Kurz-Protokoll 220. Verhandlungstag – 21. Juli 2015

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An diesem Prozesstag sagt zunächst eine BKA-Beamtin zu verschiedenen Asservaten aus, dabei geht es u.a. um das Bekenner-Video des NSU sowie Übereinstimmungen zwischen Daten-DVDs, die in der Frühlingsstraße gefunden worden und Festplatten, die bei André Eminger beschlagnahmt wurden. Dann sagt Ha. aus, der sich selbst als „Mitläufer“ der Neonaziszene der 90er Jahre bezeichnet. Es geht u.a. darum, dass er im Zusammenhang mit dem Bombenkoffer auf dem Theatervorplatz in den 90er Jahren befragt wurde.

 

Zeug_innen:

  • Jeanette Pf. (BKA Meckenheim, Auswertung von Asservaten mit NSU-Bezug)
  • Henning Ha. (Erkenntnisse zu Jenaer Neonaziszene der 90er Jahre)

Der Tag beginnt mit der Einvernahme der Zeugin Jeanette Pf. (149. Verhandlungstag). Götzl: „Es geht uns um Auswertungen und Ermittlungen zu Asservaten mit NSU-Bezug, um eine DVD zunächst mal, dann auch um Erkenntnisse zur Erstellung des Videos. Dann den so genannten NSU-Brief. Und dann geht es auch noch um eine Internetrecherche zu einer Zugverbindung nach Haste.“ Sie wolle voranstellen, so Pf., dass es sich um die Fortschreibung eines Vermerkes handele, den ursprünglichen Vermerk habe ihr Kollege Sch. geschrieben im Januar 2012 und im Juni 2012. Der Vermerk beinhalte sehr viele einzelne Komplexe, sei eine Zusammenstellung, sie habe nicht jedes einzelne Asservat selbst ausgewertet. Zum NSU-Bekennervideo sagt sie, die seien an mehreren Orten festgestellt worden. Einige seien versandt worden, es seien aber auch im Wohnmobil und in der Frühlingsstraße 26 welche gefunden worden. Mit der Auswertung habe sie nichts zu tun gehabt, so Pf., das habe ihr Kollege Eb. gemacht in erster Linie.
Die DVDs seien kriminaltechnisch untersucht worden. Zu daktyloskopischen Spuren von Beate Zschäpe sagt sie, beim Asservat 17.1.1, dem Briefumschlag, mit dem die DVDs an die Geschäftsstelle der PDS Riesa-Großenhain versendet worden seien, sei die Spur gewesen, dass Zschäpe nicht als Verursacherin habe ausgeschlossen werden können. Beim Asservat 56.1 hätten definitiv zwei Fingerabdrücke der Angeklagten zugeordnet werden können. Im Wohnmobil seien insgesamt sechs [phon.] DVDs im Rucksack im Schlafbereich des Wohnmobils mit etwas Verzögerung festgestellt worden. Pf. sagt, dass darüber hinaus im Wohnmobil im Aufenthaltsraum drei USB-Sticks gefunden worden seien. Der Inhalt habe die gleiche Struktur aufgewiesen wie die DVD. Diese seien auch wieder abgeglichen worden und es seien auch hier KT-Untersuchungen vorgenommen worden. Dabei habe es daktyloskopische Spuren und molekulargenetische Treffer gegeben, die Mundlos und Böhnhardt hätten zugeordnet werden können.
Pf.: „Jetzt der Aspekt Erstellung des Videos. Das wichtigste Asservat ist EDV 11, die Festplatte, auf der sich sehr viele kurze Videoclipeinheiten befinden, die für die Erstellung des Videos verwendet wurden. In dem Vermerk verweise ich darauf, dass auf EDV 11 auch die Vorgängerversionen des Videos festgestellt wurden. Das habe ich auch nur übernommen, keine eigene Auswertung.“
Pf.: „Ein weiterer Punkt, den ich aufgeführt habe, wo ich selber nichts gemacht habe, ist das Drehbuch zum Video. Das wurde bei uns intern so bezeichnet. Handschriftlich beschriebene Seiten, wo einzelne Inhalte von Clips dargestellt sind. Es sieht so aus, dass das die Grundlage für das Video war.“
Dann geht Pf. zum „NSU-Brief“ über. Hier habe sie eigene Ermittlungen nicht getätigt, es sei wieder eine Zusammenfassung. Ein Exemplar sei auf EDV 11 sichergestellt worden, es gebe eine Vorder- und Rückseite. Durch Presseberichterstattung sei das BKA darauf hingewiesen worden, dass ggf. der „Weiße Wolf“ ein Exemplar des NSU-Briefs im Jahr 2002 zugesandt bekommen hat, daraufhin sei bei David Petereit [Neonazi aus Mecklenburg-Vorpommern, NPD-Landtagsabgeordneter] durchsucht worden. Petereit sei damals verantwortlich gewesen für das Fanzine.
Götzl fragt nach dem Punkt „Internetrecherche“. Pf. führt aus, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass Zschäpe am 16.06.2011 nach Haste in Niedersachsen gefahren ist. Das begründe sich auf zwei Punkten: Eine Aussage eines Taxifahrers, der sie an dem Morgen gefahren haben wolle, und eine Internetrecherche, die am 14.06. vorgenommen worden sei. Ihre, Pf.s, eigene Schlussfolgerung sei: „Am 16.06. wurde bekanntlich der Reisepass abgeholt von Holger Gerlach. Es gibt eine Aussage von Holger Gerlach, dass das Trio immer donnerstags ihn besucht hat und der 16.06. war ein Donnerstag. Daraus ergibt sich für uns, dass Beate Zschäpe nach Haste reiste, um Holger Gerlach zu treffen.“
Es geht dann um eine Daten-DVD. Pf.: „Als dem Techniker der Inhalt aufgefallen ist, hat er mich angesprochen. Wir hatten darüber gesprochen, dass wir in der Frühlingsstraße kaum oder keine rechte Literatur gefunden habe. Da ist ihm aufgefallen, dass da viel rechte Literatur drauf ist.“ Bei der Augenscheinnahme sei ihr aufgefallen, dass ihr die Daten bekannt sind, weil sie die schon von der Auswertung der Festplatten des André Eminger gekannt habe.
Im Ordner „Alle Bücher“ seien in erster Linie Textdokumente: Literatur aus der NS-Zeit und auch neuere Werke wie die „Turner Tagebücher“. Der Ordner „Fotos“ enthalte sehr viele Unterordner. Darunter seien sehr viele Aufnahmen von Plakaten aus dem NS und es würden sich auch private Aufnahmen der Familie Eminger darunter befinden, Fotos, auf denen Susann Eminger zu sehen sei, aber auch ein Ordner, wo es um die Vorbereitung eines Julfestes gehe, Einladungskarten, die definitiv der Familie Eminger zuzuordnen seien.
Pf. weiter: „Wie eingangs dargestellt, kamen mir die Inhalte bekannt vor. Deswegen bin ich nochmal zum Techniker gegangen und wir haben uns die Asservate angeschaut, wo diese Dateiordner ebenfalls festgestellt wurden. Bei dem Herrn Eminger auf den Rechnern sind diese Ordner schon gelöscht worden, bei zwei Asservaten erst nach Bekanntwerden des NSU. Die Inhalte sind aber trotzdem noch darstellbar.“
Als weitere Untersuchung habe sie angeregt, das Brenndatum zu ermitteln und mit welchem Brenner sie gebrannt wurde. Es sei festgestellt worden, dass auf einem Brenner bei Familie Eminger diese DVD gebrannt wurde. In der Gesamtschau sei ihre Hypothese, dass diese DVD von André oder Susann Eminger an die Bewohner der Frühlingsstraße übergeben wurde. Das Brenndatum sei der 06.10.2006 gewesen, so Pf. auf Frage von Götzl.
Die Zeugin wird um 13:02 Uhr entlassen, verschiedene Verfahrensbeteiligte behalten sich Erklärungen vor. Es folgt die Mittagspause bis 14:04 Uhr.

Danach geht es weiter mit der Einvernahme des Zeugen Henning Ha. Ha. trägt Glatze, auf seinem Hinterkopf ist ein Tattoo zu sehen. Götzl: „Es geht uns darum, ob Sie Erkenntnisse zu Herrn Böhnhardt, Herrn Mundlos, Frau Zschäpe, Herrn Wohlleben haben. Dann geht es uns auch um ein Ereignis in Jena, eine Bombe auf dem Theatervorplatz. Vielleicht beginnen Sie erstmal damit, dass Sie uns etwas dazu sagen, ob Sie die Genannten kennen und gegebenenfalls woher und seit wann.“ Ha.: „Die Genannten kenne ich nicht. Was wollten Sie noch wissen? Ich habe nix dazu zu sagen, ich bin nicht involviert.“ Götzl fragt, wo sich Ha. in den 90ern aufgehalten habe. Ha.: „In Stadtroda ab ’93. “ Götzl fragt, was Ha. zu dem Vorfall auf dem Theaterplatz in Jena sagen könne. Ha. sagt, er sei dann nur zu Vernehmungen vorgeladen worden, weil in der Zeit „der Vorfall“ gewesen sei, „Bombenbau an Silvester“. Ha. weiter: „Ich hatte ’96, ’97 eine Bombe angefertigt für Silvester. Hat nicht funktioniert, ich war zu betrunken.“ Das habe die Polizei gefunden und er sei in den ganzen Strudel reingeraten: „Hieß es: Hier, der Ha. hat doch auch eine Bombe gemacht zeitgleich.“
Götzl: „Ist gegen Sie im Hinblick auf die so genannte Theaterbombe ermittelt worden?“ Ha.: „Ich wurde befragt.“ Götzl: „Was aus dem Verfahren geworden?“ Ha. sagt, bei seiner Geschichte sei das eingestellt worden. Es sei keine böse Absicht gewesen und es sei auch nicht ermittelt worden, wie die Sprengkraft gewesen wäre und dann sei diese Sache eingestellt worden.
Götzl fragt, ob Ha. Verbindungen nach Jena habe. Ha.: „Dadurch dass ich in Stadtroda wohne, kenne ich in Jena jede Menge Leute.“ Stadtroda sei 10, 15 km von Jena entfernt. Götzl: „Haben Sie sich in der rechten Szene bewegt in den 90er Jahren?“ Ha.: „Ich war ein rechter Mitläufer zu der Zeit, das ist richtig.“ Götzl: „Welche Personen in Jena kannten Sie?“ Ha.: „Von Jena? Da fällt mir jetzt direkt niemand ein.“ Götzl fragt nach Frank Liebau (zuletzt 79. Verhandlungstag). Ha.: „Ja, den kenne ich.“ Götzl fragt, ob Liebau damals ein Freund gewesen sei. Ha.: „Ja.“ Auf Frage, ob er heute noch Kontakt zu Liebau habe, sagt Ha.: „Sehe ihn ab und zu mal, mal ein kleines Schwätzchen, aber eher selten.“ Götzl: „War das Gesprächsthema mit Liebau, das Thema Waffen?“ Ha.: „Kein Gesprächsthema, nie gewesen. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, dass er in der Beziehung so was gemacht hat, das wäre völlig fremd.“
Götzl: „Im Hinblick auf die 90er, hatte Liebau Kontakt zu Waffen?“ Ha.: „Ist mir gar nichts bekannt, nie was bekannt gewesen oder zu Ohren gekommen.“ Götzl: „Kennen Sie einen Herrn Schultz?“ Ha.: „Ja, seinen Kollegen, der mit im Laden stand damals, Schultzi genannt.“ Auf Nachfrage sagt Ha., er meine „so einen Szeneladen“. Götzl nennt den Namen „Madley“. Ha.: „‚Madley’s‘. Genau.“ Götzl fragt, ob mit Schultz mal Waffen, Waffenbesorgung Thema gewesen sei. Ha.: „Nein, nie.“ Götzl: „Haben Sie sich mal um eine Waffen bemüht?“ Ha.: „Nein, nie.“ Götzl fragt, ob Ha. sich mal danach erkundigt habe. Ha.: „Nee.“ Götzl fragt, ob das in Stadtroda oder Jena Gesprächsthema gewesen sei. Ha.: „Nein, ist mir nicht bekannt.“
Götzl: „Können Sie für die 90er Ihr Verhältnis zu rechten Szene beschreiben? Wie ist es heute?“ Ha.: „Bin ich völlig frei, von irgendwelchen Szenen. Ich bin aus der Richtung raus. Ich war nur Mitläufer und es ist schon lange her. Ich habe ganz andere Ambitionen.“ Götzl: „Seit wann sind Sie raus?“ Ha.: „Seit die 2000er angefangen sind, habe ich mich schon nicht mehr beschäftigt mit der rechten Szene.“ Götzl fragt nach dem Grund dafür. Ha. sagt, er sei verurteilt worden wegen Volksverhetzung, als das mit der Bombe gewesen sei: „Da bin ich bekehrt worden.“ [phon.] Es habe Zeiten gegeben, da sei er auf Konzerten gewesen, aber habe sich ansonsten überhaupt nicht engagiert.
NKRA Narin hält vor, dass bei der Rohrbombe, die Ha. gebaut habe, neben einem Karton eine Landkarte sichergestellt worden sei, auf welcher u.a. Städte mit Hakenkreuzen gekennzeichnet gewesen seien. Ha.: „Habe ich doch alles schon gesagt. Wo ich in Mainz gearbeitet habe, wurde die durch Arbeitskollegen erstellt. Da wurde von jedem was reingemalt aus Spaß. Das war die Zeit, wo Anschläge waren.“ Da sei eine „gewisse Ausländerfeindlichkeit“ gewesen und jeder habe sich den Spaß gemacht und was eingezeichnet, er selbst wahrscheinlich auch: „Ich war ein bisschen rechts.“ Der Verhandlungstag endet um 15:02 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/07/21/21-07-2015/