Protokoll 405. Verhandlungstag – 23. Januar 2018

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An diesem Verhandlungstag stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Antrag zu einem Lieferweg der Tatwaffe des NSU, der Ceska 83, in den laut Antrag Wohlleben nicht involviert gewesen sei. Die Bundesanwaltschaft erklärt daraufhin, dieser Antrag sei zurückzuweisen, sie sprechen von Verschleppung des Prozesses. Nebenklage-Vertreter Langer gibt ebenfalls eine Erklärung dazu ab. Darin führt er aus, dass für dieser alternative Lieferweg der Ceska nichts spräche.

Die Besucher_innenempore ist bis auf den letzten Platz besetzt – eine Seltenheit im NSU-Prozess. Der Verhandlungstag beginnt um 09:45 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt der Vorsitzende Richter Götzl: „Sie hatten, Herr Rechtsanwalt Nahrath, Frau Rechtsanwältin Schneiders, Herr Rechtsanwalt Klemke, die Stellung eines Beweisantrags angekündigt. Bitte schön!“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders verliest den Antrag, „zum Beweis der Tatsache, 1. dass die Tatwaffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 aus der Schweiz besorgte und 2. die Waffe über an Mundlos und Böhnhardt geliefert oder von diesen bei Sven Rosemann abgeholt wurde“, Jug Puskaric und Sven Rosemann zu vernehmen, und die Verfahrensakten des vom LKA Baden-Württemberg gegen Puskaric geführten Strukturermittlungsverfahren beizuziehen und Akteneinsicht darin zu gewähren.

Zur Begründung führt sie aus:
Die Beweiserhebung wird ergeben, dass der vom GBA behauptete Weg der Tatwaffe Ceska 83 über Schläfli & Zbinden an Ge. , Mü., , Länger und Andreas Schultz an den Angeklagten Schultze der falsche ist. Der hierauf beruhende Haftbefehl und der gegen Herrn Wohlleben erhobene Anklagevorwurf werden nach der beantragten Beweiserhebung keinen Bestand mehr haben. Die Zeugen Ge., Mü., Theile und Länger haben bestritten mit der Waffenbeschaffung der Tatwaffe Ceska 83 zu tun gehabt zu haben. Der Zeuge Theile befand sich zwischen dem 11.09.1997 und dem 25.04.2000 und anschließend vom 29.06.2000 bis 22.12.2000 in Haft. Carsten Schultze schilderte, dass er erst kurz vor der Abholung der Waffe im seine Fahrerlaubnis erhalten habe. Daraus schließt er, dass die Waffenübergabe an ihm im Frühjahr 2000 stattgefunden haben müsse. Der Verteidigung blieb im gesamten Verfahren die konfrontative Befragung des Zeugen Andreas Schultz versagt. Sie konnte ihr Fragerecht in der Hauptverhandlung lediglich mittelbar durch Fragen an die Vernehmungsbeamten des Andreas Schultz, KOK Be. und KOK Ba., ausüben. Hinsichtlich der Unzulänglichkeiten der durchgeführten Vernehmung des Zeugen Andreas Schultz durch die vorgenannten Vernehmungsbeamten und durch Herrn OStA beim BGH Weingarten wird auf die von der Verteidigung zum Zeugen Ba. am 99. Hauptverhandlungstag, 27.03.014, abgegebene Erklärung nach § 257 Bezug genommen. Im Übrigen verweist die Verteidigung auf den von ihr am selben Hauptverhandlungstag erhobenen Verwertungswiderspruch betreffend die Angaben des Andreas Schultz vom 09.02.2012.

Sowohl Uwe Böhnhardt als auch Sven Rosemann waren waffenaffin, wie mehrere in der Hauptverhandlung vernommene Zeugen bekundeten. Beide kannten sich bereits vor dem Untertauchen, da sie 1993 zusammen in der JVA Hohenleuben einsaßen. Aufgrund des im und in der festgestellten Waffenarsenals liegt es nahe, dass die Untergetauchten über mehrere Quellen für scharfe Schusswaffen verfügten. Bereits die SMS zwischen dem V-Mann „“ und dem gesondert verfolgten sowie die Erkenntnismitteilungen des LfV Sachsen, dass Jan Werner mit Waffenbeschaffung für die Geflüchteten beauftragt gewesen sei und diese mit Konzerterlösen von Blood & Honour bewerkstelligen solle, weist deutlich darauf hin, dass auch über diesen Weg Waffen beschafft worden sein könnten.

Wie der Verteidigung erst vor wenigen Tagen durch Kenntnis von der Ladung des Zeugen André Kapke im Strukturermittlungsverfahren zur Person des Jug Puskaric bekannt wurde, ermittelt das LKA Baden-Württemberg gegen letzteren wegen des Verdachts illegaler Waffengeschäfte. Rosemann kannte Jug Puskaric. Puskaric, genannt „Iron Bull“, gehört seit den 1990er Jahren der Skinheadszene an und besuchte mehrere Rechtsrock-Konzerte. Jug Puskaric war aber auch mit bekannt, den Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe des Öfteren in Baden-Württemberg besuchten. Hans-Joachim Schmidts Name befand sich nicht ohne Grund auf der sogenannten Garagenliste. Auf dieser Liste ist auch eine Person namens „Uschi“ gelistet, die aber tatsächlich Barbara Ei. heißt. Diese ist bis heute noch mit Puskaric auf Facebook befreundet. Puskaric kannte aber auch Achim Schmid, den Ku-Klux-Klan-Gründer, der gleichzeitig als V-Mann fungierte. Mitglied im Ku-Klux-Klan waren auch zwei Polizeibeamte, die in derselben Einheit wie das Heilbronner Mordopfer Michèle Kiesewetter dienten.

Puskaric wohnte von 1999 bis 2003 in Thüringen, genauer in Erfurt. 2003 verlegte er kurzzeitig seinen Wohnsitz wieder nach Baden-Württemberg, nach Vaihingen/Enz.
Uwe Mundlos rief am 11.04.1998 um 17.10 Uhr aus der Schweiz den Telefonanschluss des Jürgen Helbig an. In der durch das BKA am 28.02.2012 durchgeführten Vernehmung gab Jürgen Helbig an, dass der Anruf vom 11.04.1998 aus Orbe, Ortsteil Concise, Schweiz durch Uwe Mundlos selbst erfolgt sei, den er an der Stimme erkannte. Diese bestätigte der Zeuge in der Hauptverhandlung. Am 11.04.1998 fand in Orbe, Ortsteil Concise, Schweiz ein Skinheadkonzert statt, an dem etwa 150 bis 300 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Australien und der Schweiz teilnahmen. Unter ihnen war auch Jug Puskaric, welcher zeitweilig auch in der Schweiz lebte.
Am 16.04.1998 um 16.43 Uhr erfolgte ein weiterer Anruf von Mundlos auf Helbigs Anschluss, diesmal aus Chemnitz, Ortsteil Klaffenbach, aus einer Telefonzelle in der Würschnitztalstraße 25. Mundlos bat darin, bei seiner Mutter Geld zu holen, weil sie viel Geld brauchen würden.
Puskaric hatte im April 2005 Kontakt mit dem V-Mann Benjamin Gärtner Anlass war ein Skinheadkonzert der Gruppe „Lunikoff-Verschwörung“. Gärtner wurde von 2003 bis 2006 vom Verfassungsschützer Andreas Temme als V-Mann geführt und meldete diesem auch seine Erkenntnisse zu Puskaric und dem Konzert. Ein entsprechender Hinweis findet sich in SAO 145, Blatt 71. Temme war ein Jahr später zum Tatzeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am Tatort in Kassel.

Puskaric war nicht nur als Security im Bereich von Skinheadkonzerten aktiv. Nach den Ermittlungen des BKA soll Puskaric auch Verbindungen zum Rotlichtmilieu in Thüringen und zu Rockern gehabt haben. Am 20.02.2012 ging beim LKA Thüringen ein Hinweis ein, dass Beate Zschäpe 2010 bei einem Rockerprozess gesehen worden sein soll. Der Zeuge Ma. befindet sich im Zeugenschutzprogramm und machte im Rahmen seiner Vernehmung am 15.02.2012 hierzu Angaben. Aufgrund seiner Angaben wurde in der JVA Tonna der Zeuge vernommen. In seiner polizeilichen Vernehmung vom 13.03.2012 gibt der Zeuge Hubeny an, dass Sven Rosemann ihm im Jahr 2000 einige Waffen gezeigt habe, dabei u.a. eine Ceska 83. Auch eine Mossberg-Pumpgun sei dabei gewesen. Eine solche Waffe wurde später im Besitz von Mundlos und Böhnhardt aufgefunden. Rosemann habe ihm berichtet, dass er die Waffen von einem „Jug Okaritsch“ aus der Schweiz bekommen habe. Die Waffen seien über Kontaktleute in Stuttgart gegangen, so Rosemann.

Das BKA konnte den „Jug Okaritsch“ als den Zeugen Jug Puskaric identifizieren. Rosemann war bereits Ende der 1990er Jahre im Rotlichtmilieu aktiv, ebenso wie Puskaric. Der UA Baden-Württemberg versuchte zu klären, ob Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Unterstützer in Baden-Württemberg hatten. Dabei vernahm er auch Hans-Joachim Schmidt und „Uschi“ alias Barbara Ei. Zwischen 1993 und 2001 sollen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe etwa dreißig Mal in Ludwigsburg gewesen sein. In Briefen von Mundlos schwärmt dieser von den „Spätzles“, er sei „über die Waffen, die die haben erstaunt – schon fast ein kleiner Waffenladen“, schreibt Mundlos in seinen Haftbriefen, die ebenfalls Bestandteil der Akten sind. Dem BKA soll nach Medienberichten ein V-Mann des LKA Berlin berichtet haben, dass Hans-Joachim Schmidt damals mit Waffen gehandelt habe.

Die Beweiserhebung dient der Entlastung unseres Mandanten, da sie ergeben wird, dass die Tatwaffe Ceska 83 nicht von Carsten Schultze, sondern über Jug Puskaric und Sven Rosemann an Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangte.
Die Beiziehung der Verfahrensakten wird dem Senat weitere Erkenntnisse zu dem Waffenhandel des Jug Puskaric sowie des Sven Rosemann verschaffen. Die Bundesanwaltschaft hat sich bewusst dafür entschieden, das sogenannte Strukturermittlungsverfahren gegen Jug Puskaric gerade nicht im sogenannten NSU-Komplex zu führen, weil ansonsten zu befürchten wäre, dass Erkenntnisse aus diesem Verfahren in das vorliegende Verfahren vor dem OLG München einfließen könnten. Die Bundesanwaltschaft hat dies bewusst vermieden, indem sie veranlasste, dass ein „polizeirechtliches Strukturermittlungsverfahren“ über das LKA Baden-Württemberg eingeleitet wurde, um diese Erkenntnisse unter Verschluss halten zu können. Waffenrechtliche Verstöße wären längst verjährt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es sich in Wahrheit um Ermittlungen zur Herkunft der Tatwaffe Ceska 83 handelt.

Die Beiziehung der oben genannten Verfahrensakten ist zur Vorbereitung der Vernehmung der beiden benannten Zeugen zwingend geboten, da ansonsten Erkenntnisse aus dem Strukturermittlungsverfahren nicht vorgehalten werden könnten und die Angaben der Zeugen durch das Gericht kaum zu überprüfen wären. Der Sachzusammenhang mit dem hiesigen Verfahren ist nach all dem evident. Die Amtsaufklärungspflicht gebietet daher zwingend sowohl die Zeugenvernehmungen als auch die Beiziehung der Verfahrensakten.

Nach dem Ende des Vortrags sagt Götzl: „Soll Stellung genommen werden? Von Seiten der Bundesanwaltschaft?“ OStAin Greger: „Ja.“ Götzl: „Bekommen wir die Stellungnahme?“ Greger: „Ja.“ Dann verliest Greger die Stellungnahme des GBA zu dem Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben. Die Anträge, so Greger, seien abzulehnen. Es handele sich sowohl bei den beiden Anträgen auf Zeugenbeweis wie beim Antrag auf Beiziehung von Akten um Beweisermittlungsanträge, denen mangels zu erwartenden Erkenntnisgewinns nicht nachzukommen sei. Sie führt dann aus:

1. Die beiden Anträge auf Zeugenvernehmungen: Die Antragsteller haben ihre Anträge auf Vernehmung der Zeugen Puskaric und Rosemann zwar jeweils mit einer Beweisbehauptung versehen. Strafprozessual stellen sich diese Anträge jedoch als Beweisermittlungsanträge dar. Nach der Rechtsprechung des BGH fehlt einem Antrag, auch wenn er zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet, die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrages, wenn die Beweisbehauptung ohne jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde.

Greger nennt diverse Fundstellen, dann fährt sie fort:
Ob eine solche nicht ernstlich gemeinte Beweisbehauptung gegeben ist, beurteilt sich aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Basis der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen, wobei zu beachten ist, dass es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet. Nicht ausreichend für die Annahme einer Behauptung aufs Geratewohl ist, dass die bisherige Beweiserhebung keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat oder dass die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder eine andere Möglichkeit näher gelegen hätte. Vielmehr wird für erforderlich gehalten, dass die Bestätigung der Beweisbehauptung aufgrund gesicherter bisheriger Beweisaufnahme offensichtlich unwahrscheinlich sein muss. Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich auch das Recht, Beweisanträge zu stellen, nicht grenzenlos gewährt, sondern auf den Zweck des Strafverfahrens zur Wahrheitserforschung ausgerichtet. Diese Wahrheitserforschung kann nur mit geeigneten Anträgen geschehen, die eine Plausibilität für das mögliche Gelingen der Beweiserhebung darlegen. Bei einer fortgeschrittenen Beweisaufnahme steht die weitere Beweiserhebung in unlösbarem Zusammenhang mit der bisher durchgeführten.

Gemessen daran erweisen sich die beiden Beweistatsachen zu dem Verkauf der Tatwaffe aufgrund der gesicherten bisherigen Beweisaufnahme als haltlos, denn sie wurden von den Antragstellern ausgehend von ihrer Antragsbegründung ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte ersichtlich und bewusst aufs Geratewohl aufgestellt. Demgemäß stellt sich das Beweisverlangen hier gerade zu als ein Prototyp eines ins Blaue hinein gestellten Antrags dar.
Die Antragsteller stützen ihren Antrag maßgeblich darauf, dass der von ihnen benannte Zeuge Puskaric im Verdacht stehen soll, illegal mit Waffen gehandelt zu haben, Uwe Mundlos am 11.04.1998 aus der Schweiz einen Anruf getätigt habe, wobei sich genau an diesem Tag der Zeuge Puskaric ebenfalls in der Schweiz aufgehalten haben soll, Uwe Mundlos am 16.04.1998 dringend „viel“ Geld benötigt habe, der von ihnen benannte Zeuge Rosemann laut Angaben des Zeugen Hubeny im Jahr 2000 im Besitz mehrerer Waffen gewesen sei, u.a. einer Ceska 83. Diese Waffen sollen vom Zeugen Puskaric aus der Schweiz stammen. Uwe Böhnhardt habe den Zeugen Rosemann gekannt und dieser wiederum den Zeugen Puskaric. Im Übrigen verlieren sich die Antragsteller in Milieustudien und Spekulationen, die zum Verkauf der Tatwaffe in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen.

Mit Blick auf die durchgeführte Beweisaufnahme zum Weg der Tatwaffe in der Schweiz im Jahr 1996 und zu den diesbezüglichen Angaben des Zeugen Ge., zum Datum ihres erstmaligen Einsatzes im September 2000, zum Einsatz einer Alternativwaffe von Böhnhardt und Mundlos im Dezember 1998, zur gewerbsmäßigen Einfuhr von Schusswaffen auch mit Schalldämpfer durch den Zeugen Mü., zur engen persönlichen Beziehung der Zeugen Mü., Theile und Länger, zur Benennung des Zeugen Länger als Waffenlieferanten, zu der vom Angeklagten Wohlleben selbst eingeräumten Lieferung einer scharfen Schusswaffe mit dazugehörigem Schalldämpfer nebst Munition unter Beteiligung von Carsten Schultze und Andreas Schultz, zur Einlassung des Angeklagten Carsten Schultze und deren weitgehenden Bestätigung durch den Zeugen Andreas Schultz zur Modellspezifizierung und zum Zeitpunkt der Übergabe, zu den korrespondierenden Zeitpunkten einerseits der Lieferung der vom Angeklagten Schultze nachweislich gelieferten Waffe an Böhnhardt und Mundlos und andererseits ihres erstmaligen Einsatzes, zu dem Böhnhardt und Mundlos zur Verfügung stehenden Waffenarsenal unter Berücksichtigung der Anzahl der sichergestellten Schalldämpferwaffen und des Einsatzes der Tatwaffe Bruni bei zwei Hinrichtungen stellen sich die Beweisbehauptungen der Antragsteller, der Zeuge Puskaric habe genau die Tatwaffe Ceska 83 unter nicht näher bezeichneten Umständen über den Zeugen Rosemann an Böhnhardt und Mundlos geliefert oder an sie übergeben lassen, als haltlos und demgemäß missbräuchlich dar.

Greger nennt eine Fundstelle im StPO-Kommentar LR-Becker und weist darauf hin, dass dort „wenn der Antragsteller selbst seine Beweisbehauptung für unrichtig hält“ von einer Verschleppungsabsicht ausgegangen werde. Dann fährt sie fort:
Hinzu kommt, dass der Antrag auch dem Konnexitätserfordernis keine Rechnung trägt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für das Vorliegen eines Beweisantrages neben der konkreten Bezeichnung von Beweismittel und Beweistatsache auch erforderlich, dass der Antragsteller näher darlegt, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem durch die Tatsachenbehauptung spezifizierten Beweisthema bekunden können soll. Einem Antrag auf Beweiserhebung kann die Eigenschaft eines formellen Beweisantrags im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO fehlen, wenn die Wahrnehmungssituation eines benannten Zeugen nicht konkret genug bezeichnet wird. Auch hierzu ist es geboten, die bei Antragstellung vorgefundene Beweislage in die Antragstellung mit einzubeziehen, sofern sich solches nicht von selbst versteht. Wenngleich in diesem Zusammenhang Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung vom Antragssteller nicht verlangt werden können, geht es doch um die Darlegung der Wahrnehmungsmöglichkeit des Zeugen als solche, bezogen auf die konkret benannte Beweistatsache. Der Antrag muss über die bloße Beweisbehauptung hinaus erkennen lassen, weshalb der Zeuge gerade zu diesem Beweisthema etwas bekunden können soll.

Auch diese Plausibilität der Wahrnehmungsmöglichkeit für das mögliche Gelingen der Beweiserhebung ist hier bei der gebotenen wohlwollenden Auslegung des diesbezüglich vagen Vorbringens der Antragsteller nicht erkennbar. Denn dass und weshalb die beiden benannten Zeugen Puskaric und Rosemann unbeschadet der Ausführungen der Antragsteller zur Nähe der beiden Zeugen zu Schusswaffen im Allgemeinen, zu bestimmten Regionen und zum kriminellen Milieu sowie zu Kennverhältnissen, ohne dass diesen Umständen auch in ihrer Kombination ein auch nur im Ansatz verlässliches Alleinstellungsmerkmal zukommen könnte, gleichwohl gerade zur Tatwaffe und deren Veräußerung relevante, von ihnen bezeugbare Wahrnehmungen gemacht haben sollen, erschließt sich aus der Antragsbegründung nicht. So finden sich im gesamten Antrag keine konkreten Anhaltspunkte dazu, wie und wann die beiden Zeugen ab dem Jahr 1996 in den Besitz gerade der Tatwaffe gekommen sein sollen und wie und wann die Weitergabe erfolgt sein soll. Bereits die Formulierung der Antragsteller, die diese für eine der Beweisbehauptungen gewählt haben, nämlich, ich zitiere, „2. Die Waffe über Sven Rosemann an Mundlos und Böhnhardt geliefert oder von diesen bei Rosemann abgeholt wurde“, macht dies deutlich. Das Zitat belegt zudem die Beliebigkeit der Beweispersonen und des behaupteten Vorgangs, letzterer erfährt auch in der Antragsbegründung keine weitere Darlegung. Allein der vage Entwurf eines von der durchgeführten Beweisaufnahme losgelösten Alternativszenarios vermag den erforderlichen Konnex nicht zu begründen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme mehrere Personen aus dem Umfeld der drei Untergetauchten über Beziehungen in die Schweiz verfügten, dass im fraglichen Zeitraum frei verkäufliche Schusswaffen des Fabrikats Ceska in der Schweiz keine Seltenheit darstellten und dass mehrere Personen als Zulieferer der weiteren 17 bei Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sichergestellten Schusswaffen, deren Herkunft bisher nicht nachgewiesen werden konnte, in Betracht kommen.

Angesichts der oben dargestellten verdichteten Beweislage zum Weg der Tatwaffe reicht das Vorbringen der Antragsteller daher nicht, um die Voraussetzungen eines förmlichen Beweisantrags zu erfüllen. Die Antragsteller wären vielmehr mit Blick auf den Grundsatz der Konnexität gehalten gewesen, im aktuellen Verfahrensstadium eine Verbindung der letzten festgestellten Gewahrsamsinhaber der Tatwaffe in der Schweiz zu den benannten Zeugen Puskaric und Rosemann oder jedenfalls anhand von Zeugenaussagen, Augenscheinsobjekten oder sonstigen Beweismitteln konkrete Anhaltspunkte auf einen zeitweisen Besitz der Tatwaffe von den Zeugen Puskaric und Rosemann darzutun. Dass es sich bei der vom Zeugen Hubeny wahrgenommenen Waffe Ceska 83 um die Tatwaffe gehandelt haben könnte, wird auch von den Antragstellern nicht behauptet. Denn nach der Aktenlage wäre diese Waffe bereits nach ihrer Bauart nicht mit der sichergestellten Tatwaffe in Übereinstimmung zu bringen.

Hilfsweise beantrage ich die Anträge auf Zeugenbeweis wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen.
Nach einer erstmaligen Fristsetzung am 07.03.2017, verbunden mit einem Hinweis auf die strafprozessualen Folgen einer Fristüberschreitung in den Nummern 5 und 6 der Verfügung, hat der Vorsitzende mit Verfügung vom 25.04.2017 die Frist zur Stellung von Beweisanträgen bis zum 17.05.2017 verlängert. Mit Beschluss vom 26.04.2017 hat der Senat die Verfügung des Vorsitzenden bestätigt. Eine Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen nach § 244, Absatz 6 Satz 2 StPO war bereits nach der damals geltenden Rechtslage zulässig.

Greger nennt mehrere Fundstellen und setzt dann fort:
Die Antragsteller haben weder die vom Vorsitzenden gesetzte Frist eingehalten, noch ist eine Glaubhaftmachung nach § 244, Absatz 6 Satz 4 StPO erfolgt. Vor allem aber haben die Antragsteller nicht dargelegt, weshalb ihnen die rechtzeitige Stellung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Rosemann und Puskaric nicht innerhalb der gesetzten Frist möglich gewesen sein soll. Sie tragen zwar vor, erst die Kenntniserlangung von der Aussage von André Kapke und von der Existenz eines Strukturermittlungsverfahrens des LKA Baden-Württemberg hätte sie in die Lage versetzt, ihren Antrag zu stellen. Dies trifft jedoch nicht zu. Denn diese Ausführungen vermögen nur die verspätete Antragstellung bzgl. der Beiziehung der Akten zu erklären. Demgegenüber stützen die Antragsteller die Anträge auf Zeugenbeweis weder auf die Aussage Kapke noch auf das Verfahren beim LKA Baden-Württemberg. Vielmehr sind diejenigen Aspekte, die die Antragsteller zur Begründung ihrer Anträge auf Zeugenbeweis heranziehen, sämtlich bereits seit mehreren Jahren bekannt und allesamt unschwer in der Sachakte festzustellen. Ob es für den Fall einer Fristsetzung überhaupt noch auf die Prognose einer Verfahrensverzögerung ankommt, ist in der Rechtsprechung noch nicht endgültig geklärt.

Wieder nennt Greger einige Fundstellen, bevor sie den Text weiter verliest:
Dies kann hier jedoch letztlich dahinstehen. Denn die beantragte Beweiserhebung würde den Abschluss des Verfahrens deutlich verschieben. Das Verfahren befindet sich derzeit in der Phase der Schlussvorträge. Ein erheblicher Teil der zahlreichen Verfahrensbeteiligten hat bereits plädiert. Der Angeklagte Wohlleben war zuletzt nicht mehr uneingeschränkt verhandlungsfähig. Für die Vernehmung der beiden Zeugen müssten die Schlussvorträge unterbrochen und die für die Plädoyers vorgesehenen Hauptverhandlungstage anstelle der Schlussvorträge für die Beweisaufnahme genutzt werden. Da die Antragsteller zudem eine substantiierte Befragung der Zeugen von einer Beiziehung weiterer Aktenbestandteile abhängig machen, über deren Herausgabe zunächst eine Landesbehörde gesondert und nicht zwingend zeitnah zu entscheiden hätte, und da deren Inhalte unbekannten Umfangs nach einer etwaigen Übersendung an den Senat von den Verfahrensbeteiligten zum Zwecke der Vorbereitung erst einmal zu sichten wären, käme es in der Folgezeit zu einer erheblichen Verzögerung, wenn nicht sogar zu einer Aussetzung des Verfahrens. Hinzu kommt noch, dass sich im Falle einer Erweiterung der Beweisaufnahme auch nicht ausschließen ließe, dass zumindest einige der Verfahrensbeteiligten ihre Schlussvorträge anpassen und erneut plädieren würden. Da das Verfahren aus Sicht des Senats jedoch abschlussreif ist und bereits seit Mai 2013 andauert, wäre die aufgezeigte Verzögerung auf unbestimmte Zeit nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr „unwesentlich“.

Greger nennt eine Fundstelle zu einer BGH-Entscheidung und fährt dann fort:
In dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass die Anforderungen an die Wesentlichkeit der Verfahrensverzögerung im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz geringer werden, je länger ein Strafverfahren andauert, so dass in solchen Fällen sogar eine relativ geringfügige zeitliche Verzögerung das Merkmal der Wesentlichkeit erfüllen wird.
Die Antragsteller handelten auch subjektiv mit einer Verschleppungsabsicht. Ein nach Fristablauf gestellter Beweisantrag ist ein signifikantes Indiz für die innere Seite der Verschleppungsabsicht, wenn der Antragsteller entgegen des gerichtlichen Hinweises die Gründe für die verspätete Antragstellung nicht plausibel macht und auch die Aufklärungspflicht nicht zur Beweiserhebung drängt. Da wie oben dargestellt die allgemeine Aufklärungspflicht eine weitere Beweiserhebung nicht nahelegt, die beantragte Beweiserhebung objektiv unter keinem Gesichtspunkt etwas zugunsten des Angeklagten Wohlleben erbringen wird, was auch die Antragsteller wissen, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Antrag missbräuchlich alleine zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt ist. Anderenfalls hätten die Antragsteller den Beweisantrag im ureigenen Interesse ihres Mandaten bereits vor Ablauf der vom Vorsitzenden gesetzten Frist gestellt. Dass dies unterblieben ist, obschon den Antragstellern alle zur Sachbegründung des Antrags verwendeten Informationen vorlagen, belegt, dass die Antragstellung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr der Entlastung des Angeklagten Wohlleben, sondern allein der Verschleppung des Verfahrens dienen soll.

2. Der Antrag auf Beiziehung von Akten: Bei dem Antrag auf Beiziehung der Akten des vom LKA Baden-Württemberg geführten Strukturermittlungsverfahrens gegen Jug Puskaric handelt es sich, da einzelne Aktenstücke nicht konkretisiert werden, um einen Beweisermittlungsantrag. Dessen Verbescheidung richtet sich nach § 244 Abs. 2 StPO. Die allgemeine Aufklärungspflicht gebietet die Beiziehung nicht. Dem Vorbringen der Antragsteller ist nicht zu entnehmen, dass die beizuziehenden Akten sachdienliche Tatsachen enthalten würden, die in der Sache zu einem Erkenntnisgewinn führen könnten. Ihr Vortrag dazu beschränkt sich auf Spekulationen und Mutmaßungen zum einen zu dem Zweck des Verfahrens und zum anderen zu den dort vermuteten Erkenntnissen. Da es sich bei dem Verfahren des LKA entgegen der Spekulation der Antragsteller nicht um ein verdeckt geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Auftrag der Bundesanwaltschaft, sondern offenbar um ein nach Polizeirecht geführtes Verfahren in Baden-Württemberg handelt, sind auch aus dem Zweck des Verfahrens keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich in den Aktenstücken verfahrensrelevante, bislang noch nicht in das Strafverfahren eingeführte Erkenntnisse zu dem Weg der Tatwaffe Ceska 83 finden könnten. Da dem Antrag auf Beiziehung der Akten der Erfolg zu versagen ist, ist auch dem Antrag auf Akteneinsicht in diese Akten nicht nachzukommen.

Dann gibt NK-Vertreter RA Langer seine Stellungnahme ab:
Es ist offenkundig, dass der Antrag auf die Zeugenvernehmungen nicht das von den Antragstellern mitgeteilte Beweisergebnis erbringen wird. Denn es ist fernliegend, dass der Zeuge Puskaric und der Zeuge Rosemann die unter Beweis gestellten Behauptungen bestätigen werden. Ersterer soll die hier relevante Tatwaffe Ceska 83 mit Schalldämpferaufsatz „aus der Schweiz besorgt“ und sich dabei die Waffennummer 034678 besonders eingeprägt haben. Zweiterer soll sich diese Waffennummer ebenso genau eingeprägt haben, bevor er diese Waffe Uwe Mundlos/Uwe Böhnhardt habe zukommen lassen. Gleiches gilt zu dem mutmaßlichen Verfahren mit 2017er Aktenzeichen des LKA Baden-Württemberg gegen den Zeugen Puskaric, zu dem die Antragsteller forsch ins Blaue hinein vermuten, dieses habe mit „Ermittlungen zur Herkunft der Tatwaffe Ceska 83“ aus der Zeit bis zum Jahre 2000 zu tun.

Zweck dieser Anträge ist offenbar entweder eine Verzögerung des Verfahrens oder es soll versucht werden, aus einer Ablehnung dieser Anträge weitere Rechte auf anderer Ebene herzuleiten, z. B. Ablehnungsgesuch und Verfahrensrüge im Revisionsverfahren.
Bestünde der wirkliche Zweck im Interesse am Nachgehen dieser Anträge in Bezug auf die Zeugen Puskaric und Rosemann, wären diese von den Antragstellern bereits am ersten Hauptverhandlungstag gestellt worden, da alle in diesem Antrag relevanten Bezüge zu den benannten Zeugen bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt waren. Insbesondere bei einem in U-Haft befindlichen Angeklagten ist nicht recht erkennbar, warum die Antragsteller viereinhalb Jahre abwarten, um sich jetzt auf die Vernehmung der beiden genannten Zeugen zu stützen, also sich auf längst bekannte Umstände zu berufen. Im Einzelnen:

1. Der Antrag enthält zwei Beweisthemen mit der Angabe konkreter Beweismittel:
Beweisbehauptung 1: Jug Puskaric habe die Tatwaffe Ceska, Waffennummer 034678, aus der Schweiz besorgt.
Beweisbehauptung 2: Diese Waffe sei über Sven Rosemann an Mundlos und Böhnhardt gelangt.
Bestätigen sollen dies die Zeugen Puskaric und Rosemann.
Weiterhin enthält der Antrag ein Ersuchen auf Beiziehung von Akten des LKA Baden-Württemberg und Einsicht in dieselben.

2. Die Voraussetzungen eines Beweisantrages sind nicht gegeben, da es an der Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweismitteln fehlt.
a) Danach genügt es namentlich beim Antrag auf Zeugenbeweis nicht, nur das Beweisziel zu benennen, vielmehr sind in der Beweisbehauptung exakt die Tatsachen zu bezeichnen. die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Zeugen gewesen sein sollen. Dem Gericht soll damit die Prüfung ermöglicht werden, ob Ablehnungsgründe im Sinne des § 244 Absatz 3 Satz 2 StPO vorliegen. Daneben ist im Einzelfall, zumindest bei Zeugenbeweisantritten, die Frage zu prüfen, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. Dies entfiele nur, wenn sich der Zusammenhang von selbst verstünde, etwa wenn ein unmittelbarer Tatzeuge benannt wird.

Auf die noch strengere Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH [Langer nennt eine Fundstelle], sogenannte qualifizierte Konnexität, der die Beweiserhebung noch im Kontext der bereits erfolgten Beweiserhebung überprüft wissen will, wird hingegen nicht abzustellen sein. Diese Kriterien sind zu weitgehend und es ist nicht erkennbar, ob andere Strafsenate des BGH dem folgen werden – so sagt etwa der 3. Strafsenat „sehr weitgehend“. Auch ist dieser strengere Ansatz für den hier zu überprüfenden Antrag nicht notwendig.
Vorliegend versuchen die Antragsteller mit den Zeugenbeweisantritten, Indizien für eine negative Tatsache zu belegen. Sie wollen einen anderen Weg der Tatwaffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 darstellen, bei dem sich der Angeklagte Wohlleben nicht in der Kette befunden haben soll, die Tatwaffe also den Weg zu Mundlos und Böhnhardt ohne seine Mitwirkung – „an ihm vorbei“ – gefunden hat. Es soll durch die beiden benannten Zeugen ein mehraktiger Vorgang ohne Beteiligung des Angeklagten Wohlleben belegt werden. Die Punkte sind: „Die Schweiz“ – Puskaric – Rosemann – Mundlos/Böhnhardt.

Vorliegend ist das von der Rechtsprechung entwickelte Konnexitätserfordernis auch nicht obsolet, weil etwa ein Fall vorläge, in dem sich der Bezug von Beweistatsache und Beweismittel offenkundig von selbst ergibt, so etwa, weil die Zeugen etwas aus eigenem Wissen bekunden können sollen. Denn es versteht sich nicht von selbst, wieso ausgerechnet die beiden benannten Zeugen einen Kontakt zur konkreten Tatwaffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 gehabt haben sollen. Somit ist in Bezug auf den hier gestellten Zeugenbeweisantrag das Konnexitätserfordernis zu prüfen.
b) Für die Darlegung einer solchen Konnexität gibt es nicht nur keinerlei Anhaltspunkte im Antrag der Verteidigung Wohlleben, vielmehr erscheinen die Beweisbehauptungen als ins Blaue hinein aufgestellte Vermutungen, wenn nicht gar weitergehend anzunehmen ist, dass hier bewusst das Gegenteil von dem behauptet wird, was den Antragstellern u.a. aus den Akten bekannt ist und somit eine Verschleppungsabsicht recht naheliegend erscheint.

aa) Einen Bezug der beiden Zeugen zur Tatwaffen mit der Waffennummer 034678 gibt es nicht. Derartiges erwähnen auch die Antragsteller, abgesehen von der Beweisbehauptung, an keiner Stelle ihres Antrags.
bb) Es wird auch nicht besser dadurch, dass die Antragsteller darauf verweisen, der Zeuge Hubeny habe beim Zeugen Rosemann „im Jahre 2000“ „eine“ Ceska 83 gesehen und auf dessen Zeugenvernehmung vom 13.03.2012 verweisen. Denn von einer Waffennummer 034678 ist dort an keiner Stelle die Rede. Allein der – mutmaßliche – Besitz einer Ceska 83 ist nicht geeignet, das Konnexitätserfordernis herzustellen zwischen dem gewählten Beweisthema, das die konkrete Tatwaffe über die Waffennummer identifiziert, ohne zu benennen, wieso die in der Aussage Hubeny benannte Ceska 83 etwa diese Waffennummer gehabt haben soll. Würde allein der mutmaßliche Besitz irgendeiner Ceska 83 ausreichen, könnten die Antragsteller uferlos alle Besitzer einer Ceska 83 bis etwa Mitte 2000 ohne nähere Fundierung als Besitzer der Tatwaffe ausmachen. Eine Andeutung dahingehend, dass der Zeuge Puskaric sich irgendwann einmal dahingehend geäußert habe, er habe eine Ceska 83 – noch dazu unter Erwähnung der Waffennummer 034678 – „aus der Schweiz besorgt“, ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge Rosemann hierzu irgendeine konkrete eigene Wahrnehmung bekunden könnte. Gleiches gilt für die Beweistatsache, die Waffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 sei vom Zeugen Rosemann an Mundlos/Böhnhardt gelangt – „geliefert“ oder „abgeholt“. Auch hier ist dem Antrag nicht zu entnehmen, dass dies Rosemann je geäußert hätte oder der Zeuge Puskaric derartiges selbst wahrgenommen hätte.

c) Hier geht es nicht nur um eine Waffe eines bestimmten Typs, Ceska 83, sondern um den deutlich weitergehenden, einschränkenden Aspekt der Konkretisierung auf eine spezielle Ceska 83 mit der Waffennummer 034678. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Zeuge Puskaric und der Zeuge Rosemann irgendwelche Angaben zu einer Waffennummer machen könnten, nur weil sie eine Schusswaffe gleichen Typs vor fast zwei Jahrzehnten in den Händen gehabt haben könnten. Ebenso gibt es nicht einmal eine auch nur ansatzweise zeitliche Eingrenzung für das mutmaßliche „Besorgen“ durch den Zeugen Puskaric. Gleichfalls abstrakt ist die Angabe, er hätte die Waffe „aus der Schweiz“ besorgt. Die Antragsteller teilen letztlich nicht mit, welche konkreten Lebenssachverhalte die Zeugen bekunden können sollen.
Beim zweiten Teil der Beweisbehauptung stellen die Antragsteller sich einander ausschließende Alternativen unter Beweis: Lieferung der Waffe im Sinne eines Hinbringens zu Mundlos/Böhnhardt oder Lieferung der Waffe durch Abholung durch Mundlos/Böhnhardt. Somit zweifeln die Antragsteller eine der beiden Alternativen selbst an, können aber nicht konkretisieren, welche. Dass auch der Zeuge Rosemann die Waffennummer wahrgenommen hätte, wird von den Antragstellern nicht einmal behauptet, so dass auch hier eine nähere Angabe erwartet werden darf, warum der Zeuge dazu etwas bekunden können soll. Das Konnexitätserfordernis erfordert aber gerade die Angabe, warum die Zeugen diese Angaben machen können sollen.

d) Zahlreiche mitgeteilte Wertungen über Vermutungen bzw. Tatsachen sind offenkundig Scheinbezüge zur substanzlosen Anfüllung des Umfangs der Begründung des Antrags.
aa) Sie enthalten einerseits völlig unerhebliche Ausführungen.
Zum Beispiel:
– die Zeugen Ge., Mü., Theile und Länger hätten bestritten, etwas mit der Beschaffung der Tatwaffe zu tun zu haben,
– Anhaltspunkte, woran der Mitangeklagte Schultze die zeitliche Einordnung der Abholung der an Mundlos und Böhnhardt übergebenen Waffe festmachte,
– eine konfrontative Befragung des Zeugen Andreas Schultz hätte nicht erfolgen können und dessen Befragungen durch Vernehmungsbeamte seien unzulänglich gewesen,
– Böhnhardt und der Zeuge Sven Rosemann seien waffenaffin gewesen und hätten sich gekannt, da sie 1993 in derselben JVA einsaßen,
– es wird die Vermutung geäußert, dass die Untergetauchten über mehrere Waffenquellen verfügt hätten,
– eine Möglichkeit wäre, dass Waffenbeschaffungen auch über Jan Werner hätten erfolgt sein können,
– Uwe Mundlos soll ein Telefonat am 11.04.1998 mit Jürgen Helbig geführt haben, dieses soll aus der Schweiz gekommen sein, ohne dass ersichtlich wird, warum Mundlos – wenn er es gewesen sein soll – den Anruf aus der Schweiz getätigt haben soll,
– Beate Zschäpe sei 2010 bei einem Rockerprozess gesehen worden.
Diese mitgeteilten Umstände – selbst ihre Richtigkeit unterstellt – haben mit den Beweisthemen nichts zu tun und stellen sich als völlig zusammenhangslos dar.

bb) Es werden weiter ohne erkennbares Muster tatsächliche oder vermeintliche Fakten aneinandergereiht, von denen einige allgemein mit der Beschaffung irgendwelcher Waffen zu tun haben sollen, einige sich auf die beiden benannten Zeugen beziehen. Aber auch hier fehlt ein verbindender Bezug zwischen den genannten Beweisthemen und den Beweismitteln.
Es wird nicht gesagt, warum die Zeugen irgendetwas zur Tatwaffe Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 bekunden können sollen. Über den Zeugen Jug Puskaric wird behauptet, er habe Schnittstellen in Kennverhältnissen zu Personen gehabt, zu denen auch Mundlos und Böhnhardt Kontakt gehabt hätten.

Einziger überhaupt denkbarer Ansatzpunkt könnte sein, dass der Zeuge Hubeny in seiner polizeilichen Vernehmung vom 13.03.2012 bekundet haben soll, der Zeuge Sven Rosemann hätte ihm „im Jahr 2000 einige Waffen gezeigt, dabei unter anderem eine Ceska 83“. Es wird aus dem Antrag nicht ersichtlich, wann im Jahr 2000 er diese Waffen gezeigt haben soll – und ob dies vor dem 09.09.2000, erster Ceska-Mord-Fall, gewesen wäre. In der Zeugenvernehmung des Zeugen Hubeny vom 13.03.2012 ist von „Sommer 2000“ die Rede. Der Sommer beginnt auf der Nordhalbkugel am 20./21. Juni und endet am 22./23. September. Somit ist nicht einmal bei der Unterstellung der Richtigkeit der Angaben Hubeny in dessen Zeugenvernehmung zwingend, dass eine Waffenübergabe der dortigen angeblich gezeigten Ceska 83 bis zum 09.09.2000 an Mundlos/Böhnhardt hätte erfolgen können.

Nicht im Mindesten wird mitgeteilt, dass es sich um die hier relevante Tatwaffe, die Ceska 83 mit Schalldämpferaufschraubvorrichtung und mit der Waffennummer 034678 gehandelt haben könnte. Soweit die Waffennummer beim Beweisthema im Antrag genannt wird, geschieht dies offenkundig ins Blaue hinein, da anschließend in der Begründung nicht mehr darauf zurückgekommen wird. Auch der Hinweis auf eine Schusswaffe Mossberg Pumpgun, die der Zeuge Rosemann gezeigt haben soll und „eine solche Waffe“ später bei Mundlos und Böhnhardt aufgefunden worden sei, ist offenkundig unrichtig. Die Antragsteller zerren einzelne Details der Ermittlungen aus dem Zusammenhang, um zu suggerieren, die damals angeblich gezeigte Ceska 83 und die angeblich gezeigte Mossberg-Pumpgun könnten die identischen Waffen sein, die später bei Personen des NSU-Trios gefunden worden seien.
Dies ist falsch.

Laut der von den Antragstellern selbst zitierten Aussage des Zeugen Michael Hubeny vom 13.03.2012 soll dieser zwar bekundet haben, dass er beim Zeugen Rosemann eine Ceska 83 und eine Pumpgun Mossberg gesehen hat, jedoch hat er dazu weitere konkrete Details benannt, anhand derer ausgeschlossen werden konnte, dass es sich um die Waffen handelte, die Mundlos und Böhnhardt im Besitz hatten. So hatte die Ceska 83 von Rosemann laut Aussage Hubeny einen
Lauf, der vorn nur wenige Millimeter aus dem Rahmen herausragte. Die Tatwaffe Ceska 83, die vom NSU eingesetzt wurde, hatte hingegen einen Lauf, der deutlich mehr als einen Zentimeter aus dem Rahmen herausragt und ein Gewinde zum Aufsetzen eines Schalldämpfers hatte.
Der Zeuge Hubeny, der sich nach eigenen Angaben damals gut mit Schusswaffen auskannte, bestätigte detailliert, dass die von ihm gesehene Ceska 83 einen gedrehten Polygonlauf hatte. Die vom NSU verwendete Tatwaffe hatte einen Lauf mit Feld-Zug-Profil. Ein Polygonlauf weist hingegen keine Felder und Züge auf.

Zu erwähnen ist auch noch, dass der Zeuge Hubeny nicht ausführt, die Waffen seien durch Puskaric beschafft worden, sondern „über ihn“ bzw. „über Vermittlung“ des Zeugen Puskaric – siehe Vernehmung Hubeny vom 26.06.2012. Es gibt also keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Waffen, die er bei Rosemann gesichtet haben will, jemals im Besitz des Zeugen Puskaric gewesen sind.
Auch bei der Pumpgun Mossberg ist eine Identität der bei Rosemann gesehenen Waffe mit der vom NSU benutzten Pumpgun ausgeschlossen. Denn die Waffe von Rosemann war eine Dekowaffe, die wieder „scharf“ gemacht – er sagte „aufgebohrt“ – wurde. Die später bei Mundlos und Böhnhardt aufgefundene Pumpgun wies keinerlei Anzeichen dafür auf, dass an dieser entsprechende Rückumbauarbeiten stattgefunden hätten. Da verweise ich auf das BKA-Gutachten.
In Bezug auf den Zeugen Rosemann ist festzuhalten, dass dieser in seiner Vernehmung vom 12.12.2012 bekundete, dass er „nach dem Abtauchen keinen Kontakt zu den Dreien gehabt“ habe und sie „persönlich nie wieder gesehen“ habe. Er habe „nie Besuch von denen“ gehabt und ihnen auch „nicht geholfen“. Auf die Frage einer Waffenlieferung an Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe hat er ausdrücklich ausgeschlossen, diesen jemals Waffen geliefert zu haben. Den Zeugen Jug Puskaric kannte er zwar, hat aber ausdrücklich ausgeschlossen, über diesen Waffen erhalten oder vermittelt bekommen zu haben. Damit bekundet er genau das Gegenteil von dem, was die Antragsteller in sein Wissen stellen.

e) Bis auf die behauptete Unkenntnis der Antragsteller – die bis vor „wenigen Tagen“ vorgelegen haben soll, ohne „wenige Tage“ zu konkretisieren – von den mutmaßlichen Ermittlungen des LKA Baden-Württemberg gegen Jug Puskaric sind alle anderen aufgestellten Behauptungen den Antragstellern offensichtlich seit langem bekannt, weitgehend liegen entsprechende Fundstellen in den Verfahrensakten vor. Somit fragt sich, was die mutmaßlich jetzt – „vor wenigen Tagen“ – bekannt gewordene Tatsache der Ermittlung es LKA Baden-Württemberg gegen den Zeugen Puskaric damit zu tun hat, dass die damit in keinem Bezug stehenden behaupteten Beweistatsachen erst jetzt, lange nach Abschluss der Beweisaufnahme, nach dem Schlussvortrag der GBA und fast aller Schlussvorträge der Nebenklage erfolgt. Selbst der Versuch einer Begründung dafür ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Der Antrag hätte in Bezug auf die beiden konkreten Beweistatsachen und die dazu benannten Zeugen in gleicher Weise vor einem Jahr oder am ersten Hauptverhandlungstag gestellt werden können, ohne dass die Kenntnis von den mutmaßlichen Ermittlungen des LKA Baden-Württemberg dafür von Bedeutung waren oder sind. Selbst wenn es diese mutmaßlichen Ermittlungen nie gegeben hätte, hätte der Antrag zu den beiden konkreten Beweistatsachen genauso am ersten Hauptverhandlungstag gestellt werden können.

f) Der Senat wird somit den gesamten Antrag als Beweisermittlungsantrag auszulegen und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Aufklärungspflicht zu prüfen haben. Da ein sinnvoller Anhaltspunkt für die Zeugenvernehmung fehlt, ist diese nicht durchzuführen. Gleiches gilt für die beantragte Aktenbeiziehung – allein die Tatsache, dass das LKA im Jahre 2017 ein neues Verfahren gegen den Zeugen Puskaric angelegt habe, legt keine nähere Pflicht nahe, diese Akten beizuziehen, da nicht erkennbar ist, inwiefern der Gegenstand dieses Verfahrens Bezüge zur hier verwendeten Ceska 83 mit der Waffennummer 034678 aufweisen soll. Es ist eine reine Behauptung ins Blaue hinein, dass es sich bei dem Inhalt dieser Akten „in Wahrheit um Ermittlungen zur Herkunft der Tatwaffe Ceska 83“ handeln würde.
g) Auf die Fristsetzung des Vorsitzenden zur Stellung von Beweisanträgen kommt es danach nicht mehr an.
h) Ggf. kann es im Ermessen des Gerichts liegen, die Antragsteller zunächst im Rahmen eines Hinweises anzuhalten, zu den oben genannten Fundstellen – die offenkundig machen, dass nichts dafür spricht, dass die Zeugen Angaben zu den aufgestellten Beweisbehauptungen machen können (wohl aber für das Gegenteil) – Stellung zu nehmen und ihren Antrag erneut im Hinblick auf das von der BGH-Rechtsprechung entwickelte Konnexitätserfordernis zu konkretisieren.

Götzl: „Wir werden jetzt Kopien fertigen lassen. Herr Rechtsanwalt Langer, wie lang werden Sie fürs Ausdrucken brauchen?“ Langer sagt etwas ohne Mikrofonverstärkung. Götzl: „Dann machen wir eine Unterbrechung und setzen um 11:30 Uhr fort.“ Um 11:33 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind denn noch Stellungnahmen? Dann würden wir so verfahren, dass wir für heute dann unterbrechen.“ Schneiders beantragt die Unterbrechung bis morgen, 12 Uhr. Götzl: „Wird die Zeit bis 12 Uhr für die Stellungnahme benötigt?“ Klemke: „Ansonsten hätten wir es nicht beantragt.“ Götzl: „Dann unterbrechen wir die Hauptverhandlung und setzen morgen fort um 12 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 11:34 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Zum Beginn des Verhandlungstages stellte die Verteidigung Wohlleben ihren angekündigten Beweisantrag: Jug Puskaric und Sven Rosemann […] sollen als Zeugen geladen werden, sie würden bestätigen, dass sie und nicht Wohlleben und Schultze die Mordwaffe Ceska besorgt hätten. Die genannten werden dies indes wohl kaum bestätigen – und auch ansonsten spricht inhaltlich nichts für die Richtigkeit der These der Verteidigung. So beantragte die Bundesanwaltschaft, den Antrag abzulehnen – tat dies aber, wenn auch wortgewaltig, so doch praktisch allein mit Förmeleien und ohne jeden inhaltlichen Tiefgang. So war es wieder einmal an Nebenklägervertreter Hardy Langer, den Ermittlungsbehörden auf die Sprünge zu helfen und anhand der zu Puskaric und Rosemann bekannten Tatsachen darzustellen, warum gar nichts für eine Besorgung der Tatwaffe durch diese beiden spricht. So hatte etwa die Verteidigung ihren Antrag zentral darauf gestützt, ein anderer Zeuge habe bei Rosemann einmal eine Ceska 83 gesehen – aber verschwiegen, dass diese Waffe auf Grund technischer Merkmale, insbesondere eines verkürzten Laufes, in keinem Fall als die Tatwaffe der Ceska-Morde in Betracht kommt.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2018/01/23/23-01-2018/

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