
Kundgebung vor dem Prozessgebäude des OLG Dresden am 3. Dezember 2025
Frau von der Behrens, Beate Zschäpe hat heute das erste Mal im 2. NSU-Prozess ausgesagt. Ist irgendetwas Neues herausgekommen bei dieser Befragung?
Nein, es ist nichts herausgekommen, was wir nicht schon wussten. Das Einzige, was herausgekommen ist, ist, dass Zschäpe alles im Griff hat und dass das Gericht offenkundig nicht an Aufklärung interessiert ist. Das Gericht hat sich einfach von Zschäpe die Anklage und das Urteil aus München abnicken lassen. In einer Art und Weise, die, wie ich finde, wirklich auch gegenüber den Betroffenen nicht nachvollziehbar war. Die Vorsitzende tat sich mit den Namen der Opfer hörbar schwer, hat keine einzige kritische Nachfrage zu irgendeiner der Mordtaten gestellt und Zschäpe konnte einfach irgendwas Belangloses zu den Mordtaten daherreden, ohne hinterfragt zu werden. Es kam einfach nur die Frage zum nächsten Mord. Das war wirklich etwas erschreckend.
Welche Fragen hätte man denn stellen können?
Sie wurde nicht nach weiteren Mittätern oder Unterstützern gefragt, sie wurde nicht nach ihrer damaligen politischen Haltung und Ideologie gefragt. Es wurde nicht kritisch nachgefragt, als sie behauptete, sie habe Andre Eminger erst am 4.11., nachdem sie die Wohnung der Frühlingstrasse in Brand gesetzt hatte, von den Morden des NSU erzählt und ihn im gleichen Atemzug um Gefallen gebeten, wie ihr frische Kleidung von Susann Eminger zu bringen oder sie aus Glauchau abzuholen. Wie André Eminger darauf reagiert hat, wurde sie nicht gefragt. Es wurde nicht kritisch nachgefragt, als sie sagte, sie wisse nicht mehr, wo sie Matthias D. am 4.11. getroffen und gewarnt habe, und auch nicht dazu, was sie in den vier Tagen gemacht hat, die sie bis zur Selbststellung angeblich ziellos durch Deutschland gefahren sein will. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Aber auch selbst sehr konkrete Vorhalte wurden ihr nicht gemacht: Zum Beispiel hat Zschäpe gesagt, sie hätten im Januar 1998 gar nicht untertauchen müssen und hätten das nur getan, weil in ihrer Garage Sprengstoff gefunden worden sei. Da hätte es sich angeboten, ihr vorzuhalten, dass Böhnhardt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt war und er im Januar/Februar 1998 jeden Augenblick mit einer Ladung zum Strafantritt rechnen musste. Bei allem, was wir über seine Persönlichkeit wissen, kann ich mir nicht vorstellen, dass er die Strafe freiwillig angetreten hätte. Dies spricht dafür, dass das Abtauchen vielleicht doch schon länger geplant oder überlegt worden ist. Oder: Sie wurde gefragt, ob ein Sohn von den Emingers mit bei der Anmietung des letzten Wohnmobils gewesen sei und ob er wie ein Mädchen aussehe, weil es Zeugenaussagen gibt, dass ein kleines Mädchen mit dabei gewesen sei. Dies verneinte Zschäpe. Da hätte man Zschäpe fragen können, wem die rosa Kinderschuhe im Wohnmobil gehörten, an denen weibliche DNA gefunden wurden. Diese konnte bis heute nicht identifiziert werden. Man wird bei Zschäpe nur mit sehr konkreten Vorhalten und hartnäckigen Nachfragen weiterkommen, falls man das möchte.
Es gab ja Momente, wo Zschäpe offensichtlich ein bisschen auf die Barrikaden gegangen ist. Waren das aus Ihrer Sicht entscheidende Fragen?
Genau, es gab zwei Momente, an denen offensichtlich wurde, dass Zschäpe nicht antworten wollte und auch sichtlich nervös geworden ist. Das ist einmal bei der Frage gewesen: Wann hat eigentlich Susann Eminger was genau gewusst, welche Fragen hat Susann Eminger ihr zu den Raubüberfällen gestellt und was hat sie darauf geantwortet? Als hier die Vorsitzende zwei Mal nachgefragt und ihr auch einen Vorhalt gemacht hat, ist Zschäpes Stimme deutlich schneller und lauter geworden. Man hat gemerkt, dass sie auf einmal nervös wurde. Davor hat sie sich eher abgeklärt und ruhig gegeben und das hat sich dann schlagartig geändert. Das hat aber die Vorsitzende nicht genutzt, um noch einmal mit Nachdruck nachzufragen, sondern der Moment ist einfach verstrichen. Dann gab es noch einen zweiten Moment, als die Vorsitzende sagte, sie müsse aber auch noch einmal nach den Mordtaten und nach den Anschlägen fragen. Es würde nicht reichen, dass das OLG München hierzu Feststellungen getroffen habe, sondern sie müsse das jetzt auch überprüfen. An dem Punkt hat Zschäpe angefangen mit ihr zu diskutieren, ist ihr ins Wort gefallen, hat sie immer wieder darauf hingewiesen, was aus ihrer Sicht denn das Beweisthema sei, dass sie jetzt hier wie eine Angeklagte behandelt werden würde und nicht wie eine Zeugin. Mehrfach unterbrach sie die Vorsitzende und immer mit dem Einwand, diese Fragen hätte sie nun nicht erwartet und sie sei hier nicht die Angeklagte. Das war absurd, weil die Vorsitzende unglaublich freundlich, an manchen Stellen geradezu sanft mit ihr war. Man könnte fast sagen, Zschäpe hat die Verfahrensführung für eine kurze Zeit übernommen. Auf jeden Fall hatte sie eine Art, die für ein Staatsschutzverfahren schon sehr erstaunlich ist.
Zschäpe hat gesagt, sie hat das Urteil angenommen für sich, war davon etwas zu spüren?
Nein, überhaupt nicht. Das ist irgendeine Floskel. Sie hat gelernt, was sie im Vollzug sagen muss. Wenn sie das angenommen hätte, dann hätte sie sich wirklich bemüht irgendwie zur Aufklärung beizutragen – und das hat sie nicht. Das einzige was sie getan hat, ist das, was augenscheinlich das Gericht und wahrscheinlich auch die Bundesanwaltschaft von ihr wollen: Einfach das abnicken, was schon festgestellt wurde, also diese Version vom abgeschotteten Trio bestätigen. Das wissende Netzwerk hat niemanden interessiert. Und diese Rolle hat sie gut ausgefüllt. Dass die Bundesanwaltschaft morgen vielleicht doch kritische Nachfragen stellt, darf bezweifelt werden, da auch sie nie von der Triothese abgerückt ist.
Rechtsanwältin Antonia von der Behrens war eine der Nebenklagevertreter*innen der Familie des am 4. April 2006 vom NSU in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşık im Münchener NSU-Prozess.
(Interview: scs)