Kurz-Protokoll 383. Verhandlungstag – 04. Oktober 2017

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Diesen Prozesstag eröffnet der vorsitzende Richter gegen den Protest der Verteidigungen Eminger und Wohlleben. Diese führen ihre Ablehnungsgesuche als Hinderungsgrund an. Götzl widerspricht dem und führt den Verhandlungstag nach Diskussionen mit rechtlichen Hinweisen an die Angeklagten fort.

Heute ist Fototermin. Nachdem die Kameraleute und Fotograf_innen gegangen sind, betritt um 09:52 Uhr das Gericht den Saal. Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl die Verfügung, dass die Hauptverhandlung innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 29 Abs. 2 StPO fortgesetzt wird, dies sei trotz erfolgter Ablehnungsgesuche sachgerecht.
RA Kaiser: „Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist: Ich habe um 08:30 Uhr ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen den gesamten Senat angebracht, per Fax. Deswegen wundert es mich schon, dass Sie die Sitzung überhaupt eröffnen. Ich weiß nicht, ob Sie davon Kenntnis haben und, wenn nein, warum nicht.“ Kaiser sagt, er sei der Meinung, dass jetzt nicht weiter verhandelt werden könne. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke beantragt eine Unterbrechung von 20 Minuten zur Beratung mit dem Mandanten. Götzl: „In Hinblick worauf?“ Klemke sagt, er beantrage im Übrigen eine Abschrift der Verfügung. Götzl: „Im Hinblick worauf? Geht es um die Besprechung der Verfügung?“ Klemke: „Es geht darum, ob und, wenn ja, wie wir prozessual auf Ihre Verfügung reagieren.“ Auch Zschäpe-Verteidiger RA Heer beantragt eine Abschrift. Götzl: „Dann setzen wir fort um 10:20 Uhr.“

Um 10:39 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet die Verfügung, dass die Hauptverhandlung innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 29 Abs. 2 StPO solange fortgesetzt wird, bis eine Entscheidung über die beiden heute in der Verhandlungspause, ca. 10 Uhr, von Eminger und Wohlleben gestellten Ablehnungsgesuche ergangen sei. Die Fortsetzung sei sachgerecht. Götzl möchte fortsetzen, aber RA Kaiser verlangt das Wort: „Ich beanstande, dass hier überhaupt die Hauptverhandlung fortgesetzt wird. Und deswegen widerspreche ich und beantrage einen Gerichtsbeschluss.“ Klemke: „Die Verteidigung Wohlleben schließt sich der Beanstandung an.“

Götzl verkündet den Senatsbeschluss, dass die Verfügungen des Vorsitzenden, die Hauptverhandlung fortzusetzen, bestätigt werden. Götzl verkündet dann rechtliche Hinweise an die Angeklagten nach § 265 StPO. Zunächst ergeht der „tatsächliche Hinweis“ an Zschäpe, Wohlleben und Schultze, dass in Betracht komme, dass die vom Zeugen Schultz beschaffte Waffe im Zeitraum vom 03.04.2000 bis einschließlich 17.05.2000 vom Zeugen Schultz an den Angeklagten Schultze übergeben worden ist. Die Daten beruhten auf den Angaben des Angeklagten Schultze, der ausgeführt habe, die Übergabe sei erfolgt, nachdem er die Fahrerlaubnis erhalten und bevor er zu arbeiten begonnen habe. Dann ergeht der „rechtliche Hinweis“ an Zschäpe, dass neben den in der rechtlichen Würdigung der Anklageschrift genannten Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung jeweils rechtlich zusammentreffend mit den dort genannten Delikten ein weiterer „dazu in Tatmehrheit stehender“ Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht komme. Es folgt der rechtliche Hinweis an Zschäpe, dass im Hinblick auf die angeklagte Tat in der Frühlingsstraße zusätzlich eine tateinheitliche Verurteilung wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion nach § 308 Abs. 1 StGB in Betracht komme. Götzl: „Es ergeht rechtlicher Hinweis an die Angeklagte Zschäpe, dass im Falle der Verurteilung die Bejahung der besonderen Schuldschwere nach § 57a StGB in Betracht kommt.“
Es ergeht dann der rechtliche Hinweis an Wohlleben, dass im Falle einer Verurteilung ein Härteausgleich im Hinblick auf eine Verurteilung wegen übler Nachrede durch das
Amtsgericht Gera im Jahr 2007 in Betracht komme. [Eigentlich wäre aus dem Geraer Urteil und dem Münchener Urteil eine Gesamtstrafe zu bilden. Das ist aber nicht mehr möglich, weil Wohlleben die Geldstrafe schon komplett gezahlt hat.] Dann ergeht der rechtliche Hinweis an Gerlach, dass neben einer Verurteilung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung auch die Aberkennung der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Aberkennung der Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, zwischen zwei und bis zu fünf Jahren in Betracht kommen könne. Dann weist Götzl darauf hin, dass die Einziehung von Waffen und Munition in Betracht komme, sowie bei Zschäpe die Einziehung ihres Miteigentumsanteils an Waffenzubehör, an der elektronischen Ausrüstung, an den Datenträgern mit dem Bekennervideo in den verschiedenen Bearbeitungsstufen und ihrer Tarndokumente. Außerdem weist Götzl darauf hin, dass im Hinblick auf die möglichen Taterträge, d.h. Beute aus den angeklagten Überfällen, sogenannte Bargelddepots bei Wohlleben und Gerlach und sichergestelltes Geld bei Eminger eine Abtrennung nach § 422 StPO [Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung, wenn die Entscheidung über die Einziehung die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren oder verzögern würde] und eine Behandlung nach den §§ 73 bis 73e StGB [Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern] in Betracht komme.
Es folgt eine Unterbrechung bis 12:02 Uhr. Danach beantragt RA Klemke im Namen der Verteidigung Wohlleben, die Hauptverhandlung bis morgen, 09:30 Uhr, zu unterbrechen, um ein Ablehnungsgesuch zu formulieren. Götzl: „Sind denn ansonsten für heute Anträge oder Erklärungen? Keine? Ja, sofern von Herrn Eminger und Herrn Wohlleben Ablehnungsgesuche gestellt werden sollen, können diese außerhalb der Hauptverhandlung eingereicht werden. Die Termine vom 05., 10., 11. und 12. Oktober werden abgesetzt. Fortsetzung Dienstag, 24. Oktober 2017, 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 12:27 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

Blogbeitrag von Rechtsanwalt Eberhard Reinecke, hier.

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