Medienschau 15. bis 22. Februar

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Immer mehr Details zur staatlichen Aufklärung der NSU-Mordserie werden bekannt. So kündigte Generalbundesanwalt Range in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung eine Anklage gegen die in U-Haft sitzenden Nazis für den Herbst an. Zu einer Kronzeugenregelung wird es dabei wohl nicht kommen. Doch auch Range ist der Meinung, dass niemand an Terroristen gedacht habe, die ihre Taten ohne öffentliche Propaganda verüben. [1. http://www.sueddeutsche.de/politik/zwickauer-terrorzelle-anklage-wegen-neonazi-morden-im-herbst-1.1287461]

Inzwischen hat aber das BKA seine Einschätzung zum Rechtsterrorismus revidiert: Der SPIEGEL [20. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,816940,00.html] hat mal wieder ein internes Papier auf dem Tisch. Darin wird offenbar die Gefährdungslage durch rechtsterroristische Aktionen revidiert. Die Beamt_innen hielten demnach erneute Terrorzellen für denkbar und warnen nun explizit vor „selbstradikalisierten Einzeltätern“ und der „Bildung terroristischer Kleingruppen“. Aber worauf nur stützt das BKA diese, nur für sie neue Erkenntnis? Ob es wohl auch wieder das mögliche Nicht-Vorhandensein von Bekennerschreiben geht? Das wird uns leider vorenthalten. Zeit, dass solche Quellen regelmäßig und prinzipiell geleakt werden.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen den Sänger der Band „Gigi & Die braunen Stadtmusikanten“ Anklage erhoben. Dem 42-jährigen Meppener Daniel Giese wird vorgeworfen, mit dem „Döner-Killer Song“ die Taten des NSU gefeiert zu haben, berichtet der NDR.[2. http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/emsland/naziband101.html]  Wieso die Staatsanwaltschaft den Liedtext erst nach dem Bekanntwerden der Mordserie als strafrechtlich relevant eingestufte, obwohl die CD „Adolf Hitler lebt!“ bereits 2010 indiziert wurde, bleibt ein Rätsel. Ende November letzten Jahres hatte der Berliner VVN-BdA Anzeige wegen des Liedes erstattet. [3. http://berlin.vvn-bda.org/?p=2064]

Der Untersuchungsausschuss in Thüringen hat mit der Arbeit begonnen und Beate Zschäpe für die öffentliche Sitzung am 12. März vorgeladen. Ob dies überhaupt Sinn macht, stellt die Ausschuss-Vorsitzende Dorothea Marx bereits im Vorfeld in Frage: „Ein mögliches Ergebnis kann auch sein, dass wir kein Ergebnis haben werden“. Zschäpe soll zu Kontakten der Sicherheitsbehörden zum NSU und seinem Umfeld befragt werden.[4. http://www.mdr.de/nachrichten/zwickauer-trio358_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html] [5. http://www.insuedthueringen.de/regional/thueringen/thuefwthuedeu/Politische-Aufklaerer-und-ein-Streit;art83467,1902414]

Aufzuklären gäbe es viel, so berichtet das ARD Politmagazin Panorama von den Ermittlungspannen der Behörden, die es bereits im Jahr 1997 gab. So habe sich Uwe Böhnhardt, der zum damaligen Zeitpunkt eine Haftstrafe hätte antreten müssen, der Polizei entzogen, in dem er in seinem Auto so stark beschleunigte, „daß eine Verfolgung im Rahmen der STVO nicht möglich war“. [6. http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/nazis135.html]

Am morgigen 23. Februar werden die Familien der Opfer der NSU-Mordserie zu der offiziellen Gedenkveranstaltung zu der der Bundespräsident eingeladen hatte, als er noch im Amt war. Doch nicht alle Familien wollen an der Veranstaltung teilnehmen, da sich viele noch immer nicht unterstützt fühlen. Das Deutschlandradio Kultur berichtet über die Opfer und Semiya Simsek, deren Vater in Nürnberg erschossen wurde, spricht von ihrer Enttäuschung. Sie wird nach über 25 Jahren das Land verlassen, in dem sie geboren wurde und in die Türkei ziehen: „Ich hatte bis heute eigentlich nie die Frage: gehöre ich in diese Gesellschaft oder nicht, diese Frage hatte ich gar nicht, aber mittlerweile denke ich, wir gehören gar nicht dazu, die wollen uns gar nicht.“ [7. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/1683796/] Auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen Barbara John beklagt die mangelnde Unterstützung. [8. http://www.welt.de/politik/deutschland/article13881713/John-fordert-mehr-Hilfe-fuer-Angehoerige-der-NSU-Opfer.html] [9. http://www.tagesspiegel.de/politik/semiya-simsek-neonazi-opfer-erhebt-schwere-vorwuerfe/6227258.html]

Zumindest führt die Bundesregierung nun die Opfer der NSU-Morde auch in ihrer Liste der Todesopfer rechter Gewalt auf und erklärt, dass es seit 1990 58 Tote gegeben habe, so der Berliner Tagesspiegel.[10. http://www.tagesspiegel.de/politik/politisch-motiviert-jetzt-offiziell-58-todesopfer-rechter-gewalt/6232838.html] Journalist_innen und unabhängigen Initiativen kommen in ihren Zählungen auf weit mehr Opfer rechter Gewalt (je nach Zählung 148-182 Todesopfer).[11. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-rechter-gewalt] [12. http://www.opfer-rechter-gewalt.de/]

Zuletzt sei noch auf einen umfangreichen Hintergrund-Artikel zum Umfeld und Netzwerk des NSU von Andrea Röpke und Otto Belina beim Blick nach Rechts verwiesen.[13. http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/nsu-im-netz]