Kurz-Protokoll 352. Verhandlungstag – 8. März 2017

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An diesem Prozesstag stellt die Verteidigung Wohlleben einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Auch die sog. „Alt-Verteidigung“ von Beate Zschäpe kündigt ein Ablehnungsgesuch an.

Der Beginn des Verhandlungstages ist heute für 13 Uhr geplant, um 13:12 Uhr geht es tatsächlich los. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders beginnt den gestern bereits angekündigten Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat zu verlesen und wird später von ihren Kollegen Nahrath und Klemke abgelöst.
Wie bei der Verteidigung Wohlleben üblich, wird zunächst sehr ausführlich der prozessuale Hergang aus Sicht Wohllebens wiedergegeben inklusive der weitgehenden bzw. kompletten Verlesung von Anträgen und Beschlüssen. Es geht dabei zunächst um die Beweisanträge zur Ladung und Vernehmung von insgesamt 17 Zeug_innen sowie um deren Ablehnung am gestrigen 351. Verhandlungstag.
Es geht dann um das Thema Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen. Am 01.12.2016 habe der Vorsitzende, so das Ablehnungsgesuch, die Bitte an die Verfahrensbeteiligten gerichtet, dass, wenn noch Beweisanträge zu stellen sind, diese möglichst bald und gebündelt gestellt werden.
Mit Schreiben vom 25.01.2017 habe der Vorsitzende mitgeteilt, es werde „höchstvorsorglich zur Vermeidung von Terminkollisionen erwogen“, die Verhandlung vom 12.09.2017 bis zum 11.01.2018 an einzeln bezeichneten Tagen fortzusetzen.
Dann gibt das Ablehnungsgesuch die beiden Verfügungen des Vorsitzenden zur Fristsetzung vom gestrigen und den weiteren Verlauf des Verhandlungstags wieder, bevor die konkrete Begründung kommt:
Die abgelehnten Richter lehnten den Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen Robert He. mit der Begründung ab, dass die in sein Wissen gestellten Beweistatsachen aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Aus der Sicht Herrn Wohllebens erscheint der Beschluss vielmehr als willkürlich.
Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Tu. ist ebenfalls evident willkürlich. Die abgelehnten Richter sind offenkundig ausschließlich dadurch motiviert, das Verfahren um jeden Preis durchzuziehen, selbst unter Verletzung der Amtsaufklärungspflicht.
Dieses vollkommen sachfremde Prozessieren der abgelehnten Richter hat bei Herrn Wohlleben den verheerenden Eindruck entstehen lassen, dass es den Richtern nur noch darauf ankommt, ihn jetzt unter Verletzung der Amtsaufklärungspflicht schnellstmöglich zu verurteilen.
Die Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden ergibt sich für Herrn Wohlleben erst recht aus dessen am 07.03.17 verkündeten Verfügungen. Dies gilt sowohl isoliert für die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen als auch in Verbindung mit der Fristsetzung zur Stellungnahme hinsichtlich der Erledigung von beantragten oder angeregten Beweiserhebungen.
Besonders ins Gewicht fällt darüber hinaus, dass der abgelehnte Vorsitzende die Frist zur Stellung von Beweisanträgen eklatant zu kurz gesetzt hat. Dies drängt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Verfahrensdauer von 350 Verhandlungstagen und des enormen absolvierten Beweisprogramms ohne weiteres auf.
Die Besorgnis der Befangenheit wird dadurch verstärkt, indem der Vorsitzende hinsichtlich der Erledigung des Beweisprogramms des Senats die Verteidigung getäuscht hat. Dies ergibt sich aus der Terminierung bis zum 11.01.2018. Angesichts der Ankündigung und späteren Verfügung einer derart weiträumigen Ladung bis Januar 2018 musste bei allen Verfahrensbeteiligten der Eindruck entstehen, dass der Senat sein Beweisprogramm noch lange nicht abgearbeitet hat. Allein mit zu erwartenden prozessualen Handlungen nach dem Schluss der Beweisaufnahme lässt sich eine derart großzügige Terminierung schlechterdings nicht erklären.
Das gesamte Verhalten des Vorsitzenden in dieser Frage ist damit auf eine reine Überrumpelungstaktik zurückzuführen.
Dies alles lässt Herrn Wohlleben begründet besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm und seiner Sache nicht mit der vom Gesetz geforderten Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüberstehen.

OStAin Greger: „Wir werden schriftlich Stellung nehmen, beantragen aber die Fortsetzung der Hauptverhandlung wegen der Beschleunigung in Haftsachen, der Befangenheitsantrag ist ja auch jedenfalls nicht offensichtlich begründet.“
Götzl: „Dann müssen wir aber die Fortsetzung der Hauptverhandlung verfügen. [phon.] Sie ist aufgrund der Beschleunigung in Haftsachen sachgerecht.“

Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Frau Zschäpe beabsichtigt, Sie wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die internen Beratungen haben erhebliche Zeit in Anspruch genommen, sie konnten erst kurz vor Beginn der Hauptverhandlung heute abgeschlossen werden. Die Fertigung und die Abfassung des Ablehnungsgesuchs wird heute nicht beendet werden können. Wir beantragen, uns bis morgen dazu Gelegenheit zu geben und beantragen, nicht vor 11 Uhr mit der Hauptverhandlung zu beginnen.“ Der Verhandlungstag endet um 15:26 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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