Mit Wahlen und mit Waffen: Nordkreuz macht weiter. Kurzbericht zum 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschuss MV Juni 2025

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Die Aufarbeitung des Nordkreuz-Komplexes durch den Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern neigt sich ihrem Ende zu. Die beiden Sitzungen im Juni warfen erneut Fragen zur Zusammenarbeit der Behörden auf, aber auch Fragen zur Fortführung der Gruppe nach dem Gerichtsurteil gegen Marko Gr. und der Einstellung der Verfahren gegen Haik Jaeger und Jan Hendrik Hammer.

In der 100. Sitzung des Ausschusses sagte der heutige Chef des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Krense, aus. Er sprach allerdings die meiste Zeit aus der Sicht des Landeskriminalamts (LKA), dessen stellvertretender Leiter er zur Zeit der Ermittlungen gegen Nordkreuz war. Krense stellte dar, dass das LKA von den Bundesbehörden schon vor den Durchsuchungen bei Mitgliedern von Nordkreuz im August 2017 informiert worden war. Es sei von einer Gruppierung die Rede gewesen, die sich auf einen „Tag X“ vorbereite. Auch Feindeslisten hätten in dieser Information eine Rolle gespielt. Man habe dann den damaligen Innenminister Lorenz Caffier informiert, ihm aber keine Namen genannt.

Im Nachgang zu den Durchsuchungen habe man aber keine Meldungen zu gefundenen Listen erhalten. Trotz Nachfragen über „alle möglichen Wege“ habe es immer die gleiche Antwort gegeben: Es seien keine Listen gefunden worden. Erst nachdem die taz über Listen berichtet und die damalige Bundestagsabgeordnete Martina Renner eine Kleine Anfrage dazu gestellt hatte, hätten die Bundesbehörden nach Mecklenburg-Vorpommern gemeldet, dass sie „Sammlungen“ gefunden hätten, stellte der Zeuge verärgert dar.

Wo die Behörden diese gefundenen Feindeslisten durch das Wort „Materialsammlung“ zu verharmlosen versuchen, sonst aber – anders als die Bundesanwaltschaft – Nordkreuz weitestgehend ernst nehmen, geht die AfD wenig überraschend einen Schritt weiter. Der AfD-Abgeordnete im Ausschuss, Paul-Joachim Timm, sitzt mit dem damaligen Hauptbeschuldigten Haik Jaeger im Kreistag Nordwestmecklenburg. Timm versucht im Untersuchungsausschuss durch die immer gleichen Fragen, Nordkreuz zur harmlosen Prepper-Gruppe kleinzureden, spricht von „Maulheldentum“ und behauptet, dass Rechtsextremismus in den großen Chatgruppen nicht wahrnehmbar gewesen sei. Davon, dass fast alle Zeug*innen dieser Darstellung widersprechen, lässt er sich selbstverständlich nicht beeindrucken. Der Zeuge „011“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz verwies beispielsweise darauf, dass in der Chatgruppe „Nordkreuz“ regelmäßig Artikel des Compact-Magazins geteilt wurden oder Werbung für die AfD gemacht wurde. Er sagte, dass Nordkreuzler von anderen AfD-Mitgliedern nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer rechtsextremistischen Prepper-Aktivitäten als politische Weggefährten angesehen würden.

Schon während der Existenz der Nordkreuz-Chatgruppen war die AfD ein Betätigungsfeld vieler Nordkreuzler. Auch heute setzen sie hier ihre politische Tätigkeit fort. Insbesondere die Abgeordneten der Grünen und der Linksfraktion weisen im Ausschuss immer wieder auf diese Verbindungen hin. Marko Gr. blieb aber anscheinend auch der ursprünglichen Form von Nordkreuz – der bewaffneten Vernetzung – treu. Die Andeutungen der Behörden, dass sie davon ausgehen, dass Nordkreuz weiter existiert, wurden in der Sitzung am 30. Juni noch einmal deutlicher. Die Befragung von „011“ zeigte, dass es direkt nach dem Prozess gegen Marko Gr. im Januar 2020 ein Treffen zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Verfassungsschutz MV und dem LKA MV gab, in dem es darum ging, dass Gr. erneut Leute, die zum Schießen ausgebildet sind, um sich schare. Dies seien alte und neue Leute gewesen. Der Untersuchungszeitraum des Ausschusses endet im Jahr 2021, zur Zeit danach dürfen die Abgeordneten dann also nicht mehr fragen, dennoch ließen die Behörden bislang wenig Zweifel an der bis heute fortdauernden Beobachtung der Nordkreuz-Strukturen.

Am 7. Juli vernimmt der Untersuchungsausschuss Lorenz Caffier. Dieser hatte sich im Dezember 2017 vom Schießstandbetreiber und ehemaligen Nordkreuz-Mitglied Frank Thiel eine Waffe schenken lassen und wurde später wegen Bestechlichkeit verurteilt. Über illegales Schießen mit Kriegswaffenmunition auf Thiels Schießplatz und die noch andauernde Prüfung seiner Waffenerlaubnisse berichtete zuletzt der NDR.

Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!