München: Polizei schikaniert Gäste von NSU-Watch nach Besuch an einem NSU-Tatort

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Münchener Polizeibeamte schikanierten am vergangenen Mittwoch (11.5.2016) auf skandalöse Art und Weise eine Gruppe von Stipendiat_innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung nach deren Besuch des Ladens, in dem Habil Kılıç (38) am 29. August 2001 vom NSU ermordet wurde.


Die Stipendiat_innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die zum Thema NSU forschen und sich für die Aufklärung des NSU-Komplexes engagieren, besuchten seit Montag, den 9. Mai 2016, den NSU-Prozess, das Theaterstück „Urteile“ im Residenztheater und die Initiative NSU-Watch. Am Mittwoch fuhren die Teilnehmenden nach dem Prozess zu einem Gedenken an Habil Kılıç und zur Rekonstruktion des Tathergangs seiner Ermordung in die Bad-Schachener-Straße, wo sich neben dem Tatort auch eine Polizeistation befindet. Wie die Betroffenen schilderten, nahm eine Person von ihnen Fotos des Polizeigebäudes in der Blickachse zum Tatort auf, als zunächst eine Polizistin und Kollegen in zivil auf sie zukamen. Die Polizeibeamt_innen unterzogen die Gruppe einer schikanösen und diskriminierenden Personenkontrolle.

Weitere Beamte kamen dazu und verbrachten zwei der fünf Personen  – zum Teil unter unmittelbarem Zwang –  in die Polizeistation, wo sie sie, begleitet von einschüchternden Bemerkungen und Drohungen, über eine halbe Stunde fest hielten. Mehrfach äußerten die Polizist_innen sich nach Angaben der Betroffenen beleidigend und abwertend über die Kontrollierten. Die Polizist_innen weigerten sich zunächst, den Grund für die Maßnahme zu nennen und lehnten es auch ab, sich auszuweisen. Erst nach wiederholten Aufforderungen zeigten zwei Beamte ihre Dienstausweise, als Grund der Maßnahme wurde u. a. der Verdacht der Spionage genannt. Sie zwangen den Fotografen zum Löschen der gemachten Bilder.

Die Verbindungen zum NSU-Komplex machen diesen Vorfall zu einem besonderen Skandal:
Polizeiliches Handeln ist nach wie vor von Respektlosigkeit und autoritärem Verhalten geprägt. Bürger_innen, vor allem als „nicht-deutsch“ wahrgenommene aber auch als „links“ wahrgenommene Menschen, die ihre Rechte kennen und einfordern, müssen offenbar jederzeit mit polizeilichen Übergriffen und inakzeptabler Schikane rechnen. Erst recht in der direkten Nähe zum Tatort eines NSU-Mordes darf man von der Polizei mehr Geschichtsbewußtsein verlangen und ein angemessenes Verhalten interessierten Passant_innen gegenüber erwarten.

Ulli Jentsch von der Initiative NSU-Watch kritisiert:
„Die Verantwortlichen im Polizeipräsidium müssen den Vorfall aufklären und sich bei den Betroffenen für das unangemessene Verhalten ihrer Beamt_innen entschuldigen! Wir sind sehr wütend über die unwürdige Behandlung unserer Gäste und Freund_innen.“

Ein Teilnehmer der Reisegruppe sagte: „Es war die Willkür der Beamten, die mich am meisten erschrocken hat. Die Bad-Schachener-Straße sollte ein Fanal in der Reflexion von polizeilicher Praxis in München sein. Dass ein dort arbeitender Beamter nicht mal Kenntnis über den dort geschehenen Mord an Habil Kılıç hat, macht mich sprachlos.“

Berlin und München, 14. Mai 2016