Kurz-Protokoll 287. Verhandlungstag – 07. Juni 2016

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An diesem Prozesstag ist erneut Tino Brandt geladen. Er wird u.a. zu einer Geldübergabe an Carsten Schultze befragt, bei der es auch um das Besorgen von Waffen gegangen sei. Brandt streitet allerdings ab, jemals überhaupt etwas mit dem Thema Waffen zu tun gehabt zu haben. Geldübergaben hätten dagegen häufiger stattgefunden. Im Anschluss gibt die GBA Stellungnahmen zu verschiedenen Anträgen von Nebenklagevertreter_innen ab.

Zeuge:

  • Tino Brandt (Neonazi und früherer VM 2045 und VM 2150 des TlfV)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:59 Uhr. Als Nebenkläger_innen sind heute Michaela und Yvonne Boulgarides da.

Nach der Präsenzfeststellung wird Tino Brandt von zwei Beamten in den Saal gebracht.
Götzl: „Es geht uns um die Frage der Übergabe von Geld an Carsten Schultze. Hintergrund wäre die Frage, ob das etwas mit einem Waffenerwerb zu tun hat, um diesen Komplex würde es gehen. Die Frage, die ich erstmal stellen wollte: Hatten Sie mit Carsten Schultze Kontakt, soweit es um Geldübergaben geht?“ Brandt: „Mit Carsten Schultze hatte ich seinerzeit viel Kontakt. Bezüglich auf Geld ist mir momentan nicht erinnerlich, dass ich ihm Geld gegeben habe. Ausschließen kann ich das nicht, da viel Geld vom LfV weitergegeben wurde, mit Sicherheit war da auch der Aufbau der Jugendgruppen mit dabei.“ Götzl: „Haben Sie mit Carsten Schultze jemals über den Erwerb einer Waffe gesprochen?“ Brandt: „Nein.“ Götzl: „Ist denn die Frage der Finanzierung einer Waffe zwischen Ihnen und Carsten Schultze mal erörtert worden?“ Brandt: „Ähm, Waffen waren in meiner Umgebung nie ein Thema gewesen, also ich habe da mit niemandem über Waffen oder Ähnliches geredet.“ Götzl: „Hatten Sie irgendwelche Informationen darüber, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos im Besitz, oder auch Frau Zschäpe, im Besitz einer Waffe gewesen wären, nach dem Zeitpunkt Untertauchen?“ Brandt: „Nein, dazu hatte ich keine Kenntnisse.“
Götzl: „Sofern jetzt Geld weitergereicht wurde, war in dem Zusammenhang mal von irgendeinem Zweck die Rede, wofür Geld von Seiten von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe benötigt wurde, von irgendwelchen Personen, von den genannten oder sonstigen?“ Brandt: „Ja, das hatten wir schon besprochen. Da ging es einmal um das Passbesorgen und eben um das pure Überleben, als sie da abgetaucht sind.“
Schneiders: „Von wie viel Geldzuwendungen sprechen wir denn, die Sie vom Verfassungsschutz gezielt bekommen haben?“ [phon.] Brandt sagt, wenn es nicht bei den Akten sei, könne er es nicht sagen. [phon.] Schneiders: „War das so alltäglich?“ Brandt: „Es war relativ alltäglich.“ Schneiders sagt, es gehe ihr um um gezielte Geldzuwendungen, um Kontakt zu den Dreien aufzubauen. Brandt: „Also, ich könnte das heute nicht mehr festlegen, ob das zwei bis sechs Mal war. Der Spielekauf war dabei, die eine Geldübergabe, die wir angesprochen haben, die Passgeschichte. Dann war eine Geldübergabe relativ am Anfang, wo sie untergetaucht waren. Also ich könnte die Geldsummen oder wie oft das war vom Landesamt, dass da was direkt weitergegeben werden sollte, kann ich jetzt nicht sagen.“

Dann gibt Bundesanwalt Diemer eine Stellungnahme ab zu den Gegenvorstellungen der NK bzgl. die Ablehnung des Antrags auf Vernehmung von Ralf Marschner etc. Die Antragsteller würden im Wesentlichen vortragen, die Begründung des Ablehnungsbeschlusses zeige, dass die Ablehnung nach jedem beliebigen Maßstab des § 244 StPO um jeden Preis gewollt gewesen sei. Der Senat habe in seinem Beschluss der Sach- und Rechtslage umfassend und mit der im Einzelnen gebotenen Subsumtion des Sachverhalts unter die maßgeblichen Tatbestände des § 244 StPO erschöpfend Rechnung getragen. Rechtliche Fehler seien nicht erkennbar. Weil Gegenvorstellungen auf Beweisbeschlüsse eines Gerichts „nicht unbedingt zum üblichen Repertoire“ und v. a. auf den „in der Gegenvorstellung angestimmten Tonfall“ erscheine es ihm allerdings geboten, noch auf Folgendes aufmerksam zu machen: Wenn der Senat eines OLG eine Entscheidung treffe oder bestimmte Schlüsse ziehe, die er „auf das Sorgfältigste“ begründet habe, „versteige“ er sich nicht zu etwas und stellt schon gar nicht „Behauptungen“ auf. Das sei eine Terminologie, die vielleicht im politischen Raum ihre Berechtigung habe, aber unter „Organen der Rechtspflege“, zu denen auch die NK-Vertreter als RAe gehörten, im vorliegenden Zusammenhang „despektierlich“ und „ausgerechnet diesem Senat gegenüber“ unangebracht sei.
Die Argumentation der Gegenvorstellung sei zudem getragen von dem von „einzelnen Nebenklägervertretern und Nebenklägervertreterinnen geförderten, fachlich nicht vertretbaren Missverständnis, im Rahmen dieser Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht München könne die Aufklärung des gesamten NSU-Komplexes stattfinden“. Es stehe außer Zweifel, dass „alle in diesem Phänomenbereich aufgetauchten und auftauchenden Zweifel und Fragen politisch, gesellschaftlich und strafrechtlich gelöst und aufgearbeitet werden müssen“. Das geschehe in einem Rechtsstaat jedoch in unterschiedlichen Formaten nach den jeweils dafür vorgesehenen Regeln: „Sei es im Parlament, in der Literatur, in der Presse und eben hier vor Gericht. Fachleute wissen: hier vor diesem Gericht, findet eine strafrechtliche Aufarbeitung eines von der Anklage und dem gerichtlichen Eröffnungsbeschluss bestimmten und damit konkret begrenzten Sachverhalts im Hinblick auf einen ebenso bestimmten und damit konkret begrenzten Personenkreis statt.“

OStAin Greger fährt fort. Die damalige Erkenntnislage der VS-Behörden sei bereits Gegenstand der Beweisaufnahme in den letzten Jahren gewesen. Es gebe nach den bisherigen Ermittlungen und der Beweisaufnahme und auch nach dem Vorbringen der Antragsteller keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass die Ermittlungs- oder VS-Behörden jemals Kenntnis von den drohenden Anschlägen oder einer Verbindung der untergetauchten Personen zu den Anschlägen gehabt hätten. Etwaige Fehler bei der Fahndung seien ohne jede Bedeutung für die Schuld- und/oder Straffrage bei den angeklagten Personen. Eine darüber hinausgehende Aufklärung, wie sie die Antragsteller begehrten, sei im Strafprozess nicht veranlasst, sei kein Gegenstand der Aufklärungspflicht im hier geführten Verfahren.

RA Scharmer sagt, er wolle kurz mündlich etwas äußern zur Stellungnahme Diemers. Scharmer: „Ich habe jetzt zur Kenntnis genommen, dass Sie das Interesse meiner Mandantin, Gamze Kubaşık, deren Vater ermordet wurde, einen Zeugen zu hören, der etwas zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Zwickau und zu deren Innenverhältnis und zu politischen Überzeugungen sagen könnte, der auch V-Mann ‚Primus‘ gewesen sein soll, dass ihr Interesse an diesem Zeugen, der möglicherweise Auskünfte zum NSU-Kerntrio in Zwickau geben könnte, als groben Unfug bezeichnen. Das werde ich Frau Kubaşık dann umgehend auch so mitteilen.
Ja, Herr Diemer, es hat alles seinen Platz. Und ich weiß auch, dass eine eine Anklage den Prozess umschreibt oder jedenfalls die prozessuale Tat den Prozess umschreibt, nicht Ihre Wertung als Bundesanwalt. Es wäre möglicherweise alles sehr viel einfacher, wenn Sie Erkenntnisse vorlegen würden, dass die gesondert Verfolgten von Ihnen auch tatsächlich verfolgt werden. Es gibt keine Akteneinsicht, trotz mehrfacher Nachfrage nicht einmal eine Auskunft. Meine Mandantin sieht keine andere Möglichkeit als das hier zu verlangen, weil sie es in anderen Verfahren nicht kann [phon.].“

Diemer sagt, er wolle klarstellen, das er nicht gesagt habe, die Vernehmung eines Zeugen, der Auskunft über sachbezogene Dinge geben könne, sei grober Unfug. Er habe gesagt, so Diemer, die sachlich begründete Ablehnung eines Beweisantrages als mangelnden Aufklärungswillen zu bezeichnen, sei grober Unfug: „Das möchte ich gern richtigstellen.“ Der Verhandlungstag endet um 11:43 Uhr.

Kommentar des Blogs „NSU-Nebenklage“: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/06/07/07-06-2016/
Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.