von Autor*innenkollektiv Feministische Intervention (AK Fe.In)
Das Fazit zur Pride-Saison 2024 von AK Fe.In findet sich hier.
Stand: 20. August 2025
Rechte Aufmärsche gegen CSDs – wie läuft die Saison 2025 bisher?
Eine quantitative Auswertung der CSDs und der rechten Mobilisierung ist derzeit verfrüht. Aber vielleicht sind die Zahlen angesichts der aktuellen Entwicklungen auch nicht das Wichtigste, denn schon jetzt ist sichtbar, dass es um nahezu alle CSDs herum Geschichten gibt von Angriffen und Sachbeschädigungen, von Solidarisierung und Entsolidarisierung, von Hasskommentaren in Lokalzeitungen, von Anfeindungen gegen Kirchen und lokale Politiker*innen, die an CSDs teilnehmen. Und es gab sehr viele Mobilisierungen zu Naziaufmärschen anlässlich von CSDs und Prides.
Vieles ist anders dieses Jahr, einiges ist gleich geblieben. Ein Zwischenfazit.
Wie ist die Stimmung?

Pappschild auf dem CSD im oberbayerischen Ebersberg, 19. Juli 2025. Foto: Robert Andreasch
Die allgemeine Stimmung der queeren und der queersolidarischen antifaschistischen Szene ist besorgt, aber kämpferisch. Die Grundannahme ist überall, dass es keine störungsfreien CSDs gibt. Gleichzeitig ist das Motto vieler CSDs „Nie wieder still“ – der Angriff auf die queere Sicht- und Hörbarkeit wird also mit einer klaren Kampfansage beantwortet.
Nach einer Reihe antifaschistischer Recherchen und akademischer Arbeiten [1] über rechte Aufmärsche und Aktionen gegen CSDs im vergangenen Jahr ist in der Öffentlichkeit das Bewusstsein gestiegen, dass diese ein signifikantes Problem darstellen. Das mediale Interesse ist immer noch anhaltend groß, eine NGO hat eine Spendenkampagne gestartet, mehrere Stellen haben ihr Monitoring ausgebaut und verbessert. Vor allem gibt es in der queeren und antifaschistischen Bewegung eine gewaltige Solidaritätswelle, aus Großstädten ins Umland, über Generationsgrenzen und politische Differenzen hinweg.
Die Erlebnisse aus dem letzten Jahr und die massive Online-Präsenz von Hass und Hetze haben ein Klima der Angst und Vorsicht bei vielen Pride-Teilnehmenden geschaffen. Viele Organisator*innen und Anreisende machen sich Gedanken um Schutzkonzepte und treffen Vorsichtsmaßnahmen, es werden Workshops für Massenselbstschutz oder den Umgang mit Ängsten angeboten, aber auch zu Pressearbeit und Social Media im Vorfeld durchgeführt.
Leute stellen sich mental und faktisch auf körperliche Auseinandersetzungen ein: Das ist schon eine ziemliche Verschärfung der Lage im Vergleich zu früheren Jahren, in denen zumindest in den großen Städten CSDs vor allem sorgloses Feiern und nette Demos bedeuteten.
Alte Nazikampagnen, neue Aufmerksamkeit
Ermuntert von der medialen Aufmerksamkeit und einigen Mobilisierungserfolgen im letzten Jahr, haben Neonazis die Online-Mobilisierung massiv hochgefahren und ihre Anti-CSD-Propaganda professionalisiert. Das von ihnen verwendete Material zeigt erneut, dass Queerfeindlichkeit kein neues Phänomen in der extremen Rechten ist und dass die Jungnazis, die derzeit so viel Aufmerksamkeit damit bekommen, die Kampagnen nicht erfunden haben: Lange nahezu vergessen geglaubte Nazi-Kleinstparteien, besonders die Jungen Nationalisten (JN), Jugendorganisation der Partei Die Heimat (ehemals NPD), und Der III. Weg, produzieren und vermarkten die Vorlagen, die teilweise schon einige Jahre alt sind. Die jüngeren und oft ganz neu gegründeten Nazigruppen nehmen diese auf und passen sie gegebenenfalls lokal an.
Besonders oft verbreitet wird derzeit der JN-Sticker bzw. der Schriftzug „Familie, Heimat & Nation statt CSD!“ 2024 hatte die JN noch „Familie, Heimat und Nation, nieder mit der Perversion“ deutlich weniger erfolgreich benutzt. In der aktuellen Variante erinnert die Schrifttype des zweiten, regenbogenfarbenen Teils des Slogans an Ivrit, die Buchstaben des modernen hebräischen Alphabets. Hier werden ebenso wie bei dem im gleichen Versandhandel erhältlichen Sticker „Aus Anne wird Frank, das ist doch krank! Gegen den Genderwahnsinn“ Queerfeindlichkeit und Antisemitismus platt vereinigt, und das schon seit mindestens 2021. [2] Auch die Kampagne „Homopropaganda stoppen“ der Kleinstpartei Der III. Weg gibt es seit 2019, dieselben Motive und Banner finden seit über sechs Jahren Verwendung.
Während im letzten Jahr die Nazi-Mobilisierungen und vor allem die dort gerufenen Parolen, die mitgebrachten Schilder, Fahnen und Transpis vor Ort kaum CSD-spezifisch waren – es waren häufig eher allgemeine Nazi-Parolen als explizit queerfeindliche – hat die Zusammenarbeit zwischen etablierten extrem rechten Parteien und Jungnazis diesbezüglich zu einer gewissen Professionalisierung und inhaltlichen Konzentration geführt. Dieselben Parolen werden sowohl für die Online-Mobilisierung als auch auf Transparenten vor Ort, von Neumünster bis Pirna, von Duisburg bis Pforzheim, benutzt: „Unsere Stadt bleibt hetero“ (lol), einiges über vermeintlichen Kinderschutz und die Parole „Es gibt nur zwei Geschlechter“.
JN und Die Heim Stark at verzeichnen in diesem Jahr durch die Anti-CSD-Mobilisierungen ganz neue Erfolge. Die mediale Aufmerksamkeit liegt alleinig auf den „neuartigen“, jungen Aktive Club- und „Revolte“-Gruppen, aber einige der Mobilisierungen werden durch ältere und etablierte Kader bespielt. So waren die lange bekannten NPD-, jetzt Heimat-Kader Mark Proch, Karin Mundt und Marc-Richard Tenten federführend bei der Kundgebung in Neumünster am 5. Juli 2025, während nur einige wenige Jüngere teilnahmen. [3] Auch in Fulda am 12. Juli 2025 waren Die Heimat und JN die zentralen Triebfedern der Anti-CSD-Kundgebung, unter anderem war der Heimat-Bundesvorsitzende Peter Schreiber anwesend. Mobilisiert hatte, wie zuvor am 14. Juni gegen den CSD in Wetzlar, unter dem Label „Löwenjugend“ ein altbekannter Kader der Heimat / NPD / JN, dessen Großeltern und Eltern schon NPD-Funktionäre waren. [4]
Die bisher größte Anti-CSD-Veranstaltung fand unter dem Motto „gegen Genderwahn“ am 10. August in Bautzen (Sachsen) mit 450 Teilnehmenden statt. Damit blieb die Nazimobilisierung hinter den Erwartungen und den Zahlen von 2024 (mit 720 Teilnehmenden) zurück, während am CSD 4.300 Personen teilnahmen. Neben Heimat, JN und Elblandrevolte waren auch die Kampfbrigade Berlin, Jung & Stark (JS) und Deutsche Jugend Voran (DJV) aus Berlin, Brandenburg und Sachsen anwesend. Auf der Rückfahrt nach Berlin bedrohten Neonazis CSD-Teilnehmende und griffen zwei Journalist*innen am Berliner Bahnhof Ostkreuz an. Am Bahnhof Alexanderplatz wartete eine große solidarische Gruppe von Antifas, so dass es dort nicht zu Übergriffen kam. Zuvor war am 31. Mai der JN-nahen Elblandrevolte in Dresden mit lediglich 150 Teilnehmenden in 2025 die zweitgrößte Nazimobilisierung bisher gelungen. Dieser Aufmarsch konnte zudem durch 150 queer-antifaschistische Gegendemonstrierende nur verzögert und verkürzt laufen, während über 10.000 Queers ungestört den großen Dresdner CSD zelebrierten [5]. Ebenfalls etwa 120 Teilnehmende konnten Elblandrevolte, JN und die extrem rechten Freien Sachsen am 12. Juli in Pirna mobilisieren. [6] Dort war das Kräfteverhältnis mit nur 600 CSD-Teilnehmenden allerdings wesentlich gefährlicher.

Am 7. Juli marschierten rund 60 Neonazis von „Chemnitz Revolte“, „Jung und Stark“ und DJV durch das brandenburgische Falkensee. Zum CSD unter dem Motto „Vielfalt vereint“ kamen über 1.000 Menschen. (c) Presseservice Rathenow.
In Brandenburg treten im Kontext von Anti-CSD-Mobilisierungen vor allem die Gruppen Jung & Stark (JS) und Deutsche Jugend Voran (DJV) in Erscheinung, wobei in den letzten Monaten eine stärkere Distanzierung der beiden Gruppen voneinander zu beobachten ist. Diese ist wohl eher auf private Konflikte zurückzuführen, nicht auf politische Differenzen, denn die Gruppen erscheinen bei den gleichen Gegenmobilisierungen und treten nur in getrennten Blöcken auf. Personen aus der DJV meldeten mehrmals Kundgebungen bzw. „Demonstrationen“ im Umfeld von CSDs an. DJV-Aktivist und Wortführer Julian Milz war in dieser Saison bereits bei mehr Brandenburger CSDs anwesend, als die meisten Queers von sich behaupten können: Obwohl er bereits rechtskräftig verurteilt ist, verbringt er seine Wochenenden vor Haftantritt als Einheizer am Megaphon mit queerfeindlichen und entwürdigenden Parolen wie „HIV, hilf uns doch – Schwule gibt es immer noch“. Milz war laut Augenzeug*innen auch unter den pöbelnden Neonazis auf der Rückfahrt von Bautzen.
In Pforzheim waren auf dem Neonaziaufmarsch gegen den CSD, mobilisiert durch die freie hooligannahe Struktur „Der Störtrupp Süd“ und infrastrukturell unterstützt durch Die Heimat Thüringen, 90 Teilnehmende. Sie sahen sich auch hier einer aktiven antifaschistischen Gegenwehr gegenüber und konnten den CSD daher so gar nicht stören. [7]
Insgesamt waren die bisherigen Straßenmobilisierungen der Nazis, gerade im Vergleich zur massiven Online-Mobilisierung, ziemlich läppisch. Mehr als 50 Personen kamen selten zusammen, oft deutlich weniger. Auch sind die Personen, die dann tatsächlich bei Neonazi-Demonstrationen auftauchen, eher weniger durch reine Online-Mobilisierung dazu gekommen. Vielmehr zeigen die noch spärlich vorliegenden Analysen der Zusammensetzung der Demos und Kundgebungen, dass etablierte Kader zusammen mit jüngeren Nazis demonstrieren. Aus der Verbreitung bestimmter Mobilisierungsvideos ist keinesfalls direkt auf die Straßenmobilisierung zu schließen. Nichtsdestotrotz tragen martialische Mobilisierungsvideos wie das der Elbjugend (im Vorfeld des CSD in Magdeburg), in dem mit schwarz-weiß-roten Sturmhauben vermummte Personen Pyros zünden und Quarzsandhandschuhe anlegen, zum allgemeinen Bedrohungsgefühl bei und erhöhen vermutlich die Gewaltbereitschaft einzelner auch auf der Straße.
Als weiterer Akteur mobilisierten auch 2025 christliche Fundamentalist*innen verschiedener Konfessionen und verschiedener Gruppen gegen CSDs und Prides. In Potsdam und München demonstrierten jeweils neun Anhänger ultrakatholischer Gruppen gegen den CSD, in Pforzheim mobilisierten Baptisten. In Hamburg machte eine missionarisch-evangelikale Gruppe eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe der Pride-Meile. Angesichts des medialen Fokus auf Jungnazis und der allgemeinen Unwissenheit über diese Akteure im organisierten rechten Kulturkampf ist hier das Monitoring noch besonders lückenhaft.
Was macht die AfD?
2024 hielt sich die AfD mit der Anmeldung von Demonstrationen und Kundgebungen gegen CSDs weitgehend zurück. In diesem Jahr – ermutigt vom allgemein queerfeindlichen Klima und sich wie immer an erfolgreiche Nazi-Mobilisierungen heranwanzend – sind Vertreter*innen der extrem rechten Partei deutlich aktiver. In vielen Städten melden sie „Infostände“ an, die in den sozialen Medien als direkte Gegenaktion gegen CSDs gelabelt werden. Vereinzelt rufen sie auch direkt zu Nazidemonstrationen auf. Ein Beispiel: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Christoph Drößler postete anlässlich einer Störaktion zum CSD in Nordhausen (Thüringen): „Nein zum CSD in Nordhausen! […] Die Regenbogenflagge steht damit für Fremdbestimmung und unserem Volk eigentlich fremde Werte. Diese von globalistischen Kapitalkräften finanzierte Dekadenzpropaganda untergräbt unsere nationale Substanz und ist hintergründig ein werteimperialistisches Instrument der Besatzer.“ In Nordhausen pöbelten dann ein oder zwei Dutzend Rechte ohne Anmeldung mit einem Transparent der „Heimat“ am Rande des CSD-Zugs.
Die AfD Würzburg veranstaltete am Vorabend des dortigen CSD einen Infostand unter dem Motto „Stolz statt Pride“, an diesem nahmen auch etwa zehn Personen der „Revolte Franken“ teil.
In Ronnenberg (Niedersachsen) bewirkte die AfD mit einem Antrag, dass der CSD vom geplanten Ort auf einem Schulgelände auf den Marktplatz umziehen musste – ihr Argument war selbstverständlich der auch in der Ferienzeit angeblich notwendige Schutz der Jugend. Letztlich sorgte der parlamentarische Angriff aber für eine enorme Aufmerksamkeit für den CSD, so dass angenommen werden musste, dass wesentlich mehr Queers und solidarische Menschen ihren Weg nach Ronnenberg finden würden und das Schulgelände schlicht zu klein wäre.

Queerfeindliche Anwohner*innen begrüßen den am Haus vorbeilaufenden Naziaufmarsch mit der „Stolzmonat“-Fahne in Pforzheim. Foto: L. Schmid.
Die AfD reitet auch weiterhin mit der 2023 erfundenen Kampagne „Stolzmonat“ auf der queerfeindlichen Welle. Der „Stolzmonat“, eine extrem rechte Antwort auf den Pride Month Juni, produziert nicht nur eine Unmenge peinlichster Online-Memes, sondern wurde 2025 von der AfD Koblenz auch zum Anlass genommen, eine Auftaktkundgebung am 31. Mai im Stadtteil Stolzenfels zu organisieren. Die Fahne des „Stolzmonats“, eine schwarz-rot-gelbe Fahne in Farbabstufungen, die an die Regenbogenflagge erinnern soll, wird bei rechten Mobilisierungen gegen CSDs gerne benutzt. Lena Kotré, die für die AfD im Brandenburger Landtag sitzt, nahm nicht nur an dem Treffen teil, sondern verkündete am 1. Juli auch auf X: „Der Stolzmonat 2025 ist vorbei. Wir haben gewonnen.“
„Störungen“ – das neue Normal
Auch wenn die rechten Straßenmobilisierung bisher eher wenig Erfolg zeigen, laufen nahezu alle CSDs nur mit Störungen und Angriffen im Vor-, Um- oder Nachfeld ab. Die Täter dieser mehr oder weniger anonymen, mehr oder weniger verbalen oder gewalttätigen Angriffe und Störungen sind meist männlich, aber ob und inwieweit sie der organisierten extremen Rechten zuzuordnen sind, ist oft nicht festzustellen. Die Dokumentation solcher Ereignisse schafft es selten in die Lokalpresse oder zu den Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt, sondern sie werden nur Augenzeug*innen bekannt.
Auch 2025 wurde von vielen zerstörten Regenbogenflaggen berichtet – wie zum Beispiel in Flensburg am 16. Mai, wo zwei Banner von einer Eisenbahnbrücke entfernt wurden. Sogenannte „Pöbeleien“ scheinen weiterhin omnipräsent zu sein, auch „Hitlergrüße“ in Richtung des CSD oder am Rande der Demo gab es öfter. In Karlsruhe beispielsweise wurde daraufhin eine Person vorübergehend festgenommen. In Thüringen berichten CSD-Teilnehmende und Organisator*innen, dass bei jedem CSD dunkel gekleidete Personen am Rand stehen, filmen und fotografieren, oft gekleidet in nazi-szenetypische Shirts. [8] Und auch von körperlichen Angriffen wird berichtet: In Esslingen versuchte zum Beispiel eine Person mit einer Softair-Pistole auf die Demo zu schießen. In Duisburg warf ein Mann eine Bierflasche auf einen CSD-Ordner.
Viele „Störungen“ fanden aber nicht bei den CSD-Demos selbst, sondern im Vorfeld statt: In Rostock bedrohten und beleidigten zwei Personen die Teilnehmenden an einer Gedenkveranstaltung für die queeren Opfer des Nationalsozialismus, die vor dem CSD stattfand. In Wernigerode hängten Unbekannte ein selbst gesprühtes Transparent „Kein CSD im Harz“ an einer Brücke auf, sprühten und stickerten entlang der Demoroute queerfeindliche Propaganda, alles in der Nacht vor dem CSD. Im ostfriesischen Leer wurde in der Innenstadt ein CSD-Werbeplakat zerschnitten.
Der heftigste Angriff bisher geschah in Bad Freienwalde in Brandenburg, wo zwölf Täter nicht einmal einen CSD, sondern ein Fest des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt“ angriffen und vier Teilnehmende verletzten. Die Täter, soweit bekannt, stammen aus dem Umfeld der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), der Jugendorganisation von Der III. Weg. Der Angriff war gut orchestriert und ist auf mehreren Ebenen besorgniserregend. Vermummt und teils mit Holzlatten und schlagverstärkenden Handschuhen ausgestattet, hatten die Täter sich wenige Minuten vor Beginn des Festes einen Zeitpunkt ausgesucht, an dem die Organisator*innen noch mit letzten Vorbereitungen beschäftigt waren. Vor Ort waren vor allem die Engagierten aus den beteiligten Initiativen, aber auch Mitarbeitende einer nahegelegenen Werkstatt für behinderte Menschen. Nur durch das schnelle und entschlossene Eingreifen von Ordner*innen und Festbesucher*innen konnte der Angriff abgewehrt und die Täter verjagt werden. [9] Die Polizei glänzte trotz vorangegangener Bitten der Veranstalter*innen um mehr Präsenz mit Abwesenheit. Nach dem Überfall schützte die Polizei das Fest teils unangemessen stark bewaffnet. Der brandenburgische Innenminister René Wilke stattete Bad Freienwalde noch am selben Tag einen Besuch ab und fand klare Worte: Er sprach von einer neuen Qualität rechter Gewalt.
Polizeitaktik und Verbotsversuche
Gerade für eine langfristige Betrachtung der Entwicklung von rechten Angriffen auf CSDs und queerfeindliche Gewalt muss Behördenhandeln in die Gleichung einbezogen werden. In 2025 versuchten in einigen Städten Polizei, Ordnungsamt und/oder Versammlungsbehörde, Nazimobilisierungen zu stoppen oder zu verbieten. Dies geschah vor allem, wenn explizit militante Neonazigruppen für die Anmeldung standen, so wie „Störtrupp Süd“ in Pforzheim oder „Division Schwerin“ in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern.
In anderen Städten hingegen nutzten die Sicherheitsbehörden mehr oder weniger konkrete Drohungen aus der extremen Rechten im Vorfeld, um CSDs einzuschränken oder gleich komplett abzusagen. So geschehen in Regensburg, wo aufgrund einer „abstrakten Bedrohungslage“ der für den 5. Juli geplante Demonstrationszug verkürzt wurde. Die IDAHOBITs [10] in Gelsenkirchen und Mönchengladbach waren Ende Mai ebenfalls wegen einer „diffusen Bedrohungslage“ abgesagt beziehungsweise auf eine Kundgebung reduziert w

Antifaschist*innen schirmen das CSD-Straßenfest gegen den Naziaufmarsch ab. Pforzheim (Baden-Württemberg) am 14. Juni 2025. Foto: Robert Andreasch.
orden. Hier ist weiterhin unbekannt, um welche Bedrohung es sich handelte, und wer warum die Entscheidung für die Absage traf.
Vor allem in Sachsen-Anhalt hatten mehrere CSDs mit Schikanen durch die zuständigen Ordnungsämter zu kämpfen. In Köthen wurde ihnen das Aufstellen einer mobilen Toilette untersagt und der Strom abgestellt. In Schönebeck zwang die Polizei den CSD am 27. April zur frühzeitigen Auflösung des Straßenfests – mit der Begründung, Musik und Reden hätten nicht den Charakter einer politischen Versammlung gerechtfertigt. Ein Gerichtsverfahren hierzu ist anhängig und auch in Köthen mussten die absurden Auflagen in einem Gerichtsverfahren abgestritten werden. Besonders enttäuschend: Köthens Oberbürgermeisterin gehört der Linkspartei an, ein Gespräch mit ihr beschrieben die CSD-Organisator*innen als „sehr schwierig“.
Inwiefern es den Sicherheitsbehörden tatsächlich gelang, einzelne CSDs zu schützen, ist schwer nachvollziehbar. Es gibt einige Berichte von unzureichenden Absicherungen, insbesondere im ländlichen Raum.
Konservative (Ent-)Solidarisierung
Die Organisator*innen des CSD Karlsruhe machten es in einem recht dramatischen Schritt deutlich: Da sie die CDU derzeit als queerfeindliche Organisation ansehen, schlossen sie auch den Landesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) aus und gaben der Organisation keinen Stand. Auseinandersetzungen um die Teilnahme des LSU an Prides hatte es auch in Bayern schon seit Jahren gegeben. Die Themen: Bayerns Genderverbot, konservative Proteste gegen Drag Queen-Lesungen, dann die Ankündigung, das Selbstbestimmungsgesetz „reformieren“ zu wollen.
Bundesweit trugen kürzlich vor allem Friedrich Merz und Julia Klöckner zum queerfeindlichen Profil der Partei bei. Klöckner untersagte Regenbogenfahnen auf dem Bundestag, wie sie in den letzten Jahren anlässlich des CSD gehisst worden waren, und die Teilnahme der queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung am Berliner CSD. Merz verteidigte Klöckner gegen Kritik und sprach davon, dass der Bundestag kein „Zirkuszelt“ sei.
Auch nach dem Angriff auf das Fest in Bad Freienwalde empörte der örtliche CDU-Bürgermeister Ralf Lehmann mit einer beispiellosen Entsolidarisierung, indem er behauptete, es habe sich nicht um einen Angriff, sondern lediglich um eine „Störung“ gehandelt – wer wolle „wen denn jetzt verurteilen und wofür?“ Keine Empathie für die Verletzten, die erschrockenen Kinder aus der Tanzgruppe, keine Solidarität mit der aktiven demokratische Zivilgesellschaft, keine Rückendeckung für die Bürger*innen der eigenen Stadt, deren Vertretung eigentlich die Aufgabe eines Bürgermeisters ist.
Umso positiver hoben etwa Organisator*innen des CSD in Fulda ein Statement des Bistums hervor. Darin äußert sich Generalvikar Dr. Martin Stanke: „Wir wissen, dass die Geschichte unseres Umgangs mit queeren Menschen auch von Verletzungen geprägt ist. Umso mehr wollen wir heute Zeichen setzen für Wertschätzung, Dialog und Versöhnung. Allen, die am CSD teilnehmen, wünschen wir einen kraftvollen und friedlichen Tag – getragen von dem gemeinsamen Wunsch nach einer Welt, in der alle Menschen ihren Platz finden dürfen“. Diese Stellungnahme blieb im lokalen Klerus nicht unwidersprochen, in den Kirchen toben die Deutungskämpfe um Geschlecht, Sexualität und körperliche Selbstbestimmung so hart wie lange nicht mehr.
Fazit: Verschiebung der Kampflinien
CSDs und Prides sind spätestens seit 2024 in Deutschland zum vermutlich wichtigsten Knotenpunkt des extrem rechten Kulturkampfs geworden. Gewaltaffine Jungnazis, lange erfolglose Nazi-Altkader, Evangelikale und katholische Fundis, irgendwelche Dudes am Straßenrand und Teile der CDU haben einen gemeinsamen Feind gefunden: queere Menschen und deren Rechte. Bei den Jungnazis ist offensichtlich, dass dieser Feind für sie synonym ist mit einer offenen, toleranten Gesellschaft, die sich gegen den Rechtsruck und für Menschenrechte auch für Minderheiten einsetzt. Die inhaltliche Vermischung der Angriffsziele ‚queere Menschen – Antirassismus – demokratische Zivilgesellschaft‘, wie sie in den rechten Demos und Mobilisierungen formuliert wird, sollte auch diejenigen stutzig machen, die mit CSDs wenig anfangen können.

Im brandenburgischen Bernau gingen am 12. Juli 700 Queers und Antifaschist*innen auf die Straße, viele reisten aus Berlin und anderen Städten im Umland an. Die DJV mobilisierte 40 Nazis. Foto: Eike Sanders
Die Nazimobilisierungen sind deutlich weniger groß als letztes Jahr. Dennoch hat sich etwas Grundlegendes verändert, und darin liegt ihr Erfolg: CSDs erscheinen nicht mehr selbstverständlich. Der vermeintlich dazugehörende als „Gegendemonstration“ bezeichnete Naziaufmarsch wird hingenommen, die neonazistische Gewaltandrohung als so erwartbar wahrgenommen, dass Medien von „störungsfreien“ Veranstaltungen berichten, wenn die CSDs selbst ohne direkte Angriffe aus den Nazidemos heraus durchgeführt werden können. Das verschleiert aber die tatsächliche Lage: Bedrohungen und Angriffe gegen Organisator*innen und Teilnehmende – im Vorfeld und bei An- und Abreise – und unorganisierte Pöbeleien am Rand sind weitgehend normalisiert.
Auch wenn in diesem Jahr eine große Zahl von Nazimobilisierungen viel Online-Wind um nichts waren, kann es weder für den Rest der Saison 2025 noch für die kommenden Jahre Entwarnung geben: Die massenhaften dezentralen Mobilisierungen in alle kleinen Orte sind offensichtlich gefloppt, aber die Nazis haben dabei Strukturen und Erfahrungen geschaffen, die sich vermutlich in einigen größeren konzertierten Aktionen im nächsten Jahr entladen werden.
Problematisiert werden müssen die vielen Jungnazis, die seit 2024 körperliche Angriffe am Rand von CSDs als eine angemessene Form der politischen Sozialisierung und Wochenendaktivität ansehen. Aber auch das riesige Umfeld muss benannt werden, das diese Konfrontationen möglich macht, sie mitmacht und duldet: vom konservativen Kulturkampf auf dem Bundestags-„Zirkuszelt“ bis hin zu den ganz normalen Leuten – meistens Männer –, die Bierflaschen auf CSDs werfen und Regenbogenflaggen abreißen.
Mit ihnen schwindet die politische Bereitschaft, CSDs zu ermöglichen und zu schützen. Für die AfD ist dieser Kulturkampf eigener Erfolg und zugeflogenes Geschenk gleichermaßen: Während ihr strukturelles Zutun zu den neonazistischen Straßenmobilisierungen gegen Null geht, passt das zunehmende öffentliche und behördliche Infragestellen queerer Sichtbarkeit und Sicherheit ganz in ihre im Juli geleakte Strategie für den Weg in die Regierungsverantwortung: Sie will die CDU und andere konservative Akteure, unter anderem anhand von Geschlechterthemen, in einen unüberbrückbaren Gegensatz zu allen anderen demokratischen Akteuren bringen und damit eine Koalition mit der AfD notwendig machen. Dass Konservative das Hissen von Regenbogenflaggen ablehnen und CSDs behindern, weil sie queere Rechte lediglich als Partikularinteressen einer nervigen Minderheit behandeln, ist eine dieser Trennlinien, anhand derer sich auch das konservative Milieu positionieren muss – bisher viel zu oft im Sinne der extremen Rechten.
Gleichzeitig sind die CSDs selbst nicht in der Defensive, sondern in der Offensive: Es gibt in dieser Saison wieder ein bis zwei Dutzend CSDs mehr als im Vorjahr, auch in den ländlichen Regionen wollen Queers auf die Straße, feiern, kämpfen, sichtbar und laut sein, jetzt erst recht. Viele Mottos sind politischer, viele Reden und Statements sagen dem Aufschwung der extremen Rechten den Kampf an und zeigen auf, was getan werden muss. Außerdem erfahren offensichtlich alle CSDs zwischen Bayern und Schleswig-Holstein, Sachsen und NRW eine Welle der verbalen, symbolischen, aber auch praktischen Solidarität und Vernetzung. Gegenläufig zu Distanzierungen, zum heimlichen Beifall oder zum Wegschauen in großen Teilen des konservativen Milieus.
Für Monitoring und Auswertung der Pride-Saison 2025 hat sich das Autor*innenkollektiv Feministische Intervention um einige weitere Personen aus unterschiedlichen Regionen und Zusammenhängen vergrößert. Darüberhinaus sind auch in diesen Artikel Einschätzungen und Erfahrungen eingeflossen, die wir auf verschiedenen antifaschistische Infoveranstaltungen, Vernetzungstreffen und Veranstaltungen rund um CSDs und Prides ausgetauscht haben, vielen Dank! Wir danken den Pride- und Solibündnissen, den antifaschistischen und queerfeministischen Recherche- und Publikationsstrukturen, NSU-Watch und den Fotograf*innen für ihre unermüdliche Arbeit. Für Korrekturen, Anmerkungen, Fragen und Austausch sind wir erreichbar unter ak_fein@riseup.net.
Endnoten
[1] Jessa Mellea, Joe Düker: Eine neue Generation von Neonazis: Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen im Jahr 2024 durch rechtsextreme Jugendgruppen im Internet. November 2024, online: https://cemas.io/publikationen/neue-generation-neonazis-mobilisierung-gegen-csd-veranstaltungen/cemas_-_2024-11_-_research_paper_-_neue_generation_neonazis.pdf; zuletzt am 13.08.2025
AK Fe.In: Demonstrationen, Angriffe und Störungen: Nazis greifen queeres Leben an. Ein Rückblick auf die Pride-Saison 2024, online nsu-watch.info am 30.4.2025: https://www.nsu-watch.info/2025/06/demonstrationen-angriffe-und-stoerungen-nazis-greifen-queeres-leben-an-ein-rueckblick-auf-die-pride-saison-2024/; zuletzt am 13.08.2025
QueerPride Dresden: Rechtsextreme gegen CSDs 2024 – Daten, Analysen, Strategien, 15.11.2024, online: https://www.queerpridedd.org/index.php/2024/11/15/rechtsextreme-gegen-csds-2024-daten-analysen-strategien/, ; zuletzt am 13.08.2025.
sowie diverse Artikel in antifaschistischen Recherchepublikationen wie dem Antifa Info Blatt (insbesondere AIB 146 The kids are all right? – Die neue Generation gewaltbereiter Neonazis), der LOTTA und Der Rechte Rand.
[2] Eintrag in der Chronik Berliner Register: 07.04.2021 Bezirk: Lichtenberg. Aufkleber der NPD-Jugendorganisation am Roederplatz, online https://berliner-register.de/vorfall/3e4ee4cd-2883-4e22-b9ba-41e521ddc0d1/; zuletzt am 15.08.2025.
[3] Pixelarchiv: 5.7.2025 »Die Heimat«-Aufmarsch gegen den CSD in Neumünster, online am https://pixelarchiv.org/event/2025.07.05.neumuenster/1, zuletzt am 13.8.2025.
[4] Vgl. die Recherchen der LOTTA, u.a. Sebastian Hell: Drei Generationen für die NPD. Die Familie Zutt/Hantusch im Lahn-Dill-Kreis, in Lotta Nr. 62, online am 20.04.2016 https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/62/drei-generationen-fur-die-npd/, zuletzt am 3.8.2025 und Simon Tolvaj: Generation Z im „Nationalen Widerstand“, Lotta Nr. 98 (Sommer 2025), S. 30 – 32.
[5] Queer Pride Dresden: Queerer Protest bremst rechten Anti-CSD-Aufmarsch in Dresden aus, online am 31.05.2025 aufhttps://www.queerpridedd.org/index.php/2025/05/31/queerer-protest-bremst-rechten-aufmarsch-in-dresden-aus/, zuletzt am 3.8.2025.
[6] vgl. Kili Weber auf bluesky: https://bsky.app/profile/weberkili.bsky.social/post/3ltr42kgixs2n und rechtsimbild: 2025-07-12 JN & Freie Sachsen gegen den CSD in Pirna, online auf https://www.flickr.com/photos/201786527@N05/albums/72177720327520925/; zuletzt am 13.08.2025.
[7] antifa-info.net: Erfolgreicher CSD und antifaschistische Proteste, online am 15.Juni 2025 https://antifa-info.net/2025/06/15/erfolgreicher-csd-und-antifaschistische-proteste/; zuletzt am 13.08.2025.
[8] o.A.: CSD-Demos in Thüringen: Beunruhigende Beobachter am Demo-Rand, online auf queer.de am 11. Juli 2025 https://www.queer.de/detail.php?article_id=54297; zuletzt am 15.8.2025.
[9 ] o.A.: 15.06.2025 – III. Weg Angriff in Bad Freienwalde, online auf ausdemweg.net am 16. Juni 2025: https://www.ausdemweg.net/15-06-2025-iii-weg-angriff-in-bad-freienwalde/; zuletzt am 15.08.2025.
[10] Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT*) erinnern Menschen auf der ganzen Welt mit vielfältigen Aktionen an den 17. Mai 1990, den Tag, an dem Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen wurde.