Kurz-Protokoll 412. Verhandlungstag – 27. Februar 2018

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Am 412. Prozesstag verkündet Richter Götzl zunächst, dass das Verfahren über die Einziehung möglicher Taterträge im Hinblick auf die Angeklagte Zschäpe und die Angeklagten Wohlleben, Gerlach und Eminger abgetrennt wird. Danach beantragt die ursprüngliche Verteidigung Zschäpes erneut die Aufhebung ihrer Bestellung als Pflichtverteidiger_innen. Es folgt ein weiterer Beweisantrag der Verteidigung Ralf Wohllebens zum Lieferweg der Tatwaffe des NSU, der Ceska.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Jacqueline Wohlleben ist mal wieder als „Beistand“ für ihren Ehemann Ralf anwesend, der heute Geburtstag hat. Auf der Besucher_innenempore sind mehrere Neonazis anwesend, darunter Susann Eminger und André Kapke.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass das Verfahren über die Einziehung nach den Paragraphen 73 bis 73c StGB hinsichtlich möglicher Taterträge im Verfahren 6 St 3/12 im Hinblick I. auf die Angeklagte Zschäpe und II. die Angeklagten Wohlleben, Gerlach und Eminger abgetrennt wird. Zur Begründung führt er unter I. zu Zschäpe aus, dass eine Entscheidung über die Einziehung hinsichtlich möglicher Taterträge, also Beute aus angeklagten Überfällen, die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der angeklagten Taten durch Urteil unangemessen verzögern würde.
Dann sagt Götzl, dass auch eine Entscheidung über die Einziehung hinsichtlich möglicher Taterträge, also mögliche sogenannte Bargelddepots bei den Angeklagten Wohlleben und Gerlach und über das sichergestellte Geld beim Angeklagten Eminger, die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der angeklagten Taten durch Urteil unangemessen verzögern würde.

Heer: „Herr Vorsitzender, Frau Sturm, Herr Stahl und ich stellen die folgenden Prozessanträge.“
Heer führt zunächst aus, dass Götzl Termine aufgrund von Krankheit von RA Grasel abgesetzt hatte, obwohl zumindest Teile der ursprünglichen Verteidigung Beate Zschäpes zur Verfügung gestanden hätten.
Heer verliest: Wir beantragen erneut die Aufhebung unserer durch den Ermittlungsrichter des BGH bzw. den erkennenden Senat vorgenommenen Bestellungen. Unsere weitere Mitwirkung ist nicht weiter notwendig im Sinne des § 140 Abs. 1 StPO. Frau Zschäpe ist alleine durch RA Grasel hinreichend verteidigt, wobei sowohl der sogenannten Beistandsfunktion als auch der Sicherungsfunktion entsprochen wird. Die Bestellung von RA Grasel erfolgte am 06.07.2015. Seit dem 216. Hauptverhandlungstag war er ausnahmslos an 197 Hauptverhandlungstagen zugegen. Er verteidigt Frau Zschäpe seit mehr als zwei Jahren und sieben Monaten. Seit Juli 2014 hat Frau Zschäpe mit RA Borchert zudem einen Wahlverteidiger, der zunächst nur beratend und betreuend tätig war, und – so ihr Bestellungsantrag vom 08.12.2015 – ihr vollstes Vertrauen genießt und zahlreiche Gespräche mit ihr führte. Jedenfalls seit dem 10.11.2015 übernahm RA Borchert einschränkungslos die Verteidigung von Frau Zschäpe.
Während der Vorsitzende stets, aber auch erst kürzlich wieder im Rahmen der Abstimmung von Fortsetzungsterminen ab dem 04.09.2018 betont hatte, dass zumindest ein Verteidiger aus unserer „Gruppe“ an der Hauptverhandlung teilnehmen müsse, kann aufgrund der Terminsverfügung vom 20.02.2018 nicht mehr davon ausgegangen werden, dass unsere weitere Mitwirkung zur Sicherung des Verfahrens erforderlich ist.

Klemke verliest einen erneuten Antrag, Sven Rosemann zu vernehmen. Klemke führt aus:
Der Zeuge Rosemann wird folgendes bekunden: Uwe Böhnhardt meldete sich im Juni oder Juli 2000 telefonisch beim Zeugen und fragte an, ob dieser ihm eine scharfe Schusswaffe besorgen könne. Böhnhardt wollte eine Pistole. Dem Zeugen war bekannt, dass sein guter Kumpel Jürgen Länger in der Lage war, auch scharfe Schusswaffen zu beschaffen. Länger verkaufte Rosemann kurze Zeit später, im Juli 2000, eine Pistole der Marke Ceska 83 mit Schalldämpfer. Bei der Übergabe erzählte der Zeuge Länger dem Zeugen Rosemann, dass diese Waffe aus der Schweiz stamme. Er habe sie von einem Bekannten erhalten. Die Waffe wäre eine aus einer Lieferung von zwei Schalldämpferwaffen des Typs Ceska 83. Nach vorheriger telefonischer Absprache mit Uwe Böhnhardt verkaufte und überbrachte Rosemann diesem die Pistole noch im Juli 2000. Das Treffen fand in Chemnitz statt.
Begründung: Der Zeuge Länger soll sowohl nach der Anklageschrift als auch nach der vom Senat in mehreren seine Haftentscheidung vorgenommenen, angeblich „vorläufigen“ Beweiswürdigung die Tatwaffe der sogenannten Ceska-Mordserie an den Zeugen Andreas Schultz geliefert haben. Daraus folgt, dass Länger Zugang zu der Quelle hatte, aus der die Tatwaffe stammt. Die Tatwaffe soll ausweislich des Waffenbuchs von Schläfli & Zbinden zusammen mit einer weiteren baugleichen Ceska 83 mit Schalldämpfer mit der Seriennummer 034671 an den Zeugen Ge. geliefert worden sein. Länger und Rosemann waren befreundet. Sie kannten sich aus der JVA. Länger bezeichnete Rosemann in seiner Vernehmung am 134. Hauptverhandlungstag als „guten Kumpel“. Rosemann war seinerseits nach Aktenlage mit Böhnhardt gut bekannt und kannte auch Uwe Mundlos. Rosemann und Böhnhardt verband ein starkes Interesse an Schusswaffen. Gegen Rosemann wurde 1999 wegen illegaler Waffengeschäfte ermittelt. Zwar stritt Rosemann in seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren ab, nach dem Untertauchen Kontakt zu dem Trio gehabt zu haben. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Der Senat hat in der Hauptverhandlung auch die Zeugen Länger und Theile vernommen, obwohl beide im Ermittlungsverfahren jegliche Beteiligung an der Beschaffung der Tatwaffe bestritten hatten. Dennoch stützte der Senat seine Haftentscheidungen betreffend Herrn Wohlleben auch auf den von ihm angenommenen Weg der Tatwaffe über die bestreitenden Zeugen Länger und Theile.

Der Verhandlungstag endet um 13:33 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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