Kurz-Protokoll 281. Verhandlungstag – 10. Mai 2016

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An diesem Verhandlungstag wird zunächst Jeanette Pf. gehört, die als Ermittlerin zum wiederholten Mal in der Hauptverhandlung aussagt. Heute geht es um die Radiomeldungen, durch die Beate Zschäpe möglicherweise am 04.11.2011 erfahren hat, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot in dem Wohnmobil in Eisenach aufgefunden wurden. Es folgen Verlesungen. Danach lehnt Richter Götzl Beweisanträge von Vetreter_innen der Nebenklage ab.

Zeugin:

  • Jeanette Pf. (BKA Meckenheim, Ermittlungen zu Radiomeldungen betreffend Leichenfund im Wohnmobil in Eisenach, 04.11.2011)

Es beginnt die Einvernahme der Zeugin Jeanette Pf. Götzl sagt, es gehe um ergänzende Ermittlungen zu einem Thema, zu dem Pf. bereits gehört worden sei, zu Radiomeldungen betreffend Leichenfund im Wohnmobil in Eisenach. Pf. Sagt, sie sei am 17.03. [siehe 272. Verhandlungstag]hier gewesen und habe Ergebnisse von Ermittlungen vorgetragen: „Es wurde ein Radio sichergestellt und wir haben ein Küchenradio auf einem Foto. Und ich habe den Internetverkehr ausgewertet, da gab es neun Radiosender, deren Seiten angesurft wurden. Ein Flashcookie von MDR Info wurde festgestellt. Ich habe bei MDR Info und MDR Thüringen und MDR Jump nachgefragt. MDR Info hat über den Leichenfund erst um 15:30 Uhr berichtet, die Wohnung wurde ja grob um 15 Uhr in Brand gesetzt. Von MDR Thüringen und MDR Jump wurde mir mitgeteilt, dass keine Meldungen mehr vorliegen würden.“
Am 22.03. sei dann, so Pf. weiter, ein Artikel vom Haupstadtstudio Berlin erschienen, das nochmal recherchiert und dann doch eine Meldung bei MDR Thüringen gefunden worden sei, dass doch bereits um 14 Uhr über den Leichenfund im Wohnmobil berichtet worden sei. Sie habe dann nochmal Kontakt zu MDR Info und MDR Thüringen aufgenommen, ob das denn so stimmt, wie im Artikel berichtet. Es sei dann bestätigt worden und ihr sei die entsprechende Meldung zugeschickt worden. Sie habe außerdem bei Antenne Thüringen nachgefragt, da sei auch um 14 Uhr über den Leichenfund berichtet worden. Die Meldung um 12 und 13 Uhr habe nur den Banküberfall betroffen. Um 14 Uhr sei die Meldung gekommen, dass es eine Wendung gegeben habe, dass die Explosion im Wohnmobil mit dem Bankraub zusammen hängen könnte.
Pf.: „Das Fazit steht im Vermerk: Theoretisch konnte Frau Zschäpe über diese beiden Radiosender vom Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erfahren haben. Aus dem Internetverlauf ist es aber nicht zu erkennen.“ Die Zeugin wird um 10:11 Uhr entlassen.

Danach gibt es Verlesungen im Freibeweisverfahren. Richter Lang verliest. Es kommt der schon mehrfach bei Vernehmungen, etwa von Reinhard Görlitz, angesprochene Vermerk zu einer Beratung am 17.09.1998 im Innenministerium von Brandenburg zwischen Vertretern der VS-Ämter Thüringen, Sachsen und Brandenburg zur Verlesung. Anlass sei, so der Vermerk, ein Hinweis in einem Quellenbericht des Innenministeriums Brandenburg vom 14.09.1998 gewesen, demzufolge Jan Werner zur Zeit den Auftrag haben solle, für die „drei flüchtigen sächsischen Skinheads“ Waffen zu beschaffen: „Gelder für diese soll die B&H-Sektion Sachsen bereitgestellt haben. Nach Entgegennahme der Waffen, noch vor der beabsichtigten Flucht nach Südafrika, soll das Trio einen weiteren Überfall planen, um mit dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können. Antje Probst wolle der weiblichen Person des Trios ihren Pass zur Verfügung stellen. Probst und Werner sollen unabhängig voneinander und ohne Wissen des anderen für die drei tätig sein.“
Ziel der Beratung sei es gewesen, verliest Richter Lang, Maßnahmen festzulegen, die den Nachrichtengeber [Carsten Szczepanski, V-Mann „Piatto“des VS Brandenburg] nicht gefährden. Danach verliest Lang weiter: „Folgende Festlegungen wurden getroffen: 1. IM Brandenburg ist grundsätzlich nicht bereit, die Quellenmeldung als solches für die Polizei freizugeben. 2. Ggf. Erstellung eines Behördenzeugnisses durch BfV, da Unterstützung von dort zugesagt. 3. LfV Thüringen informiert ohne Nennung der Herkunft der Information das LKA Thüringen über den Sachverhalt. Behandlung der Hinweise mit hoher Sensibilität wird vorausgesetzt. 4. Beginn der Observation der Antje Probst durch LfV Thüringen am 16.9.1998 Nachmittag. 5. Fortsetzung der Observation durch LfV Sachsen ab 17.9.1998 ab 7 Uhr; Ende wird operativ festgelegt.“
Götzl sagt, es folge dann die Verlesung eines Vermerks des Zeugen Görlitz. [Es handelt sich um einen Vermerk bzw. eine Antworthilfe aus dessen Handakte, die er bei seiner Vernehmung dabei hatte und die das Gericht beschlagnahmt hatte.] Richter Lang verliest: „Zum Handy mit der SMS ‚Hallo was ist mit den Bums‘ hatte ich zunächst keine Erinnerung mehr, da der Sachverhalt 17 Jahre her ist. Anhand eines von mir verfassten Treffberichtes konnte ich jetzt, 2015, feststellen, dass ich ein Treffen mit Piatto von 15 bis 20 Uhr hatte. Unter anderem ging es darum, ein Handy auszutauschen. Deswegen gingen wir in ein Geschäft und ich kaufte zwei Handys. Das alte Telefon habe ich an mich genommen. Laut Treffbericht habe ich Piatto um 15 Uhr abgeholt, nach einer 30-min. Fahrt sind wir in Potsdam angekommen. Das Aussuchen und Bezahlen hat ca. 30 Min. gedauert. Weil das alte Handy aus dem Verkehr gezogen werden sollte, gehe ich davon aus, dass ich es abgeschaltet habe. Zusammengefasst hat Piatto mir das Handy gegen 16 Uhr übergeben, dann habe ich es abgeschaltet und am nächsten Tag in der Verwaltung abgegeben. Eingezogene Handys und Sim-Karten werden in der Regel kurzfristig vernichtet. Mir wurde bekannt, dass das Handy physisch nicht mehr existiert. Das heißt, die Nachricht ‚Was ist mit den Bums‘ hat Piatto nicht mehr erreicht. Ich hab es definitiv nicht eingeschaltet, denn es sollte eingezogen werden. Vor nunmehr 17 Jahren habe ich von der SMS nichts mitbekommen.“ [alles phon.]

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge von NK-Vertreter RA Narin vom 275. Verhandlungstag abgelehnt sind bzw. ihnen nicht nachgekommen wird bzw. den Beweisanregungen nicht entsprochen wird. Zur Begründung führt er aus, dass die Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen [Ralf] L. und [Volker] B. hätten abgelehnt werden können, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Den Anträgen, L. und B. im Wege der Beweisermittlung zu den in den Anträgen aufgeführten Sachverhalten zu befragen und das Spurenblatt der „MK Cafe“ vom 14.06.2012 beizuziehen, sei nicht nachgekommen worden, weil die Aufklärungspflicht zu diesen Ermittlungen nicht dränge. Den Anregungen, die Zeugen Ralf und Anja W. unter Vorhalt sich neu ergebender Tatsachen erneut zu befragen, werde nicht entsprochen.

Danach verkündet Götzl einen weiteren Beschluss. Er verkündet, dass die Anträge der NK Yozgat vom 270. Verhandlungstag zu den Teilnehmern an einer Besprechung des Innenministeriums Brandenburg bzw. des LfV Sachsen und Thüringen am 17.09.1998 abgelehnt sind bzw. ihnen nicht entsprochen wird. Nach der zusammenfassenden Wiedergabe der Anträge sagt Götzl, dass die Beweisanträge bzw. Beweisermittlungsanträge auf Vernehmung der Zeugen hätten abgelehnt werden können, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Den Anträgen, das Innenministerium Sachsen zu veranlassen, den Vermerk des Zeugen Görlitz vom 17.09.1998 in ungeschwärzter Form zur Verfügung zu stellen und die Namen der an der Besprechung vom 17.09.1998 teilnehmenden Mitarbeiter des Innenministeriums Brandenburg bzw. des LfV Sachsen und Thüringen mitzuteilen, werde nicht nachgekommen, weil die Aufklärungspflicht zu diesen Ermittlungen nicht dränge. Es folgen die üblichen Ausführungen zur Ablehnung von Beweisanträgen und zur prognostischen Prüfung.
U.a. führt Götzl aus: a. Zwar kann – und hierauf zielen die Anträge ab – das Verhalten staatlicher Behörden strafmildernd zu berücksichtigen sein. Eine derartige staatliche Mitverantwortung mindert aber nur dann die Schuld eines Angeklagten, wenn den staatlichen Entscheidungsträgern die Tatgenese vorgeworfen werden kann. Eine bloße kausale, nicht vorwerfbare Verursachung, ist nicht geeignet, sich auf den Schuldumfang auszuwirken.
b. Bei unterstelltem Erwiesensein aller unter Beweis gestellter Tatsachen und gleichzeitiger Berücksichtigung des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme zieht der Senat jedoch nicht den Schluss, dass das Behördenverhalten kausal für die weiteren Taten war. Mangels Kausalität liegt dann auch kein strafmildernd zu berücksichtigendes Behördenverhalten vor: i. Voraussetzung für die Annahme der Kausalität des Verhaltens der staatlichen Entscheidungsträger wäre, dass eine an sich mögliche Festnahme unterblieben ist. Grundvoraussetzung für eine Festnahme ist es, dass die staatlichen Stellen in der Lage gewesen wären, den Aufenthalt der gesuchten Personen festzustellen. Diesen Schluss zieht der Senat jedoch nicht.

Danach verkündet Götzl den Beschluss, dass auch die Anträge der NK Yozgat auf Beiziehung von Aktenbestandteilen in Bezug auf Görlitz bzw. Szczepanski usw. vom 270. Verhandlungstag abgelehnt seien bzw. ihnen nicht nachgekommen wird. Zu den Gründen führt er aus, dass die Beweisanträge auf Verlesung der benannten Urkunden und Vernehmung der Zeugin Dr. Wagner hätten abgelehnt werden können, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Den Anträgen, den Treffbericht vom 25.08.1998 und die Abrechnungsunterlagen zu dem dienstlichen Mobiltelefon des Zeugen Szczepanski vom 08.09.1998 beizuziehen, sei nicht nachgekommen worden, weil die Aufklärungspflicht zu diesen Ermittlungen
nicht dränge.
Dann sagt Götzl, dass den Anträgen, den Treffbericht zu dem Treffen von Görlitz mit der Quelle Szczepanski vom 25.08.1998 und die Abrechnungsunterlagen zu dem dienstlichen Mobiltelefon des Zeugen Szczepanski vom 08.09.1998 beizuziehen, als Beweisermittlungsanträgen nicht nachgekommen wird, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen tatsächlich ohne Bedeutung seien. Der Verhandlungstag endet um 12:10 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/05/10/10-05-2016/

Die vollständige Version des Protokolls findet sich hier.