Statements von Mandy und Michalina Boulgarides zur Aufnahme von Beate Zschäpe in das Ausstiegsprogramm „Exit“.

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STATEMENT VON MANDY BOULGARIDES

Ich, Mandy Boulgarides, Tochter von Theodoros Boulgarides, der 2005 in München durch den rechtsterroristischen NSU ermordet wurde, bin erschüttert und wütend über die Nachricht, dass Beate Zschäpe – verurteilte Mittäterin der NSU-Mordserie – in ein Neonazi-Aussteigerprogramm aufgenommen werden soll.

Dieses Vorhaben ist ein Skandal. Es zeigt erneut, wie dieser Staat Täter schützt, ihnen Wege öffnet und „Resozialisierung“ ermöglicht – während wir Hinterbliebenen, Überlebenden und Angehörigen seit Jahren ignoriert, vertröstet und im Stich gelassen werden.

Zschäpe wurde zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Dennoch scheint genau das nun durch die Hintertür aufgeweicht zu werden – durch ein mit Steuergeldern finanziertes Programm, das ausgerechnet einer ideologisch gefestigten Rechtsterroristin offensteht.

Beate Zschäpe hat ihr Recht auf Hilfe durch den Staat verwirkt – so wie es mit jeder Person geschehen muss, die extremistischen oder terroristischen Strukturen hilft, sich daran beteiligt oder Taten begeht. Der Rechtsstaat darf nicht zum Fürsorgestaat für Täter werden, während er die Opfer alleinlässt.

Diese Frau zeigte über zwei Jahrzehnte keinerlei Reue, diente der Aufklärung in keiner Weise und hat sich auch im Prozess nie wirklich zu ihrer Verantwortung bekannt. Stattdessen klagte sie in ihrer Aussage über ein trauriges Weihnachten – weil sie keine Geschenke bekommen hatte – während ihre Komplizen Mundlos und Böhnhardt davor und danach Menschen ermordeten. Dieses Maß an Selbstmitleid, Realitätsverweigerung und moralischer Kälte ist erschütternd – und es ist nicht rehabilitierbar durch ein staatlich finanziertes Programm.

Während Zschäpe auf unsere Kosten psychologische Betreuung, Schutz und neue Perspektiven erhält, kämpfen wir, die Betroffenen, bis heute alleine. Es gibt keine flächendeckende psychologische Hilfe, keine sichere finanzielle Unterstützung, keinen Rechtsbeistand, keine aktive politische Begleitung – nur Bürokratie, Wegsehen und Gedenkworte, wenn es gerade passt.

Der politische Umgang mit dem NSU ist und bleibt ein Armutszeugnis für diesen Staat. Bund und Länder haben versagt. Sie haben versagt in der Aufklärung, sie haben versagt im Schutz vor rechtem Terror, sie haben versagt in der Anerkennung und Unterstützung der Betroffenen.

Wir verachten diese Entscheidung. Sie ist Ausdruck einer Politik, die Täter integriert und Opfer marginalisiert. Die respektlose Behandlung von Hinterbliebenen geht weiter – kühl, kontrolliert, aber konsequent.

Wir fordern:

  • Eine sofortige Offenlegung und unabhängige Prüfung der Entscheidung, Beate Zschäpe in ein Aussteigerprogramm aufzunehmen.
  • Einen sofortigen Stopp jeglicher Vergünstigungen oder Hafterleichterungen für sie.
  • Eine klare politische und juristische Haltung: Wer sich an terroristischen Strukturen beteiligt, verliert das Anrecht auf staatliche Fürsorge.
  • Eine konsequente und nachhaltige Unterstützung für Opfer rechter Gewalt – psychologisch, rechtlich, finanziell und institutionell.

Solange Täter geschützt und versorgt werden, während wir schweigend weitermachen sollen, ist von Gerechtigkeit keine Rede.

 

STATEMENT VON MICHALINA BOULGARIDES

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Michalina Boulgarides, ich bin die Tochter von Theodoros Boulgarides, der 2005 vom sogenannten NSU ermordet wurde. Kaltblütig hingerichtet mit mehreren Kopfschüssen, am helllichten Tag mitten in Deutschland.

Unsere Familie wurde anschließend Opfer staatlicher Diffamierung, systematischer Verdächtigung und institutionellen Rassismus.

Nun lesen wir in den Zeitungen, dass Beate Zschäpe, eine der zentralen Täterinnen des mörderischen Netzwerks im November 2026 vorzeitig aus der Haft entlassen werden soll und in ein „Aussteigerprogramm“ aufgenommen wurde.

Keine Nachricht an die Hinterbliebenen oder Betroffenen, Keine offizielle Information, keine Erklärung, kein Anstand!

Es ist eine weitere unfassbare Dehumanisierung uns als Hinterbliebene erneut zu übergehen. Wir sind Betroffene, Leidtragende. Wieder wird mit den Familien umgegangen als wären wir störende Fußnoten in der Erzählung eines deutschen „Rechtsstaats“ der versagt hat und weiterhin versagt.

Diese Form der Informationspolitik ist mehr als nur ein Mangel an Feingefühl. Sie ist eine bewusste Fortsetzung der Täter-Opfer-Umkehr, die wir schon während der Mordserie und den Ermittlungen ertragen mussten.

Während wir trauerten, wurden wir kriminalisiert und entwürdigt, während wir um Antworten baten, wurden wir diffamiert und während wir bis heute um Anerkennung und Entschädigung kämpfen, wird einer Mörderin eine „Resozialisierung“ zuteil, mit vorzeitiger Haftentlassung, mit stattlichem Schutz und natürlich mit Schweigen darüber, was das für die Betroffenen bedeutet.

Statt Empathie erfahren wir Ignoranz, statt Aufarbeitung erleben wir ein System, dass schweigt, das verwischt und Terroristen schützt.

Wir müssen unsere Rechte erstreiten. Keine lückenlose Aufklärung, keine transparente Einsicht in die Versäumnisse der Polizei, der Justiz und Verfassungsschutz.

Die Entlassung angekündigt durch die Presse und nicht durch die Verantwortlichen. Das ist eine Schande, das ist Heuchelei und ein weiterer Schlag ins Gesicht aller Betroffenen und Hinterbliebenen.

Wir sind keine Randnotiz dieser Geschichte. Wir sind die Hinterbliebenen und auch die Überlebenden dieser institutionellen Ignoranz.