und die angesprochenen Reisen bezahlt.

Man kann sagen, ohne Tino Brandt wären diese ganzen Unternehmungen nicht möglich gewesen.

Unser Einsatz (gemeint ist unsere Clique) wurde intensiver, ohne dass ich diesen Umstand allein auf das Tätigwerden des Tino Brandt zurückführen möchte. Dies lag unter anderem daran, dass wir negative Erfahrungen mit der örtlichen Polizei machten, welche Wut und Aggression in uns hervorriefen.

Als Beispiel möchte ich folgendes Erlebnis nennen:
Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich waren am 09.11.1996 (dem Datum der Reichsprogromnacht) mit dem Auto des Uwe Böhnhardt unterwegs, dessen Kennzeichen polizeibekannt war. Wir wurden aufgehalten. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden aus dem Auto gezerrt und Uwe Böhnhardt wurde im wahrsten Sinne des Wortes „verdroschen“. Den Grund hatten wir darin vermutet, dass wir bekanntermaßen an rechten Demonstrationen teilgenommen hatten und wir auf den „Weg der Tugend“ zurückgeführt werden sollten. Ich wurde in eine etwa 30 bis 40 km entfernte Polizeistation verbracht und anschließend mitten in der Nacht vor die Tür gesetzt mit dem Hinweis: „Sieh zu wie du jetzt nach Hause kommst“.

Ich erinnere mich daran, dass unsere Aktionen in Form der Gedenkmärsche und unser Auftreten allgemein in der Presse verfälscht wiedergegeben wurde und die Dinge nicht so berichtet wurden, wie sie aus unserer Sicht stattgefunden hatten.
Wir wollten deshalb durch gezielte Aktionen darauf aufmerksam machen, dass es einen politischen Gegenpol zu den Linken gibt und wir wollten die Polizei und damit die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzen, um damit Aufmerksamkeit zu erreichen.
Aus dem „Katz und Maus Spiel“ mit der Polizei, beziehungsweise mit dem Verfassungsschutz, der hinter uns herfuhr und was wir spaßig fanden, wurde eine ernstere Angelegenheit, nachdem mehrere Hausdurchsuchungen stattgefunden hatten.

Zwischen April 1996 und Dezember 1997 initiierten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrere Aktionen, an denen ich teilweise beteiligt war.
Es wurde nicht besprochen, dass damit ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll – es sollte „etwas“ passieren und es sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die rechte Szene lebt.
Mit der Verwendung von Bombenattrappen sollte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und die Ernsthaftigkeit unseres Tuns erhöht werden, jedoch ohne dass eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben besteht. Dies war jedenfalls meine Motivation und ich war davon ausgegangen, dass die beiden dies genauso sahen.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kamen sodann auf die Idee „“.
Die beiden hatten am 13. April 1996 an einer Autobahnbrücke über der Bundesautobahn 4 in der Nähe von Jena einen Puppentorso aufgehängt. Meiner Erinnerung nach sollte der Autobahnverkehr dadurch für Stunden unterbunden werden. Deshalb hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zusätzlich eine Bombenattrappe hergestellt und in der Nähe deponiert. Dadurch sollte erreicht werden, dass die Puppe länger hängen bleibt.
Bei der Herstellung der Puppe war ich beteiligt, nicht jedoch bei der Herstellung der Bombenattrappe. Diese hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gebaut, wie sie mir berichteten.
Bei der Aktion an der Autobahnbrücke war ich nicht vor Ort, sondern befand mich auf einer Geburtstagsfeier. Dass ich in der Nähe in einem PKW gewartet hätte – daran kann ich mich nicht erinnern.
Rückblickend betrachte ich diese „Operation“, wie es beide nannten, als unsinnig. Es wurde nicht darauf aufmerksam gemacht, wer hinter der Aktion steht, so dass nicht ansatzweise eine Zielführung zu erkennen war – damals empfanden wir die Aktion jedoch als Erfolg.

Einige Tage später trennte sich Uwe Böhnhardt von mir, worunter ich sehr litt. Als Grund für die Trennung nannte er mir gegenüber, dass ich zu sehr klammern und ihm keine Luft lassen würde. In den folgenden Wochen war ich von beiden Uwes und der Clique getrennt, geradezu ausgeschlossen.
Meine Gefühle zu Uwe Böhnhardt waren nach wie vor sehr intensiv vorhanden. Wir sahen uns zwar – ich fühlte mich aber endlos weit getrennt von ihm.
In den folgenden Wochen versuchte ich, mich wieder der Gruppe um Uwe Böhnhardt anzuschließen und Uwe Böhnhardt für mich zurück zu gewinnen. Zu diesem Zweck mietete ich am 10. August 1996 die Garage Nr. 5, An der Kläranlage, in Jena an. In der Vergangenheit hatten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich darüber gesprochen, dass man eine abgelegene Garage anmieten sollte, um dort beispielsweise Propagandamaterial zu deponieren.

Das Anmieten der Garage war für mich ein voller Erfolg. Ich traf mich daraufhin wieder mit den beiden.
Die beiden brachten sodann Propagandamaterial und eine Vielzahl sonstiger Gegenstände, welche sie nicht zu Hause aufbewahren wollten, in der Garage unter. Sie befürchteten stets eine Hausdurchsuchung, so dass ihnen die Garage sehr gelegen kam.
Beide deponierten darüber hinaus Schwarzpulver und TNT in der Garage. Von der Existenz des Schwarzpulvers habe ich etwa im Frühjahr/Sommer 1997 erfahren. Dass in der Garage auch TNT gelagert wurde wusste ich bis zu unserem Untertauchen am 26.01.1998 nicht.

Am 7. Oktober 1996 teilten mir beide mit, dass sie am Tag zuvor (das Datum entnehme ich der Anklageschrift, weil ich keine konkrete Erinnerung daran habe) am Sportstadion in Jena unter der Tribüne eine Holzkiste mit einer nicht funktionstüchtigen Bombenattrappe deponiert hätten. Als Grund für diese Aktion nannten sie, dass sie bei der Polizei etwas Panik verbreiten wollten. An dieser Aktion war ich, wie bereits geschildert, nicht beteiligt.

Am 30. Dezember 1996 sandte ich einen jeweils mit Schwarzpulver präparierten und nicht zündfähigen Brief, den Uwe Böhnhardt präpariert hatte, an die Stadtverwaltung der Stadt Jena sowie an die Thüringer Landeszeitung in Jena. An den Inhalt der beigefügten Schreiben kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Wir wollten – aus unserer damaligen Sicht – gegen die verfälschende Berichterstattung in der Presse, wofür wir auch die Stadtverwaltung verantwortlich machten, protestieren.
Ich ging damals davon aus, dass niemand durch den Brief verletzt werden kann.

Die nächste von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt initiierte Aktion war das Abstellen der Kofferbombe auf dem Vorplatz des Theaterhauses in Jena. Ich war weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung dieser Aktion beteiligt. Ich wusste von dieser Aktion, wobei ich heute nicht mehr sagen kann, ob sie mich vorher schon informierten oder erst danach. Ich habe nicht mitbekommen, wann und wo sie den Koffer gebaut hatten. Ich gehe davon aus, dass sie die Garage zu diesem Zweck benutzt hatten.

Die letzte Aktion vor unserem „Untertauchen“ fand am 26. Dezember 1997 statt. Das Datum entnehme ich wiederum der Anklageschrift. Die beiden hatten mir berichtet, dass sie auf dem Nordfriedhof in Jena einen, mit einem Hakenkreuz versehenen, Koffer abgestellt hatten. An weitere Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr.

26. Januar 1998
An diesem Tag fand eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des Uwe Böhnhardt statt. Ihm wurde der Durchsuchungsbeschluss vorgelegt. Uwe Böhnhardt erkannte, dass sich der Durchsuchungsbeschluss auch auf die von mir angemietete Garage bezog. Während der Hausdurchsuchung ließen ihn die anwesenden Polizeibeamten gehen und Uwe Böhnhardt fuhr mit seinem Auto davon. Er rief mich an und teilte mir mit, dass die Garage aufgeflogen sei. Er forderte mich wörtlich auf: „Fackel ab“. Ich weiß nicht mehr, warum ich ihm nicht gesagt habe, dass er das doch selber machen könne, weil er mit seinem Auto schneller dort sei und ich zu Fuß hingehen müsse. Ich besorgte mir jedenfalls eine leere 0,7 Literflasche und füllte diese an der Tankstelle mit Benzin. Mit der Flasche unterm Arm bin ich zur Garage gelaufen, um mit Hilfe des Benzins das dort gelagerte Propagandamaterial zu verbrennen.

Ganz in der Nähe der Garage sah ich mehrere Personen, die anscheinend ihr Auto reparierten. Dieser Umstand hielt mich davon ab, das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden. Denn ich ging aus Erzählungen der beiden davon aus, dass sich eine Menge (wie viel genau wusste ich nicht) Schwarzpulver dort befindet und ich nicht abschätzen konnte, was wohl mit den in der Nähe befindlichen Personen passiert, wenn das Benzin brennt und mit dem Schwarzpulver in Berührung kommt. Das Schwarzpulver hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Silvesterknallern entnommen. Erst in diesem Augenblick war mir der Gedanke gekommen, dass das Schwarzpulver und damit die Garage explodieren könnte.
Nach dem Anmieten der Garage hatte ich diese nur ein paar Mal betreten und am 26. Januar keine Kenntnis von den im Bau befindlichen Rohrbomben und vom TNT – dies hatten mir Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verschwiegen.
Heute vermute ich, dass ich mich wohl selbst in die Luft gesprengt hätte, wenn ich das Benzin ausgeschüttet und angezündet hätte.

Unverrichteter Dinge begab ich mich in die Wohnung der Eltern des Volker [He., Abkürzung durch die Red.], wo ich mich mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos traf. Dort erfuhr ich, was alles in der Garage gelagert war, nämlich Schwarzpulver, TNT, Rohrbomben und Propagandamaterial.

Wir machten uns Gedanken darüber, wie es sein kann, dass in dem Dursuchungsbeschluss, der auf Uwe Böhnhardt lautete, die von mir angemietete Garage aufgeführt sein kann. Wir stellten uns die Frage, wie sich der Durchsuchungsbeschluss auf eine Garage beziehen kann, mit der Uwe Böhnhardt eigentlich – nach außen hin – nichts zu tun hatte.
Mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich als Mieterin der Garage für den dort gelagerten Sprengstoff verantwortlich gemacht werden würde. Ich ging davon aus, dass ich für die zurückliegenden Aktionen und für den in der Garage gelagerten Sprengstoff eine mehrjährige Haftstrafe würde antreten müssen. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich beschlossen deshalb, dass wir das Ganze erst einmal aus der Ferne beobachten. Ich dachte nicht daran, dass dieser Zustand viele Jahre andauern würde.
Der Polizei stellen wollte ich mich nicht. Wie bereits angesprochen, hatte ich in der Vergangenheit nur negative Erfahrung mit der Polizei gemacht, wobei mir jedes Mal verwehrt wurde, einen Anwalt hinzuzuziehen. Deshalb traute ich mich nicht, zumal ich davon ausging, dass ich sofort eingesperrt würde.

Wir sind dann nach Chemnitz zu gefahren, der – wie mir Uwe Böhnhardt in der Wohnung des Volker He. mitgeteilt hatte – den beiden das TNT geliefert hatte.
Über Thomas Starke fanden wir eine Unterkunft bei in der Friedrich-Viertel-Straße 85 in Chemnitz. Mitte Februar zogen wir dann in die Limbacherstraße 96 in Chemnitz, weil Thomas Rothe über die Sendung „Kripo live“ von dem Auffinden des Sprengstoffes in der Garage erfahren hatte, ihm die Angelegenheit zu heiß wurde und er uns aufforderte, uns eine neue Bleibe zu suchen.
Ende August 1998 kamen wir in einem 1-Zimmer-Appartment in der Altchemnitzer Straße 12 in Chemnitz unter. Die anschließenden Wohnungswechsel zur Wolgograder Allee 76 in Chemnitz, zur Heisenbergstraße 6 in Zwickau, zur Polenzstraße 2 in Zwickau sowie abschließend zur Frühlingsstraße 26 in Zwickau sind so, wie in der Anklageschrift auf den Seiten 146 ff. dargestellt, im zeitlichen Ablauf zutreffend.

II.

Ende des Jahres 1998 lebten wir bereits seit fast einem Jahr in der ständigen Angst entdeckt zu werden. Außerdem war unser Geld aufgebraucht.
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt machten deshalb den Vorschlag, Geld mittels eines Raubüberfalles zu besorgen. Ich war damit einverstanden, weil auch ich keine Möglichkeit sah legal und ohne Gefahr der Verhaftung an Geld zu kommen. Gleichzeitig hatte ich meine Überlegung in den Raum gestellt, mich der Polizei zu stellen – auch wenn dies die Trennung von den beiden bedeuten würde. Die zwei überzeugten mich es nicht zu tun und die Angst vor dem Eingesperrt werden und meine Gefühle zu Uwe Böhnhardt hielten mich davon ab.
Bei dieser gemeinsamen Besprechung, es müsste Anfang Dezember 1998 gewesen sein, hatte ich auch zu bedenken gegeben, dass ich viel zu viel Angst hätte mich aktiv an dem Raubüberfall zu beteiligen. Daraufhin wurde besprochen, dass die beiden „das Ding allein durchziehen“.

Am 18. Dezember 1998 überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Edeka-Markt in Chemnitz. Ich war weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung dieses Überfalls beteiligt, habe aber insoweit davon profitiert, dass auch ich von dem erbeuteten Geld gelebt habe.

Vor ihrer Rückkehr vom Edeka-Markt am 18. Dezember 1998 wusste ich nicht, dass sie genau diesen Markt überfallen und dass sie eine scharfe Pistole verwenden würden. Es war vorher nur die Rede von einer Schreckschusspistole und davon, dass beide Pfefferspray mitnehmen wollten.
Ich hatte nicht gewusst, wann und von wem sie sich eine scharfe Pistole besorgt hatten und ich hatte auch nicht gewusst, was sie untereinander besprochen hatten. Sie wollten mich ganz bewusst raushalten, weil sie in mir eher eine Belastung als eine Hilfe sahen und weil sie mir auf Grund meiner geäußerten Bedenken, wie meiner Angst und meinen Gedanken, mich der Polizei zu stellen, in gewisser Weise misstraut hatten. Dies hatten sie mir zu einem späteren Zeitpunkt, wann genau weiß ich nicht mehr, deutlich zu verstehen gegeben.

An jenem Abend des 18. Dezember 1998 teilten sie mir mit, was geschehen war. Sie berichteten mir, dass sie einer Mitarbeiterin des Marktes eine Pistole „vor die Nase gehalten hätten“. Sie erzählten mir auch davon, dass sie einen Warnschuss in die Luft abgefeuert hatten, weil ihnen ein Kunde hinterher gerannt war.
Ich war entsetzt darüber, dass sie eine scharfe Waffe dabei und auch benutzt hatten, von der ich nichts gewusst hatte. Meine Vorwürfe, dass nur eine Schreckschusspistole besprochen worden sei, wurden lapidar abgetan. Auch auf mehrfache Nachfrage, woher sie diese Pistole hatten, erhielt ich keine konkrete Antwort. Sie verwahrten diese Pistole anschließend in der Schublade des Schrankes – ich hatte sie nicht einmal in die Hand genommen.
Während der ersten Wochen des Jahres 1999 sprach ich mehrfach das Thema an, das Untertauchen abzubrechen. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt lehnten dies jedoch kategorisch mit der Begründung ab, dass dies nach dem Überfall vom 18.12.1998 keine Überlegung mehr wert sei. Sie hatten damit abgeschlossen, in ein bürgerliches Leben zurückzukehren. Uwe Mundlos hatte sein Vorhaben, sich auf das Abitur am Ilmenau-Kolleg vorzubereiten, aufgegeben. Sie wollten, „nicht in den Knast“ und sie wollten sich nicht stellen. Ihre Einstellung war auch ihrer wiederholten Bemerkung zu entnehmen: „Wir haben es verkackt“, womit ihr gesamtes Leben gemeint war.
Für sie sollte das weitere Leben mit Überfällen finanziert werden, wobei sie an eine Auswanderung nach Südafrika dachten und dafür Geld besorgen wollten.

Ich konnte mich mit diesem Gedanken nicht anfreunden und wandte mich deshalb am 7. März 1999 an Herrn in Goldenbow, der in der rechten Szene als hervorragender Rechtsanwalt bekannt war. Soweit ich mich erinnern kann wurde er mir damals von Tino Brandt empfohlen. Ich vertraute ihm unsere Aktionen in den Jahren 1996/1997 und 1998 an. Ich berichtete ihm ebenfalls von der von mir angemieteten Garage nebst Inhalt sowie vom Überfall auf den Edeka-Markt am 18. Dezember 1998. Rechtsanwalt Eisenecker teilte mir mit, dass bei einem Raubüberfall unter Verwendung einer Waffe eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe bestehe und dass ich insgesamt mit einer Freiheitsstrafe zwischen acht und zehn Jahren rechnen müsste – er wolle jedoch zunächst einmal Akteneinsicht beantragen.
Rechtsanwalt Eisenecker teilte mir einige Wochen später telefonisch mit, dass die Akteneinsicht abgelehnt worden sei. Im Oktober 1999 hatte er nochmals bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt und die Akteneinsicht wurde wiederum abgelehnt.

Etwa Anfang November 1999 nahmen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt telefonischen Kontakt zu Tino Brandt auf. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir natürlich nicht, dass er V-Mann des Verfassungsschutzes war. Die beiden wollten von ihm erfahren, ob er eine Unterkunft in Deutschland oder im Ausland vermitteln könne. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wollten nach Südafrika, ich wollte Deutschland auf keinen Fall verlassen.
Bei diesem Telefongespräch erwähnte Tino Brandt, dass für die beiden mindestens zehn Jahre Knast im Raum stehen würden. Beide informierten mich gleich nach dem Gespräch. Bis heute weiß ich nicht, auf Grund welcher Information oder Vermutung Tino Brandt diese Prognose mitteilte.

Nach diesem Telefongespräch suchte ich Herrn Rechtsanwalt Eisenecker erneut in seiner Kanzlei auf, und zwar noch im November 1999. Er teilte mir mit, dass es wohl sehr heftig werden würde. Mit dieser Information war mir klar, dass ich mich der Polizei nicht stellen konnte und dass ich weiterhin so werde leben müssen, wie in den vergangenen zwei Jahren.

Dies stand für mich nach der anwaltlichen Beratung auch deshalb endgültig fest, nachdem Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 06.10.1999 die Post in der Barbarossastraße in Chemnitz und am 27.10.1999 die Post in der Limbacher Straße in Chemnitz überfallen hatten. Auch von diesen zwei Raubüberfällen hatte ich Herrn Rechtsanwalt Eisenecker im Gespräch im November 1999 berichtet.
Mit der Information des Rechtsanwalts hatte ich keinen Zweifel daran, dass ich nun mit zehn Jahren Freiheitsstrafe rechnen musste, sollte ich mich der Polizei stellen.
Vor dem erwähnten zweiten Gespräch mit Herrn Rechtsanwalt Eisenecker hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 06.10.1999, wie dargelegt, die Post in der Barbarossastraße in Chemnitz und am 27.10.1999 die Post in der Limbacher Straße in Chemnitz überfallen. Weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung dieser Raubüberfälle war ich beteiligt. Die beiden hatten mich erst nach der jeweiligen Durchführung informiert, dass sie beim Verlassen der Bank Tränengas aus einer Dose versprüht hätten, damit eine „Nebelwand“ entsteht, um eine Verfolgung zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Diese zwei weiteren Überfälle im Hinterkopf und die zweite Beratung des Rechtsanwalts Eisenecker noch im Ohr war mir völlig klar, dass es kein Zurück mehr ins bürgerliche Leben gab. Zehn Jahre Gefängnis waren für mich unvorstellbar.

Meine Überlegungen waren, dass ich nicht nur für die Aktionen vor unserem Untertauchen, sondern auch für die drei Überfälle verurteilt werden würde – allein deshalb, weil ich mit den beiden in einer Wohnung im Verborgenen lebte. Man würde mir nicht glauben, dass ich an der Planung und Durchführung nicht beteiligt gewesen war.

Zwischen dem 28.10.1999 und dem 09.09.2000 passierte nichts Erwähnenswertes, außer dass wir im Juli 2000 von der Wolgograder Allee 76 in Chemnitz in die Heisenbergstraße 6 in Zwickau umzogen und die Zeit mit Computerspielen und sehr viel Sport verbrachten. Der Umzug erfolgte aus Angst vor Entdeckung, ohne dass ein besonderer Grund bestanden hätte.

Am 30.11.2000 überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Post in der Johannes-Dick-Straße in Chemnitz. Erst kurz vor Verlassen der Wohnung informierten sie mich, dass sie „Geld besorgen“ würden. An der Planung und Durchführung der Aktion war ich nicht beteiligt. Ich wusste nicht, ob sie die Pistole mitgenommen hatten, vermutete aber, dass sie sowohl die Pistole als auch Reizgas dabei hatten.
Nach ihrer Rückkehr wurde ein Großteil der Beute separat in der Wohnung versteckt, weil Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer noch die Idee hatten, nach Südafrika auszuwandern.

09.09.2000
Vor dem 09. September 2000 gab es zwischen mir und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt keinerlei Gespräche darüber, was an diesem Tag in Nürnberg passieren sollte.
Ich wusste von Nichts. Ich hatte keinerlei Vorbereitungshandlungen mitbekommen.
Wir waren nicht von morgens bis abends ständig zusammen. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verließen des Öfteren die Wohnung ohne mir konkret mitzuteilen, wohin sie gingen und was sie vorhatten. Auch ich bin des Öfteren losgezogen, um Besorgungen zu machen oder einfach joggen zu gehen.
Ich hatte weder eine Pistole der Marke Ceska noch der Marke Bruni in der Wohnung gesehen. Ich hatte auch nicht mitbekommen, wann und wie sie sich diese besorgt hatten.
Als sie Anfang September 2000 fortfuhren wusste ich nicht, was sie vorhatten. Ich hatte vermutet, dass sie einen Raubüberfall planten. Nach ihrer Rückkehr teilten sie mir nur lapidar mit, dass „nichts los gewesen sei“.

Erst Mitte Dezember 2000, während der Adventszeit, erfuhr ich von den Geschehnissen am 09.09.2000. Ich weiß nicht, ob es an der Stimmung zur Weihnachtszeit lag, jedenfalls merkte ich an den Blicken des Uwe Mundlos, dass etwas nicht stimmte. Ich sprach ihn darauf an, was mit ihm los sei und er berichtete mir, was rund drei Monate zuvor passiert war.
Ich war geschockt. Ich konnte nicht fassen was die beiden getan hatten. Ich bin daraufhin regelrecht ausgeflippt. Ich wusste nicht, wie ich auf diese unfassbare Tat reagieren sollte. Auf meine massiven Vorwürfe, wie man so etwas tun könne, reagierte Uwe Mundlos lediglich dahingehend, dass „eh alles verkackt sei“ und dass er es zum „knallenden Abschluss“ bringen wolle. Was er damit meinte, erfuhr ich kurze Zeit später von Uwe Böhnhardt.
Uwe Mundlos erwiderte, dass sie – gemeint sind Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – genau gewusst hätten, wie ich reagieren würde und dass sie mir deshalb drei Monate lang nichts gesagt hätten.
Ich konnte nicht glauben was mir Uwe Mundlos erzählt hatte – schließlich wusste ich, dass Uwe Böhnhardt sein eigenes Blut nicht sehen konnte. Ich erinnere mich daran, dass er sich einmal mit einem Messer in den Finger geschnitten hatte und ihm dabei schwindelig wurde und er sich sogar hinsetzen musste, weil sein Kreislauf nicht mehr mitspielte.
Ich stellte Uwe Böhnhardt zur Rede. Dieser bestätigte mir den Geschehensablauf mit der gleichen Begründung wie ich ihn zuvor von Uwe Mundlos erfahren hatte. Auf meine Frage, warum sie einen Menschen getötet hatten, erhielt ich keine klare Antwort. Es wurden Argumente vorgetragen wie: Perspektivlosigkeit, Gefängnis und insgesamt bestehende Frustration. Für mich waren dies keine nachvollziehbaren Erklärungen. Es wurde mit keinem Wort erklärt, dass der Mord politisch motiviert gewesen sei. Beide berichteten mit keinem Wort, dass Enver Simsek deshalb sterben musste, weil er Ausländer war. Bis zum heutigen Tag weiß ich die wahren Motive der beiden nicht und ich schließe nicht aus, dass sie mir nicht die Wahrheit gesagt haben, was ihre wahren Motive waren. Gedanken, sich öffentlich zu dieser Tat zu bekennen oder sich damit zu brüsten oder damit öffentlich zu politisieren wurden nicht mit einem Wort erwähnt.
Mit dem Umstand konfrontiert, dass ich nun auch in einen Mord verwickelt war, eröffnete ich den beiden, dass ich mich der Polizei stellen wolle. Angesichts der drohenden langjährigen Freiheitsstrafe wegen der Raubüberfälle war ich mir zwar nicht im Klaren, ob ich mich tatsächlich stellen würde, wollte den beiden aber klar machen, dass ihr Handeln für mich inakzeptabel und unerträglich war.

Sie überraschten mich mit der Erklärung, dass sie sich in diesem Fall selbst töten wollten.

Sie hätten miteinander besprochen und sich gegenseitig geschworen, sich niemals von der Polizei festnehmen zu lassen. Sie hätten sich geschworen, dass sich beide „die Kugel geben würden“. Sollte dies, aus welchen Gründen auch immer, misslingen so sollte zunächst der eine den anderen und dann sich selbst erschießen.
Wenn ich also zur Polizei gehen, die beiden dadurch entdeckt und ihre Verhaftung drohen würde, so wollten sie sich der Verhaftung auf diese Weise entziehen.
Hintergrund dieses Vorhabens war wohl auch die Information durch Uwe Böhnhardt's Mutter, ihr habe ein Polizist mitgeteilt, dass die beiden erschossen würden, sollten sie sich der Verhaftung widersetzen.

Sie zeigten mir die Pistole, die sie am 09.09.2000 verwendet hatten. Ich weiß nicht, ob es die gleiche Pistole war, die sie am 18. Dezember 1998 verwendet hatten. Ich vermute, dass es eine andere Pistole war. Uwe Böhnhardt hatte die Pistole, so berichtete er, in seinem Zimmer im Schrank versteckt.
Ich stand vor einem, für mich unlösbaren Problem: sollte ich mich der Polizei stellen und die langjährige Haftstrafe in Kauf nehmen, so müsste ich wahrscheinlich den Tod der beiden einzigen Menschen, die mir neben meiner Oma lieb waren, auf mein Gewissen nehmen.
Bei einer Veröffentlichung meines Bildes würden mich die Nachbarn erkennen und die beiden zwangsläufig in den Verdacht der Mittäterschaft geraten.
Beide übten Druck auf mich aus, dass sie den Freitod wählen würden, wenn ich mich der Polizei stellen würde, weil ihre eigene Verhaftung sonst nur eine Frage der Zeit sein würde. Ich hätte ihren Aufenthaltsort zwar niemals verraten, aber ihren Worten war unmissverständlich zu entnehmen, dass sie mir zwar vertrauten, aber eben nicht zu 100 Prozent.

Mir war bewusst, dass es nun für ein „Aussteigen“ definitiv zu spät war – dafür sah ich keine Chance mehr. Ich wusste nicht, ob die beiden des Mordes überführt würden. In diesem Fall würde auch ich im Verdacht stehen, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Uwe Mundlos wollte mir zwar schriftlich bestätigen, dass ich mit der Sache nichts zu tun hatte – aber welchen Beweiswert sollte ein solches Schriftstück haben?

Nach diesem Gespräch kann ich die Stimmung unter uns nur als eisig beschreiben. Die beiden waren einige Tage vor dem Weihnachtsfest nicht in unserer Wohnung. Sie waren ohne Verabschiedung weggefahren und hatten mir nicht gesagt, was sie vorhatten. Das Weihnachtsfest wurde nicht gefeiert, es wurden keine Geschenke ausgetauscht und Silvester verbrachte ich alleine in der Wohnung. Auch mein Geburtstag am 02. Januar wurde nicht gefeiert und beide gratulierten mir nicht.
In den folgenden Wochen wurde nur das Nötigste gesprochen. So erfuhr ich vom Bombenanschlag in der Probsteigasse in Köln erst, als ich sie nach Berichten in der Presse darauf ansprach, ob sie etwas damit zu tun hätten. Vor der heftigen Diskussion Mitte Dezember 2000 hatte ich mehrfach mitbekommen, dass die beiden über Köln sprachen.
Beide berichteten mir, dass sie die Aktion vor Weihnachten vorbereitet hätten. Uwe Böhnhardt habe die Bombe in seinem Zimmer gebaut und nach unserer intensiven verbalen Auseinandersetzung hätten sie diese nach Köln verbracht. Es war Uwe Böhnhardt, der den Korb mit der Bombe im Geschäft deponierte, während Uwe Mundlos in Sichtweite vor dem Geschäft gewartet hatte.
Ich hatte vom Bau der Bombe nichts mitbekommen. Auf meine entsprechende Nachfrage erfuhr ich, dass sie arbeitsteilig tätig waren, wenn ich zum joggen unterwegs war und sie wussten, dass ich erst einige Stunden später zurückkommen würde. Sie wollten die Aktion vor mir verheimlichen, weil sie keine Lust hatten, mit mir zu diskutieren.
Angesprochen darauf, was sie mit dieser, aus meiner Sicht brutalen und willkürlichen, Aktion erreichen wollten, erwiderten sie in abfälliger Weise, dass sie „Bock darauf gehabt hätten“. Es kam mir der Gedanke, wie gefühllos beide waren und es kamen mir erstmals Zweifel, wie ich beiden gefühlsmäßig gegenüber stand. Die Kraft mich zu trennen – insbesondere von Uwe Böhnhardt – und mich der Justiz zu stellen, hatte ich jedoch nicht.

Zum 01. Mai 2001 zogen wir in eine Vier-Zimmer-Wohnung in die Polenzstraße 2 in Zwickau um. Jeder hatte sein eigenes, abschließbares Zimmer, um ungestört sein zu können. Wir hatten vereinbart, dass jeder für Sauberkeit und Ordnung im eigenen Zimmer zu sorgen hatte.
Acht Monate in einem Zimmer „hausen“, wie in der Altchemnitzer Straße 12 in Chemnitz, war in unguter Erinnerung, so dass wir über die Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnung in der Wolgograder Allee 76 in Chemnitz und in der Heisenbergstraße 6 in Zwickau nun so viel Platz fanden, dass sich jeder in seinem eigenen Zimmer ungestört aufhalten konnte. So kam es immer häufiger vor, dass wir uns nur zum Essen sahen und sich ansonsten jeder in seinem Zimmer aufhielt. Ich verbrachte die Zeit zum größten Teil mit Computerspielen.

Mit Blick auf die Tatvorwürfe vom 13.06.2001 sowie 27.06.2001 kann ich mich nur insoweit äußern, dass ich weder an irgendwelchen Vorbereitungshandlungen noch an den Ausführungen beteiligt war. Weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt hatten mich zuvor informiert, was sie in Nürnberg und Hamburg vorhatten.
Sie berichteten mir davon, nachdem sie am 05.07.2001 den Raubüberfall auf die Post in der Max-Planck-Straße in Zwickau verübt hatten. Sie hatten mich vorher nicht informiert, um eine Auseinandersetzung bzw. Diskussion mit mir zu vermeiden. Sie zeigten mir das Geld, welches sie am 05.07.2001 erbeutet hatten, und berichteten davon, dass sie Reizgas eingesetzt hätten.

Im Rahmen dieses Gespräches berichteten sie mir von ihren Mordtaten vom 13.06. und 27.06.2001.
Ich war einfach nur sprachlos, fassungslos und war nicht in der Lage, auf ihre Ausführungen zu reagieren. Ich hatte nicht nach Details gefragt. Ich wollte es nicht hören. Ich fühlte mich wie betäubt.
Ich hatte nicht für möglich gehalten, dass sie nach unserer Auseinandersetzung Mitte Dezember 2000 nochmals auf einen Menschen schießen würden.

Rückblickend betrachte ich meine Reaktion so, dass ich resigniert hatte. Mir wurde bewusst, dass ich mit zwei Männern zusammen lebte, denen ein Menschenleben nichts wert war. Meine Frage nach dem Warum wurde wiederum mit inhaltlosen Floskeln beantwortet. Diesmal äußerten sie sich auch in ausländerfeindlicher Richtung. Damals hatte ich nicht für möglich gehalten, dass die beiden die Hetzlieder, wie sie einst an der „Schnecke“ gegrölt wurden, in die Tat umsetzen würden.

Meine Gefühle kann ich im Ganzen nur so beschreiben, dass ich mich einerseits von den Taten abgestoßen fühlte, mich nach wie vor zu Uwe Böhnhardt hingezogen fühlte, keine Chance für mich auf eine Rückkehr in das bürgerliche Leben sah und mich deshalb meinem Schicksal ergab, mit diesen beiden Männern weiter zu leben, trotz ihrer furchtbaren Taten.

Ich musste für mich feststellen: die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie.

Meine Gefühle änderten sich auch dahingehend, dass, wenn sich die beiden ohne Erklärung für unbestimmte Zeit, beziehungsweise Tage, verabschiedeten, ich große Angst bekam, sie würden nicht mehr zurückkehren.
Ich befand mich im Zwiespalt der Gefühle:
– den finanziellen Vorteil der Raubüberfälle hatte ich akzeptiert und von diesen profitiert,
– gegenüber Uwe Mundlos hegte ich enge freundschaftliche Gefühle und Uwe Böhnhardt liebte ich – die beiden waren meine Familie,
– die Mordtaten lehnte ich zutiefst ab ,
– vor einer langjährigen Inhaftierung hatte ich Angst,
– vor der Nachricht, dass sich beide getötet hätten, hatte ich noch größere Angst.

Aus diesem emotionalen Dilemma fand ich keinen Ausweg und ließ die weiteren Geschehnisse auf mich zukommen.

Nach dem für mich schockierenden und deprimierenden Gespräch Anfang Juli 2001 (über die Taten vom 13.06.2001, 27.06.2001 und 05.07.2001) begingen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 29.08.2001 den Mord an Habil Kilic in München.
Ich war weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung dieser Tat beteiligt. Ich wusste nicht, dass sie nach München fuhren. Sie hatten mir gesagt – so meine ich mich heute zu erinnern – dass sie nach einer Bank für einen weiteren Raubüberfall Ausschau halten würden.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich von dem Mord an Habil Kilic erfahren habe. Es war am 12. oder 13. September 2001, jedenfalls unmittelbar nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten am 11.09.2001 den ganzen Tag die entsprechenden Fernsehberichte angesehen. Sie waren regelrecht begeistert von den Geschehnissen in den USA und applaudierten sogar. Wir diskutierten an den darauffolgenden Tagen darüber. Ich vertrat die Meinung, dass solche Aktionen unmenschlich seien. In diesem Zusammenhang brüsteten die beiden sich mir gegenüber mit dem Mord an Habil Kilic, welchen sie rund zwei Wochen zuvor in München begangen hatten. Sie legten mir dabei einen Zeitungsausschnitt vor, in dem über ihre Tat berichtet wurde.

Meine Reaktion war wiederum Entsetzen. Es gab jedoch keine verbale, lautstarke Auseinandersetzung – wie Mitte Dezember 2000 -, sondern ein gegenseitiges Anschweigen. Diese Stimmung hielt einige Wochen an. Ich hatte den Gedanken, dass wir drei schließlich jede Nacht in der gleichen Wohnung verbringen müssten.

Bis September 2002 verbrachten wir die Zeit mit Sport und stundenlangem Computerspielen.

Am 25.09.2002 überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkasse in der Karl-Marx-Straße in Zwickau. Ich war weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung des Überfalls beteiligt. Ich kann mich nur daran erinnern, dass sie knapp 50.000,- € erbeutet hatten.

An den Raubüberfall vom 23.09.2003 habe ich keine Erinnerung. Ich gehe davon aus, dass sie mich weder über die Vorbereitung noch über die Durchführung informiert hatten. Sie berichteten niemals von einer Beute in Höhe von 435,- €, so wie in der Anklage vorgeworfen wird – jedenfalls war ich nicht daran beteiligt.

Mit dem Mord vom 25.02.2004 an Yunus Turgut in Rostock hatte ich nichts zu tun. Von irgendwelchen Vorbereitungshandlungen, wie dem Anmieten eines Wohnmobils, hatte ich nichts mitbekommen. Es war mir auch nichts davon bekannt, dass sich die beiden einen Schalldämpfer besorgt hatten, wie es in der Anklage zu lesen ist. Uwe Mundlos berichtete davon, dass er „in Rostock einen Türken erschossen“ hätte. Details schilderte er nicht, er wiederholte nur mehrfach, dass „es wieder passiert sei“.
Ich erinnere mich, dass ich auf beide stundenlang eingeredet hatte mit dem Töten aufzuhören. Auch wollte ich die beiden nicht dadurch verlieren, dass sie von der Polizei erschossen werden oder sich gegenseitig erschießen würden. Gebetsmühlenartig erhielt ich zur Antwort, dass es nicht mehr passieren würde. Sie hielten ihr Wort nicht.

Drei Monate später überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 14. und 18. Mai 2004 die Sparkassen in der Albert-Schweitzer-Straße und in der Sandstraße in Chemnitz.
Sie hatten mich zuvor darüber informiert, dass sie in Chemnitz „Geld besorgen“ würden. Sie verwendeten diesen Ausdruck, wenn sie zu einem Überfall aufbrachen. Weder an der jeweiligen Vorbereitung noch an der jeweiligen Durchführung war ich beteiligt. Sie hatten mich nicht informiert, welches Objekt sie ausgekundschaftet hatten und was sie konkret geplant hatten.
Sie kehrten einige Tage nach dem 18. Mai 2004 zurück, den genauen Zeitraum weiß ich nicht mehr, und breiteten die Beute von über 100.000,— € vor mir aus. Das Geld wurde in der Wohnung an mehreren Stellen versteckt.

Am 09. Juni 2004 begingen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln. Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Tatausführung beteiligt.
Beide hatten sich mit der Begründung verabschiedet, noch „etwas Geld zu besorgen“. Auf meinen Einwand, dass das in Chemnitz erbeutete Geld für Monate reiche, erwiderten sie mir nur, dass sie gerade „einen Lauf“ hätten. Ich bin also davon ausgegangen, dass sie einen Raubüberfall begehen würden. Ich wusste nicht, dass sie nach Köln fahren wollten.

Nach ihrer Rückkehr berichteten sie mir davon, dass sie in Köln einen Bombenanschlag auf Türken verübt hatten. Sie berichteten keine Details, nur dass sie eine Nagelbombe zur Explosion gebracht hatten.
Ich war einfach nur entsetzt und konnte diese Aktion nicht nachvollziehen. Ich verstand ihr Handeln auch deshalb nicht, weil es absolut sinnlos war. Beide begründeten ihr Tun damit, die türkische Bevölkerung in Köln in Angst und Schrecken versetzen zu wollen und – zum wiederholten Male – dass sie ihr „Leben verkackt“ hätten.
Über die Zeitung hatte ich mich informiert, was passiert war. Mit den Schilderungen der beiden allein hatte ich mich nicht zufrieden gegeben.
Des weiteren wurde im Fernsehen vom Anschlag berichtet und die mutmaßlichen Täter anhand von Bildern gezeigt. Ich war überzeugt, dass die beiden erkannt würden und unsere Verhaftung bevor stünde. Deshalb fuhren die beiden auf irgendeinen Campingplatz. Ich wollte nicht mitfahren. Ich wollte auf keinen Fall dabei sein, wenn sie sich töten, sollte die Polizei sie entdecken. Es passierte aber nichts.
Ab diesem Zeitpunkt vertraute ich den beiden nicht mehr, dass sie mir die Wahrheit über ihre Vorhaben berichteten.
Trotzdem konnte ich mich nach wie vor nicht von den beiden lösen. Meine Gedanken waren immer wieder die gleichen: Angst vor einer langjährigen Haftstrafe, schuldig zu sein an ihrem gemeinsamen Tod und Uwe Böhnhardt nie wieder zu sehen.
Deshalb war ich nicht in der Lage Konsequenzen zu ziehen.

Im Verlauf der nächsten zwei Jahre dachte ich, dass nichts weiter passiert sei. Dies war aber ein Irrtum.

Anfang Oktober 2006 beging Uwe Böhnhardt den Überfall auf die Sparkasse in der Kosmonautenstraße in Zwickau.
Wir hatten kein Geld mehr – das Geld aus den Überfällen im Mai 2004 war verbraucht.
Ich war an den Vorbereitungshandlungen und an der Tatausführung nicht beteiligt. Uwe Böhnhardt deutete zwar an, dass er in Zwickau etwas vorhätte, teilte jedoch keine Einzelheiten mit, insbesondere nicht sein Vorhaben, einen Überfall alleine zu begehen.
Es war ganz in meinem Sinn keine Einzelheiten zu erfahren, weil ich viel zu viel Angst hatte, dass etwas schief geht und mir Einzelheiten des Ablaufs durch den Kopf gingen. Wiederum hatte ich extreme Angst, dass ich ihn nicht wiedersehen würde.
Uwe Böhnhardt kehrte zurück und berichtete in Anwesenheit des Uwe Mundlos, von dem „schief gegangenen“ Überfall, wie er es nannte. Er berichtete davon, dass er auf einen Mann geschossen habe, um zu entkommen. Die Mitteilung, dass er nichts erbeutet habe, erfolgte eher nebensächlich. Fast übergangslos erzählten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, dass sie Ende November 2005 einen weiteren erfolglosen Raubüberfall auf die Sparkasse in der Sandstraße in Chemnitz begangen hatten.

Damit nicht genug: sie erzählten mir bei dieser Gelegenheit auch von den weiteren vier Morden, die sie am 09.06.2005 in der Scharrer Straße in Nürnberg, am 15.06.2005 in der Trappentreustraße in München, am 04.04.2006 in der Mallinchrodstraße in Dortmund und am 06.04.2006 in der Holländische Straße in Kassel begangen hatten.

Sie berichteten nicht von den genauen Örtlichkeiten – diese kenne ich erst aus den Ermittlungsakten. Sie nannten auch keine Namen. Sie brüsteten sich vielmehr damit, dass sie „vier weitere Ausländer umgelegt“ hätten.

Meine Reaktionen sind nur schwer zu beschreiben: Fassungslosigkeit, Entsetzen, das Gefühl der Machtlosigkeit. Ich war unglaublich enttäuscht darüber, dass sie erneut gemordet hatten. Auch hatten sie mich erneut hintergangen, obwohl sie mir zuvor versprochen hatten, keinen Menschen mehr zu töten.

Es war eine unendliche Leere in mir, anders kann ich es nicht beschreiben. Ich wusste nicht wie es weitergehen würde.
Ich konnte die weiteren Dinge nur noch geschehen lassen. Ich lebte weiterhin mit den beiden zusammen und nahm ihre Taten kaum mehr zur Kenntnis – wahrscheinlich war auch nur deshalb ein Zusammenleben ohne tägliche Konflikte überhaupt möglich.
Eine Trennung von ihnen erschien mir nicht möglich. Ich hatte mit den Morden nichts zu tun – aber das würde mir wohl niemand glauben. Auch in Bezug auf das finanzielle Überleben war ich auf die beiden absolut angewiesen.
Während ihrer Abwesenheit spielte ich den ganzen Tag Computerspiele und trank zunehmend Sekt, etwa drei bis vier Flaschen am Tag, bis ich angetrunken war. Ich vernachlässigte unsere Katzen, was für mich völlig untypisch war.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt überfielen am 07.11.2006 und am 18.01.2007 die Sparkasse in der Kleine Parower Straße in Stralsund. Ich war weder an den Vorbereitungen noch an den Ausführungen beteiligt. Sie informierten mich zwar, dass sie wieder „Geld besorgen“ würden, teilten mir aber jeweils nicht mit, wann und wo sie was genau geplant hatten.
Die Beute von etwas mehr als 1/4 Million Euro beruhigte mich insofern, dass nun für lange Zeit nichts mehr passieren musste. Ich war mir jedoch nicht sicher, weil mich beide in der Vergangenheit oft angelogen hatten. Das Geld wurde in der Wohnung versteckt, wobei ich nicht sagen kann, wie viel jeweils in welchem Zimmer deponiert wurde.

Am 25.04.2007 ermordeten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Polizistin Michele Kiesewetter und verletzten den Polizisten Martin Arnold schwer.
Sie hatten mich zuvor nicht darüber informiert, dass sie eine solche Tat begehen wollten. Sie hatten mich nicht einmal dar über informiert, dass sie wegfahren wollten.
Als die beiden einige Tage später in die Wohnung zurückgekehrt waren berichteten sie davon, dass sie zwei Polizisten ermordet hatten.
Ich war regelrecht ausgeflippt, hysterisch und ihnen gegenüber sogar handgreiflich geworden, wobei ich versucht hatte sie zu schlagen. Nachdem ich wieder einen vernünftigen Gedanken fassen konnte fragte ich nach dem Warum.
Ich erhielt die unfassbare Antwort, dass es ihnen nur um die Pistolen der zwei Polizisten ging. Sie seien mit ihren Pistolen wegen häufiger Ladehemmungen unzufrieden gewesen. Das war der einzige Grund, warum erneut ein Mensch sterben musste. Ich war nur noch fassungslos – eine weitere Beschreibung meiner Gefühle ist mir nicht möglich.

Ich hatte zwar in den Jahren zuvor Streitigkeiten zwischen den beiden mitbekommen, wer von beiden, die besser funktionierende Pistole mitnehmen dürfe. Keiner von beiden ging ohne Pistole aus dem Haus. Ich hatte aber nicht im Traum daran gedacht, dass sie einen Menschen umbringen würden, damit jeder eine absolut funktionstüchtige Waffe bei sich hätte, bei der keine Ladehemmungen möglich waren.
Am nächsten Tag, als ich meine Gedanken wieder sortieren konnte, hielt ich ihnen vor: „Warum habt ihr die Waffen nicht in einem Waffengeschäft geraubt?“ Als Antwort erhielt ich nur Ausflüchte.

Heute, mit einigen Jahren Abstand, muss ich mir wohl eingestehen, dass ich mit zwei Menschen zusammen gelebt habe, die einerseits im täglichen Leben zuvorkommend, tierlieb, hilfsbereit und liebevoll waren und andererseits mit unvorstellbarer Gefühlskälte Menschen getötet hatten.
Zum 01.04.2008 zogen wir in die Frühlingstraße 26 in Zwickau. Der Umzug erfolgte in der Absicht uns abzuschotten. Wir lebten in der ständigen Angst entdeckt zu werden und glaubten uns diese Angst mit einem Umzug nehmen zu können.
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sicherten die Wohnung in der Art und Weise, wie es in der Anklageschrift (Blatt 152 ff.) beschrieben ist. Ich selbst hatte mich an den Umbauten nicht beteiligt, weil ich handwerklich zu ungeschickt bin und mir in technischer Hinsicht das Wissen fehlte.

Beide erwähnten mehrfach, dass sie sich frei schießen würden, sollten sie durch die Polizei entdeckt werden oder, wenn dies nicht gelingen würde, dass sie sich durch Erschießen das Leben nehmen.
Bei diesen Gesprächen über den Tod musste ich beiden mehrfach das „absolute Versprechen“ geben: Sollten beide erschossen werden oder sollten sie sich selbst erschießen, um einer Verhaftung zuvor zu kommen, so sollte ich die von Uwe Mundlos erstellten und versandfertig vorbereiteten DVDs in den Briefkasten stecken und versenden. Ich sollte die Wohnung in Brand setzen und ich sollte die Eltern des Uwe Mundlos und des Uwe Böhnhardt benachrichtigen.
Uwe Mundlos wollte, dass alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei. Uwe Böhnhardt wollte, dass alle Beweise vernichtet werden, die Rückschlüsse auf unsere Lebensweise in den vergangenen Jahren zulassen würden.
Ich gab ihrem jeweiligen Drängen nach und gab ihnen wiederholt mein ausdrückliches Versprechen, ihre letzten Wünsche zu erfüllen. Beide wussten, dass ich ein Versprechen, welches ich einmal gegeben hatte, nicht brechen würde.
Es wurde dabei niemals besprochen, wie ich die Wohnung in Brand setzen und dadurch die Beweismittel vernichten sollte. Zu diesen Beweismitteln zählten für mich beispielsweise die Waffen und die Festplatten der Computer. Die Existenz der Hose, auf der sich Blut der getöteten Polizeibeamtin Kiesewetter befand, war mir völlig unbekannt.
Darüber, wie ich die Wohnung in Brand setzen sollte, hatte ich mir auch keine Gedanken gemacht, beziehungsweise verdrängt, weil für mich der Gedanke unerträglich war, dass ich in diesem
Fall sowohl Uwe Böhnhardt als auch Uwe Mundlos verloren hätte.

Vier Jahre passierte nichts, bis zum 07.09.2011.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt überfielen an diesem Tag die Sparkasse in der Goethestraße in Arnstadt.
Sie hatten mich dahingehend informiert, dass sie ein Wohnmobil anmieten und ein neues Objekt für einen Raubüberfall auskundschaften wollten. Wir hatten noch genug Geld, aber sie wollten an ihrem Vorhaben festhalten, weil zunehmend bargeldlos eingekauft wurde und die Banken deshalb immer weniger Bargeld vorrätig hatten.
Informationen darüber, wann sie wo welches Objekt auskundschaften wollten, gaben sie mir nicht.
Nach ihrer Rückkehr berichteten sie vom Überfall und zeigten mir das erbeutete Geld, das sodann in der Wohnung versteckt wurde.

04.11.2011
Am Freitag, den 04.11.2011, waren die beiden „überfällig“, nachdem sie am Wochenende zuvor losgezogen waren. Sie wollten ein Objekt für einen Raubüberfall auskundschaften und erwähnten, am Dienstag Geld besorgen zu wollen.
Bei der Abholung des Wohnmobils am 25.10.2011, mit welchem sie losfuhren, war ich dabei, weil wir anschließend gemeinsam nach Leipzig fuhren.
An diesem Freitag erfuhr ich über das Radio, dass in Thüringen ein Wohnmobil entdeckt worden sei, welches brennen würde, dass Schüsse gefallen seien und dass sich – so meine ich mich zu erinnern – zwei Leichen im Wohnmobil befinden würden.
Ich war mir sofort sicher, dass dieses Wohnmobil die beiden betraf und dass sie sich getötet hatten. In gewisser Weise war eine unglaubliche Leere in mir. Es war der Tag gekommen, vor dem ich mich immer gefürchtet hatte – Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos werden nicht mehr zurückkommen.

In diesem Augenblick hatte ich nur den einen Gedanken: ihren letzten Willen und mein Versprechen ihnen gegenüber zu erfüllen – nämlich die gemeinsame Wohnung „abzufackeln“ und die DVDs zu verschicken. An den Anruf der Eltern dachte ich zunächst nicht. Wie schon beschrieben sollte einerseits ihre persönliche Habe vernichtet werden, andererseits der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, dass sie es waren, die die Morde begangen hatten. Ich werde später auf meine Vermutungen hinsichtlich des Inhalts der DVDs eingehen.
Ich konnte nur noch an mein Versprechen den beiden gegenüber denken und begann damit ihren letzten Willen in die Tat umzusetzen.
Im Abstellraum der Wohnung befand sich der Kanister, gefüllt mit Benzin, welchen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seit längerer Zeit dort deponiert hatten. Ursprünglich war das Benzin zum Befüllen des Außenborders seines Bootes gedacht.
Bevor ich dieses Benzin verschüttete, begab ich mich zur Nachbarin, Frau Charlotte [E., Abkürzung durch die Red.], um sie zu warnen und zu veranlassen, das Haus zu verlassen. Ich hatte mir überlegt ihr mitzuteilen, dass es in meiner Wohnung brenne und sie sofort das Haus verlassen müsse. Ich hätte sie notfalls auch mit sanfter Gewalt hinaus begleitet, falls sie uneinsichtig gewesen wäre und nicht hätte gehen wollen. Hätte sie sich gesträubt und wäre sie nicht mitgegangen, dann hätte ich mein Vorhaben abbrechen müssen. Was ich dann gemacht hätte weiß ich nicht – das Abfackeln der Wohnung wäre schließlich nicht möglich gewesen.
Ich klingelte mehrfach an der Eingangstür, ohne dass sie die Tür öffnete. Ich klingelte auch bei den übrigen Bewohnern – ohne Reaktion, niemand war zu Hause. Ich bemerkte, dass die Eingangstür nicht eingerastet war und begab mich zur Wohnungstür der Frau [E.].
Ich wartete geschätzte ein bis zwei Minuten und klopfte und klingelte mehrfach. Nachdem ich keine Geräusche vernahm und die Tür nicht geöffnet wurde, begab ich mich wieder in meine Wohnung. Ich setzte unsere zwei Katzen in ihren Korb, nahm eine Tasche, welche ich noch bei meiner Verhaftung bei mir hatte, legte zwei Flaschen Sekt und Schmerztabletten hinein und stellte alles auf den Flur.

An dieser Stelle weise ich den Vorwurf der Anklage, ich hätte billigend in Kauf genommen, dass die Handwerker [P.] und [K.] durch die Brandlegung zu Tode kommen würden, mit Entschiedenheit zurück.
Ich wusste, dass die beiden Handwerker seit Wochen im Dachgeschoss des Hauses Renovierungsarbeiten durchführen. Sie waren nahezu täglich im Haus und arbeiteten von morgens bis zum Nachmittag, wobei ab und zu auch nur einen von beiden anwesend war. Es war nicht zu überhören, wenn sie das Treppenhaus hinauf- oder hinuntergingen, weil die Treppenstufen beim Betreten sehr laut knarrten. Auch das Arbeiten der beiden war nicht zu überhören. Es wurden zum Beispiel Fliesen von den Wänden abgeschlagen. Oft konnte ich das sehr laute Radio vernehmen, insbesondere wenn nur einer von beiden anwesend war.
Ich wusste, dass sie mit einem weißen Transporter zur Arbeit kamen, welchen sie vor dem Haus parkten. Dies konnte ich entweder am Monitor der installierten Überwachungsanlage oder beim Verlassen sowie beim Betreten des Hauses sehen, wenn ich zum Beispiel zum Einkaufen ging.
Am 04.11.2011 hatte ich am Vormittag mitbekommen, dass die beiden im Dachgeschoss arbeiten. Nach meinem Entschluss, die Wohnung in Brand zu setzen, nach meinem Klingeln bei Frau [E.] und bevor ich das Benzin in der Wohnung verschüttete, ging ich im Treppenhaus ein paar Stufen nach oben und machte mich mit einem lauten „Hallo“ bemerkbar. Es erfolgte keine Reaktion. Ich hörte weder Arbeitsgeräusche noch Musik und sah auch auf dem Monitor keinen Transporter, nachdem ich in mein Zimmer zurückgekehrt war. Ich war mir daher sicher, dass sich die zwei Handwerker nicht im Haus aufhielten.

Sodann nahm ich etwa die Hälfte der DVDs, welche sich versandfertig und frankiert verpackt im Abstellraum befanden an mich und steckte diese in den Briefkasten, der sich vor dem Haus befand. Warum ich nur etwa die Hälfte der vorhandenen DVDs an mich nahm und in den Briefkasten steckte kann ich heute nicht erklären – ich weiß es nicht.
Zur Wohnung zurückgekehrt verschüttete ich das Benzin in allen Räumen der Wohnung.

Seit unserem Einzug in die Frühlingstraße hatte ich mehrfach – mindestens fünf bis sechs Mal – bei Frau E. geklingelt weil ihr Fernseher einfach zu laut war. Dass der Fernseher meist lauter als Zimmerlautstärke war, hatte ich akzeptiert. Mein Zimmer befand sich an der Wandseite zum Wohnzimmer der Frau [E.]. Ich bat Frau [E.] jeweils den Fernseher leiser zu stellen, was sie auch tat und sich entschuldigte. Jedes Mal hatte Frau [E.] mein Klingeln trotz des lauten Fernsehers gehört und war innerhalb höchstens einer Minute an der Tür erschienen. Ich erinnere mich, dass ich zum letzten Mal etwa drei Wochen vor dem 04.11.2011 bei Frau [E.] wegen des lauten Fernsehers vorgesprochen hatte.

Etwa ein halbes Jahr zuvor hatte ich Frau [E.] einen an sie gerichteten Brief, der versehentlich in unseren Briefkasten eingeworfen worden war, an der Wohnungstür übergeben. Auch bei dieser Begebenheit hatte Frau [E.] auf mein Klingeln in einer geschätzten Zeit von weniger als einer Minute geöffnet.

Als drittes Beispiel möchte ich angeben, dass ich etwa Mitte September 2011 bei Frau E. an der Haustür geklingelt hatte, um mit ihr zu besprechen, ob sich auch in ihrer Küche der Fußboden, verzogen hatte. Sie öffnete nach kurzer Zeit, geschätzt nach einer halben bis einer Minute, und wir schauten uns den Boden ihrer Küche an – dieser war in Ordnung.

Deshalb war ich mir absolut sicher, dass Frau [E.] nicht zu Hause war.

Ich hätte niemals eine 89-jährige Frau in Gefahr gebracht. Ich hatte und habe zu meiner Oma ein sehr inniges Verhältnis. Daher hätte ich den Gedanken nicht ertragen können, eine ältere Frau in solch eine Gefahr zu bringen.

Ich nahm mein Feuerzeug, entzündete dies und hielt die Flamme an das Benzin, das sich auf dem Boden verbreitet hatte. Das Benzin fing sofort Feuer und dieses schoss geradezu durch den gesamten Raum.

Alles, was sich in der Wohnung befand, sollte verbrennen.
Ich bin mir des Widerspruches bewusst: auf der einen Seite sollten die Beweise für das Tun und die Planung der beiden sowie ihr Leben in der gemeinsamen Wohnung vernichtet werden, während auf der anderen Seite durch das Versenden der DVDs ihr Tun publik gemacht werden sollte.

Beide hatten mir damals das Versprechen abgenommen, die Wohnung aus den genannten Gründen in Brand zu setzen, sollten sie selbst nicht mehr dazu in der Lage sein. Allein mit diesem Gedanken hatte ich das Benzin entzündet. Ich selbst hatte nicht die Absicht Beweise zu vernichten, die mich in strafrechtlicher Hinsicht belasten könnten. Dies war mir völlig egal. Bei entsprechender Absicht wäre es für mich ein Leichtes gewesen, die Waffen, welche nicht verbrennen können, an mich zu nehmen und gezielt zu entsorgen, etwa, in einem Abfallcontainer oder Papierdokumente separat zu verbrennen.

Ich hatte nur, die Gedanken: ich war jetzt alleine, ich hatte alles verloren, ich musste ihren letzten Willen erfüllen.
Ich schloss die Wohnungstür und rannte mit meinen beiden Katzen und meiner Tasche über der Schulter aus dem Haus.
Vor dem Haus angekommen hörte ich einen lauten Knall. Eine Passantin, die mir entgegen kam, fragte ich, ob sie auf meine Katzen aufpassen könne. Ich ging sodann zurück zum Haus und erkannte, dass dieses teilweise eingestürzt war. Ich war völlig konfus, weil ich nur damit gerechnet hatte, dass das Haus brennt. Ich erwiderte noch einer anderen Passantin, dass die Feuerwehr gerufen wäre und begab mich zum Bahnhof.

Ich fuhr anschließend vier Tage lang mit dem Zug planlos kreuz und quer durch Deutschland, bis ich mich zu Rechtsanwalt Liebtrau in Jena begab. Mit diesem stellte ich mich anschließend der Polizei, nachdem ich dies telefonisch angekündigt und verlangt hatte, vorher noch mit meiner Oma sprechen zu können.

Während der vier Tage und auch am 04.11.2011 selbst hatte ich kein Telefongespräch mit einem Mitarbeiter des Innenministeriums oder einer anderen Behörde geführt.

III.

Der Generalbundesanwalt wirft mir vor, ich hätte als gleichgeordnetes Mitglied an der Tätigkeit der Organisation „NSU“ teilgenommen und aktiv deren Aufbau und Bestand gefördert. Ich hätte mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt arbeitsteilig ein spezielles Tatkonzept entwickelt, das Maßnahmen zur sicheren Abtarnung, Finanzierung und Bewaffnung der Gruppe sowie die Anmietung von Fahrzeugen zur Tatbegehung vorgesehen hätte und ich hätte gleichberechtigt bei der Entscheidungsfindung und der jeweiligen Tatplanung mitgewirkt.

Diese, im Zusammenhang mit dem „NSU“ erhobenen, Vorwürfe entbehren einer sachlichen Grundlage und basieren offensichtlich nur auf den Vorstellungen und unzutreffenden Schlussfolgerungen, die aus bestimmten Indizien gezogen werden, auf welche ich nachfolgend näher eingehen möchte.

1. Der Begriff des NSU
Uwe Mundlos hatte sich diese drei Buchstaben einfallen lassen. Es muss etwa im Herbst 2001 gewesen sein, nachdem wir in die Polenzstraße 2 in Zwickau gezogen waren. Er kam auf die Idee dem Magazin „Der Weiße Wolf“ den Betrag von 1.000,00 DM zu spenden. Als ich dies mitbekam, stritt ich mich mit ihm heftig darüber. Ich war nicht damit einverstanden, weil ich meinte, dass wir sparsam leben müssen und das Geld aus dem Überfall vom 05.07.2001 nicht für solche Aktionen ausgeben sollten. Uwe Mundlos ließ sich jedoch nicht beirren. Er hatte über ein Synonym für den Absender nachgedacht.
Seine Überlegung war: Er war untergetaucht und befürwortete einen Großteil der Ideen des Nationalsozialismus. Diese zwei Begrifflichkeiten zusammengesetzt ergaben die Abkürzung „NSU„. Der Begriff „NSU“ diente folglich, zum einen als Absender für seine Spendenaktion und zum anderen als Bezug für seinen Begleittext.
Weder der Text des Briefes noch die Abkürzung „NSU“ waren mit mir abgesprochen.

Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass ich ein Gründungsmitglied einer Vereinigung namens „NSU“ gewesen sein soll. Eine solche Gründung hatte niemals stattgefunden. „NSU“ war einzig und allein die Idee des Uwe Mundlos.
In den vielen Jahren des Zusammenlebens hatten wir – also Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich – niemals untereinander darüber gesprochen, dass wir drei Mitglieder einer nationalsozialistischen Untergrundbewegung seien, die
– „bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit,
– bei im vorhinein gefasstem übergeordnetem Gruppenwillen,
– und bei gemeinsamer politisch-ideologischer Grundhaltung gemeinsame Ziele verfolgen“,
wie es der Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift unterstellt.

Ich habe mich weder damals noch heute als Mitglied einer solchen Bewegung gesehen.

NSU“ als „Vereinigung“ betrachtet hätte maximal aus zwei Personen bestehen können: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, wobei ich betone, dass sich Uwe Böhnhardt niemals einer anderen Person untergeordnet hätte.

Das Logo „NSU“ nebst dem Begleitschreiben an das Magazin „Der Weiße Wolf“ hatte ich damals am Computerbildschirm gesehen, aber nicht mitbekommen, wie Uwe Mundlos dieses Logo erstellt hatte. Wir hatten weder über den Inhalt des Schreibens noch über das Logo gesprochen oder gar diskutiert, weil ich absolut gegen diese Spendenaktion war.

Ich weise den Vorwurf der Anklage, ich sei ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens „NSU“ gewesen, zurück.

Ich weise – aufgrund der vielfältigen Behauptungen nachfolgend auszugsweise – die Vorwürfe zurück, ich hätte mich mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als „integraler Bestandteil zum Gesamtkonzept der Anschläge“ zusammengeschlossen, um einerseits
– aus der Illegalität heraus durch Mord- und Sprengstoffanschläge nationalsozialistisch geprägte völkisch-rassistische Vorstellungen von einem „Erhalt der deutschen Nation“ zu verwirklichen und die Veränderung von Staat und Gesellschaft in diesem Sinne zu befördern,
– um durch Mordanschläge ausländische Mitbürger zum Wegzug zu veranlassen,
– dass sich Menschen mit Migrationshintergrund willkürlichen und systematisch wiederholten Angriffen ausgesetzt sehen und dadurch eingeschüchtert werden,
– um die politische und gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der an die NS-Ideologie angelehnten Vorstellungen der „Vereinigung“ zu ändern,
– um als elitäre Avantgarde eines um seiner selbst Willen und ohne nachhaltige strategische Konzeption geführten terroristischen Vernichtungskampfes gegen den Staat in seiner bestehenden Form und seiner verfassungsmäßigen Ordnung aufzutreten,
– um rassistische und staatsfeindliche Vorstellungen durch die Begehung von Mordtaten umzusetzen, um in der Folge auf jede Form der öffentlichen Tatbekennung und damit zugleich auf einen „politischen“ Kommunikationsprozess zu verzichten,

und um sich andererseits
dreizehn Jahre lang nicht öffentlich zu den Taten zu bekennen, um „Fahndungsdruck zu vermeiden“.

Ich weise den Vorwurf zurück, dass ich mich mit den Mordtaten von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie ihrem „ideologischen Hintergrund“ identifiziert hätte oder hätte identifizieren
müssen, um einen „Aussteigereffekt“ zu vermeiden.

Insbesondere meine Gefühle zu Uwe Böhnhardt standen einem „Aussteigereffekt“ entgegen, den der Generalbundesanwalt spekulativ in den Raum stellt.

2. Die DVDs
Den 15-minütigen „Bekennervideofilm“ habe ich erstmals in der Hauptverhandlung gesehen.

Im Jahr 2000/2001 hatte ich aus Gesprächen zwischen Uwe Mund los und Uwe Böhnhardt mitbekommen, dass Uwe Mundlos eine DVD über seine Raubüberfälle erstellen wollte. Am Computerbildschirm hatte ich das nicht gesehen und ich hatte ihn auch nicht konkret darauf angesprochen. Uwe Mundlos hielt sich oft stundenlang in seinem Zimmer auf und saß vor seinem Computer, wobei ich davon ausging, dass er spielte. Er hatte sich eine Vielzahl an Computerspielen besorgt.
Über die Jahre hinweg, ich schätze ab 2004/2005, als wir in der Polenzstraße in Zwickau wohnten, habe ich immer wieder einmal die Paulchen Panther Melodie aus dem Zimmer des Uwe
Mundlos gehört, habe mir aber nie etwas dabei gedacht. Ich wusste, dass „Paulchen Panther“ seine Lieblings-Zeichentrickserie war. Was er an seinem Computer genau gemacht hat, habe ich mir nicht zeigen lassen und es hat mich auch nicht interessiert.
Vielleicht zwei oder drei Mal, wenn ich sein Zimmer betrat, sah ich auf dem Computerbildschirm Ausschnitte aus dem Zeichentrickfilm, jedoch niemals die von ihm fotografierten Morde – ansonsten sah ich immer nur seine Computerspiele.
Etwa zum Jahreswechsel 2006/2007, als wir einen Wasserschaden in der Wohnung hatten, hatte ich ein Gespräch zwischen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitbekommen, dass Uwe Mundlos „die Nase voll hatte“, dass der Film immer noch nicht fertig sei. Ich weiß aber aus Unterhaltungen, die wir drei in der Frühlingstraße führten, dass er auch noch zu dieser Zeit am Film arbeitete.
Den Inhalt der gegenständlichen DVDs – welche der Generalbundesanwalt einerseits als „Selbstbezichtigungs-DVD“ des „NSU“ und andererseits als letzten propagandistischen Akt des „NSU“ bezeichnet – kannte ich nach wie vor nicht. Ich vermutete zwar, dass neben den Raubüberfällen auch die Morde, die mir Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geschildert hatten, Gegenstand des Films sein könnten – ich verdrängte jedoch diese Gedanken.

Der Vorwurf des Generalbundesanwaltes, ich hätte am Schneiden des Films mitgewirkt und dies ergebe sich aus der Wette „200 x Videoclips schneiden“, erfolgt zu Unrecht.
Uwe Böhnhardt und ich hatten gewettet, ob ich vor Antritt unseres Urlaubs sechs Kilogramm Gewicht abnehmen könne. Ich hatte behauptet, dass ich das schaffen würde. Im Falle meines Verlierens hätte ich 200 Videoclips auf unserem Festplattenrecorder schneiden müssen, im Falle seines Verlierens hätte er dies tun müssen. Den Wettschein hatte Uwe Mundlos am Computer entworfen und hergestellt.
Uwe Böhnhardt und ich hatten mit Vorliebe Fernsehserien am Fernseher angeschaut. Uwe Mundlos saß während dessen immer vor seinem Computer. Uns beide hatten die jeweilige Wiederholung, zu Beginn des Films, die Werbeeinblendungen während des Films und der Abspann nach dem Film genervt. Deshalb nahmen wir alle Filme und Serien, die wir anschauen wollten, auf der Festplatte unseres Recorders auf, um mit der „Schnellvorlauftaste“ die Passagen überspringen zu können. Uwe Böhnhardt hatte die Idee, diese Passagen herauszuschneiden, was mit der Fernbedienung problemlos möglich, aber extrem langweilig war. Deshalb der Wetteinsatz des Schneidens der Fernsehfilme – dies hatte nichts mit Schneiden eines Films am Computer zu tun – davon hatte und habe ich nicht die geringste Ahnung.

Abschließend kann ich zu den DVDs noch erklären, dass. Uwe Mundlos diese Anfang des Jahres 2011 in Tüten verpackt und diese beschriftet hatte. Ich hatte ihn darauf angesprochen, nachdem ich die Tüten im Abstellraum gesehen hatte. Er erklärte, dass dies die DVDs seine, die ich im Fall der Fälle verschicken sollte.

3. Die Waffen
Ich hatte nicht eine einzige Waffe besorgt. Ich hatte ab und zu eine Pistole in den Schrank weggeräumt, wenn sie offen herumlag, weil, ich dies nicht wollte. Ansonsten hatte ich die Waffen der beiden nicht angerührt.

Mitte Dezember 2000 wusste ich, dass sie mit einer Pistole einen Menschen getötet hatten.
Ich bestand darauf, dass sie ihre Pistolen in der Wohnung so deponieren, dass ich sie nicht sehen konnte. So legten sie diese z. B. nicht einsehbar auf den Wohnzimmerschrank oder versteckten sie im Bettkasten.
Im Laufe der Jahre legten sie ihre Pistolen hin und wieder neben den Computerbildschirm auf den Tisch (Uwe Mundlos während des Spielens am Computer) oder sichtbar ins Regal. Ich gewöhnte mich daran, ab und zu eine herumliegende Pistole zu sehen. Akzeptiert hatte ich es nie und beide des Öfteren aufgefordert, die Pistole wegzulegen – bis ich es vereinzelt auch selber machte.
Im Laufe der Jahre hatten sie verschiedene Pistolen, wobei ich diese nicht unterscheiden konnte und es bis heute nicht kann. Die genaue Anzahl ist mir nicht bekannt. Im Jahr 2011 ging ich schätzungsweise von rund einem Dutzend Waffen aus.
Am 04.11.2011 kam mir nicht der Gedanke, die Pistolen einzusammeln und sie gezielt zu entsorgen, zum Beispiel in einen Abfallcontainer. Ich hatte einfach keine Beziehung zu den Waffen und mir war es egal, ob sie letztlich jemand finden würde.
Abschließend betone ich, dass ich bei keiner Lieferung/Übergabe einer Pistole beteiligt und auch nicht anwesend war.

4. Wohnmobile
Ich war nur bei einer einzigen Anmietung eines Wohnmobils, das bei einem Raubüberfall verwendet wurde, anwesend – wie bereits geschildert am 25.10.2011, als wir nach Leipzig gefahren waren.

Ich hatte niemals eine Rechnung für die Miete der Wohnmobile bezahlt.

Ich hatte zwar des Öfteren ein Wohnmobil vor dem Haus stehen sehen, jedoch nie konkret nachgefragt, was sie damit vorhatten. Ich hatte nicht nachgefragt, weil ich Wohnmobile vor dem Haus immer mit dem Gedanken verband, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht zurückkehren.

Die Wohnmobile, in denen wir unsere Urlaube verbrachten, hatten wir auf den jeweiligen Campingplätzen vor Ort angemietet. Wir waren mit der Bahn oder mit dem Auto dorthin gefahren.

5. Kassenwart
Es gab keine Zuständigkeit bei der Bezahlung der alltäglichen Kosten. Regelmäßige Ausgaben wie Lebensmittel, Kleidung und anderes wurden mal von dem einen, mal von dem anderen bezahlt. Die Miete zahlte meistens ich.
Während der Urlaube habe meistens ich mich um das Geld gekümmert, weil ich am sparsamsten war.
Die in der Anklageschrift angesprochenen 10.000 DM als angebliches Indiz für meine verwaltende Tätigkeit des erbeuteten Geldes, hatte nicht ich, sondern Uwe Böhnhardt 1998 oder 1999 an Holger Gerlach übergeben – wobei ich grundsätzlich dagegen war, zum einen das Geld außer Haus und zum anderen dem spielsüchtigen Holger Gerlach zu übergeben.

6. Abtarnung
In der Anklageschrift ist wiederholt aufgeführt, ich hätte die „Abtarnung“ der Abwesenheit von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt während aller Tatbegehungen vorgenommen.
Es ist richtig, dass ich im Laufe von 13 Jahren ein paar Mal – ich erinnere mich an zwei oder drei Begebenheiten – die Identität der beiden gegenüber Nachbarn geleugnet hatte, wenn diese mich auf die beiden und deren Tätigkeiten angesprochen hatten.
Die Schlussfolgerung des Generalbundesanwaltes, ich sei deshalb mit den Morden der beiden einverstanden gewesen, weise ich zurück.
Mein Handeln muss vor dem Hintergrund beleuchtet werden, dass nicht nur Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sondern auch ich auf der Flucht waren, beziehungsweise in der Illegalität lebten. Deshalb lag es in meinem Interesse, dass Nachbarn hinsichtlich unserer Identität nicht misstrauisch wurden – das Argument der Abtarnung als Indiz dafür, ich sei Mittäterin der Mordtaten, geht deshalb fehl.

7. Rückzuggebiet
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kehrten oft tagelang nach ihren Taten nicht in unsere Wohnung zurück. Vielfach kamen sie zurück, duschten sich und fuhren sofort mit dem Fahrrad auf einen Campingplatz, weil sie sich in unserer Wohnung nicht sicher fühlten. Dies geschah auch nach unserem Umzug in die Frühlingsstraße im April 2008, obwohl sie diese Wohnung extra abgesichert hatten.
Aus dem Schlagwort „Rückzuggebiet“ auf angebliche Absichten meinerseits zu schließen weise ich als unbegründet zurück.

IV.

Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte. Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich nicht in der Lage war auf Uwe
Mundlos und auf Uwe Böhnhardt entsprechend einzuwirken, unschuldige Menschen nicht zu verletzen und nicht zu töten. Ich hatte Angst davor, dass sich beide umbringen und dass ich mit
ihnen meine Familie, allen voran Uwe Böhnhardt, verlieren würde.
Ich fühle mich moralisch schuldig, dass bei 15 Raubüberfällen die betroffenen Personen körperlichen und seelischen Schaden davon getragen haben – um selbst finanziell gesichert leben zu können.
Ich wünschte, dass Tino Brandt früher aufgeflogen, wir noch vor dem Untertauchen verhaftet und die vielen Straftaten nicht passiert wären.
Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten.

V.

Ich werde Fragen der Mitglieder des Strafsenats nach Rücksprache mit meinen beiden Verteidigern Rechtsanwalt Grasel und Rechtsanwalt juDr. Borchert schriftlich beantworten.
Fragen der Vertreter der Bundesanwaltschaft und Fragen der anwaltlichen Vertreter der Nebenkläger werde ich nicht beantworten.
Fragen des Sachverständigen Prof. Dr. Saß werden nicht beantwortet.
Fragen der anwaltlichen Vertreter der Mitangeklagten Eminger, Gerlach, Wohlleben und Schultze werde ich nach Rücksprache mit meinen Verteidigern Rechtsanwalt Grasel und Rechtsanwalt juDr. Borchert schriftlich beantworten.
Ansonsten äußere ich mich nicht in Bezug auf die gegenüber den Mitangeklagten Eminger, Gerlach, Wohlleben und Schultze erhobenen Vorwürfe.

Ich bin nicht auf alle Argumente eingegangen, die der Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift für seine Argumentation vorgetragen hat, ich sei an den Morden und anderem beteiligt und Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen.
Auf Nachfrage des Senats würde ich Fragen hinsichtlich weiterer Argumente schriftlich beantworten.

Unterschrift: Beate Zschäpe.

Die Verlesung ist um 11:20 Uhr beendet. Götzl sagt zu Grasel, es habe sich wohl ein Versprecher eingeschlichen: „Auf Seite 4 heißt es im letzten Absatz: ‚Schon als ich Uwe Böhnhardt kennenlernte‘, sie hatten aber ‚Uwe Mundlos‘ gesagt.“ Grasel bestätigt, dass es „Uwe Böhnhardt“ habe heißen sollen. Götzl: „Bei Ihnen, Frau Zschäpe, ist das ihre Erklärung?“ Zschäpe nickt. Götzl: „Ja.“ Dann sagt Götzl, dass man jetzt eine Pause zum Kopieren einlege. Er fragt den für die Kopien zuständigen Justizbeamten, wie lange es wohl dauern werde, und sagt dann, dass eine Pause bis 12:30 Uhr eingelegt werde. Die Pause wird einmal verlängert bis 13 Uhr.

Um 13:21 Uhr geht es weiter. Götzl: „Zum weiteren Prozedere. Zunächst, Frau Zschäpe, Sie haben erklärt, unsere Fragen zu beantworten. Wir haben auch Fragen. Ich bitte zu prüfen, ob zu den persönlichen Verhältnissen Sie selbst Auskunft geben, zu den Fragen, oder auch zu sonstigen bestimmten Themenbereichen. Den morgigen Hauptverhandlungstag werden wir nicht aufrecht erhalten. Es geht auch darum, hier die Einlassung aufzuarbeiten und sich auf die Befragung einzustellen. Wir werden das Programm für nächste Woche aufrecht erhalten und die Zeugen laden, wir werden aber auch Fragen vorbereiten. Hinsichtlich der Vorgehensweise bitte ich zu prüfen, wie Sie verfahren wollen. Ansonsten sind wir für heute am Ende.“ Grasel: „Ich hätte noch einen Antrag, den ich gerne vortragen würde.“ NK-Vertreter RA Daimagüler fragt zum Prozedere, dass Fragen der NK-Vertreter ja nicht beantwortet werden sollen, ob denn Fragen der Nebenkläger selbst beantwortet würden. Grasel verneint das.

Dann verliest Grasel für Zschäpe die Anträge, 1. die Bestellung von RA Wolfgang Heer, 2. von RA Stahl und 3. von RA Sturm zu Pflichtverteidigern zu widerrufen. Das fehlende Vertrauen zwischen den drei Pflichtverteidigern und der Mandantin werde offenkundig aufgrund der konträren Einstellung zur Abgabe einer Erklärung zur Anklageschrift. Zschäpe habe sich heute erstmals zu den ihr vorgeworfenen Taten geäußert. Bislang sei es Zschäpe durch die Verteidigungsstrategie ihrer drei Verteidiger nicht möglich gewesen, eine Erklärung abzugeben. Bereits bei ihrer Festnahme habe Zschäpe geäußert, sie habe sich nicht gestellt, um dann nichts zu den Vorwürfen zu sagen. Dieses Vorhaben sei jedoch durch Anweisung von Heer und später auch von Stahl und von Sturm blockiert worden. Sie sei angewiesen worden zu schweigen. Während Zschäpe sich zunächst gefügt habe, habe sie mit zunehmenden Fortschritt des Verfahrens feststellen müssen, dass sie der Strategie des Schweigens nicht mehr vertraute. Es sei ihr bislang nicht möglich gewesen, das Schweigen zu brechen, weil sie ernsthaft habe befürchten müsse, Pflichtverteidiger an ihrer Seite zu haben, die sie nicht verteidigen. Erst nach Beratung durch Grasel und Borchert sei es ihr möglich gewesen, ihre Vorstellungen einer effektiven Verteidigung offen zu besprechen und ihren bereits von Beginn an existenten Wunsch, Angaben zu machen, um insbesondere ihre Motive offen zu legen, umzusetzen.

Es sei offensichtlich, besonders aufgrund der eigenen Entpflichtungsanträge, dass Sturm, Stahl, Heer keine andere Verteidigungsstrategie als das Schweigen akzeptierten und akzeptieren. In einem Schreiben hätten Sturm, Stahl, Heer am 15.06.2015 der Angeklagten mitgeteilt, dass die Verteidigungsstrategie, keine Angaben zur Sache zu machen, alternativlos sei und die beabsichtigte Erklärung als „prozessualer Selbstmord“ erachtet werde. Sturm, Stahl, Heer hätten weiter mitgeteilt, dass sie für eine solche Art der Verteidigung nicht zur Verfügung stehen würden, und dass sie in diesem Fall mit Zschäpe einen Antrag an den Vorsitzenden abstimmen würden, ihre Bestellungen aufzuheben. Diese ablehnende Einstellung hätten die drei Pflichtverteidiger erneuert, indem sie in einem Schreiben vom 05.11.2015 mitgeteilt hätten: „Wir raten Ihnen daher dringend, die mit Ihnen vereinbarte Verteidigungsstrategie, keine Angaben zu machen, beizubehalten“. Am 10.11.2015 hätten Heer, Stahl, Sturm selbst erneut die Aufhebung ihrer Bestellungen beantragt.

Differenzen hinsichtlich der Verteidigungsstrategie würden zwar nicht automatisch dazu führen, dass ein Vertrauensverlust anzunehmen ist. Wenn aber die Ansicht des Pflichtverteidigers mit der Androhung verbunden werde, einen Entpflichtungsantrag zu stellen, mit Konsequenz des, wenn auch nur vorläufigen, Verlusts des anwaltlichen Beistands, führe eine solche Androhung zwangsläufig zum absoluten Vertrauensbruch. Dies könne nur als grobe Pflichtverletzung gewertet werden. Die Angeklagte könne nicht darauf vertrauen, dass Sturm, Stahl, Heer ihre Belange in der gebotenen Weise wahrnehmen, und es sei daher zu befürchten, dass die Verteidigung nicht sachgerecht durchgeführt werde. Wie bereits bekannt, seien die drei Pflichtverteidiger nicht an der Erstellung der verlesenen Erklärung beteiligt gewesen, ihren Inhalt hätten sie, wie alle anderen Verfahrensbeteiligten, erst vor wenigen Minuten erfahren. Auch in die weitergehende Verteidigungsstrategie seien Sturm, Stahl, Heer nicht eingebunden. Allein dieser Umstand mache ihnen die weitere Tätigkeit als Verteidiger faktisch unmöglich. Sie könnten keine einzige Frage oder einen Beweisantrag stellen, weil sie befürchten müssten, dass dies für die ihnen unbekannte Verteidigungsstrategie nachteilig sein könnte. Ihre Tätigkeit sei ab sofort nur noch auf die reine Anwesenheit beschränkt. Eine Verteidigungstätigkeit sei „lege artis“ [= nach den Regeln der Kunst] nicht denkbar.

Die Einstellung der Pflichtverteidiger zur Strategie des Schweigens und der Bruch des Schweigens heute stelle ein derart gravierenden Vertrauensbruch dar, dass eine sachgerechte Verteidigung ausgeschlossen sei. Auch die Geschehnisse vom 234. Verhandlungstag dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Nach Feststellung der Präsenz habe der Vorsitzende Herrn RA Heer das Wort für einen Prozessantrag erteilt. Zu diesem Zeitpunkt hätten weder Zschäpe noch der Unterzeichner Kenntnis von einem solchen Antrag gehabt. Weder Inhalt noch überhaupt, dass der Antrag gestellt werden soll, sei mitgeteilt worden. Erst nach der Verlesung des Antrags habe Heer eine Kopie übergeben. Dieses Verhalten von Sturm, Stahl, Heer zeige deutlich, dass ihrerseits eine Kommunikation mit Zschäpe und dem Unterzeichner abgelehnt werde. Des weiteren sei zu erwähnen, dass Heer, Stahl, Sturm sich bis heute nicht bereit erklärt hätten, ihm, Grasel, ihre Mitschriften zur Verfügung zu stellen. Der Unterzeichner sei aber darauf angewiesen, um im Hinblick auf die zurückliegende Beweisaufnahme sachgerecht verteidigen zu können. Das Angebot eines mündlichen Aktenvortrages sei nicht dafür geeignet.

Auf schriftliche Anfrage hätten Heer, Stahl, Sturm am 13.10.2015 mitgeteilt: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen diese Mitschriften nicht zur Verfügung stellen, weil es sich dabei um persönliche Aufzeichnungen handelt, die nicht Bestandteil unserer jeweiligen Handakten sind.“ Es sei dem Unterzeichner lediglich die Möglichkeit eingeräumt worden, sich mit schriftlichen Fragen gezielt zu einzelnen Punkten zu erkundigen. Dies sei am 13.10.2015 schriftlich geschehen u.a. zum Thema Aussage von Tino Brandt. Am 26.10.2015, 13 Tage nach der Anfrage, habe der Unterzeichner Antwort erhalten. In ca. anderthalb Seiten werde dort in indirekter Rede über vier Tage Vernehmung von Brandt berichtet. Die Mitteilung enthalte keinerlei wörtliche Zitate, stelle keine Mitschrift dar und könne nur als unbrauchbar angesehen werden. Die Mitteilung gipfele in einer Bemerkung, die eine maßlose Unverschämtheit und ein Affront sei: „Sofern Sie weitere Auskünfte begehren, die sich aus dem Entwurf des Sitzungsprotokolls bzw. dessen Anlagen ergeben, wenden Sie sich bitte an den Senat. Über den konkreten Inhalt weiterer Beweiserhebungen wird Sie sicherlich auch die Mandantin informieren können.“ Diesen rigorosen Absagen an eine Zusammenarbeit sei nichts hinzufügen.

Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, dass sich das unkooperative und unkollegiale Verhalten und das darin zum Ausdruck kommende bewusst schädigende Verhalten gegen Zschäpe richte. Damit sei offenkundig, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen ihnen sei. Wenn sich die Ansichten der drei Pflichtverteidiger und der Mandantin im Hinblick auf die Verteidigungsstrategie dermaßen diametral gegenüberstehen würden und die drei Pflichtverteidiger eine Zusammenarbeit mit dem vierten Pflichtverteidiger, der das Vertrauen der Mandantin genieße, boykottierten, sei von einer ernsthaften Störung des Vertrauensverhältnisses auszugehen. Wenn sich die Pflichtverteidiger weigerten, die Verteidigung nach den Wünschen der Mandantin zu führen, sei dies Ausdruck unterschiedlicher Auffassungen über die sachgerechte Verteidigung und einer Vertrauenskrise. Zschäpe könne nicht mehr darauf vertrauen, dass die drei Pflichtverteidiger ihre Belange in gebotener Weise wahrnehmen. Die drei Pflichtverteidiger hätten den Unterzeichner danach gefragt, ob eine Änderung der Verteidigungsstrategie beabsichtigt sei. Dies sei damit beantwortet worden, dass eine ausführliche Stellungnahme abgegeben wird.

Es sei nicht ein Satz der gerade verlesenen Erklärung mit den drei Pflichtverteidigern abgesprochen worden, da seit 07.07.2015 keinerlei Kommunikation zwischen Zschäpe und Heer, Stahl, Sturm mehr stattfinde. Auch außerhalb der Hauptverhandlung gebe es keine Kommunikation mehr zwischen Zschäpe und Heer, Stahl, Sturm, keine Unterredungen, keine Telefonate oder Haftbesuche. Es erscheine daher ausgeschlossen, dass sie sich auch nur einen Satz der Stellungnahme zu eigen machen und auf dieser Grundlage zukünftig verteidigen. Aus den vorgetragenen Gründen seien die Bestellungen der drei Pflichtverteidiger zu widerrufen. Das für eine Strafverteidigung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Mandant existiere nicht. Vor dem Hintergrund der geschilderten Tatsachen und vor dem Hintergrund, dass Sturm, Stahl, Heer selbst den Widerruf ihrer Bestellung beantragt hätten, gehe Zschäpe davon aus, dass die drei Anwälte den verlesenen Antrag befürworten. Sollte das nicht so sein, bitte sie um die Möglichkeit einer erwidernden Stellungnahme.

Danach sagt RA Heer: „Ich werde eine ausführliche Stellungnahme dazu abgeben, weil doch einiges gerade zu rücken ist. Ich frage mich, wie ich mir die Erklärung zu eigen machen soll. Ich bin nicht angeklagt, sondern Verteidiger. Ein bewusst schädigendes Verhalten zum Nachteil meiner Mandantin weise ich in aller Entschiedenheit zurück.“ RA Stahl: „Auch ich möchte mir eine ausführlichere Stellungnahme vorbehalten, aber schon jetzt aufs Schärfste zurückweisen, dass meine Kollegen oder ich mich hier bewusst schädigend verhalten habe in Bezug auf die Mandantin.“ Auch RAin Sturm sagt, sie müsse „ganz klar und nachdrücklich zurückweisen für mich oder meine beiden Kollegen, dass wir in irgendeiner Weise bewusst schädigend agiert hätten.“

NK-Vertreter RA Behnke nimmt zum von Grasel verlesenen Antrag Stellung: „Der Antrag basiert wohl darauf, dass die Änderung des Verteidigungsverhaltens positiv sein wird. Das ist noch lange nicht gesagt, das wird sich möglicherweise erst am Ende des Prozesses ergeben. Daher ist es keine Begründung, dass die bisherige Verteidigung schädlich ist. Und eine einseitige Provokation der Mandantin kann nicht Grund für eine Ablösung der Pflichtverteidiger sein.“ Vertrauensschädigendes habe er nicht gehört in dem Antrag, so Behnke: „Es wird sich nichts ändern. Sturm, Stahl und Heer werden wohl bis zum Ende durchhalten müssen, ob sie wollen oder nicht.“ Dann sagt NK-Vertreter Reinecke, dass es aus seiner Sicht erforderlich sei, dass Frau Zschäpe insoweit ihre bisherigen Anwälte von der Schweigepflicht entbindet, so dass sie zu den Vorwürfen im Antrag Stellung nehmen könnten.

NK-Vertreter RA Scharmer: „Wenn ich es richtig verstehe, ist ein Argument, Frau Zschäpe habe sich gegenüber der Strategie ihrer Verteidiger nicht durchsetzen können über einen langen Zeitraum. Das Gegenteil ist heute demonstriert worden. Zum einen durch die Verlesung und zum anderen dadurch, dass es Frau Zschäpes Entscheidung war, die Kommunikation einzustellen. Das Zweite ist, die Altverteidiger – ich nenne sie so, weil sie länger dabei sind, nicht weil sie älter wären – hätten Frau Zschäpe eine unangemessene Mitteilung überbracht, beispielsweise die Einlassung als ‚prozessualen Selbstmord‘ bezeichnet.“ Pflichtverteidiger, so Scharmer, müssten objektiv verteidigen: „Was möglich sein muss, ist seiner Mandantin mitzuteilen, wenn ein prozessuales Verhalten falsch oder sogar schädlich ist. Und diese Einschätzung ist heute tatsächlich besser nachzuvollziehen als vorher.“

NK-Vertreter RA Kolloge beginnt: „Ich möchte etwas ergänzen. Im Wesentlichen wird behauptet …“ Götzl unterbricht Kolloge und sagt ungehalten, er wolle aber nur zum Entpflichtungsantrag Stellungnahmen hören. Kolloge erwidert, er habe ja noch gar nicht begonnen. Dann sagt er, es werde behauptet, die Altverteidiger könnten nicht mehr arbeiten, weil sie die Strategie nicht kennen würden. Man könne zwar darüber streiten, ob man das, was jetzt geschehen ist, eine Strategie nennen kann, aber es sei jedenfalls nicht so undurchsichtig, dass man es nicht durchschauen könne [phon.]. Götzl sagt, jetzt gebe Kolloge ja doch eine Erklärung zur Einlassung Zschäpes ab. Dann sagt er: „Ja, sind dann ansonsten noch Stellungnahmen zum von Rechtsanwalt Grasel gestellten Antrag? Keine? Dann ist unser nächste Termin der kommende Dienstag.“ RA Hoffmann fragt, ob die Verfahrensbeteiligten die Erklärung noch heute bekommen würden. Das bejaht Götzl, es gebe nur Schwierigkeiten mit dem Kopierer, daher nehme das noch 15, 20 Minuten in Anspruch. Auf der Besucherempore brechen die ersten Zuschauer_innen auf, insgesamt wird es lauter im Saal. Götzl: „Programm für Dienstag … Ich würde um Ruhe bitten! Ich bin noch nicht fertig! Vorgesehen ist der Zeuge He. Um 09:30 Uhr. Dann wird jetzt unterbrochen und fortgesetzt am Dienstag, der morgige Termin entfällt.“ Der Verhandlungstag endet um 13:46 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“:

„Dass die heute von Zschäpes Verteidiger Grasel verlesene Einlassung, wonach sie mit den Taten des NSU nichts zu tun habe, vollkommen unglaubwürdig und sich daher, wie von ihren ‚AltverteidigerInnen‘ Heer, Stahl und Sturm angekündigt, als ‚prozessualer Selbstmord‘ herausstellen wird, erschließt sich von selbst und wird in den nächsten Wochen noch überdeutlich werden. Zschäpes Einlassung – und die Art und Weise, wie Zschäpe und ihre Verteidiger diese eingeleitet haben – ist in mehrfacher Hinsicht eine krasse Grenzüberschreitung und eine Verhöhnung der Opfer. […] Zunächst haben Zschäpe und ihre Verteidiger versucht, den Termin für die Einlassung bis zuletzt geheim zu halten, damit möglichst keine Nebenkläger kommen können […] Dann hat sie heute die Einlassung vor der Verlesung dem Gericht, den anderen Verteidigungen und der Bundesanwaltschaft austeilen lassen, nicht aber den NebenklägerInnen und ihren AnwältInnen. Zudem hat sie mitgeteilt, nicht nur Fragen des Gerichts, sondern auch Fragen der Verteidigung würden beantwortet, Fragen der NebenklägervertreterInnen – und ausdrücklich auch der NebenklägerInnen selbst – dagegen nicht. Dann lässt Zschäpe eine völlig lebensfremde, konstruierte und in Teilen vor Selbstmitleid nur so triefende Erklärung abgeben, teilt bei jeder überfallenen Bank detailliert das Datum und die Adresse mit, hält es aber bei vielen der Mordopfer nicht einmal für nötig, deren Namen zu nennen. Und am Ende erdreistet sie sich, eine ‚Entschuldigung‘ für ihre ‚moralische Verantwortung‘ abzugeben. Dass dieser erbärmliche Versuch von den NebenklägerInnen zurückgewiesen wird, ist nicht überraschend. […] Dies gilt umso mehr, als Zschäpe keinerlei Konsequenzen aus dieser von ihr angeblich gefühlten Verantwortung zieht. Denn die NebenklägerInnen wollen natürlich u.a. auch wissen, wer noch in das Netzwerk der NSU eingebunden war, wer den NSU bei seinen Taten unterstützt hat usw. Darauf geht Zschäpe aber in ihrer Einlassung mit praktisch keinem Wort ein. Sie deckt alle NSU-UnterstützerInnen weiterhin, sagte kein Wort zur Rolle des Angeklagten Eminger, der bis zuletzt zum engsten Umfeld von ihr Mundlos und Böhnhardt zählte, kein Wort zu den zahlreichen Nazis aus dem Umfeld der ‚Kameradschaft Jena‘ und von ‚Blood and Honour‘ Chemnitz, die den Drei beim Untertauchen halfen – und das, obwohl sie natürlich sehr genau Angaben zu diesen machen könnte. Einzige Ausnahmen: Tino Brandt belastet sie als führenden Kopf des Thüringer Heimatschutzes – der ist ja auch inzwischen als V-Mann enttarnt und hat in seiner Aussage im Gericht ‚die Jenaer‘ recht schwer belastet. Und sie teilt mit, Thomas Starke habe den Sprengstoff für die in der Garage in Jena gefundenen Rohrbomben gefunden – das hatte der aber auch selbst bereits bei der Polizei mitgeteilt. Damit gilt offensichtlich auch für Beate Zschäpe weiterhin der Satz aus dem Treuelied der Waffen SS, dass ‚alle Brüder (und Schwestern) schweigen‘ – auch wenn sie wortreiche Erklärungen verlesen lassen. Die Verteidigung Wohlleben hat bei der Ankündigung der Einlassung mitgeteilt, Wohlleben sei 'seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben‘. Mit ihrer Einlassung heute hat Zschäpe gezeigt, dass ähnliches auch für sie gilt, dass auch für sie die Verbundenheit zu den ‚Kameraden‘ wichtiger ist als ihre geheuchelte Entschuldigung gegenüber den Opfern der NSU-Taten.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/12/09/09-12-2015/

Pressemitteilung der NK-Vertreter RA Scharmer und RA Stolle:

„Gamze Kubaşık erklärt dazu: ‚Mit ihrer Erklärung versucht Frau Zschäpe sich aus der Verantwortung zu ziehen. Dieser Aussage glaube ich kein Wort. Meine von vornherein geringen Hoffnungen, dass mit dieser Erklärung endlich die genauen Umstände des Mordes an meinem Vater aufgeklärt werden, sind enttäuscht. Frau Zschäpe hätte vieles beantworten können. Sie hat jedoch nach einer sehr langen Verhandlung jetzt einfach versucht, ihre Rolle herunter zu spielen. Für mich ist das reine Taktik und wirkt total konstruiert. Die angebliche ‚Entschuldigung‘ für die Taten von Mundlos und Böhnhardt nehme ich nicht an: sie ist eine Frechheit, vor allem wenn sie dann noch verbunden wird mit der Ansage, keine unserer Fragen zu beantworten.‘ Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu: ‚Die Erklärung hält einer gründlichen Überprüfung nicht stand. Zschäpe als Ahnungslose, den beiden Mittätern unterlegene Frau, die von den Taten jeweils vorher nichts wusste – das glaubt ihr niemand, der die Verhandlung von Anfang an besucht hat. Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und insich widersprüchlich. Zschäpe wird sie nicht vor einer Verurteilung retten. Den Nebenklägern nützt sie nicht.“ Rechtsanwalt Dr. Stolle erklärt dazu: ‚Diese Einlassung von Zschäpe ist tatsächlich ein Schuldeingeständnis. Dass was sie sagt, ist so konstruiert und lebensfremd, dass jedem klar geworden ist, dass sie die Unwahrheit sagt und was zu verschleiern hat.“
http://www.dka-kanzlei.de/news-reader/beate-zschaepe-ich-war-weder-an-den-vorbereitungshandlungen-noch-an-der-ausfuehrung-beteiligt-gamze-kubasik-die-angebliche-entsc.html

Statements der Betroffenen des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße finden sich hier: http://keupstrasse-ist-ueberall.de/zschaepe-aussage-jetzt-antworten-die-betroffenen/

    » «