Kurz-Protokoll 323. Verhandlungstag – 22. November 2016

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An diesem Prozesstag sagt ein weiterer Zeuge zu dem von Carsten Schultze geschilderten Neonazi-Angriff an einer Endhaltestelle in Jena-Winzerla aus. Die Firma des Zeugen lagerte in diesem Bereich immer wieder auch kleine Häuschen für zu bauende Spielplätze zwischen. Im Anschluss daran geht es um Verlesungen.

Zeuge:

  • Wolfgang Ri. (Erkenntnisse zur Örtlichkeit Straßenbahnendhaltestelle Jena-Winzerla; von Carsten Schultze geschilderter Übergriff)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:55 Uhr. Als Zeuge wird Wolfgang Ri., Rentner aus Jena, gehört. Götzl: „Es geht uns um einen bestimmten Ort, nämlich den Bereich der Wendeschleife an der Rudolstädter Straße in Jena, das Vorhandensein von Gegenständen, 1998 und nachfolgende Jahre, vor 2000. Was können Sie zu der Örtlichkeit sagen, welchen Bezug Sie zu der Örtlichkeit haben Sie? Und dass Sie berichten, was Sie zu diesem Bereich sagen können.“ Ri.: „Die Wendeschleife war der Sitz meines Betriebes. Dort standen zwei Gebäude: Mein Betriebssitz, das andere war eine Pauseneinrichtung des Nahverkehrs.“ Götzl: „Können Sie das zeitlich sagen, seit wann waren sie jetzt dort und über welchen Zeitraum?“ Ri.: „Ich hatte meinen Betrieb seit 1992 dort, praktisch mit dem Bau dieser beiden Gebäude bin ich dort eingezogen.“ Götzl: „Können Sie uns Ihren Betrieb noch etwas beschreiben, welchen Bereich der eingenommen hat, wie der Betrieb aussah, um welche Gegenstände es ging?“ Ri.: „Das war ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb, wir hatten auf der Freifläche auch Baustoffe gelagert und hatten außerhalb der Arbeitszeiten auch unsere Fahrzeuge dort abgestellt. Dazu noch Paletten mit Pflaster und Betonfertigteilen und Leergut, also leere Paletten, die waren wie ein kleines Häuschen gestapelt, mit einer Abdeckung. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Götzl: „War der Bereich abgezäunt?“ Ri.: „Nein, das war Bestandteil des Mietvertrages, dass keine Einzäunung vorgenommen wurde.“
Götzl: „Können Sie etwas dazu sagen, ob es im Bereich der Wendeschleife mal ein Holzhäuschen gab, das dort stand oder im Zusammenhang mit Ihrem Betrieb?“ Ri.: „Nein, ein Holzhäuschen gab es dort zu keinem Zeitpunkt. Nein, auch aus Sicherheitsgründen, da wäre ja sofort eingebrochen geworden, das wäre ja nicht zu sichern gewesen.“ Ri.: „Haben Sie mal ein solches Häuschen verkauft oder im Lieferbestand [phon.]?“ Ri.: „Nein, auch nicht.“ Götzl: „Wir haben hier einen Zeugen gehört, Herrn K., der sprach von einem Holzhäuschen wie auf einem Spielplatz, vielleicht 110 cm hoch und vom Platz wie für drei Kinder.“ Ri.: „In der Größenordnung wäre das möglich gewesen, wir haben auch Kinderspielplätze gebaut und eingerichtet. Das wäre möglich.“ Götzl: „Haben Sie denn eine konkrete Erinnerung, dass Sie so etwas mal im Sortiment hatten?“ Ri.: „Nein, weiß ich nicht.“ Götzl: „‚Kinderspielplätze eingerichtet‘ – was bedeutet das?“ Ri.: „Wir haben die gebaut.“ Ri. beschreibt kurz, was sie in solchen Fällen getan hätten, zum Schluss hätten sie die Bepflanzungen vorgenommen und die Spielgeräte aufgebaut. Ri.: „Das wäre so ein Fall, da war oft ein solches Häuschen dabei in der Größenordnung einer Hundehütte oder größer.“
Götzl: „Haben Sie die dann besorgt?“ Ri.: „Ja, die haben wir gekauft, da gibt es eine Vielzahl von Anbietern in Deutschland, die wurden dann angeliefert und wir haben sie installiert. Meist wurden die auf die Spielplätze geliefert, aber das war nicht immer der Fall, denn Bauablauf und Lieferzeitpunkt stimmten ja nicht immer überein.“ Götzl: „Haben Sie denn, was das Errichten von Spielplätzen anbelangt, war das über den gesamten Zeitraum Ihrer Tätigkeit?“ Ri.: „Ja, wir haben uns öfters beworben und öfters mal so einen Auftrag bekommen. Das war also unregelmäßig.“ Götzl: „Haben Sie Informationen bekommen über irgendeine Auseinandersetzung im Bereich der Wendeschleife in der damaligen Zeit?“ Ri.: „Wenn, dann kann das nur außerhalb der Arbeitszeit gewesen sein, wir haben von halb Sieben bis siebzehn Uhr meistens gearbeitet, dann wurden die Fahrzeuge abgestellt und dann waren wir nicht mehr da.“
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Sie sagten, dass Spielgeräte meist angeliefert wurden an die Adressen der jeweiligen Bauvorhaben, aber das sei nicht immer so gewesen. Waren diese komplett aufgebaut oder mussten diese montiert werden?“ Ri.: „Unterschiedlich. Die meisten wurden erst montiert, aber kleine Holzhäuschen für die Kinder, die wurden komplett geliefert. Da gibt es keine Regel.“ Um 10:13 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Götzl sagt, man komme dann zu den Verlesungen. Zunächst verliest Richterin Odersky Auszüge aus einem BKA-Vermerk von KHKin Pf. In dem Vermerk geht es um einen Ermittlungsauftrag zum Asservat 24.1.3.1. Dabei handele es sich um einen Rechner Revoltec, der im Rahmen der Durchsuchung bei Ralf Wohlleben sichergestellt worden sei. Der Rechner habe zwei Festplatten, von denen nur eine habe ausgelesen werden können. Hintergrund sei ein Beweisantrag von NK-Vertreter RA Reinecke. In dem Verzeichnis, auf das der Beweisantrag Bezug nehme, finde sich eine Datei „heft“, deren Inhalt ein 122-seitiges Schreiben „Zukunft statt Globalisierung – Kapitalismuskritik von rechts“. In den beiden Dateien „Durchsicht 1 – 20.pdf“ sowie „Durchsicht 21 – 40.pdf“ seien Rechtschreib- und Trennungsfehler auf den Seiten 1 bis 20 bzw. 21 bis 40 gelb markiert. Dann wird im Vermerk aus den Dokumenten zitiert. Dort ist u.a. die Rede von „gezielte[r]Masseneinschleusung Millionen Fremder“, davon, dass Einwanderer das „Land nicht mit Panzerwagen sondern mit Kinderwagen“ „besetz[t]en“; es ist die Rede von Einwanderern als „Zivilokkupanten“, „Raumstörern“ und „Raumschmarotzern“.
Das Verzeichnis „Blodsfana_de Mein digitales Profil im Weltnetz“ enthalte das Unterverzeichnis „national.htm“ sowie die Datei „blodsfana.htm“. Das Verzeichnis „national.htm“ habe das Erstelldatum 09.02.2010 und das Änderungsdatum 19.06.2006. Dort heiße es: „Bin ich etwa ein Nationalist oder Skinhead? Viele Leute und Besucher dieser netten Heimatseite stellen sich die Frage ob ich etwa ein Skinhead bin. Vielleicht bin ich ja auch in einer verbotenen Organisation. Ich kann euch alle beruhigen. So schlimm ist es sicherlich nicht. Ich bin jemand, der National denkt und handelt. Ich bin in einer Gruppierung tätig, in meinem Heimatverein. Ich höre nur gute deutsche Musik. Hip Hop kotzt mich an. Auch ziehe ich nachts nicht durch die Straßen. Ich hoffe, dass die paar Punkte erst einmal reichen. Es soll zumindest eine Stellungnahme sein für die Besucher die wie immer einen falschen Eindruck haben, wenn Sie Heimatseiten sehen, die wie meine aufgebaut sind. Aber ein wenig Provokation muß eben mal sein. Punkt Ende und Schluss.“
Neben den genannten Dateien und Verzeichnissen werden auch Verzeichnisse mit Musik, v.a. Nazirock, aufgeführt, z. B. von „Bollwerk“, „Brutale Haie“, „Commando Pernod“, „HKL“, „Endstufe“, „Oigenik“, „Faustrecht“, „Foierstoß“, Frank Rennicke, „Freikorps“, „Frontalkraft“, „Kommando Freisler“, „Legion of Thor“, „Legion Ost“, „Lokalmatadore“, „Lunikoff Verschwörung“, „Noie Werte“, „NPD Schulhof-CD“, „Oithanasie“, „Landser“, „Spreegeschwader“, „Stahlgewitter“, „Steiner“, „Stuka“, „Sturmtrupp“, „Volkszorn“, „Kraftschlag“, „Störkraft“. Um 12:21 endet der Verhandlungstag.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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