Statements von Gamze Kubaşık, Yvonne, Michalina und Mandy Boulgarides und Semiya Şimşek vor der Aussage von Beate Zschäpe im 2. NSU-Prozess

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Am 3. und 4. Dezember ist im 2. NSU-Prozess die Aussage der NSU-Mörderin Beate Zschäpe angekündigt. Wir dokumentieren die Statement von Gamze Kubaşık, Yvonne und Michalina Boulgarides, Semiya Şimşek vor der Aussage.

Statement von Gamze Kubaşık:

„Seit Beginn des NSU-Prozesses im Oberlandesgericht München haben wir Angehörigen gesagt: Uns wird die Wahrheit verweigert. Wir sagten es früh und leider hat sich daran bis heute nichts geändert.

Schon damals war für uns klar, dass es Unterstützer und Helfer gab, die nie zur Verantwortung gezogen wurden. Beweise gab es genug. Hinweise auf Strukturen, Netzwerke, Mitwisser. Hinweise auf Menschen, die den NSU möglich gemacht haben. Doch vieles davon wurde ignoriert oder bewusst klein gehalten.

Und jetzt Jahrzehnte nach den Morden, beginnt ein Prozess gegen Susann Eminger. Dabei war auch bei ihr die Beweislage seit Langem eindeutig. Warum hat es 14 Jahre gedauert, bis sie vor Gericht steht? Warum mussten wir Angehörigen so lange darauf warten, dass diese offensichtliche Unterstützung des NSU überhaupt verhandelt wird?

Nun veröffentlicht die Welt einen Brief aus dem Jahr 2015, verfasst von Beate Zschäpes damaligen Anwälten. Ein Brief, der auf Aussagen basiert, die Zschäpe selbst ihnen gegenüber gemacht hat. Darin steht, dass die NSU-Morde von verschiedenen Tätern verübt worden seien und dass sie nicht die gesamten 13 Jahre mit Böhnhardt und Mundlos im Untergrund gelebt habe.

Dass diese Informationen damals nicht aufgeklärt wurden, ist ein weiterer Beleg für das Versagen der Behörden und der Anklage. Es zeigt, wie viel ungesagt blieb und wie viele Spuren bewusst nicht verfolgt wurden. Für uns Hinterbliebene ist das erneut ein Schlag ins Gesicht. Denn dieser Brief hätte die Ermittlungen verändern können vielleicht sogar müssen.

Wir fordern seit Jahren Transparenz, Konsequenz und Gerechtigkeit. Doch die Wahrheit wurde vertuscht, verzögert. Dabei ging es um das Leben unserer Angehörigen, um das Leben meines Vaters Mehmet Kubaşık, des achten Mordopfers des NSU.

Dieser neue Hinweis bestätigt nur, was wir längst wissen:
Die Geschichte, die uns über den NSU erzählt wurde, war nie vollständig.
Und solange nicht alle Täter und Unterstützer benannt und zur Verantwortung gezogen werden, kann es keinen Schlussstrich geben für uns, für dieses Land, für die Wahrheit.

Ich werde am 3. und 4. Dezember in Dresden den Prozess gegen Susann Eminger begleiten.
An diesen beiden Tagen wird die Mittäterin Beate Zschäpe als Zeugin aussagen. Ich hoffe sehr, dass ihre Aussagen ernst genommen werden und dass die Richterin die entscheidenden Fragen stellt. Fragen nach den weiteren Tätern, nach den Strukturen, nach dem Netzwerk, das der NSU hatte. Fragen, die uns Angehörigen seit Jahren gestellt werden müssten, die aber immer wieder ausgeblendet wurden.

Ich hoffe auf den Mut, die Wahrheit endlich vollständig ans Licht zu holen.
Für meinen Vater.
Für alle Opfer.
Für dieses Land.“

Statement von Yvonne Boulgarides:

„Beate Zschäpe inszeniert sich einmal mehr. Ihre Teilnahme am Aussteigerprogramm EXIT und das angeblich brisante Statement wirken wie kalkulierte Showeinlagen. Wenn sie tatsächlich etwas von Bedeutung hätte offenbaren wollen, hätte sie dafür in all den Jahren mehr als genug Gelegenheiten gehabt.“

Statement von Michalina Boulgarides:

„Wieder bekommt Beate Zschäpe eine Bühne – und wieder nutzt sie diese nur für ihre eigene Show.
Jahrelang hat Sie geschwiegen, während der Zeit im Untergrund, während Ihres Prozesses und in den Jahren danach.
Während Angehörige ihr gegenübersaßen und um Aufklärung kämpften, nutzte Beate Zschäpe den Medienrummel um sich selbst zu inszenieren.

Jetzt kommt sie mit vagen Andeutungen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Das ist durchsichtig und respektlos.
Wir brauchen keine nebulösen Aussagen und keine neue Inszenierung. Wenn Zschäpe etwas beitragen will, soll sie endlich reden – klar und vollständig. Es ändert nichts, wenn sie nicht spricht oder nur Andeutungen macht. Wir fordern Aufklärung.
Wenn Beate Zschäpe Reue zeigt und sich klar distanziert von der rechten Szene, dann muss Sie Namen nennen, welche Rolle spielten staatliche Stellen? Welche Kontakte und Beobachtungen gab es? Was hat es mit den Telefonverbindungen und Vorgängen in Behörden während ihrer Flucht auf sich?

Wir wollen die Wahrheit, keinen weiteren Showprozess, kein Taktieren für vorzeitige Haftentlassung und keine Bühne für Täter.“

Statement von Mandy Boulgarides:

„Es ist kaum zu ertragen und langweilt auch, dass um jede angeblich neue Aussage von Beate Zschäpe wieder ein riesiges Spektakel gemacht wird.

Ich glaube nicht im Geringsten, dass dabei irgendetwas Substanzielles herauskommt, hätte sie wirklich etwas Wichtiges beizutragen, hätte sie es längst getan. Dieses ständige Schauspiel wirkt wie eine bewusste Verzögerungstaktik und reißt uns Angehörige immer wieder in alte Wunden. Wir brauchen endlich echte Konsequenz und klare Antworten und keine weitere Bühne für leere Andeutungen!!!“

Statement von Semiya Şimşek:

„Zu hören, dass möglicherweise weitere Personen an den Taten beteiligt gewesen sein könnten, bestätigt das, was wir immer gesagt haben, dass der NSU nicht aus drei Personen bestand.

Für uns, die Angehörigen der Ermordeten ist dieser Satz wie ein Schlag ins Gesicht. Seit mehr als zwanzig Jahren kämpfen wir um Antworten und um die Wahrheit.

Wir wollen endlich wissen:
Wer hat unsere Angehörigen getötet? Wer war wirklich beteiligt?
Es geht uns um Wahrheit und darum, dass das, was passiert ist, nie wieder geschieht.

Dass die Mörder frei rumlaufen, ist kaum auszuhalten.

Für uns steht fest:
Die Aufarbeitung des NSU-Komplexes ist nicht abgeschlossen.

Wir appellieren an alle Verantwortlichen in Politik und Behörden:

Schauen Sie nicht weg.
Sorgen Sie dafür, dass die vollständige Wahrheit endlich ans Licht kommt.“