Der NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern will in seinen wohl letzten Sitzungen das Bild zu rechtem Terror und zu rechten Netzwerken und Behördenhandeln im Nordosten abrunden. Zwischen 2018 und 2024 beleuchtete das Gremium den NSU-Komplex. Im letzten Jahr war das Nordkreuz-Netzwerk Thema, in dem sich unter anderem Polizisten und Soldaten beziehungsweise Reservisten mit der Besorgung von Waffen auf einen „Tag X“ vorbereiteten. Mitglieder fertigten Feindeslisten an und nahmen bei Schießtrainings Bezug auf den Mord an Mehmet Turgut, der 2004 vom NSU erschossen wurde.
Traditionslinien zum NSU-Komplex finden sich auch bei dem im September im Ausschuss thematisierten „Nationalen Sozialisten Rostock/Baltik Korps“. Die „NSR“ waren seit 2008 aktiv, seit etwa 2018 war „Baltik Korps“ der sportliche Arm der Gruppe mit einem Schwerpunkt auf Kampfsport. Die Gruppe war fester Teil des neonazistischen Netzwerks um den „Kampf der Nibelungen“, mindestens ein Mitglied nahm auch bei diesem Wettkampf teil. Auf ihren Social-Media-Plattformen verhöhnte auch diese Gruppe nach der Selbstenttarnung des NSU Mehmet Turgut. Sie bedrohte das Gedenken an ihn, das tatsächlich im Jahr 2012 von mit Eisenstangen bewaffneten Neonazis angegriffen wurde. Nahezu die gesamte Außendarstellung von „Baltik Korps“ war auf Militanz und Einschüchterung ausgerichtet.
Im Juni 2021 wurde die Struktur verboten. Im Untersuchungsausschuss sagten zwei Beamte aus dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern aus, die das Verbot vorbereitet und umgesetzt hatten. Die Beamten konnten zwar darstellen, dass es nach Prüfung der durch den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gesammelten Erkenntnisse juristisch keine Alternative zum Verbot gegeben habe. Die juristische Auseinandersetzung dauere jedoch noch an, weil ein Mitglied gegen das Verbot vorgegangen sei. Allerdings wussten die Zeugen nichts davon, dass der zentrale Telegram-Kanal der Gruppe schlicht umbenannt wurde und ehemalige „NSR/BK“-Mitglieder heute bei der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ oder der AfD aktiv sind. So war laut antifaschistischer Recherche der sogenannte Kalaschnikow-Mann Ivan K. zwischenzeitlich beim „Baltik Korps“ sowie für die AfD aktiv.
Laut einem der Zeugen war zudem Daniel Fiß eine Führungsperson der NSR. Über einen Umweg bei der Identitären Bewegung ist Fiß laut NDR heute als persönlicher Referent des Fraktionsvorsitzenden der AfD Nikolaus Kramer im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt.
Die Überschneidungen von militant rechten Strukturen zur AfD waren bereits im Nordkreuz-Komplex erkennbar geworden. Mitglieder von „Nordkreuz“, darunter fast die gesamte Führungsstruktur, wiesen Verbindungen in die extrem rechte Partei auf und übernahmen Funktionen und Mandate. Nordkreuzler und AfD-Mitglied Haik Jaeger wurde im September 2025 aus dem Polizeidienst entlassen – nachdem er acht Jahre lang lediglich suspendiert gewesen war und weiter Bezüge erhalten hatte. Er sitzt aktuell für die AfD im Kreistag von Nordwestmecklenburg und versuchte 2025, Bürgermeister von Neukloster zu werden. Zur Wahl durfte er allerdings nicht antreten.
Die beiden am 22. September vom Untersuchungsausschuss angehörten Sachverständigen, Miro Dittrich und Robert Claus, machten klar, dass die Gefahr rechten Terrors in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und international weiter hoch ist. Während sich ‚klassische‘ Strukturen wie Nordkreuz oder „Baltik Korps“ in bekannten Mustern auf den „Tag X“ vorbereiteten, radikalisiere sich parallel eine junge Generation von Neonazis insbesondere in Online-Foren, die dem militanten Akzelerationismus zuzuordnen sind. Ihr Anteil an durchgeführten oder konkret geplanten und durch Behörden aufgedeckten rechten Terrortaten wachse kontinuierlich, so Dittrich.
Dieser Kurzbericht erschien zuerst in unserem monatlichen Newsletter „Aufklären und Einmischen“. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Hier den Newsletter abonnieren!