„Ein Freund ist nicht automatisch ein Terrorhelfer.“ – Die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern am 22.01.2021

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Der NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern fördert in dieser Sitzung ein neues Puzzlestück des NSU-Komplexes zu Tage. Der NPD-Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker aus Mecklenburg-Vorpommern vertrat Teile des Kerntrios wohl schon früher als bislang bekannt. Zunächst ist aber Lorenz Caffier, ehemaliger Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern geladen. Er verliest Bekanntes und Allgemeines und verweigert die Beantwortung von Fragen: keine Erinnerung, „an hypothetischen Fragen beteilige ich mich nicht“, Schweigen. Beide nach ihm geladenen Mitarbeiterinnen des Verfassungsschutzes sprechen davon, dass dem Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern im Dezember 1998 eine Meldung aus Thüringen zu einem Prozess gegen Zschäpe und Böhnhardt wegen Beleidigung vorlag. Diese lebten da schon unter falschen Namen und kamen nicht zum Prozess. Die zweite Mitarbeiterin des VS Mecklenburg-Vorpommern kann zum Beweisthema der „Weisse Wolf“ nichts beitragen, wurde also vom Innenministerium fälschlich benannt. Allerdings sagt sie zu dem Prozess im Dezember 1998, dass Rechtsanwalt Eisenecker die beiden Untergetauchten vertrat. Bislang war zur Rolle von RA Eisenecker im NSU-Komplex bekannt, dass Wohlleben und Schultze im Februar 1999 zu ihm Kontakt aufnahmen, um ihn zu bitten, Beate Zschäpe anwaltlich zu vertreten. Dabei wurden sie vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern observiert. Der VS Mecklenburg-Vorpommern hat sich in den Befragungen des NSU-Untersuchungsausschusses bezüglich dieser Observation bislang als eine Art Dienstleister für einen kurzfristigen Auftrag aus Thüringen gegeben. Nun ist klar: Sie wussten bereits von der Verbindung zwischen Eisenecker und dem Trio.

Der erste Zeuge des Tages ist Lorenz Caffier, der ehemalige Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Caffier war im Dezember 2020 zurücktreten, da er privat eine Waffe bei einem ehemaligen Mitglied der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppierung „Nordkreuz“ gekauft hatte. 2006 hatte er das Amt übernommen. Caffier beginnt seine Aussage mit der fast einstündigen Verlesung eines vorbereiteten Statements. In diesem geht er ausführlich auf die längst bekannten Maßnahmen der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden ein, die während seiner Amtszeit im Zusammenhang mit dem NSU bzw. den vom NSU begangenen Straftaten geschahen. Caffier verwendet sein Statement darauf, diese Maßnahmen als richtig und alternativlos darzustellen. Wiederholt weist er bereits in seinem Statement Kritik an den Ermittlungen oder an der Rolle des Verfassungsschutzes zurück: Wenn Hinweise auf eine rechte Tatmotivation bei der Polizei eingegangen seien, sei diesen nachgegangen worden. Auch wenn Personen aus dem Umfeld von Mehmet Turgut einen entsprechenden Verdacht geäußert hätten, hätte man diese Spuren verfolgt.

Caffier stellt dar, dass die Bundesanwaltschaft nach der Selbstenttarnung die Ermittlungen an sich gezogen habe. Innerhalb des LKA Mecklenburg-Vorpommern sei die „Besondere Aufbauorganisation TRIO M-V“ (BAO TRIO M-V) eingerichtet worden, die intensiv gearbeitet habe. Mecklenburg-Vorpommern sei ab diesem Zeitpunkt Dienstleister gewesen. Für jede Maßnahme habe sich die BAO die Erlaubnis von den Bundesbehörden einholen müssen. In Hochzeiten seien 29 Beamte jedem Hinweis auf Aufenthalte und Kontaktpersonen des NSU nachgegangen. Caffier geht auf das Netzwerk des NSU in Mecklenburg-Vorpommern ein. Er sagt, es habe vielleicht „Nachbarschaftshilfen“ gegeben, aber es hätten sich keine Hinweise auf Tatbeteiligte ergeben, „ein Freund ist nicht automatisch ein Terrorhelfer“. Caffier sagt, zum Unterstützungsnetzwerk seien aber in der Öffentlichkeit immer wieder falsche Behauptungen aufgestellt worden. Es seien 600.000 € für Hinweise ausgelobt worden, aber es habe sich niemand gemeldet.

Caffier kommt auf die Spende des NSU an das Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ und den darauffolgenden Dank an den NSU im Fanzine zu sprechen. Es habe in der Meldung des V-Mannes zur Spende keinen Hinweis auf den NSU gegeben. Es sei Spekulation, ob die Dinge – also die Meldung, das Heft 18 des „Weissen Wolfes“ und der sogenannte NSU-Brief – zusammen den Ermittlungserfolg gebracht hätte. Den Fehler des mangelnden Informationsaustausches müsse sich der Verfassungsschutz ankreiden. Das sei eine Lehre aus dem NSU, es brauche mehr Austausch, das habe auch der erste Bundestagsuntersuchungsausschuss festgestellt. Caffier verliest, er sei 2012 Vorsitzender der Innenministerkonferenz gewesen. Dort seien die Verfassungsschutz-Richtlinien präzisiert worden. Zu der in Krakow am See gefundenen NSU/NSDAP-CD/DVD sagt der ehemalige Innenminister, darüber habe man die „BAO Trio“ informiert, das BKA habe aber keine weiteren Hinweise zum NSU gefunden. Der Durchsuchte wisse nicht, wie er zu der CD gekommen sei. Caffier sagt, dieser habe keine rechte Gesinnung und die Ermittler hätten keinen Kontakt zum NSU festgestellt.

Der Zeuge führt aus, das Bekanntwerden des NSU sei auch für die Sicherheitsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern mit „weitreichenden Veränderungen“ einhergegangen. Bei einer Sondersitzung der IMK sei 2012 auch das NPD-Verbotsverfahren vorbereitet worden, sie hätten an der Entwicklung „umfangreicher Maßnahmen“ mitgewirkt. Die Arbeitskreise der IMK hätten auf Hochtouren gearbeitet. Von der entstandenen Neuausrichtung der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden profitiere man bis heute. Jährlich würden nun bundesweit offene Haftbefehle gegen Rechtsextremisten überprüft. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ließen sich die begrenzten Ressourcen zielgerichteter aufteilen, um ein mögliches Abtauchen in die Illegalität schnell genug erkennen. Es gäbe neue Standards zur Führung von V-Leuten und einmal im Jahr müsse der Parlamentarischen Kontrollkommission zu V-Leuten berichtet werden. Auch die IMK habe bemängelt, dass zur Ceska-Mordserie nicht zentral ermittelt worden sei.

Caffier: „Der NSU berührt mich umso mehr, weil während meiner Amtszeit die Bekämpfung von Rechtsextremismus so wichtig war.“ Der Zeuge betont, dass die Betroffenenberatung Lobbi e.V. vom Innenministerium finanziert werde. Er macht längere Ausführungen, was es in seiner Amtszeit an Maßnahmen und Verboten gegen die extreme Rechte gegeben habe. Seit Beginn seiner Amtszeit habe er sich für ein Verbotsverfahren gegen die NPD eingesetzt. Caffier: „Nach dem Bekanntwerden des NSU setzte sich mich dafür ein, dass die Ursachen entdeckt und aufgeklärt und verhindert werden und mit meiner Aussage möchte ich einen weiteren Beitrag dazu leisten.“

Die Vorsitzende von Allwörden fragt, wann sich der Zeuge das erste mal mit dem Mord an Mehmet Turgut und der Ceska-Mordserie beschäftigt habe. Caffier sagt, den genauen Zeitpunkt könne er nicht mehr genau sagen. Im Zeitraum, in dem es um den G8-Gipfel gegangen sei, sei er über die Ermittlungen informiert worden. Dabei sei es aber nicht um Details gegangen, das sei nur informativ gewesen. Von Allwörden hakt nach, wann und wie er von der Selbstenttarnung erfahren habe. Auch dazu sagt der Zeuge, das wisse er nicht mehr genau, aber er habe davon direkt nach den Vorfällen in Eisenach erfahren. Das „war nicht vorstellbar, das so etwas passiert ist“. Die Vorsitzende fragt, welche Maßnahmen nach der Erkenntnis ergriffen worden seien. Caffier sagt, die Ermittlungsgruppen seien verstärkt worden und hätten die Frage geklärt, wo der NSU sich in Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise aufgehalten habe. Man habe die Abreisen auf Campingplätzen überprüft und man habe nach möglichen Unterstützern im „Sinne von aktiver Unterstützung“ gesucht, die in die Mordserie eingebunden waren. Die Maßnahmen seien ihm bekannt gewesen, „ich habe mich informieren lassen“, sagt Caffier auf Frage. Die Vorsitzende fragt nach Reformen beim Landesamt für Verfassungsschutz. Der Zeuge antwortet, die Ausbildung sei verändert worden. Es habe während der Ermittlungen vor November 2011 „keinen festen Ansatzpunkt in Richtung rechts“ gegeben, daher sei festgelegt worden, es „muss immer mit ermittelt werden, auch wenn es vage Hinweise sind“.

Die Vorsitzende sagt, zu den Vorschlägen der IMK habe gehört, dass es eine stärkere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes geben müsse. Sie fragt, wie das in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt wurde. Caffier nennt den Bericht zu V-Leuten, der einmal im Jahr an die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) gegeben werden müsse. Von Allwörden fragt, wie ihm erklärt worden sei, dass die Ausgabe 18 des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgelegen habe, „beziehungsweise nicht vorgelegen haben soll“. Caffier: „Das konnte mir nicht erklärt werden.“ Der Zeuge sagt auf Frage, Blood & Honour habe immer eine Rolle gespielt, er sei dazu immer mit grundsätzlichen Informationen unterrichtet worden. Zu einzelnen Details könne er aber nichts sagen, sagt Caffier auf Nachfrage.

Der Abgeordnete Barlen von der SPD sagt, Caffier sei der Linie des Informationsbriefs des Innenministerium vor acht Jahren treu geblieben, „man wusste nichts und konnte nichts machen“. Barlen: „Da stellen sich Fragen.“ Barlen sagt, er wolle verstehen, wie Caffier als Hausspitze den Aufarbeitungsprozess angeleitet habe. Der ehemalige LfV-Chef Müller habe dazu berichtet, alles wurde akribisch aufgearbeitet. Barlen fragt, welche Parole Caffier als Hausspitze ausgegeben habe. Der Zeuge antwortet, er habe angewiesen, „alles zu tun“, was mögliche Straftaten in Zukunft verhindere. Er selbst habe sich keine einzelnen Akten vorlegen lassen, „das ist auch nicht meine Aufgabe“. Für ihn sei von Bedeutung gewesen, dass es in Zukunft einen besseren Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern gebe. Barlen hakt zu Mecklenburg-Vorpommern nach und ob der Zeuge den Eindruck gehabt habe, seine Behörden „packen alles an“. Dies bestätigt der Zeuge, aber die Gesamtermittlungen hätten beim GBA gelegen, daher sei die Einflussnahme in den Ländern begrenzt gewesen, weil es diese zentrale Stelle gegeben habe. Die Ansage sei gewesen, Mecklenburg-Vorpommern solle alles geben. Es sei ihm ein Anliegen gewesen, Fehler zu finden: „Es hilft uns ja nur, wenn wir Versäumnisse aufdecken, um das in Zukunft zu verhindern.“ Barlen fragt nach den Schwärzungen der Akten und der Zeuge antwortet, er sei informiert worden, wie das entsprechende Verfahren sei, und er habe das respektiert. Auch Barlen geht auf den „Weissen Wolf“ ein und sagt, „man hätte 2002 eins und eins zusammenzählen“ können. Er fügt hinzu, als Ausschuss müsse man festhalten, dass es ein Fehler gewesen sei, der Spende 2002 nicht nachzugehen. Caffier widerspricht, das sei eine Hypothese, ob ein Zusammenführen der Informationen zu Erkenntnissen geführt hätte, weil der Begriff NSU bis 2011 nicht zuzuordnen gewesen sei. Das sei aber eine Thematik, die vor seinem Amtsantritt liege. Ihm sei nicht bekannt, ob der Spende nachgegangen worden sei, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Auf Frage zu den Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU, sagt der Zeuge, bundesweit sei die „BAO Trio“ eingesetzt worden, in Mecklenburg-Vorpommern seien die Ermittlungen vom LKA geführt worden, er wisse nicht, für wie lange. Man sei alle Möglichkeiten durchgegangen, um zu gucken, wie man zu Erkenntnissen kommen könne. Vieles sei vor 2011 nicht bekannt gewesen, daher habe man nochmal „regelrechte Ermittlungen“ geführt.

Der Abgeordnete Ritter von der Linksfraktion sagt, Caffier habe davon gesprochen, dass es keine Hinweise auf Verbindungen des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe und widerspricht, für ihn ergebe sich ein anderes Bild. Ritter kritisiert auch die Veröffentlichung des internen Bericht des Innenministeriums zum NSU in Mecklenburg-Vorpommern am Tag der ersten öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss in Schwerin. Das sei ein Signal gewesen, „lasst es doch einfach sein“. Ritter fragt, was ihn zu dieser Veröffentlichung motiviert habe. Ritter fügt hinzu, dass die Landesregierung Unterstützung bei der Aufklärung zugesagt habe, aber der Ausschuss noch nicht alle Akten habe. Außerdem wundere ihn, dass 90% der im Ausschuss befragten Zeugen angegeben hätten, dass nach der Selbstenttarnung des NSU niemand mit ihnen gesprochen habe. Ritter fragt, ob das nicht zielführend gewesen wäre. Caffier widerspricht: „Zunächst habe ich nicht gesagt, dass es keine Verbindungen gab“, sondern er habe von strafrechtlich relevanten Verbindungen gesprochen. „Es es gab Verbindungen im Sinne von Bekanntheit“, es habe aber keine aktive Tatunterstützung gegeben. Zum Bericht sagt Caffier, das sei ja ein „schreckliches Ereignis“ und es gäbe viele Informationen, die immer unterschiedlich dargestellt würden, daher habe man sich entschieden, die Transparenz zu suchen. Informationen vorweg zu greifen, „war nicht meine Absicht“. Die Beamten hätten nach der Selbstenttarnung alles getan, „mussten sie auch“. Aber er halte es für falsch, dass man nicht nochmal mit bestimmten Leuten gesprochen habe, das sei eine Thematik.

Ritter sagt, der Mord an Mehmet Turgut sei der fünfte Mord der Serie gewesen und fragt, warum dem Zeugen dies bei der Übernahme des Ressorts in keiner Weise als Besonderheit präsentiert worden sei. Caffier antwortet, dass es bei der Amtsübernahme keine Gespräche über offene Fälle gegeben habe, er habe seinen Vorgänger Timm nicht gesehen. „Ich habe einen sauberen Schreibtisch übernommen.“ Er habe sich aber von Mitarbeitern informieren lassen und habe dann gesagt, das zentrale Ermittlungen sinnvoll wären. Dies sei aber 2004 schon versucht worden. In Zukunft müsse es andere Wege geben, Erkenntnisse zu gewinnen.

Barlen sagt, wenn nicht bekannt sei, ob die Meldung zur Spende an den „Weissen Wolf“ operative Maßnahmen nach sich gezogen habe und warum das LfV Mecklenburg-Vorpommern die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ nicht gehabt habe; das seien schlechte Erkenntnisse für einen Minister. Er fragt Caffier, wie er darauf reagiert habe. Dieser sagt, man reagiere in solchen Fällen damit, dass man mit den Zuständigen Gespräche führe und den Geschäftsbereich so organisiere, dass alles da ist und dass der Informationstransfer gewährleistet ist.

Der Abgeordnete Koplin von der Linksfraktion fragt nach dem Umgang mit den Akten zum NSU-Komplex in Mecklenburg-Vorpommern und nach dem Löschmoratorium, das bereits 2014 aufgehoben wurde. Caffier antwortet, das sei eine „sehr umstrittene Thematik“, weil es sich um Eingriffe in die Rechte Einzelner handele, Löschfristen seien überschritten gewesen. Das Moratorium sei außerdem nur bei der Polizei ausgesetzt worden und beim Verfassungsschutz sei es weitergelaufen. Koplin zitiert einen Bericht aus dem Spiegel (49/2012), wonach Caffier sich persönlich für die Schwärzung von NSU-Akten einsetzte: „Lorenz Caffier (CDU), der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, suchte sogar bei denen Verständnis, die potentielle Nutznießer von Geiberts [Innenminister Thüringens] Offenheit sind, weil sie nicht nur ausgewählte Informationen oder Unterlagen erhalten. In einem Brief an die Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Thüringer Landtag forderte er die Schwärzung der Akten.“ Ritter fragt, warum Caffier in einem Brief die Schwärzung von Akten in/aus Thüringen gefordert habe. Der Zeuge antwortet, er habe wiedergegeben, was da bei der IMK diskutiert worden sei. Ein Bundesland könne nicht ungeschwärzte Akten freigeben. Das sei Konsens gewesen, daher habe er das angewiesen. Er halte dies nach wie vor für richtig, auch Fachleute hätten gesagt, dass Daten geschwärzt werden müssten. Ritter fragt, ob dieser Umgang ein Misstrauensbeweis gewesen sei. Caffier entgegnet lediglich, dies sei eine rein hypothetische Frage. Ritter fragte nach Konsequenzen im Falle ausbleibender Schwärzungen und zitiert hierzu einen Artikel der Ostsee-Zeitung vom 1. November 2011, in dem es heißt: „Wie der MDR Thüringen berichtete, hat Caffier in einem Brief an den Thüringer Ausschuss sogenannte Sperrerklärungen angekündigt.“ Caffier antwortet nicht auf die Frage, dreht sich der Vorsitzenden zu und diese gibt das Fragerecht weiter.

Barlen sagt, der ehemalige Chef des LfV Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Müller, habe versichert, dass man nach 2011 sehr gründlich gearbeitet habe. Er fragt, wie sich der Zeuge erkläre, dass es trotzdem noch so große Ausstände bei der Zulieferung gebe. Caffier antwortet, das komme darauf an, wie viel Personal es gebe, das sei begrenzt. Jeder Vorgang müsse geprüft werden, müsse mit anderen Ländern abgestimmt werden, aber er könne bei der Gefährdungslage kein zusätzliches Personal abstellen. Ritter sagt zur Ausschussvorsitzenden, der Zeuge habe seine letzte Frage nicht beantwortet, er solle antworten, welche Konsequenzen er gemeint habe. Caffier sagt, es sei ihm nicht um Abgeordnete gegangen, sondern um das Innenministerium Thüringen, man müsse Gespräche führen, wie mit Informationen umgegangen wird. Es stehe Thüringen nicht zu, die Akten anderer Bundesländer herauszugeben. Ritter entgegnet, der Brief sei nicht an das Innenministerium, sondern an den Untersuchungsausschuss gerichtet gewesen. Der Abgeordnete sagt dann, wenn der Zeuge sage, es habe keine direkten Kontakte aus Mecklenburg-Vorpommern zum NSU gegeben, lasse ihn das fassungslos zurück. Er zählt einige Verbindungen auf und fragt, ob hier ein Erkenntnisdefizit vorliege. Caffier sagt, er habe mehrmals betont, dass er „zu keinem Zeitpunkt“ bestritten habe, dass es Kontakte gegeben habe. Aber bis heute konnte man „trotz intensiver Ermittlungen“ kein strafbares Handeln erkennen. Man müsse zwischen den beiden Punkten unterscheiden. Ritter widerspricht, es gehe hier nicht um Strafrecht, sondern darum, zu untersuchen, welche Unterstützerstrukturen es gegeben habe: „Hat es ihrer Auffassung nach Kontakte vom NSU nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben?“ Caffier: „Nochmal“, es habe „natürlich“ Kontakte gegeben. Das sei immer wieder dargestellt worden, das sei nicht vom Himmel gefallen, die NSU-Mitglieder hätten sich auch in Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten, 1992, 1993 und später, Kontakte seien entstanden, „aber wir haben als Strafverfolgungsbehörden die Aufgabe, dem nachzugehen, was strafbar ist“.

Barlen widerspricht, diese Aufgabe hätten zwar die Strafverfolgungsbehörden, der Verfassungsschutz habe jedoch andere Aufgaben. Und wenn dieser dann beispielsweise sage, es liege zu Jan Werner nichts weiteres vor, dann rücke dies den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern in ein schlechtes Licht. „Unfassbar.“ Caffier antwortet nicht. Barlen fragt, ob die Unterlagen, die aufgrund der Beweisbeschlüsse des Ausschusses geliefert wurden, vollständig seien. Der Zeuge sagt, er gehe fest davon aus.

Koplin geht auf den Beschluss der Innenminister des Bundes und der Länder ein, nach der Selbstenttarnung des NSU Morde und ungeklärte Tötungsdelikte erneut auf ein rechtes Tatmotiv hin zu überprüfen. Er bezweifelt die Aussagekraft dieser Recherchen. Beispielsweise sei der tödliche Angriff auf Boris Morawek am 11. Juli 1996 in Wolgast zwar erneut überprüft worden, eine rechte Tatmotivation werde jedoch weiterhin ausgeschlossen. Koplin zitiert das unabhängige Beratungsnetzwerk für Betroffene rechter Gewalt, Lobbi e.V.:„Andreas J. trat dabei immer wieder mit seinen Springerstiefeln auf sein am Boden liegendes Opfer ein. Nach einigen Minuten traf eine Funkstreifenbesetzung mit zwei Polizeibeamten am Tatort ein. Auch ihnen gegenüber äußerten die Naziskins, dass Morawek als Kinderschänder keine Rechte mehr habe und sie ihn nun ‚alle machen‘ würden. […] Ein politischer Hintergrund der Tat spielt im Verfahren keine Rolle. […] Auf die politische Sozialisation der Täter und dem Kampf gegen Kindesmissbrauch als zur damaligen Zeit wichtiges Fragment rechter Ideologie wird nicht näher eingegangen. […] Im Gefängnis ist Andreas J. für seine Tat hoch anerkannt. Die Gefängnisleitung gewährt ihm derart viele Freiheiten, dass er im Knast die rechte Band Staatssturm gründen und sogar eine Aufnahme veröffentlichen kann. Im Rahmen seiner Band gibt er zudem Interviews mit rechten Zeitschriften. Im Neonazi-Blatt ‚Feuer & Sturm‘ einer wird Andreas J. nach drei Wünschen gefragt. Einer davon lautet: ‚Todesstrafe für Kinderschänder und Drogendealer‘.“ Torsten Koplin fragte Caffier, welche Kriterien noch erfüllt sein müssten, um Menschen wie Boris Morawek als Todesopfer rechter Gewalt anzuerkennen. Caffier sagt, er sehe hier keinen unmittelbaren Zusammenhang, er wolle die Ausführungen von Lobbi e.V. nicht kommentieren. Es gebe eine klare Definition, wo man von Rechtsextremismus rede, und das geahndet werde. Ritter hakt nach, was unternommen worden sei, um die polizeiliche Analyse zu verbessern. Caffier sagt, dazu habe es Beschlüsse der IMK gegeben, man schließe einen rechten Hintergrund auch trotz nicht vorhandener Bekennungsschreiben nicht mehr aus, „das muss jetzt immer mitgedacht werden“. Die Ausbildung sei nun so eingerichtet worden, aber es gäbe ohne Zweifel „Luft nach oben“.

Die zweite Zeugin des Tages wird nur als VS 10“ benannt. Der Ton ihrer Vernehmung wird für die Öffentlichkeit in das Café Niklot übertragen. Die Vorsitzende sagt, dass die Zeugin mit ihrem Zeugenbeistand RA Butz Peters erscheint und dass sie beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern mit Vorgängen zum Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ befasst war. Sie befasste sich als „gelernte Verfassungsschützerin“ 1992 bis 2004 halbtags mit der rechten Musikszene in Mecklenburg-Vorpommern. Zu ihrer Vorbereitung sagt die Zeugin, sie habe Akteneinsicht genommen, den Informationsbrief vom Innenministerium zum NSU und ältere Verfassungsschutzberichte gelesen. Sie habe außerdem mit ihrem Rechtsbeistand gesprochen. Die Zeugin sagt, sie sei von 1992 bis 2004 als Halbtagskraft für die Erfassung und Auswertung von rechten Musikveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern zuständig gewesen. Sie habe in dem Zusammenhang vertrauliche Erkenntnisse ausgewertet und Szenepublikationen genutzt. Die Informationen seien zwischen Verfassungsschutz und LKA vermittelt worden. Es habe wegen der Vernetzung von Teilnehmenden und Akteuren in der Musikszene einen Informationsaustausch zwischen den Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern gegeben. Die Zeugin sagt, zur Frage im Beweisbeschluss zum Thema NSU und Unterstützer könne sie sagen, vor der Enttarnung des NSU habe sie keine Kenntnisse zu den Taten gehabt und auch keine dazu, dass sich Mitglieder in Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten hätten. Bei der aktuellen Akteneinsicht habe sie festgestellt, dass ihr zweimal Unterlagen vorgelegen hätten, in denen die Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verzeichnet gewesen seien. Dabei handele es sich um einen Bericht zu einer Polizeimeldung aus Thüringen von 1996, nach der Böhnhardt und Mundlos am 23. November 1996 in Apolda an einem Konzert teilgenommen hätten. Vom 9. Dezember 1998 liege außerdem die Meldung zum 1. Prozesstag gegen den Thüringer Heimatschutz vor, dort sei u.a. Zschäpe und Böhnhardt Beleidigung vorgeworfen worden. Beide Informationen seien von anderen Ländern vermittelt worden.

Von Allwörden fragt, ob die Zeugin Berührungspunkte mit dem „Weissen Wolf“ gehabt habe. Diese bejaht, das Fanzine sei eine rechtsextreme Publikation, die Mitte der 90er Jahre in Brandenburg in der „Haftszene“ entstanden sei. Da die Fanzines über Musikveranstaltungen berichtet und Interviews beinhaltet hätten, „war das wichtig, dass ich diese Informationen für meinen Arbeitsbereich ausgewertet habe“. Von Allwörden fragt nach der Zusammenarbeit zum „Weissen Wolf“ mit den Landesämtern von Brandenburg und Bayern. Die Zeugin „VS 10“ bejaht, dass es einen Austausch gegeben habe. Das LfV Brandenburg habe Hefte nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt, weil es zwischen den rechten Szenen Kontakt gegeben habe. Die Vorsitzende fragt zur Ausgabe 18, was erfolgt oder nicht erfolgt sei. Die Zeugin antwortet, die Nummer 18 liege in Mecklenburg-Vorpommern nicht vor, „und ich habe seinerzeit 2002 mal einen Beschaffungsauftrag gestellt an unsere Beschaffung“, weil es auf der Neonazi-Website „Störtebekernetz“ einen Hinweis gegeben habe, dass die Nummern 18 und 19 im Umlauf seien. Von Allwörden: „Was war Rückmeldung?“ „VS 10“ antwortet, die nachrichtendienstliche Beschaffung habe keinen Zugang gehabt, die Hefte zu beschaffen. Auf Nachfrage sagt die Zeugin, sie könne keine Auskunft dazu geben, wie die Beschaffung Zugänge organisiere. Sie ergänzt, dass die Beschaffung ihrer Meinung nach keinen Kontakt zu anderen VS-Behörden aufgenommen habe, um Dinge zu beschaffen. Von Allwörden: „Könnte man das denn machen?“ Die Zeugin bejaht, das sei theoretisch machbar, werde aber nicht von der nachrichtendienstlichen Beschaffung gemacht. Auf Nachfrage sagt sie, üblicherweise sei es nicht so gewesen, dass wegen einzelner Publikationen andere Länder angeschrieben worden seien, „die eigene nachrichtendienstliche Beschaffung hat den Vorrang, das zu beschaffen“. Der Zeugin wird eine Deckblattmeldung zum Vorliegen der Ausgabe in Brandenburg gezeigt, die auch in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen habe. Die Vorsitzende fragt, wie es sein könne, dass der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern wisse, dass die Ausgabe in Brandenburg vorliegt und die Beschaffung darauf nicht eingehe. „VS 10“ sagt, ihr sei nicht erinnerlich, dass sie diese Deckblattmeldung gesehen habe, demnach habe sie nicht gewusst, dass Nummer 18 in Brandenburg vorgelegen habe und aus der Deckblattmeldung gehe nicht hervor, dass das Magazin mit dabei gewesen sei. Man hätte dieses aber anfordern können, bejaht die Zeugin auf Frage.

Die SPD fragt, ob sie hingenommen habe, dass die Ausgabe nicht beschaffbar ist. Die Zeugin antwortet, mit der Antwort „kein Zugang“ sei der Beschaffungsauftrag nicht erledigt, das sehe man auch an dem Formular, das sei ohne Termin. Das heiße, die Beschaffung habe weiterhin den
Auftrag, nach Zugängen zu suchen, wenn sie Zugang erlangt hätten, hätten sie das Heft zusenden müssen: „Der Beschaffungsauftrag war ein Dauerauftrag, man musste da nicht nachhaken, die wussten, wir wollen die Ausgabe, wenn sie Zugang bekommen hätten, hätten sie das getan.“ Barlen fragt, wer die Verantwortung trage, dass das vollständig ist. Die Zeugin sagt, es habe keine Zuständigkeit für eine spezielle Person gegeben, „in der Zeit der 90er Jahre wurden Publikationen von verschiedenen Mitarbeitern der Auswertung ausgewertet“. Die Auswerter würden untereinander kommunizieren, damit nicht jeder den gleichen Beschaffungsauftrag stellt, so die Zeugin auf die Frage. Barlen fragt, ob es ungewöhnlich sei, dass nicht alle Fanzines beschafft werde könnten. „VS 10“ sagt, die Vollständigkeit sei ein Ziel, aber die praktische Erfahrung sei, dass es Lücken gegeben habe, „gerade im Bereich Publikationen“. Auf Frage sagt sie, sie habe die Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ auch später nie ausgewertet, sie habe nicht vorgelegen.

Auf Frage, warum man die Hefte nicht einfach bestellt habe, sie seien ja vertrieben worden, sagt „VS 10“, das seien „keine Publikationen im Sinne des Presserechts, die konnte man nicht bestellen“. Der „Weisse Wolf“ sei als Rundbrief an Kameraden verteilt worden „daher ist nachrichtendienstliche Beschaffung der einzige Weg“. Auf die Frage, dass im „Weissen Wolf“ ja gestanden habe, dass man das Heft bestellen könne, sagt die Zeugin, daran könne sich sie nicht erinnern.

Ritter fragt, ob es Beschaffungsaufträge für die Ausgaben nach der Nummer 18 gegeben habe. Die Zeugin sagt, sie habe einen Auftrag für 18 und 19 gegeben. Die Ausgabe 19 sei von einem anderen LfV übersandt worden. Sie habe nicht zur Ausgabe 18 nachgehakt, als nur eine Ausgabe angekommen sei, so „VS 10“ auf Frage. Ritter fragt, mit welcher Zielstellung sie die Ausgaben ausgewertet hätte, insbesondere, wenn es um Namen gehe, die in den Ausgaben auftauchen. Die Zeugin antwortet, in den Publikationen gebe es verschiedene Inhalte, es gehe um die rechten Szenen, um Musik, es gebe Interviews mit Skinheads. Jeder Sachbearbeiter habe das Heft für seinen Zuständigkeit gesehen und ausgewertet, ihr Fokus sei Musik gewesen. Ritter fragt, was der Zeugin zu Maik Fischer bekannt sei. Die Zeugin antwortet, Fischer sei der Begründer dieser Zeitschrift. Ritter sagt, Fischer habe Kontakte zu Blood&Honour. Hamburg habe Artikel zum „Weissen Wolf“ beigesteuert, Fischer sei mit Sylvia Endres verheiratet, diese stünde auf der Garagenliste des NSU. „VS 10“ verneint, dass ihr solche Querverbindungen bekannt seien. Auch davon, dass der „Weisse Wolf“ bis 2000 ein Postfach in Thüringen gehabt habe, wisse sie nichts.

Barlen fragt, ob die Zeugin noch andere Magazine ausgewertet habe. Diese antwortet, sie habe auch andere Publikationen ausgewertet, „aber nur dann wenn Musikbezug erkennbar war“. Sie habe Erkenntnisse zur Musikszene ausgewertet, „zu anderen Sachen nicht“. Barlen hakt nach, wie sich entschieden und orientiert wurde, wenn ein neues Kürzel, wie „NSU“, aufgetaucht sei. „VS 10“: „Die Post kam über die Referatsleitung rein, das landete bei der Referatsleitung, dort wurden Vorverfügungen getätigt, quergelesen, was sind Inhalte“, dann sei verfügt worden, an welche Sachbearbeiter die Publikation gegangen sei. Dann hätten die Sachbearbeiter sie auf den Tisch bekommen. Die Leitung habe die Publikationen also „vorausgewertet“. Barlen hakt nach, was passiert sei, wenn eine neue Begrifflichkeit aufgetaucht sei. Zeugin: „Wenn man aus einer Publikation einen Hinweis auf eine Gruppierung erlangt hat, die zum rechtsextremen Milieu zählte, konnte man der Sache nachgehen, bei der Beschaffung nachfragen, ob das bekannt ist“, dann habe es habe es Quellenbefragungen gegeben und man habe gewartet, was die Antwort sei. Barlen fragt, wie Konzerte im Jugendclub „MAX“ ausgewertet worden seien. Die Zeugin antwortet, bei Musikveranstaltungen habe es eine Zusammenarbeit mit der Polizei gegeben. Es habe ein Austausch stattgefunden, man habe Polizeiberichte ausgewertet. Auf Frage bestätigt die Zeugin, dass sie immer noch beim Verfassungsschutz arbeite.

Ritter fragt, ob man nach der Auswertung die Leitung nochmal informiert habe. Die Zeugin sagt, wichtige Inhalte habe man zurückgemeldet, aber meist habe man eigenständig weiter gemacht und dann habe man es in die Ablage gelegt. Ritter hakt nach, ob bundesweit nachgefragt worden sei, wenn man eine Organisation nicht gekannt habe. „VS 10“ antwortet, es sei grundsätzlich so, wenn in Publikationen eine Organisation auftauche, dann befrage man erst einmal eigene Speichergräte, „kennt man die?“, es sei auch eine bundesweite Abfrage über Speichermedien möglich.

Die letzte Zeugin des Tages, benannt mitVS 11“, ist für die Öffentlichkeit ebenfalls nur im Café Niklot hörbar. Auch sie wird von einem Rechtsbeistand begleitet. Zu ihrer Vorbereitung sagt sie, sie habe Akteineinsicht genommen, den Bericht des Innenausschusses gelesen und versucht, sich an die Zeit zu erinnern. Sie sagt, zu den Fragen könne sie nicht viel beitragen. Sie habe von 1993-2015 beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern als Sachbearbeiterin, zunächst zu rechtsextremen Parteien, dann zu Bestrebungen von Neonazis und Skinheads im Osten Mecklenburg-Vorpommerns gearbeitet. Dann sei sie ins Berichtswesen gewechselt, da sei es um Grundsatzarbeit und Kommunikation mit anderen Verfassungsschutzämtern gegangen. Ab 2008 sei sie nicht mehr mit Rechtsextremismus befasst gewesen. Sie habe in der Zeit keine Kenntnis zu Aktivitäten und Unterstützern des NSU im Land bekommen. Sie habe bei der Akteneinsicht zwei Vorgänge gesehen, die sie abgezeichnet habe. Es gebe einen Vermerk von Dezember 1998 zu einem Prozess wegen Beleidigung in Rudolstadt gegen Böhnhardt und Zschäpe. Die Angeklagten seien nicht zur Verhandlung gekommen und der Rechtsbeistand sei Hans Günter Eisenecker aus Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Außerdem sei ihr 1999 ein Bericht zur „Operation Drilling“ vorgelegt worden.

Auf die Frage der Vorsitzenden nach ihrer Ausbildung sagt die Zeugin, sie habe ein Studium für den gehobenen Dienst beim Verfassungsschutz abgeschlossen und sei dann direkt zum Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gegangen. Die Vorsitzende fragt nach dem Fanzine „Der Weisse Wolf“. „VS 11“ antwortet, für die Auswertung sei sie nicht zuständig gewesen, sondern für die NPD und in den Jahren 1997/98 für die Neonazi-Szene, da sei der „Weisse Wolf“ noch nicht in Mecklenburg-Vorpommern rausgegeben worden. Petereit sei 1998 noch minderjährig gewesen, daher habe sie ihn nicht gekannt. Von Allwörden fragt, inwiefern die Zeugin mit dem „Weissen Wolf“ in Berührung gekommen sei, denn sie sei ihnen als Zeugin dazu benannt worden. „VS 11“ antwortet, sie gehe davon aus, dass sie mal eine Ausgabe gesehen habe, „Fanzines berührten ja verschiedene Bereiche, wenn da was dabei war zur NPD oder so“.

Die Zeugin sagt auf Frage von Barlen, sie habe Akten zum „Weissen Wolf“ eingesehen. Sie sei in der Abteilung gewesen und dort habe ihr eine Kollegin die Akten zur Verfügung gestellt. Barlen fragt die Regierungsvertreter in der Sitzung des Untersuchungsausschusses, warum sie dem Ausschuss die Zeugin als relevant benannt hätten. Der Regierungsvertreter sagt, das wisse er nicht, aber es sei deutlich gemacht worden, dass sie nicht unmittelbar in die Sachbearbeitung der Fanzines eingebunden gewesen sei.

Ritter geht auf den Gerichtsprozess in Rudolstadt ein und sagt, er sei immer davon ausgegangen, dass der erste Kontakt des NSU mit Eisenecker 1999 zustande gekommen sei. Das sei ein neuer Aspekt. Ritter fragt nach Eisenecker und die Zeugin sagt, sie habe nichts mehr zu ihm in Erinnerung, aus der Zeit, in der sie für die „Region Ost“ zuständig war, aber schon zu dem Zeitraum, in dem sie die NPD bearbeitet habe.