Kurz-Protokoll 273. Verhandlungstag – 05. April 2016

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Am heutigen Verhandlungstag lehnt das Gericht die Anträge der Verteidigung Wohlleben u.a. auf eine Aussetzung der Hauptverhandlung und eine Abtrennung des Verfahrens gegen Wohlleben ab. Es folgen einige Entgegnungen und Stellungnahmen. Danach verliest Götzl einige weitere Fragen an Beate Zschäpe, von denen sich die meisten auf das Verhältnis zu Holger Gerlach beziehen.

Heute sind mehrere Nebenkläger_innen da, darunter Angehörige der Mordopfer Theodoros Boulgarides und Mehmet Kubaşık.

Nach der Präsenzfeststellung verliest Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben, das Verfahren gegen Wohlleben abzutrennen, die Hauptverhandlung auszusetzen, sämtliche im Verfahren gegen den Wohlleben angefallenen Aktenbestandteile zu den hiesigen Verfahrensakten zu reichen, abgelehnt sind. Der Verteidigung von Wohlleben stehe wie seit Abschluss der Ermittlungen durch den GBA unbeschränkte Einsicht in die Akten und ein unbeschränktes Besichtigungsrecht aller amtlich verwahrten Beweisstücke zu. Der Antrag, die Verhandlung erst zwei Monate nach Erledigung der Aktenvervollständigung und der Einsicht in die vollständigen Akten neu zu beginnen, habe sich damit erledigt. Die Verteidiger würden ausführen, so Götzl weiter, dass zur Durchsuchung am 24.11.2011 [bei der das T-Shirt „Eisenbahnromantik“ gefunden wurde – siehe 272. Verhandlungstag]in der Akte „keinerlei Fotodokumentation“ zu finden sei, auch enthalte der Durchsuchungsbericht laut Verteidigung keinen Hinweis auf die Anfertigung von Fotos während der Durchsuchung.
Die Verteidiger würden weiter ausführen, dass die Verfahrensakten zu Wohlleben also offensichtlich unvollständig seien, zudem habe sich die dazu gehörte Zeugin auf eine Verfügung des GBA bezogen, die sich ebenfalls nicht bei den Akten befinde. Im Zusammenhang mit der Durchsuchung seien nicht nur in dem von der Verteidigung bezeichneten Sachaktenordner 535 Aktenteile abgelegt worden. Die in der Wohnung sichergestellten Asservate seien, so Götzl, in 15 gesonderten Einzelordnern ausgewertet worden. Im Ordner 57 seien zwei USB-Sticks in einem Sichtfensterumschlag gegenständlich zur Akte gebracht worden. Es ergebe sich aus dem zugehörigen schriftlich in Papierform zur Akte gebrachten Vermerk, dass hier Bilder zur Durchsuchung Wohlleben in elektronischer Form abgespeichert wurden.
Zu den Anträgen, die Hauptverhandlung abzutrennen, sagt Götzl, bei der Trennung verbundener Strafsachen handele es sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts aus Gründen prozessualer Zweckmäßigkeit. Die Verfahren gegen Wohlleben und die anderen vier Angeklagten würden seit nunmehr über 270 Tagen gemeinsam als verbundene zusammengehörige Strafsachen verhandelt, eine Trennung sei nicht zweckmäßig.
Zu den Anträgen, der BAW aufzugeben, sämtliche im Verfahren gegen Wohlleben angefallenen Aktenbestandteile zu den hiesigen Verfahrensakten zu reichen, sagt Götzl, die Aufklärungspflicht dränge nicht dazu, es gebe keine Anzeichen dafür, dass der GBA entlastendes oder belastendes Material zurückgehalten hat.

Um 11:48 Uhr geht es weiter. Schneiders verliest eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats: Entgegen den Ausführungen des Senats gewährte dieser der Verteidigung Wohlleben gerade nicht vollständige Akteneinsicht. Die Verteidigung hat in diese elektronischen Dateien gerade keine Einsicht erhalten. Die vom Senat zu gewährende Akteneinsicht wird weder durch Kopien des Sichtfensterumschlages, die Vermerke, noch durch die Bezeichnung der Verzeichnisstrukturen der USB-Sticks kompensiert. Vielmehr hätte der Senat Ausdrucke der auf den USB-Sticks befindlichen Dateien fertigen und zu den Akten nehmen und sodann sämtlichen Verfahrensbeteiligten Akteneinsicht durch Übersendung von Kopien der Ausdrucke oder diese Akteneinsicht alternativ auf elektronischem Wege gewähren müssen. Dies ist bis heute nicht erfolgt.
Durch die unterlassene Gewährung der Akteneinsicht in die oben erwähnten Dateien wird die Verteidigung in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Im Übrigen besorgt die Verteidigung des Angeklagten, dass die Verfahrensakten auch sonst nicht vollständig sind. Hilfsweise wird beantragt, der Verteidigung Einsicht in die auf den USB-Sticks befindlichen Dateien sowie in die Fotodokumentation der ED-Behandlung unseres Mandanten zu gewähren und die Hauptverhandlung hierfür angemessen, mindestens jedoch für eine Woche, zu unterbrechen.

Um 12:22 Uhr geht es weiter. OStA Weingarten nimmt Stellung: „Herr Vorsitzender, hoher Senat, auf die Gegenvorstellung der Verteidigung Wohlleben nehmen wir folgt Stellung: Zu einer Abänderung des heute morgen verkündeten Beschlusses besteht keinerlei Anlass.
Das Besichtigungsrecht der Verteidigung setzt damit notwendigerweise ein aktives Verhalten der Verteidigung voraus. Bildhaft gesprochen: Es ist nicht Aufgabe des Senats, eine Verteidigung zu den Beweisstücken zu tragen. Es war dokumentiert. [phon.] Es ist Aufgabe der Verteidigung, sich mit dem gesamte Aktenbestand zu befassen und nicht partiell.
Die Beweisrelevanz des T-Shirts ‚Eisenbahnromantik‘ hat sich erst mit der Einlassung des Angeklagten Wohlleben ergeben. Eine potenzielle Relevanz hat sich erst jetzt konkretisiert [phon.], so dass die Zuraktenahme eines Ausdrucks erst jetzt erforderlich geworden ist und erst jetzt vorgenommen worden ist.“

Dann verliest Götzl die Fragen an Zschäpe:

Wie verlief der Kontakt von Ihnen, von Seiten Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos‘ zu Holger Gerlach nach ihrem Untertauchen bis zu Ihrer Festnahme?

Hat Holger Gerlach von Ihrer Seite oder von Seiten Uwe Böhnhardts oder Uwe Mundlos‘ Informationen über die Taten bekommen?

Woher stammten die 10.000 DM, die Sie in der Einlassung vom 16.3. zu Frage 2 erwähnt haben und die danach Uwe Böhnhardt an Holger Gerlach übergeben hat?

Welche Informationen haben Sie, ob und ggf. inwiefern Holger Gerlach von Seiten Uwe Böhnhardts oder sonstiger Personen über die Herkunft des Geldes informiert wurde?

Fuhren Sie und/ oder Uwe Mundlos und/ oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen 1998 nach Hannover zu Holger Gerlach?

Gab es sonstige Treffen mit Holger Gerlach? Ggf. wann und wo? Was war ggf. der Zweck derartiger Treffen mit Holger Gerlach?

Könnten Sie bitte die in der Wette verwendeten Begriffe „Killer“ und „Cleaner“ erläutern?

Im Hinblick auf den Alkoholkonsum: Was haben Sie am 4.11.2011 gewogen?

Götzl: „Das wären die Fragen, die ich an Sie für heute habe. Wir würden dann unterbrechen, Sie können dann Einsicht nehmen, wir würden den morgigen Tag absetzen und dann nächste Woche fortsetzen.“ Der Verhandlungstag endet um 13:13 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/04/05/05-04-2016/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.