Protokoll 206. Verhandlungstag – 19. Mai 2015

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Der heutige Verhandlungstag ist zunächst von einem Antrag der Verteidigung von Beate Zschäpe geprägt, dass der Sachverständige Psychiater Saß ihre Mandantin nur noch eingeschränkt beobachten darf. Sie bemängelt, dieser könne vertrauliche Gespräche hören. Bis zur Mittagspause wird die Verhandlung immer wieder unterbrochen. Dann sagt ein ehemaliger Polizeibeamter aus der Schweiz zu Ermittlungen bei Schläfli und Zbinden aus. Die Verteidigung Wohlleben hatte beantragt, diesen Zeugen zu laden, um den ermittelten Lieferweg der Mordwaffe Ceska in Zweifel zu ziehen. Dann wird vorgeführt. Es geht erneut um Angaben, die dieser zu den Verbindungen des NSU zur Neonazi-Szene in Kassel bei der Polizei machte. Er sagt heute aus, dass er sich alle diesen Angaben nur ausgedacht habe, um Hafterleichterungen für sich zu erreichen.

Zeugen:

  • Anton Ja. (Kantonspolizei Bern, Ermittlungen Schläfli & Zbinden, Lieferkette der Ceska)
  • Bernd Tödter (Erkenntnisse zu Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt u. deren Verbindungen u.a. nach Kassel)

 

Die Sitzung beginnt um 09:52 Uhr. Zunächst verliest RA Heer einen Antrag, nach dem der psychiatrische Sachverständige Dr. Saß den Saal verlassen solle, sofern Verhandlungspause oder ist und sich die Mandantin Zschäpe im Saal aufhält. Sein Gutachten dürfe nicht auf Feststellungen beruhen, die aufgrund von Gesprächen der Angeklagten mit ihren Anwält_innen oder von ihrem Verhalten während der Sitzungspausen beruhen. Er begründet das: Am 205. Verhandlungstag am 13.05.2015 waren Verhandlungspausen, wo sich seine Mandantin mit ihrem Verteidiger Heer unterhalten habe. Nun frage er sich, ob Dr. Saß sich Notizen über das Gespräch gemacht habe. Deswegen beantrage er, dass der Sachverständige eine Platz im Sitzungssaal bekomme, wo er zwar Zschäpe sehen, aber nicht hören könne. Schon am 60. Verhandlungstag, dem 26.11.2013, gab es einen Antrag auf Änderung der Sitzordnung, das solle bitte in das Sitzungsprotokoll aufgenommen werden. Sie beantragen, dass es nun eine Entscheidung dazu gebe.

Er führt aus, dass der Sachverständige aber gar nicht bei allen Zeugenbefragungen anwesend sei, sondern sich gegebenenfalls von Götzl anschließend unterrichten lasse. Auch fühle sich seine Mandantin beobachtet. Sie dürfe ihren Laptop in der Vorführzelle nicht benutzen und sei deswegen auf Besprechungen mit ihren Anwält_innen im Sitzungssaal angewiesen. Dies belaste sie und man nehme Bezug auf das Gutachten über den Zustand der Mandantin, das Dr. Nedopil erstellt habe und in Folge dessen eine Verminderung der Belastung für die psychische Stabilisierung der Mandantin zuträglich sei. Das Gutachten des Sachverständigen Saß solle zum einen auf der Beobachtung des Verhalten der Angeklagten bei der jeweiligen Beweiserhebung beruhen, zweitens auf der Beobachtung ihrer Interaktion, unter anderem mit ihren Verteidiger_innen. Zweites verletze aber den Kernbereich von dem Mandantenverhältnis, verletze ihre Menschenwürde und degradiere sie zum Objekt des Verfahrens. Das Recht zu Schweigen sei ein Grundrecht, die Kompensation ihres Schweigens durch die Beobachtungen des Sachverständigen verbiete sich aufgrund des Grundgesetzes.

Zwar habe am 60. Verhandlungstag Dr. Saß gesagt, er könne den Inhalt der Gespräche nicht verstehen, doch am 205. Verhandlungstag habe der Sachverständige Saß „wechselweise“ zu RA Heer und Zschäpe geblickt und „schrieb auf ein Blatt“, „grinste bei Blickkontakt“ zu RA Heer, „das versichere ich anwaltlich“. Deswegen zweifele die Verteidigung an der Erklärung von Dr. Saß. Es liege nahe, dass er die Unterhaltungen wahrnimmt. RAin Sturm ergänzt, dass auch heute morgen um 09:49 Uhr Dr. Saß das Verhalten der Mandantin bei Gesprächen mit ihren Anwält_innen beobachtet und sich Notizen gemacht habe. Götzl fragt nach Stellungnahmen. Da die Verfahrensbeteiligten Zeit bräuchten, räumt er eine Pause bis 10:25 Uhr ein.

Als erstes nimmt die BAW Stellung: An welchen Teilen der Hauptverhandlung der Sachverständige teilnehme, sei seine Sache und es gäbe kein Recht der Angeklagten auf Unbeobachtetsein im Gerichtssaal, für vertrauliche Besprechungen solle sie sich zurückziehen. Der Sachverständige dürfe verwerten, was er als relevant beachte, das gelte auch für Wahrnehmungen außerhalb der Verhandlung. Ansonsten müssten durchaus die Sitzordnung und aber auch Lautstärke des geführten Gespräches dafür sorgen, dass der Sachverständige Gespräche nicht mithören kann. Es sei aber nach seiner dienstlichen Erklärung tatsächlich der Fall, dass er gedämpfte Gespräche nicht mithören könne. Der Vorsitzende Richter Götzl bittet Dr. Saß, erst einmal einen Platz nach links zu rutschen und die Angeklagte möge, sofern sie längere Gespräche führen wolle, eine Pause beantragen. Man versuche, es zu ermöglichen, dass sie ihren Laptop in den Vorführraum mitnehmen könne, das dürfe kein Problem sein. RA Heer sagt, das reiche ihnen nicht, sie möchten, dass der Senat jetzt über den Antrag entscheide. RAin Sturm sagt, es gehe nicht nur ums Hören, sondern auch um die Interaktion, die Wahrnehmung, dass es einen Redebedarf der Mandantin gibt. Und es bestehe die Gefahr, dass der Sachverständige in eine „Datensammelwut“ verfalle und „alles Mögliche bewusst, unbewusst, willkürlich, unwillkürlich wahrnimmt“. Götzl erwidert, dass es doch selbstverständlich sei, dass alle hier das Verhalten aller wahrnehmen können und er wolle dann noch mal hören, dass das nur bei dem Dr. Saß ein Problem sei.

Der Sachverständige Saß äußert sich: Er werde jetzt auf Einzelheiten der Bewertungen und Beschreibungen nicht eingehen, und er könne sicherlich hier alles und alle im Saal beobachten, die Interaktion mit den Verteidigern, aber er könne die Gespräche nicht verstehen, er kenne den Inhalt nicht. RA Heer will das schriftlich und eine sofortige Entscheidung des Senats. Götzl wendet ein, dass sie dann ja den Sachverständigen Dr. Nedopil erst laden und anhören müsste, denn darauf beziehe sich ja u.a. der Antrag. Heer verneint, denn die Belastung seiner Mandantin sei ja bekannt, lediglich ergänzend hätten sie auf das Gutachten von Dr. Nedopil Bezug genommen, aber ganz bewusst nicht daraus zitiert, denn es sei nicht voll öffentlich. Es folgt eine Besprechungspause auf Wunsch der Verteidigung Zschäpe, die anschließend betont, sie halte den Antrag aufrecht, woraufhin wieder unterbrochen wird. Dann verliest Götzl den Beschluss, dass Punkte 1,2,3 und 5 abgelehnt werden, da sie nicht sachgerecht seien und es nicht angemessen sei, Dr. Saß rauszuschicken, die Angeklagte könne bei Bedarf selbst den Saal verlassen. Das Gericht sitze näher an der Angeklagten und könne die Gespräche auch nicht verstehen. Es folgt eine Pause.

Die Verteidigung Zschäpe beanstandet die Entscheidung des Gerichtes zu den Punkten 1, 2 und 3 und verliest die Begründung dazu, unter anderem, dass der Richter mit seiner Unterrichtung des Sachverständigen nach dessen Abwesenheit bei der Einvernahme von Zeug_innen selbst eine Selektion der Informationen vornehme. Er könne die Hauptverhandlung ja unterbrechen, solange der Sachverständige Saß nicht da sei. Letztendlich sei nicht die sachkundige Beurteilung des Sachverständigen maßgeblich, sondern die Beurteilung des Gerichtes, das aber eine gerichtliche Fürsorgepflicht gegenüber der Angeklagten habe. Der Vorsitzende Richter Götzl beruft die Mittagspause bis 13:40 Uhr ein.

Anschließend erklärt Götzl, Frau Zschäpe könne selbstverständlich den Laptop in der Vorführzelle benutzen, das sei ein Missverständnis gewesen, dass sie das nicht könne. Das Gericht berät sich erneut 5 Minuten. Die Ablehnung wird bestätigt durch Götzl. Zu 1: Niemand könne gewährleisten, dass Zeug_innen auch außerhalb des Sitzungsaals Wahrnehmungen bekunden. Eine erneute Ladung von Zeug_innen bei Abwesenheit von Dr. Saß wäre unzumutbar für die Zeug_innen und die Prozessbeteiligten. Zu 2: Es ist unbotmäßig, dass andere Prozessbeteiligte aufgrund des Wunsches von anderen den Raum verlassen sollen. Zu 3: Die Beobachtung der Angeklagten sei keine verbotene Vernehmungsmethode, bei einer schweigenden Angeklagten sei die Beobachtungen zulässig. Der Sachverständige habe bestätigt, dass er Inhalte nicht verstehen könne.

Es folgt die Befragung des Schweizer Zeugen Anton Ja., 60 Jahre, seit neun Jahren im Ruhestand, vorher war er 35 Jahre Polizeibeamter. Götzl sagt, es gehe um die Ermittlungen der Kantonspolizei Bern im Jahre 1998 betreffend Frank We., die Firma Schäfli&Zbinden u.a. Ob er bitte zunächst selbst schildern könne. Anton Ja. berichtet, er habe ab 1998 ermittelt wegen gefälschter Waffenerwerbsscheinen. Ende 1997 wurde im Kanton Bern ein deutscher Staatsangehöriger mit mehrern Feuerwaffen im Auto kontrolliert, das sei Frank We. gewesen, man habe ihn in Haft genommen und die Herkunft der Waffen überprüft. Einige waren in einem Waffengeschäft im Kanton Bern erworben und hatten gefälschte Waffenerwerbsscheine. Das wären drei Waffen gewesen. Es sei sich nicht sicher, immerhin sei das 17 Jahre her, aber Herr Zbinden sei freigesprochen worden. Er solle auch Waffen an Frank We. verkauft haben. Auch der andere Herr sei freigesprochen worden, weil das Gericht keinen Unterschied zwischen dem gefälschten und dem echten Waffenerwerbsschein feststellen konnte, die seien sehr gut gemacht gewesen.

Götzl fragt nach den Waffenbüchern bei Schäfli&Zbinden. Da sei „immer alles korrekt und in Ordnung“ gewesen, sagt Anton Ja. Ob er etwas zu der Person Ba. sagen könne. Ja, den Ba., Rolf kenne er, aber nicht in diesem Zusammenhang. Er habe ihn vielleicht einmal in der Firma [Schäfli & Zbinden] gesehen. Er habe dort grafische Arbeiten verrichtet. Wann das war, kann der Zeuge allerdings nicht sagen. Aber das neue gesamtschweizerische Waffengesetz habe es da noch nicht gegeben, davor hatte jedes Kanton noch ein eigenes Gesetz. Am 01.01.1999 sei das Bundesgesetz in Kraft getreten, also muss das alles knapp vorher gewesen sein. 1999 habe Ba. in einem anderen Waffengeschäft Hilfsarbeiten verrichtet, habe Waffen zersägt, das war nämlich kurz nach Inkrafttreten des Waffengesetzes. Götzl hält dem Zeugen vor, dass seine Erhebung in Sachen Frank We., im Waffengeschäft Schläfli & Zbinden in Bern auf den 06.02.1997 datiert ist. Im Kanton Luzern wurde We. festgenommen. Götzl fragt, wer Es. und Bi. seien, das seien die Kollegen vom Kanton Bern. Götzl hält vor, dass am 23.01.1998 We. in der Schweiz angehalten wurde, sein PKW ein schwarzer Golf gewesen sei und in diesem 14 Lauffeuerwaffen und 14 Erwerbsscheine zum Vorschein gekommen seien. Götzl sagt, dass der Vermerk des Zeugen aber vom 06.02.1997 sei, also vor der Festnahme. Der Zeuge antwortet, dass er das nicht mehr wisse.

Götzl hält vor aus der Befragung des Geschäftes durch den Zeugen. We. sei dort als Inhaber einer Waffensammlung bekannt gewesen sei. Er habe ältere Waffen und komme wegen Ersatzteilen öfter vorbei, so wurde dem Zeugen berichtet. We. sei im Besitz von älteren Waffenerwerbsscheien, die habe man auch gesehen. Das stimmt, das habe er geschrieben, sagt der Zeuge, aber von wem der Auftrag kam, in welchen Kontext, das könne er nicht mehr sagen. Er glaube, er habe mit Zbinden gesprochen, denn Schläfli war meistens nicht vorne im Geschäft. Vorhalt: Am 10.01.1997 sei per Fax die Rechnung gekommen, Lieferant habe exportbewilligung beantragt, Importbewilligung in Schweiz wird beantragt. Der Zeuge bestätigt das, er könne sich erinnern. Das habe aber den Kanton Bern nicht betroffen, denn es habe ja eine offensichtlich korrekte Einfuhrbewilligung gegeben. Man habe das an die zuständige Gerichtsbehörde weitergeleitet. Er hatte ja den Auftrag zur Erhebung in diesem Waffengeschäft von Luzern. Am 26.01.1998 habe er in einem weiteren Waffengeschäft die Waffenerwerbsscheine erhoben und an Luzern weitergeleitet. Götzl will wissen, vor welchem Hintergrund die Vorspräche bei Schläfli&Zbinden denn 1997 stattgefunden habe. Der Zeuge antwortet, das sei seine tägliche Arbeit gewesen, Schläfli und Zbinden sei damals ja das größte Waffengeschäft in der Schweiz gewesen, da seien ständig Anfragen von anderen Kantonen gekommen.

Die BAW sagt, der Zeuge habe ja gesagt, dass ihm Unstimmigkeiten in den Waffenbücher der Firma Schläfli&Zbinden nicht aufgefallen seien und fragt, wie oft er sich die angeschaut habe. Der antwortet: Wenn irgendwo eine illegale Waffe gefunden worden sei, habe er abgleichen sollen, an wen die Waffe verkauft worden sei. Dafür gehe man zum Händler und schaue bei dem Importdatum nach und dann finde man die Waffe und zumindest den ersten Käufer. So eine Aufgabe sei bestimmt einmal im Monat der Fall, über 14 Jahre lang. In einem Waffenbuch sei auf der ersten Seite die Waffe eingetragen und der Lieferant, auf der zweiten Seite stehe der Käufer. Seperat zum Waffenbuch sei der Waffenerwerbsschein des Käufers. Er habe dann immer alles kopiert und an die betreffende Stelle geschickt. Auf Nachfrage führt der Zeuge aus, das die Art und Weise der Aushändigung bei seinen Aufträgen kein Thema war, denn in den allermeisten Fällen wären es persönliche Ankäufe im Ladengeschäft gewesen. Ab und zu sei aber auch ein Postversand vermerkt worden. So habe man Erkenntnisse, wer die Waffe habe, eventuell wer die weiterverkauft habe an wen. In der Regel seien so ein-zwei Besitzer eruiert worden, dann sei die Waffe verschwunden.

Wohlleben-Verteidiger Klemke fragt: Es sei von einem Waffenimport [und nicht -export]- Geschäft mit We. die Rede, ob er das rekonstruieren könne. Der Zeuge sagt nein, er wisse, es waren die Einfuhrpapiere da, die kamen vom Zoll und der Zoll funktioniere immer, denn da gehe es schließlich um Geld. Klemke fragt weiter, ob der Zeuge wisse, ob an den deutschen Staatsbürger Frank We. denn Waffenerwerbsscheine durch die zuständigen Schweizer Behörden erteilt worden seien. Der Zeuge antwortet mit „Jein“ und führt aus, dass ein Ausländer mit Niederlassungsbewilligung zu einem Schweizer Bürger gleichgestellt welte, wenn er 12 Jahre seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Andere Ausländer müssten von ihrern Herkunfststaaten eine Bewiligung ihrer Behörde vorlegen, dass sie Waffenerwerbsscheinberechtigt seien. Er selbst habe in den Jahren diverse Bewilligungen für Deutsche Staatsbürger ausgestellt. Ob es für We. eine aus Deutschland gegeben habe, wisse er aber nicht. Welche Firma in Deutschland für den betreffenen Handel verantwortlich gewesen sei, will Klemke wissen. Der Zeuge weiß es nicht. Ob ihm die Firma Frankonia was sage. Ja, die sei ihm bekannt. Ob We. denn eine Aufenthaltsbewilligung gehabt hätte, kann der Zeuge nicht beantworten.

Dann fragt Klemke, ob es, wenn der Zeuge sage, er suche zuerst den Waffenhändler und dann den eingetragenen Erwerber auf, heiße, alle in der Schweiz oder nur die im Kanton. Nur im Kanton antwortet der Ex-Polizist, wenn man in einen anderen Kanton gehe, dann müsse man das schriftlich an das zuständige Waffenbüro richten. Auf Nachfrage bestätigt der Zeuge, dass er bei seinen Besuchen in dem Waffengeschäft einmal im Jahr mehrheitlich mit Zbinden zu tun gehabt habe, denn der sei eigentlich immer vorne an der Theke gewesen, während Schläfli immer hinten im Büro gewesen sei. RAin Schneiders fragt, ob es ein weiteres Verfahren gegen Andreas Zbinden gegeben habe. Der Zeuge sagt, vermutlich ja, denn Zbinden habe einmal gesagt, er sei freigesprochen worden. Das Verfahren müsse im Kanton Bern gewesen sein, denn Tatort sei Gerichtsort, das müsse Anfang 1998 gewesen sein. Schneiders fragt nach den gefälschten Dokumenten, die so gut gewesen seien, ob der Zeuge selbst denn die Echtheit von Waffenerwerbsscheien überprüfe. Der Zeuge sagt, nein, das könne er nicht, dafür müsse man ja Spezialist sein. Götzl fragt, ob damit der Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben erledigt sei, was diese bestätigt. Herr Ja. wird unvereidigt entlassen und die Verteidigung Wohlleben möchte sich eine Erklärung dazu vorbhalten.

Der Zeuge Bernd Tödter (185. Verhandlungstag) wird hereingebeten und erscheint mit seinem Zeugenbeistand RA Waldschmidt. Zunächst fragt Götzl, ob der Zeuge von seiner Seite aus Ergänzungen zu seinen Befragungen am machen wolle, was dieser bejaht. Alle Aussagen, die er gemacht habe bei der Polizei, seien gelogen. Die habe er sich nur ausgedacht. Die Personen, die hier säßen, kenne er nicht, die habe er nie gesehen, höchstens in der Zeitung. Der Grund für seine Aussagen bei der Polizei war, er wollte sich Hafterleichterung erschleichen. Nach kurzer Zeit sagt Götzl, man sei es ja beim letzten Mal durchgegangen, da habe der Zeuge ja alles mögliche gesagt, ob die Angaben bei der Polizei, die im Protokoll enthalten seien gemeint seien. Tödter sagt, die meisten Aussagen wären ihm in den Mund gelegt worden, die habe er nicht gemacht. Die Namen, die angegeben seien, kämen aus dem Internet, alles andere habe er erfunden. Also den Brief z.B, den er geschrieben habe, dass er Informationen hätte, da habe er sich gedacht, er springe da mal auf den fahrenden Zug auf und schaue, was dabei rauskomme.

Götzl sagt, der Zeuge habe gesagt, dass er die meisten Angaben, die er bei der Polizei gemacht habe, nicht gemacht habe. Ihn würde interessieren, was genau er von sich aus gesagt habe und was ihm in den Mund gelegt worden sei. Eigentlich nur das, was im ersten Brief stand, antwortet der Zeuge. Das Gespräch mit der Polizei sei einseitig verlaufen: Die hätten was gesagt und er habe es abgenickt. Er habe sich Hafterleicherung erschleichen wollen, da habe er sich gedacht, er erzähle denen mal eine Geschichte. Aber das meiste hätten die erzählt, er habe zu allem Ja und Amen gesagt und im Endeffekt habe er nichts gewusst. Der Zeuge wiederholt, dass er die Angeklagten nicht kenne. Auch Mundlos und Böhnhardt kenne er nicht, nur aus dem Fernsehen jetzt. Götzl fragt, inwiefern denn alle Angaben vom letzten Termin betroffen seien, was da zutreffend gewesen sei, was nicht, da müsse der Zeuge schon etwas ausholen. Der antwortet, dass er nicht mehr genau wisse, was er gesagt habe. Aber was der Richter ihm vorgehalten habe, das wäre erlogen gewesen, ausgedacht, die enthaltenen Informationen habe er aus dem Internet. Auf was er sich jetzt beziehe, fragt Götzl. Auf die Namen Mundlos und Böhnhardt, sagt Tödter. Er habe sich das ausgedacht, um sich interessant zu machen. Die verschiedenen Organisationen und Strukturen, die Informationen dazu stammten alle aus dem Internet. Die Namen, die gefallen seien, die seien aus einem youtube-Video, das sei von 1992. „Tja.“

Götzl fragt nach weiteren Punkten, nennt die Namen Rö. und den Bruder Sven Ac. [phon.]
Tödter sagt, dass das genannte Garagenfest in Zwickau zum Beispiel gar nichts mit rechts und links zu tun hatte, das Fest hätte es zwar gegeben, aber es hätte was mit Dart oder so zu tun gehabt. Es wäre kein Mundlos und kein Böhnhardt zugegen gewesen. Und die Geburtstagsfeier vom Rö. fände ja jedes Jahr statt, da habe er die auch nicht gesehen. Es träfe zu, dass Leute abgeholt worden seien vom Bahnhof, aber da wäre auch kein Mundlos und kein Böhnhardt dabeigewesen. Ja, er wäre beim Garagenfest gewesen, sie hätten dort mit der Dartmannschaft ein Freundschaftsspiel gehabt und hätten dann in der Garage gefeiert. Götzl fragt, der Zeuge habe angegeben, dass er nie mehr in Zwickau gewesen sei, seitdem sein Bruder dort weggezogen sei, ob er das so bei der Polizei angegeben habe. Nein, sagt Tödter, das glaube er nicht, denn eigentlich habe er immer nur abgenickt, was die ihm vorgelegt hätten. Götzl fragt, wie denn die Polizei darauf komme, dass es ein Garagenfest im Zusammenhang mit seinem Bruder gegeben habe. Tödter sagt, die hätten ihm ja immer Sachen in den Mund gelegt. Das klinge nicht sehr überzeugend, kommentiert Götzl. Tödter sagt, sein Bruder habe mit der Szene gar nichts zu tun gehabt, der wäre weggelaufen, hätte er „solche Leute“ dort getroffen.

Tödter sagt, er habe durch Zufall einen Polizeibericht in die Hand gekriegt „irgendwas mit BAO Meckenheim“, da habe er gedacht, er kriege auf dem Deckel. Das sei ein paar Tage bevor er hier zum Termin war gewesen. Er habe einen Link bekommen, der sei für ein 54-seitiges pdf gewesen. Irgenwas mit BAO Trio und Pa., da sei sein Name drin gewesen, zwei Leute beschuldigten ihn. Was mit „Pa.“ sei, fragt Götzl. Die kenne er, sagt Tödter. Der zweite Name sei Walter Di., der habe Sachen aus seinem Rechner kopiert und der Polizei zu Verfügung gestellt. Götzl sagt, Tödter habe also diesen Bericht erhalten, was denn mit seiner Aussage am 11.02.2015 sei. Tödter wiederholt, er dachte, er kriege hier auf den Deckel, wenn er hier was sage. Götzl sagt, das sei doch nur so, wenn er eine Falschaussage machen, er müsse das jetzt noch mal genauer erklären. Der Zeuge sagt, er habe sich mit einem Anwalt beraten. Er habe Angst gehabt, da „mitreingezogen“ zu werden, er wollte hier eigentlich gar nichts sagen, aber der Staatsanwalt habe ja gesagt, er dürfe hier nicht schweigen. Deswegen habe er hier gesagt, er erinnere sich nicht, denn er wusste ja, das seine Aussagen bei der Polizei falsch waren und habe sich hier nicht bloßstellen wollen.

Ob er denn Angaben bei der Polizei zum Geburtstag von Rö., inklusive der Anweisenheit von Mundlos und Böhnhardt, gemacht habe, fragt Götzl. Ja, mit der Anwesenheit, ja, antwortet der Zeuge, aber die Polizei habe gesagt „die waren doch da gewesen, oder?“, er habe das bestätigt.
Ob er gesagt habe, dass die mit dem Zug angereist seien, kann er nicht sagen, er habe nur gesagt, er habe Leute vom Bahnhof abgeholt, das habe er ja auch tatsächlich gemacht. Ob er denn bei der Geburtstagsfeier 2006 anwesend gewesen sei, nein da sei er in Haft gewesen, sagt Tödter. Ob er sich erinnere, das habe er gesagt, die Anzahl der Leute stimme auch, aber Mundlos und Böhnhardt seien nicht dabei gewesen. Was mit den Themen und so sei, will Götzl wissen. Die Informationen habe er aus dem Internet. Und die Geschichte mit der ATB habe er sich selbst ausgedacht, antwortet der Zeuge. Der Vorsitzende Richter Götzl legt eine Pause ein, die um 16:00 Uhr beendet ist.

Götzl sagt, es müssten jetzt einzelne Passagen des Vernehmungsprotokoll mit BAW und Polizei vorgehalten werden. Tödter sagt, er wolle noch etwas klarstellen: er habe einen Polizeibericht gelesen, Frau Pa. habe ihn darin konkret beschuldigt, dann wären die Hausdurchsuchungen durch die BAW gekommen, da habe er gedacht, gegen ihn werde ermittelt, deswegen habe er hier nichts gesagt. Götzl erwidert, dass er ihm doch hier in der letzten Verhandlung gesagt habe, dass nicht gegen ihn ermittelt werde. Das habe er im „Eifer des Gefechts“ wohl nicht gehört, sagt der Zeuge, aber jetzt habe er verstanden, dass nicht gegen ihn ermittelt werde.

Götzl beginnt vorzuhalten aus einer Vernehmung beim BKA: Zunächst will ich was sagen zum Oidoxie-Konzert 2006 der Geburtstagsfeier von Stanley Rö. Tödter sagt, das habe er gesagt, aber „sie“ [Mundlso und Böhnhardt] wären nicht da gewesen. Götzl hält vor, sie seien an dem Tag angereist zum Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Tödter sagt, er habe nicht gesagt, dass sie mit dem Zug angereist sind. Ja, es stimme, dass er gesagt habe, er hätte sie abgeholt mit einem blauen VW Bus, der auf seinen Bruder angemeldet sei. Auf Nachfrage sagt Tödter, über den genauen Zeitpunkt könne er nichts sagen, er wisse, es sei der Geburtstag von Rö. gewesen. Ja, er habe auch gesagt, dass der beschriebene Ort ein Gebäude eines Parkett-Handels war. Ja, er habe sieben Leute vom Bahnhof abgeholt. Götzl hält weiter vor: Mundlos und Böhnhardt haben in Kassel übernachtet, bei wem wolle er nicht sagen. Tödter bestätigt, dass er das ausgesagt habe, aber dass es nicht der Wahrheit entspreche. Vorhalt: Der Kontakt sei über Sturm 18 gelaufen, konkret über und , wo Böhnhardt Ortsgruppenleiter war. Ja, das habe er angegeben, aber es treffe nicht zu. Götzl erklärt dem Zeugen noch mal, dass es zwei verschiedene Fragen sind, ob er etwas angegeben habe und ob etwas der Wahrheit entspräche. Er hält weiter vor, es habe eine Feier mit Mundlos und Böhnhardt in Zwickau gegeben, Frauen wären nicht anwesend gewesen. Wieder bestätigt der Zeuge, dass er das so angegeben habe, und sagt, dass er aber schon vorhin gesagt habe, dass die Feier etwas anderes war und mit Dart zu tun hatte.

Götzl sagt, es gehe um Kassel und fragt ihn, wo er am 06.04.2006 [Mord an Halit Yozgar in Kassel] war. Tödter antwortet, irgendwann sei er in der JVA gewesen, die genaue Zeit könne er nicht mehr sagen. Götzl hält ihm eine Aussage vor, nach der er zu dem Zeitpunkt im Freigängerhaus in Braunatal gewesen sei, da habe er immer abends zurück sein müssen, an den Wochenenden habe er frei gehabt. Der Zeuge sagt: „Ja genau, das war so, wie ich das angegeben habe.“ Götzl hält vor, Tödter wisse, dass Mundlos und Böhnhardt auch zur Tatzeit in Kassel waren, ein paar Tage länger blieben und mit dem ICE gekommen seien, dann seien sie mit einem Ford Escort rumgefahren. Näheres wolle er hierzu nicht sagen. Wenn seine Forderungen eingehalten würden, dann könne er auch das passende Kennzeichen nennen. Auf die Frage, was der Zeuge denn gemacht hätte, wenn sie auf seine Forderungen eingegangen wären, sagt dieser: „Ich hätte das Kennzeichen von meinem PKW angegeben“. „Und dann?“ fragt Götzl. Da habe er sich keine Gedanken mehr drüber gemacht, sagt der Zeuge, er habe nach seiner zweiten Vernehmung sowieso keine Lust mehr gehabt, „aber da lief das Ding ja schon.“

Götzl hält vor, dass Mundlos und Böhnhardt bei der Anreise mit dem ICE eine Bahncard benutzt hätten, die auf eine falschen Namen ausgestellt gewesen sei. Das habe der aus der Zeitung gehabt, sagt Tödter. Vorhalt: Ich weiß, wer sie eingeladen hat, wo sie geschlafen haben. Götzl fragt, wie er sich das vorgestellt habe, wie das weiterginge. Das bedeute doch, dass da gegebenenfalls nachgefragt würde, wie habe er das handhaben wollen. Tödter antworetet, dass „die“ ja nachgefragt hätten, er habe dann keine Anworten mehr gehabt und „dann ist das Kartenhaus zusammengebrochen.“ Götzl hält vor, Tödter habe gesagt, dass in der Szene nach der Tat darüber gesprochen worden sei und er dazu auch was sagen könne. Tödter sagt, das habe sich nur auf Zeitungsartikel bezogen. Vorhalt: Er könne auch Anlaufpunkte in Nürnberg nennen. Tödter sagt, in Nürnberg kenne er niemanden, er könne sich auch nicht erinnern, ob er das gesagt habe.

Vorhalt: Sturm 18 sei ein Netzwerk, aber nur ein Ableger eines größeren internationalen Netzwerkes, ATB, das von Österreich aus operieren würde. Ja, das habe er sich ausgedacht, sagt der Zeuge. Götzl fragt nach Frau Pa. und Tödter führt aus, die habe mal was von ihm gewollt, sie habe gewollt, dass er sich von seiner Frau trenne, das habe er nicht gewollt. Da habe sie ihn wegen verschiedener Delikte angeklagt, wegen Vergewaltigung, das hatte sie sich ausgedacht, da wurde er freigesprochen. Und als jemand ertrunken gefunden wurde, habe sie behauptet, dass er jemanden ertränkt habe, aber das sei ein natürlicher Tod gewesen. Auch dass er Kontakt zu den Döner-Mördern gehabt habe, habe sie behauptet, das habe sie aus der Zeitung gehabt, das sei gelogen gewesen.

Götzl fragt, von wem die Protokolle und der Bericht seien, die dem Zeugen zur Verfügung standen und der Zeuge sagt, die seien seiner Ermittlungsakte, die habe er über Akteneinsicht erhalten. Das Polizeidokument sei ihm anonym zugespielt worden, er habe dann den Link geklickt und das gelesen. Götzl fragt, ob er sich mal über Holit Yozgat und die Tat entsprechend unterhalten habe, was Tödter verneint. Götzl hält daraufhin aus einem Protokoll der Vernehmung von Sven At. vor. Der habe über den Zeugen gesagt: Er meine, er habe sich mal abfällig über das Opfer geäußert, er habe ein abfälliges Schimpfwort benutzt, das er hier nicht wiederholen wolle. Der Zeuge sagt, das könne sein, aber explizit über die Geschichte habe er, glaube er, nicht geredet.

NKRA Bliwier fragt den Zeugen, ob er dem Herrn Di., von dem er ja erwähnt habe, dass dieser Dateien von seinem Rechner habe, denn mal eine Festplatte gegeben habe. Der Zeuge bejaht und sagt auf Nachfrage, dass sich auf der Festplatte Musik befunden hätte, und Bilder, und „alles Mögliche“, und ja, „persönliche Bilder, Partybilder“. Er habe dem Herrn Di. die Festplatte gegeben, damit sie im Falle einer Hausdurchsuchung nicht weggkomme. Ja, Musik und Texte haben möglicherweise strafbaren Inhalt gehabt, bestätigt Tödter auf Nachfrage, strafbar im Sinne des Paragrafen 86a. Die Festplatte habe er über die Polizei wiederbekommen, weil sie bei Di. beschlagnahmt worden sei. Bliwier fragt den Zeugen, ob er genauer etwas zu den erhofften Gegenleistungen sagen könne, wie sie im Brief von November genannt werden. Der Zeuge sagt, er habe gehofft, dass die noch offene Bewährung von eineinhalb Jahren nicht widerrufen werden würde. Ja, er habe am 02.05. entlassen werden wollen, und die Bewährung sei am 30.04. widerrufen worden. Bliwier hält vor, der Zeuge habe gesagt, er wolle nicht vorzeitig entlassen werden, um nicht in den Verdacht zu gelanden, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Ja, das stimme, sagt dieser, in der Haftanstalt sei ja klar gewesen, dass „BKA und so“ bei ihm gewesen seien. Woher er das wisse, ob er feedback von Mitinsassen bekommen habe, fragt der Anwalt, was der Zeuge bestätigt.

Was sie gesagt haben, will Bliwier wissen. Er habe ihnen gesagt, er habe mit „denen“ nicht zu tun, ja, das hätten sie dann so hingenommen. Bliwier fragt nach, welche Informationen er den Behörden habe geben wollen, als er 2011 den Brief schrieb. Der Zeuge sagt, gar keine, denn er habe ja keine gehabt, und er habe nach dem dritten Gespräch ja keine Lust mehr gehabt. Bliwier will den Zeugen zu seiner Aussage über die Netzwerke und die Finanzierung des NSU während seiner zweiten Befragung befragen. Der sagt, er habe keine Informationen gehabt bzw. das aus Fernsehen und Internet. Bliewier fragt weiter: Woher die Angabe komme, die er machen wollte, wo sich „die“ vor dem Mord aufgehalten hätten. Die hätte er sich ausgedacht, sagt Tödter. Ob die Polizei ihn denn danach gefragt habe, fragt Bliwier, was Tödter bestätigt, die Polizei hätte das ganz geschickt gemacht, sie hätten gefragt, ob es nicht so und so gewesen sei. Er habe das abgenickt. Bliwier sagt, das habe der Zeuge bereits gesagt, er wolle wissen, wer das Thema NSU zur Sprache gebracht habe. Die Polizei, antwortet der Zeuge.

Dann fragt Bliwier weiter den Zeugen, ob er die Situation beschreiben könne, wie das Gespräch auf den NSU kam. Tödter sagt erneut, dass die Polizeibeamten das zur Sprache gebracht hätten, er aber zu der Frage, wie leider nichts sagen könne. Bliwier hält aus einem Protokoll vor, der Zeuge habe gesagt, er könne zu folgenden Punkten Angaben machen: 1. NSU, 2. Sturm18, 3. , 4. weitere Angaben zu weiteren Strukturen und Organisationen. Bliwier fragt, ob diese Themen nacheinander thematisiert worden seien oder im Laufe eines Gesprächs. Das wisse er nicht, sagt Tödter. Auf die Frage, wie seine persönliche Situation am 29.03.2012 gewesen sei, antwortet der Zeuge, dass seine Bewährung noch nicht widerrufen war, er aber schon gewusst hätte, dass sie widerrufen würde.

Bliwier fragt, was der Zeuge damit gemeint habe, als er sagt „Das Kartenhaus sei zusammengebrochen“. Der Zeuge sagt, er habe ja nichts mehr zu sagen gehabt, keine Erklärungen mehr gehabt, da sei das so gewesen. Bliwier hält vor: Der Zeuge könne weitere Angaben heute nicht machen, er werde sich mit einem Anwalt beraten. Er, Bliwier, könne nichts finden in den Protokollen, was dieses Empfinden ausdrücken würde, woran der Zeuge das Kartenhaus-Gefühl festgemacht habe und ob der Zeuge nun keinen Kontakt zur Polizei mehr habe, fragt er. Nein, sagt er. Ob auf der Festplatte Fotos von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wären, fragt Bliwier. Nein, sicher nicht, sagt Tödter. Bliwier fragt, ob der Zeuge aus der Haft heraus Kontakt zu Beate Zschäpe aufgenommen habe. Ja, sagt der. Wann wisse er nicht mehr, sagt er auf Nachfrage, er habe nur „schöne Grüße“ bestellen wollen. Aus der Haft habe er zwischen 100-120 Briefe geschrieben, er habe eine Gefangenenhilfsorganisation in der Haft begründet, da habe er viele Briefe geschrieben. Ob das das mit der Anzeige in der „Biker News“ sei, fragt der Anwalt. Ja, antwortet Tödter. Wie lang der Brief gewesen sei. Eine Seite vielleicht. Das sei länger als ein nur ein paar Grüße, sagt der Anwalt, was denn sein Anliegen gewesen sei, fragt er den Zeugen. „Sie saß in Haft, ich saß in Haft, da hab ich ihr Solidarität zukommen lassen“, antwortet dieser. Ob er auch einen Brief an Herrn Wohlleben geschrieben habe, will Bliewier wissen. Das könne er nicht mehr sagen, antwortet der Zeuge.

Nebenklage-Anwalt RA Kuhn fragt, woher er die Adresse des Landesamtes für Verfassungsschutz habe und wann er denn die Haft angetreten habe. Am 09.11.2011 antwortet Tödter. Ob er die sich die Adresse vor dem Haftantritt verschafft habe, fragt Kuhn weiter. Die sei ihm von Herrn Di. zugeschickt worden. Ob er Frau Pa. mal mit einer rechtsextremen Organisation bedroht habe, fragt der Anwalt. Wieder interveniert RA Waldschmidt, das wäre dann eine Straftat und der Zeuge wolle dazu nichts sagen. Auf Nachfrage sagt auch Tödter selbst, das er dazu die Aussage verweigern möchte. Auf die Frage, von wann bis wann er ununterbrochen in der Haftanstalt gewesen sei, sagt der Zeuge vom 09.11.2011 bis zum 21.01.2014. Dass er da Internet gehabt habe, verneint der Zeuge.

Ein weiterer Anwalt der Nebenklage fragt weiter, der Zeuge habe doch gesagt, er habe eine E-mail bekommen. Ja, sagt der Zeuge, über whatsapp-Chat. Das sei doch über Internet, sagt der Anwalt. Die Nachricht müsste der Anwalt einsehen können, sagt Tödter, denn das Handy liege bei der Polizei, das hätte diese beschlagnahmt. Der Zeuge bestätigt erneut, dass er die Nachricht von einem unbekannten Teilnehmer bekommen habe. Auf die Frage, in welchem Zusammenhang denn das Handy beschlagnahmt wurde, sagt der Zeuge, dazu wolle er wegen eines laufenden Ermittlungsverfahren keine Angaben machen. Auf den Hinweis, er könne aber sagen, unter welcher Nummer und wo das Verfahren laufe, sagt der Zeuge, er wisse nur, dass das bei der Staatsanwaltschaft Kassel laufe. Zschäpe-Verteidiger RA Stahl fragt Tödter, ob er denn eine Antwort von Frau Zschäpe bekommen habe. Er habe gar keine Antworten bekommen, weil alle Post beschlagnahmt wurde, sagt der Zeuge.

NKRA Narin fragt nun: Er habe doch tatsächlich in Zwickau gefeiert, mit wem denn das gewesen sei. Mit seinem Bruder, antwortet Tödter, mit wem noch, wisse er nicht mehr, das sei zu lange her. Ob er tatsächlich sieben Personen abgeholt habe. Ja, aber ja, auch da könne er keine Namen mehr sagen, er habe an jenem Tag mehrfach Leute am Bahnhof abgeholt. Mit wem das vereinbart worden war, fragt Narin. Das wisse er nicht mehr, antwortet Tödter. Narin fragt, ob er denn einmal Informationen an das LfV gegeben habe. Waldschmidt interveniert, Narin sagt, er fände das noch nicht erschöpfend beantwortet. Schließlich fragt er Tödter, ob dieser kenne. Ja, der sei ihm bekannt, sagt der Zeuge. Woher? Aus Kassel. Der habe beim VS gearbeitet, das sei jedem bekannt gewesen. Er kenne ihn nicht persönlich, den Namen aber. Das sei ihm zugetragen worden, aus dem Netzwerk, aus Sturm 18. Wer denn die Personen seien, die zu Sturm 18 gehörten, fragt Narin. Das möchte der Zeuge mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren wieder nicht beantworten.

Narin fragt ihn ob er kenne, was Tödter verneint. Ob er die kenne, fragt der Anwalt. Er habe darüber in der Zeitung gelesen, antwortet der Zeuge. Narin möchte noch mal auf die Äußerung des Zeugen eingehen, er habe Mundlos und Böhnhart nicht selber in Kassel gesehen. Ob er denn von Personen gehört habe, die die beiden gesehen hätten. Nein, sagt der Zeuge. Narin hält aus der Vernehmung von „Melanie“, vor: Auf dem Rechner, auf der Festplatte, sei eine Datei mit dem Namen Paulchen Panther, was es damit auf sich habe. Der Zeuge sagt, das wisse er nicht. Der Dateipfad sei Bewerbungen/Melanie/Paulchen Panther, sagt Narin. Melanie habe gesagt, dass er, Tödter, die Datei angelegt habe, sie selbst habe mit Paulchen Panther nichts verbunden außer die Serie, von der sie früher mal ein paar Folgen gesehen habe. Der Zeuge kann oder will dazu nichts mehr sagen. Ob ihm denn Michel Fr. bekannt sei, fragt Narin. Ja, den kenne er aus Kassel, auf die Frage, aus welchem Zusammenhang sagt Tödter, dass da jeder jeden kenne. Ob der Michel Fr. denn auch in der rechten Szene gewesen sei, fragt Narin, wieder interveniert RA Waldschmidt. Narin sagt, dann möchte er gerne in Abwesenheit des Zeugen erläutern, worauf er mit der Frage hinaus wolle. Das möchte Waldschmidt nicht, und lässt Narin weiterfragen: Ob er Michel Fr. aus der rechten Szene kenne. Nein, er kenne ihn halt, antwortet der Zeuge. Ob er sich mit ihm über den NSU unterhalten habe, nein, antwortet Tödter.

Auch verneint der Zeuge die Frage, ob er Frau Pa. zwischen dem 04.11.2011 und Haftende auf ihrem Handy angerufen habe. Auch aus der Haft heraus, sagt der Zeuge, habe er sie nicht angerufen. Ob der Zeuge, abgesehen von den Vernehmungen mal Informationen an den Verfassungsschutz gegeben habe, fragt er weiter, was der Zeuge verneint. Wann und wie ihm der Name Temme zugetragen worden sei, weiß der Zeuge nicht mehr. Ob vor oder nach 2006? Das könne er nicht sagen, nur dass es vor 2011 war. Vor oder nach dem Mord an Halit Yozgat? Das wisse er nicht, er wisse nur, dass Temme dort beim Landesamt gearbeitet habe, die Adresse sei die Rollfahererstraße 166. Narin: „Die Adresse wissen Sie also noch.“

NKRAin Basay fragt, wieviele Mitglieder die Jail Crew gehabt habe. RA Stahl interveniert, die Frage habe keine Verfahrensrelevanz. Der Zeuge beruft sich auf Paragraf 55 der Strafprozessordnung und Basay fragt nach, sie dächte, das Verfahren sei eingestellt worden. Woher der Zeuge denn wisse, dass da ein Verfahren laufe? Aus dem Fernsehen, antwortet dieser. Aus der Hessenschau. Basay sagt, sie glaube nicht, dass der Zeuge wisse, ob gegen ihn ermittelt werde, er entsteht ein Disput zwischen RAin Basay und dem Richter Götzl. Basay wiederholt die Frage mit dem Hinweis, der Zeuge setze sich damit nicht der Strafbarkeit aus. RA Waldschmidt interveniert, es seien mehrere Verfahren geführt worden, der Zeuge setze sich wohl einer Gefahr aus, weswegen er es nicht beantwortet würde. Götzl schlägt vor, den Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, in Abwesenheit des Zeugen dazu Stellung zu nehmen.

Nach weiteren Diskussionen um die Zulässigkeit und die Frage, ob die Frage beantwortet sei, stellt Basay schießlich eine andere Frage an den Zeugen, ob er Kontakte zur JVA Tönna gehabt habe. Wohlleben-Verteidiger Klemke interveniert, das sei von Null Relevanz. Basay sagt, dass Wohlleben und Tödter gemeinsam in der JVA gewesen seien. Klemke sagt ironisch, dass er jetzt „völlig überrascht sei“, dass er aber weiter finde, dass das nichts mit dem Verfahren zu tun habe. Wohlleben-Verteidigerin Schneiders sagt, dass selbst wenn der Zeuge gefragt würde, ob er Kontakt zu Wohlleben habe, würden sie beanstanden, denn die Frage wäre schon beantwortet worden. Basay sagt, die Frage sei so nicht gestellt und beantwortet worden und nach einem erneuten Wortgefecht befragt.

RA Narin befragt den Zeugen Tödter weiter: Ob er Kontakt zu Inhaftierten der JVA Tönna abgesehen von Wohlleben gehabt habe, fragt Narin und wieder interveniert RA Klemke. Narin führt daraufhin die Relevanz der Frage aus: Neonazis würden sich netzwerkartig organisieren, das wisse man ja und er wolle wissen, wer da mit wem Kontakt gehabt habe. Götzl sagt, Narin solle den Verhandlungsinhalt im Blick behalten und dass man mit der Frage noch weiteren Kontakten sich ja noch weiter davon wegbewegen würde. Narin sagt, der Angeklagte Wohlleben sei ja verlegt worden, weil Briefe von ihm aus der JVA geschmuggelt worden seien, deswegen gäbe es ja Anhaltspunkte, dass Wohlleben Zeugen beeinflusst haben könnte. RA Klemke interveniert und sagt, Narin solle „Ross und Reiter“ benennen und ansonsten schweigen. Schließlich fragt Narin, ob der Zeuge seine Aussage vor dem Gericht mit jemandem abgesprochen habe. Nur mit seinem Anwalt, antwortet Tödter, und der sei ja nicht aus der rechten Szene. Der Zeuge wird um kurz nach 18 Uhr unvereidigt entlassen. Der Prozesstag endet.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:

„Als nächstes erschien wieder einmal Bernd Tödter, vorgeführt aus der Untersuchungshaft, wo er wieder einmal wegen des Verdachts von Gewaltdelikten einsitzt. […] Er legte sich zu Beginn der Vernehmung fest: seine damalige Aussage bei der Polizei habe er sich ausgedacht, die Angeklagten und Böhnhardt und Mundlos habe er noch nie gesehen, er habe sich damals mit aus dem Internet angelesenen Wissen Hafterleichterungen erschleichen wollen: „Ich hab mir gedacht, ich spring mal auf den fahrenden Zug auf und guck, was dabei rauskommt.“ Der Vorsitzende konnte diesen Sinneswandel nicht ganz nachvollziehen, zumal Tödter durchaus Gelegenheit zum Kontakt mit „den Drei“ hatte, u.a. mehrfach bei seinem Bruder in Zwickau zu Besuch war und es auch Verbindungslinien innerhalb der Nazi-Szene gab. Auch aus der Nebenklage kamen Nachfragen – so war Tödter etwa vor seinen Angaben bei der Polizei in der Haft und hatte gar keine Möglichkeit, sich Informationen zum NSU aus dem Internet zu besorgen. Tödter blieb dabei, alles sei aus dem Internet oder selbst ausgedacht gewesen, manches habe ihm auch die Polizei in den Mund gelegt und er habe das „abgenickt“. Welche der sich widersprechenden Angaben Tödters stimmen, ist schwer zu sagen. Klar ist: es ist unvorstellbar, dass der NSU seine Morde in ganz Deutschland ohne Unterstützung durch Nazis vor Ort durchgeführt hat. Dies gilt insbesondere für die Morde 2006 in Kassel und Dortmund.“

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/05/19/19-05-2015/

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