Kurz-Protokoll 250. Verhandlungstag – 15. Dezember 2015

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An diesem Tag wird zunächst Volker He. befragt, er gehörte zum Umfeld von Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos und Wohlleben. Er spielte am Tag des Untertauchens der drei eine helfende Rolle. Danach verliest Götzl die ersten Fragen, die sich für ihn aus der verlesenen Aussage Beate Zschäpes ergeben haben. Zschäpe bleibt dabei, diese nicht direkt, sondern schriftlich beantworten zu wollen.

Zeuge:
Volker He. (Erkenntnisse zu Zschäpe, Wohlleben, Böhnhardt und Mundlos)

Der einzige Zeuge des Tages ist Volker He. Götzl sagt, es gehe um Erkenntnisse zu Wohlleben, Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt: „Mich würde interessieren, ob sie diese Personen kennen, unter welchen Umständen Sie sie kennengelernt haben, wie der Kontakt ggf. zu ihnen war, bei welchen Gelegenheiten.“ He.: „Ja gut, kennen jetzt im Augenblick nicht mehr, ist klar, aber damals kennengelernt, ’94, ’95 auf Partys getroffen, auf Demos waren wir gewesen, das war’s eigentlich im Großen und Ganzen.“
Götzl fragt, was He. zu den Umständen der Flucht von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt sagen könne. He.: „Naja, das ist schwierig das zusammenzubringen, da ich schon so viele Aussagen gelesen habe. Ich habe versucht meine Gedanken zu sammeln. Schon letztens bei der polizeilichen Vernehmung war nur, dass ich in Erinnerung habe, dass Herr Böhnhardt zu mir kam, damals in die Liselotte- Herrmann-Straße. Dann sind wir nach Lobeda-West [phon.] gefahren, in die Schule von der Juliane Walther.“ Sie hätten die abholen sollen und dann nach Erfurt zu Ralf Wohlleben und den abholen, so He. weiter.
He.: „Was ich dann noch weiß, ist, dass Juliane und ich zur Frau Zschäpe in die Wohnung gefahren sind. Ich habe gewartet und sie kam mit ein oder zwei Säcken wieder. Dann sind wir zu Wohlleben gefahren. Ich dachte, er wohnt da, weiß es bis heute nicht, ehemals Lindenstraße [phon.]. Und dort habe ich die Juliane Walther raus gelassen. Und dann bin ich den ganzen Tag noch mit dem Auto von Böhnhardt rumgefahren.“
Götzl: „Und dann sagten Sie, Sie seien mit dem Auto von Böhnhardt rumgefahren. Was haben Sie unternommen?“ He.: „Gar nichts, bin nur rumgefahren ein bisschen, bis ich verhaftet wurde.“ Götzl: „Weswegen sind Sie verhaftet worden?“ He.: „Dazu gab es erstmal keine Aussage, erst nach Stunden oder so, dass halt Böhnhardt und so sich auf der Flucht befinden würde. Und sie dachten, weil ich mit dem Auto rumgefahren bin, ich wär’s, obwohl ich einen Ausweis mit hatte [phon.]. Da hat man mich halt mitgenommen und dahingehend befragt.“ Götzl: „Was hat Böhnhardt denn dann anschließend gemacht?“ He.: „Das weiß ich nicht, er ist von der Schule weg und ich bin mit der Juliane alleine weitergefahren.“ He. verneint, Mundlos an diesem Tag getroffen zu haben. Götzl: „Und Beate Zschäpe?“ He.: „Nicht dass ich wüsste.“
Götzl: „Haben Sie Informationen bekommen, wie es mit den Dreien dann weiterging?“ He. sagt, mehrere Leute hätten sich gewundert, wo die hin seien. Sie hätten auch Zeitung gelesen, dann sei erstmal klar gewesen, warum sie weg waren. He. weiter: „Danach nie wieder Kontakt. [phon.] Null. Das letzte, was man halt gelesen hat, war vor ein paar Jahren das mit dem Wohnmobil. Das war das erste seit 14, 15 Jahren.“
Götzl: „Ist darüber gesprochen worden, was Sie mit dem Fahrzeug Böhnhardt machen sollten?“ He.: „Ich sollte es abends bei den Eltern abstellen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen, das ist mir hängen geblieben.“
Vorhalt aus einem Vernehmungsprotokoll von Juliane Walther: Als wir vor der Berufsschule in Erfurt angekommen waren, ist der Volker He. ausgestiegen und ich verblieb im Auto. Götzl: „Sind Sie dahin gefahren, zur Berufsschule in Erfurt?“ He.: „Nach wie vor nein.“ Vorhalt: Ob der He. Ralf Wohlleben erreicht hat, kann ich nicht sagen. Kurze Zeit später kam Volker wieder und sagte, dass er Ralf nicht angetroffen hat. Dann begaben wir uns zur gemeinsamen Wohnung von mir und Ralf in der Prüssingstraße in Jena. Vor dem Haus stand das Auto von Ralf. In der Wohnung habe ich Ralf angetroffen, er ist aber gleich gegangen, um einige Sachen zu erledigen. He.: „Da bin ich nicht der Meinung. Meine Erinnerung ist definitiv anders. Das was ich gerade angegeben habe.“
Vorhalt: Dann fuhren wir zur Wohnung des Uwe Mundlos in Jena-Nord. He.: „Auch da definitiv nein. Ich wusste nur, dass er in Ilmenau gewohnt hat, und das war alles.“ Vorhalt: Aus der Wohnung Mundlos sollte ich auch Anziehsachen holen, gegen 16 Uhr war bereits die Polizei vor Ort. He.: „Da wäre es mal interessant zu gucken, wann ich verhaftet wurde. Weil definitiv war ich dort nicht gewesen. Laut meiner Erinnerung würde ich das abstreiten. Ich wurde, glaube ich, gegen 14, 15 Uhr [phon.] verhaftet, also kann das gar nicht möglich sein.“ Der Zeuge wird entlassen

Danach sagt Götzl: „Frau Zschäpe, Sie hatten ja erklärt, dass Sie grundsätzlich Fragen des Gerichts beantworten werden. Mir geht es um Fragen zu persönlichen Verhältnissen, einige nur, und dann auch um Fragen zur Einlassung selbst. Zu den persönlichen Verhältnissen: In der Erklärung, Seite 32, hatten Sie auf Alkoholkonsum nach 2006 abgestellt. Haben Sie vor 2006 Alkohol konsumiert, gegebenenfalls wie häufig, welche Mengen und wie war die Wirkung auf Sie?“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Wir haben das besprochen und meine Mandantin fühlt sich nach wie vor nicht in der Lage, die Fragen unmittelbar und selbst zu beantworten, zur Person und zur Sache. Sie hegt einfach die Sorge, aufgrund der Umstände, dass es ihr nicht möglich ist, die Worte so zu wählen, dass es nicht zu Fehl – oder Missinterpretationen kommen kann.“ Daher wolle Zschäpe, so Grasel, die Fragen mit ihm oder RA Borchert erörtern, die Antworten besprechen und die Fragen dann durch ihn, Grasel, beantworten lassen. Es sei ihnen durchaus bewusst, dass das nicht üblich ist, aber es sei zulässig. Grasel weiter: „Es ist auch nicht das Ansinnen Frau Zschäpes, die Hauptverhandlung in die Länge zu ziehen. Aber angesichts der Vorwürfe und der vierjährigen U-Haft ist es ihr schlicht nicht möglich, die Fragen ad hoc zu beantworten.“ Götzl: „Dann würde ich Sie bitten die Fragen aufzuschreiben und mit der Mandantin zu besprechen.“ Götzl: „Dann würde mich, Frau Zschäpe, interessieren: Haben Sie Drogen konsumiert und gegebenenfalls wie häufig, welche Mengen, wie ist die Wirkung gegebenenfalls auf Sie gewesen? Soll schriftlich dazu geantwortet werden?“ Grasel: „Die wird beantwortet werden.“
Dann beginnt Götzl nach und nach und langsam seine Fragen vorzutragen:
Sind Sie ernsthaft erkrankt im Laufe Ihres Lebens und waren Sie ggf. in ärztlicher Behandlung? Das würde auch einschließen Unfälle, psychische Erkrankungen.
Welche politische Einstellung hatte Uwe Böhnhardt? Wie war seine Einstellung zu Waffen und Gewalt?
Welche politische Einstellung hatte Uwe Mundlos? Wie war seine Einstellung zu Waffen? Wie war seine Einstellung zur Frage der Anwendung von Gewalt?
Wann stieß Tino Brandt zu Ihrer Gruppe?
Auf welche Art und Weise haben Böhnhardt und Mundlos Ihnen gegenüber „deutlich zu verstehen gegeben,“ dass Sie Ihnen „in gewisser Weise misstraut“ haben? Was ist mit „in gewisser Weise“ gemeint?
Welche Vorstellungen hatten Böhnhardt und Mundlos hinsichtlich einer Auswanderung nach Südafrika?
Seite 19/20, da geht es auch um eine Formulierung, die von Ihnen verwendet wurde und danach will ich Sie fragen: Was hat Uwe Mundlos berichtet, „was rund drei Monate zuvor passiert war“. Was haben Sie, Frau Zschäpe, von Uwe Böhnhardt erfahren, was Uwe Mundlos mit den Äußerungen gemeint hat, es sei „eh alles verkackt“ und er wolle es zum „knallenden Abschluss bringen“? Des weiteren möchte ich Sie fragen: Können Sie die vorgetragenen Argumente näher ausführen, die Sie schlagwortartig beschrieben haben mit „Perspektivlosigkeit, Gefängnis und insgesamt bestehende Frustration“?
Woraus entnehmen Sie, Frau Zschäpe, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Ihnen „zwar vertrauten, aber eben nicht zu 100 Prozent“?
Welche Umstände veranlassten Sie bei Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nachzufragen, ob sie etwas mit dem Bombenanschlag in der Probsteigasse zu tun hätten? Im dritten Absatz erwähnten Sie, Mundlos und Böhnhardt seien „arbeitsteilig tätig“ gewesen, wenn Sie selbst beim Joggen gewesen wären. Da möchte ich Sie fragen: Was bedeutet, sie seien „arbeitsteilig tätig“ gewesen?
Seite 25: Da sprechen Sie davon, dass Sie „resigniert“ hätten. Was meinen Sie damit, dass Sie „resigniert“ hätten?
Welche „inhaltlosen Floskeln“ wurden von den beiden auf die Frage nach dem Warum verwendet? Des weiteren die Frage, wie sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in „ausländerfeindlicher Richtung“ geäußert hätten? Wie war der Inhalt der Hetzlieder, „wie sie einst an der ‚Schnecke‘ gegrölt wurden“? Und zum vorletzten Absatz: Was meinen Sie mit der Feststellung: „die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie“?
Dann geht es mir um ein Gespräch, Seite 28, da würde mich interessieren: Was heißt, dass Sie stundenlang auf beide eingeredet hätten? Da wäre die Frage: Können Sie Einzelheiten des Gesprächs schildern?
Über welchen Radiosender haben Sie erfahren, dass ein Wohnmobil entdeckt worden sei? Und ich möchte anknüpfend an ihre Ausführungen hier auch nachfragen: Aufgrund welcher Umstände waren Sie sich „sofort sicher, dass dieses Wohnmobil die beiden betraf und sie sich getötet hatten“? Wie war der Tag, 04.11.2011, bis dahin verlaufen? Ich möchte Sie auch danach fragen, ob Sie an diesem Tag Kontakt, telefonischen Kontakt zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten.
Wurden Sie nach Ihrer Flucht, nach Ihrem Untertauchen, außer von Starke und Rothe, die Sie erwähnt haben, von weiteren Personen unterstützt? Ggf. wann, von wem und auf welche Art und Weise? Welche Rolle hatte André Kapke im Kontakt zu Ihnen sowie zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt?
Hatten Sie Kontakt zu Susann Eminger und ggf. ab wann, wie häufig, auf welche Art und Weise?
Dann möchte ich Sie auch fragen: Was wissen Sie über die Herkunft der Waffen in der Wohnung in der Frühlingsstraße?
Dann die Frage: Wo haben Sie sich nach dem Inbrandsetzen der Wohnung Frühlingsstraße im Einzelnen aufgehalten? Waren Sie in Eisenach?
Was wissen Sie über die Herstellung und den Vertrieb des Spiels „Pogromly“?
Dann wäre die Frage an Sie, ob Sie Informationen haben und ggf. welche zu einem Anschlag in Nürnberg, bei dem eine Taschenlampe Verwendung gefunden hat oder haben soll.
Dann zu Heilbronn: Haben Sie Informationen zur Auswahl der beiden Polizeibeamten als Opfer in Heilbronn?
Wie beschreiben Sie die Persönlichkeiten und das Verhalten Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos Ihnen gegenüber und auch Dritten gegenüber?
Dann auch die Frage an Sie, Frau Zschäpe: Wie war das persönliche Verhältnis zwischen Ihnen dreien und dann auch jeweils zwischen Ihnen und Uwe Böhnhardt, zwischen Ihnen und Uwe Mundlos sowie zwischen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos?
Hatten Sie nach Ihrer Flucht im Januar 1998 Kontakt zur Familie Böhnhardt? Kam es zu Treffen?
Schließlich möchte ich Sie auch fragen, mit welchen Namen Sie, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sich untereinander angesprochen haben.
Der Verhandlungstag endet um 13:08 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/12/15/15-12-2015/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.