NSU-Watch: Aufklären & Einmischen #93. Vor Ort #41: Ein Prozess mit Signalwirkung – Update zum Verfahren zum rassistischen Brandanschlag von Saarlouis 1991 und zum Mord an Samuel Kofi Yeboah.

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Vom Prozess am Oberlandesgericht Koblenz zum rassistischen Brandanschlag und Mord an Samuel Kofi Yeboah in Saarlouis 1991 geht eine weit über das Saarland hinaus reichende Signalwirkung aus: Mord verjährt nicht und Straflosigkeit für schwerste rassistische Gewalttaten kann durchbrochen werden.

Am 19. September 1991 wurde Samuel Kofi Yeboah bei einem rassistischen Brandanschlag auf die Geflüchtetenunterkunft ermordet, die er in Saarlouis bewohnte. Lokale Aktivist*innen wie die Antifa Saar, der Flüchtlingsrat Saarland und die Aktion 3. Welt Saar erinnerten jahrzehntelang am Jahrestag des Verbrechens an Samuel Kofi Yeboah, forderten Aufklärung und hielten Kontakt zu Überlebenden des Brandanschlags.

Immer wieder – und bis zum Jahr 2020 vergeblich – wiesen Antifaschist*innen auf bekannte saarländische Neonazis mit Verbindungen in bundesweite Neonazinetzwerke der späten 1980er und frühen 1990er Jahren als mutmaßliche Täter des Brandanschlags hin. Doch Ermittlungsbehörden im Saarland zeigten kein Interesse an einer Aufklärung des Mordes an Samuel Kofi Yeboah und einem halben Dutzend weiterer mutmaßlich rechter Anschläge im Saarland der 1990er Jahre. Das änderte sich erst, als sich eine Zeugin bei der Polizei meldete, vor der der jetzt angeklagte Neonazi mit seiner Täterschaft im Jahr 2007 geprahlt hatte und die Generalbundesanwaltschaft im Jahr 2020 die Ermittlungen übernahm.

Am 4. April 2022 ließ die Bundesanwaltschaft Peter S. als Tatverdächtigen festnehmen. Seit dem 16. November 2022 muss sich der langjährige Neonaziaktivist u.a. wegen Mordes vor dem Oberlandesgericht Koblenz verantworten. Inzwischen zeichnet sich ab, dass es in diesem Verfahren wohl zu einer Verurteilung kommen wird. Im Podcast #41 veröffentlichen wir Ausschnitte aus einem Pressegespräch im April 2023 und einem weiteren Gespräch im Juni 2023 im Nebenklagevertreterin Kristin Pietrzyk.

Im Pressegespräch werden die zentralen Aspekte der Beweisaufnahme am OLG Koblenz von Kristin Pietrzyk, Alexander Hoffmann und Dr. Björn Elberling, Nebenklagevertreter*innen von Überlebenden des Brandanschlags, erklärt und bewertet. Sie erläutern auch die Signalwirkung, die diesem Prozess in Hinblick auf hunderte bislang nicht aufgeklärte rassistische Brand- und Sprengstoffanschläge in den 1990er Jahren zukommt. Ursula Quack vom Saarländischen Flüchtlingsrat spricht über die Forderung nach einem Opferfonds für die Hinterbliebenen und Überlebenden rechtsterroristischer und rassistischer Gewalt im Saarland. Katharina König-Preuss (MdL, NSU-Untersuchungsausschuss-Obfrau, Die Linke) analysiert die Parallelen zwischen Neonazi-Netzwerken in Thüringen und im Saarland in den 1990er und die Rolle des Verfassungsschutzes. Nach dem Teilgeständnis des Angeklagten im Mai 2022 und der Festnahme eines mutmaßlichen Mittäters im Juni 2023 erklärt Kristin Pietrzyk auch die Unterschiede zwischen dem Prozess am OLG Koblenz, wo Neonazis und Aussteiger aus Angst vor Konsequenzen aussagen, und dem NSU-Prozess am OLG München.

Im Juni 2023 entschuldigte sich dann Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) für „behördliches und politisches Versagen“ von Polizei, Justiz und politisch Verantwortlichen im Saarland und kündigte einen Opferfonds für die Hinterbliebenen und Überlebenden des Brandanschlags am 19. September 1991 an. Doch die Opferberatungsstellen des VBRG und der saarländischen Zivilgesellschaft fordern weiterhin: Alle Opfer von rechtsterroristischen und rassistischen Gewalttaten im Saarland müssen durch den Opferfonds entschädigt und anerkannt werden. Der Verfassungsschutz im Saarland muss alle Akten freigeben und der Untersuchungsausschuss darf nicht zu einer Alibi-Veranstaltung werden!