Protokoll 182. Verhandlungstag – 4. Februar 2015

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An diesem Verhandlungstag sagt erneut ein Beamter des LKA NRW zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße aus. Dabei geht es insbesondere um eine Tatortskizze und aus dieser folgende Vermessungsergebnisse. Außerdem sagt eine behandelnde Ärztin aus. Der dritte geladene Zeuge, ein Jugendfreund von Uwe Mundlos, ist nicht erschienen.

Zeug_innen:

  • Heribert Sch. (LKA NRW, Tatortausmessung Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße)
  • Dr. Daciana Ra. (Behandlung eines Betroffenen des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße)

Der Verhandlungstag beginnt um 9:47 Uhr. Erster Zeuge ist Heribert Sch. vom LKA NRW (siehe 173. Verhandlungstag). Götzl verliest dessen Aussagegenehmigung und sagt dann, es gehe heute um zwei Skizzen, die beim letzten Mal angesprochen worden seien, eine Tatortskizze, die Sch. erstellt habe, und einen Auszug aus dem Liegenschaftsregister. Zunächst geht es um die Tatortskizze. Man sieht eine Draufsicht auf einen Teil der Keupstraße nach dem Anschlag, auf der neben der Straße und den darauf befindlichen PKW und Gegenständen auch jeweils ein Stück der Häuserfronten zu beiden Seiten zu sehen ist. Auf dem Bild sind farbige Linien und Kreuze zu sehen. Sch. sagt, man sehe hier einen Teil der Keupstraße, der ihm als „innerer Tatort“ übergeben worden sei. Seine Aufgabe sei gewesen, das fotografisch zu sichern und für die Vermessung vorzubereiten. Aus den Bildern berechne das Programm „Rollei-Metric“ die Vermessung. Das sei ein planparalleles Bild, Fehler würden rausgerechnet: „Wir gucken hier drauf wie auf eine Zeichnung.“ Er könne hier mit „AutoCad“ die Linien nachzeichnen, dann sei das wie eine Original-Unfallskizze.

An der rechten Seite sehe man eine andere Farbschattierung, das sei von einem anderen Bild genommen, denn bei „Rollei-Metric“ sei man in der Lage, eine große Bitmap-Datei aus verschiedenen Bildern zusammenzustellen. Für die Genauigkeit seien die Vermessungsreferenzstrecken wichtig. Sch. zeigt auf „Referenzkreuze“ [phon.], die mit römischen Zahlen benannt sind. Die Maße entnehme er vor Ort mit einem Stahlmaßband. Alle anderen Maße greife man sich auf der Dienststelle auf dem Rechner ab. Er weist auf ein grünes Referenzkreuz hin. Man habe dann hier die Maße der Straßenbreite, der Gehwegbreite, des Parkstreifens. Er nennt die Maße [sämtliche Maße und Zahlen phon.]: Nördlicher Gehweg: 2,28 m; Parkstreifen: 1,91 m; Fahrbahn: 4,44 m; südlicher Parkstreifen: 1,91 m und Gehweg: 2,17 m. Wenn er das in den Rechner geladen habe, könne er alle Maße auch in der Entfernung abgreifen. Die Skizze dürfe im Maßstab 1:100 gewesen sein, so Sch., aber da sei er sich nicht sicher, das wäre dann 1 cm entsprechend 1 m. Götzl wirft ein, dass auf der Skizze stehe 1:50. Sch. sagt, das könne auch sein. Götzl bittet Sch., die Bereiche in Bezug auf die Anwesen zu erläutern.

Die gelb eingezeichneten Bereiche seien die Spurensicherungsbereiche, die ihm die „Tatortgruppe Sprengstoff/ Brand“ übergeben habe, damit die Berichte übereinstimmen. Götzl: „Ich würde Sie bitten, dass Sie in einer Pause Messungen vornehmen. Mich interessiert der Bereich vom Anwesen 29 zu verschiedenen Anwesen.“ Götzl nennt mehrere Hausnummern. Des weiteren interessiere ihn, so Götzl, wie weit der Bereich von 150 und 250 Metern von Hausnummer 29 ab reicht. Götzl fragt dann nach dem Auszug aus dem Liegenschaftsregister. Zu sehen ist ein Katasterausschnitt, der die Keupstraße zeigt. Darauf sind Bilder von Häuserfronten mit Linien den jeweiligen Hausnummern zugeordnet. Götzl sagt, das stamme vom BKA und fragt, ob Sch. damit gearbeitet habe. Das verneint Sch. Hier könne er die Maße mit dem Lineal nur grob abnehmen, so Sch. Götzl: „Uns geht es nicht um den Zentimeterbereich. Also wir würden Sie bitten, die Messungen durchzuführen.“ SV Mölle sagt, ihn interessiere auch der Spurensicherungsbereich 1, der in die Skizze nicht eingetragen sei. Es folgt eine Unterbrechung, die bis 10:44 Uhr verlängert wird.

Dann wird zunächst die sachverständige Zeugin Dr. Ra. vorgezogen. [Ra. wurde geladen, weil ihr Vorgesetzter Mü. am 176. Verhandlungstag die Behandlung von einem Betroffenen des Keupstraßenanschlags nicht vorgenommen hatte.] Ra. sagt, sie könne nicht aus der Erinnerung, sondern auch nur anhand des Ambulanzbogens über die Verletzungen berichten. Im Folgenden legt sie dar, welche Verletzungen der Betroffene hatte und wie er behandelt wurde.

Danach sagt Götzl, der Zeuge Sch. brauche noch 15 Minuten für seine Messungen, da sei die Frage ob man nicht gleich die Mittagspause einlege. Im Saal kommt Gelächter auf. Götzl fragt RA Heer, ob die Erklärung, die der sich vorbehalten habe, fertig sei. Heer sagt, er wolle die Erklärung am morgigen Tag abgeben. Götzl erwidert, dass Heer nur habe warten wollen, bis der Arzt gehört wird, und den haben man nun schon letzte Woche gehört. Heer sagt, er habe angekündigt, den Antrag diese Woche zu stellen, und das werde auch diese Woche erfolgen. Dann verliest Götzl für den SV Mölle Angaben von vier Betroffenen des Keupstraßenanschlags. Mölle war bei deren Aussagen nicht anwesend (siehe 176. Verhandlungstag). Danach folgt die Mittagspause bis 12:09 Uhr.

Dann geht es mit der Einvernahme von Sch. weiter. [Sämtliche Maße und Zahlen phon.] Sch. sagt, man habe mit dem Katasterplan, der vom BKA bearbeitet worden sei, ein kleines Problem. Es stehe 1:1000 drauf, aber er sei dann auf 1:317 vergrößert worden. Von daher sei es etwas schwieriger, damit zu arbeiten: „Ich habe entsprechend Ihren Wünschen, es war ja die Aufgabe, einzuzeichnen den Abstand von 150 und 250 Meter. 150 m südwestlich vom Ort liegt etwa in dieser Größenordnung.“ Sch. zeigt auf eine Stelle. Götzl: „Welches Anwesen ist das?“ Sch.: „Ich habe es in die Karte eingezeichnet.“ Götzl sagt, es sei beim Anwesen 79 bzw. auf der anderen Seite 94. Dann zeigt Sch. auf eine weitere Stelle und sagt, an der Kreuzung etwa seien die 250 Meter erreicht. In nördlicher Richtung könne man es nicht einzeichnen, weil das nicht mehr auf der Karte vorhanden sei, aber er habe sich das nochmal bei GoogleMaps angeschaut und die 150-Meter Grenze befinde sich etwa noch gut 70 m von der Einmündung Schanzenstraße. Und die 250 m seien dann bei der etwas größeren Hauptstraße, der B8. Dann habe er entsprechend der Aufgabe die einzelnen Örtlichkeiten abgegriffen, so Sch. weiter. Das Haus 27 beginne im Abstand von 1,45 m, 25 im Abstand von 10,55 m. Sch.: „Bei Haus 21, da habe ich, glaube ich einen Rechenfehler.“ Bei 31 seien es 5 m. Bei Nummer 33 nennt Sch. 116 m.

Götzl unterbricht und sagt, die beiden Hausnummer würden aber nebeneinander liegen. Es wird nochmal die Karte in Augenschein genommen und es stellt sich heraus, dass Sch. einen Kommafehler gemacht hat. Es handele sich um 11,60 m. Dann nennt Sch. das Maß für die Nummer 21: 25,36 m. Auf der anderen Straßenseite nennt Sch. für die Hausnummer 48 das Maß 14,72 m und für die Nummer 50 das Maß 5,05 m. Götzl: „Das kann nicht zutreffend sein. Ich befürchte, dass auch die 48 nicht zutreffend ist.“ Sch. erwidert, das sei korrekt, die 50 habe bezogen auf den Ereignisort einen Abstand von 5,05 m und 48 sei weiter weg, 14,72 m. Götzl entgegnet, Sch. habe die Breiten von Gehwegen, Parkstreifen und Fahrbahn genannt, da komme er schon hochgerechnet auf ungefähr 12 m. Deswegen könne es unmöglich sein, dass die Entfernung zwischen den Hausnummern 29 und 50 dann 5 m betrage: „Also, wenn Sie noch eine Pause brauchen, machen wir lieber eine Pause.“ Es geht kurz zwischen Sch. und Götzl hin und her, bis sich herausstellt, dass Sch. nicht die Diagonale bezogen auf die Hausnummer 29 gemessen hat. Götzl legt eine Pause ein.

Um 12:43 Uhr geht es weiter. Dann sagt Sch. er habe jetzt die Diagonalen ausgemessen. Von Nummer 29 zu Nummer 48 seien es etwa 24 m, zu 50 19,25 m, zu 52/ 54 17,75 und zu 56 22 m. Götzl fragt nach den Nummern 58, 60, 62. Die seien nicht mehr in der digitalen Karte drin sondern nur im Katasterplan, so Sch. Das seien auf jeden Fall mehr als 22 m: „Da das vom Tatort weggeht, steigen die Entfernungen an.“ Götzl erwidert, dass er das laienhaft auch hätte sagen können. Sch.: „Ich kann es Ihnen sofort ausrechnen.“ Götzl: „Das war die Aufgabe.“ Außerdem würden ihn äußere Spurenbereiche interessieren, so Götzl, die seien ja nicht eingezeichnet; da interessiere ihn der jeweilige Beginn von der Entfernung her. Der Zeuge misst und rechnet. Es kommt zu einer kurzen Debatte darum, welche Spurenbereiche Sch. in Bezug auf die Entfernung ausmessen könne.

Götzl: „Dann könnten Sie doch auf jeden Fall ausmessen den Spurenbereich 2, der in der Skizze enthalten ist.“ Sch.: „Ja, der hat einen Entfernung vom Tatbereich 13,50 m“. Bereich 3 beginne, fährt Sch. fort, in einer Entfernung von 1,90 m, der Bereich unterhalb des Tatorts, Nummern 4,5,6,7 und 8 in einer Entfernung von 4,95 m, 9 und 10 in Entfernung von 10,90 m, 11 und 12 in 17,25 m und Bereich 13 in 18,25 m. Götzl lässt sich erklären, wo Sch. bei einzelnen Bereichen gemessen habe. Dann sagt er: „Was wir jetzt noch brauchen sind die Hausnummern 58, 60 und 62.“ Der Zeuge rechnet wieder. Das Haus 58 befinde sich in einer Entfernung von 21,55 m, so Sch.. Der Unterschied zum Haus 56 ergebe sich daraus, dass man in der Zeichnung [gemeint ist vermutlich der Katasterausschnitt]einen anderen Messpunkt nehmen müsse. Hausnummer 60 befinde sich in einer Entfernung von 30,44 mm und 62 in 38,04 m.

NK-Vertreterin RAin Link fragt, ob das Haus 56 weiter als Haus 58 vom Explosionsort entfernt sei. Sch. erläutert: „Wir arbeiten mit zwei verschiedenen Zeichnungen.“ Die Zeichnung des BKA sei ein Katasterplan ursprünglich 1:1000, der aber vergrößert worden sei. Durch die Vergrößerung würden alle Linien stark vergrößert. Daher sei eine genaue Messung hier nicht möglich. RA Matt fragt, ob Sch. die Abstände vom Abstellort des Fahrrads zu den Ecken des Bildes [Anm.: gemeint ist vermutlich die von Sch. angefertigte Tatortskizze] angeben könne. Das verneint Sch., denn er habe damals bewusst die Parterre der Häuser mit einbelichtet, damit man sich besser orientieren könne, da gebe es aber eine Verzerrung. Matt erwidert, beim Straßenbereich sei es ja dann aber möglich. Sch.: „Ja, links haben wir die komplette Fahrbahnbreite mit Maßen versehen.“ Götzl: „Ich glaube, Sie sprechen aneinander vorbei.“ Matt sagt, ihn interessiere die Diagonale übers gesamte Bild. Sch. sagt, vom Haus 29 zur Bildecke am Haus 58 [phon.] habe man eine Entfernung von 28,75 m. SV Mölle fragt, ob Sch. die Entfernung von der Einfahrt der Schanzenstraße in die Keupstraße ausmessen könne, das sei bei Haus 21. Es wird Plan ausgerollt und Sch. misst. Er nehme jetzt bewusst die Hauskante, die eingezeichnet sei, so Sch., das seien 39 m, die Hauskante von Haus 29 in Richtung Schanzenstraße bis zur Ecke an der Schanzenstraße. Sch. verneint, dass ihm Kenntnisse über den Grundriss des Frisörladens vorliegen würden.

Nach der Einvernahme verkündet Götzl, dass der vorgesehene Zeuge Alexander Ha. bisher nicht erschienen sei. Es folgt eine Unterbrechung bis 13:21 Uhr. Danach teilt Götzl mit, dass Ha. nicht erschienen sei und man das auch nicht habe abklären können, es bleibe nur, ihn erneut zu laden. Der Verhandlungstag endet um 13:22 Uhr.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
Der Zeuge hatte einen Auszug aus dem Liegenschaftsregister und eine Spezialaufnahme zur Hand, die aus verschiedenen von einem Hubschrauber aus gemachten Bildern zusammengefügt war. Die mit größtem Aufwand erstellte Aufnahme machte allerdings Schwierigkeiten, so dass er erst nach einigen Unterbrechungen in der Lage war, die Entfernung der Nachbarhäuser vom Standort des Fahrrads mit der anzugeben.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/02/04/04-02-2015/

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