Protokoll 350. Verhandlungstag – 22. Februar 2017

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An diesem Prozesstag ist als Zeugin die Abteilungsleiterin in der JVA Stadelheim geladen, sie wird zum Verhalten der Angeklagten Beate Zschäpe befragt. Sie beschreibt Gespräche über den Hofgang und die Menge an gestatteten Gegenständen in der Zelle, dabei habe es keine größeren Auffälligkeiten gegeben. Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Saß sagt diesbezüglich, das ändere an seinem Gutachten nichts, da es zu den Eigenschaften und besonderen Fähigkeiten von Zschäpe gehöre, dass sie sich sehr kontrolliert, beherrscht und gut der Situation angepasst verhalten könne. Außerdem geht es an diesem Prozesstag um Inaugenscheinnahmen und Anträge. NKRA Narin stellt dabei einen Beweisantrag, das „Drehbuch“ des Bekennervideos des NSU zu verlesen.

Zeugin und Sachverständiger:

  • Marione Ha. (Abteilungsleiterin in der JVA Stadelheim, zum Verhalten von Zschäpe in der Haft)
  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrische Begutachtung von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Anwesend ist auch heute wieder Zschäpes Wahlverteidiger RA Borchert. Erste und einzige Zeugin ist Marione Ha. Götzl: „Es geht uns um das Verhalten Frau Zschäpes in der Untersuchungshaft in der JVA in München.“ Zunächst verliest Götzl die Aussagegenehmigung Ha.s vom 21. Februar 2017. Dann sagt er: „Ich würde Sie bitten, dass Sie zunächst von sich aus berichten, was Sie im Hinblick auf das genannte Beweisthema uns mitteilen können.“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer wendet sich an Götzl: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Zeugin fragen könnten, was da vor ihr liegt an Unterlagen.“ Ha.: „Ich habe mir lediglich für mich Notizen gemacht, in Stichpunkten, über den Haftverlauf. Ich kann es auch wegtun.“ Götzl: „Legen Sie es mal beiseite. Wir können ja schauen. Ich würde Sie bitten, zu berichten, was Sie an Informationen haben.“ Ha.: „Frau Zschäpe ist seit März 2013 bei uns in der JVA München. Ihre vollzugliche Führung ist unauffällig, es kam zu keinerlei disziplinarischen Auffälligkeiten. Verhalten gegenüber Kollegen ist freundlich, korrekt, höflich, bei den Mitgefangenen scheint sie gut integriert zu sein, auf der Station und insgesamt in der JVA ist sie gut integriert.“ Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath beschwert sich, Ha. solle langsamer sprechen. Nahrath wendet sich an OStA Weingarten: „Ja, was schütteln Sie jetzt da den Kopf?“

Ha.: „Ja, das ist im Großen und Ganzen alles, was ich zur vollzuglichen Führung der Gefangenen in der Anstalt berichten kann. Besonderheiten gab es keine.“ Götzl: „Hatten Sie persönlich Kontakt zu Frau Zschäpe?“ Ha.: „Mehrmals persönlich, im Wesentlichen ging es um vollzugliche Angelegenheiten. Mir gegenüber war sie höflich im Kontakt, wir haben sachlich Themen besprochen, die sie angesprochen hat.“ Götzl fragt nach einem Beispiel. Ha. sagt, einmal sei es um den Hofgang gegangen, um die Sportmöglichkeiten im Hofgang. Ha.: „Frau Zschäpe spielt gern Volleyball und eine Zeit lang standen nicht ausreichend Volleybälle zur Verfügung. Das haben wir geändert. Dann ging es um die Übersichtlichkeit des Haftraums. Die muss gewahrt sein. Wir kontrollieren ja den Haftraum und es dürfen nicht zu viel persönliche Gegenstände im Haftraum sein, so dass die Kollegen den Haftraum noch in einem angemessenen Zeitraum kontrollieren können. Da haben wir zwei oder mehrmals Gespräche geführt. Frau Zschäpe ist ja schon lange in Haft bei uns, länger als andere, und da sammeln sich viele Gegenstände an.“ Götzl: „Ziel des Gespräches war?“ Ha.: „Dass sie ihre Haftraumhabe reduziert.“ Götzl: „Wie hat sie reagiert?“ Ha.: „Sie hat ihre Argumente vorgetragen, warum sie mehr braucht als andere Gefangene. Sie hat es aber dann reduziert, so dass es auch für uns gepasst hat. So war die Übersichtlichkeit dann wieder gewahrt.“ Götzl: „Welche Argumente hat sie vorgetragen?“ Ha.: „Sie ist natürlich schon länger hier. Es ist schon eine Sondersituation bei uns in der Anstalt, wir sind ja für Untersuchungshaft und kurze Strafen. Länger ist nicht üblich. Dass jemand vier Jahre bei uns ist, ist eher selten und ungewöhnlich. In der JVA Straubing ist es schon üblich, dass Gefangene umfangreiche Habe haben. Bei uns ist es ungewöhnlich. Auch bei der Frau Zschäpe kontrollieren wir sehr oft den Haftraum und die Habe und das muss möglich sein. Wir haben eine für beide Seiten einvernehmliche Lösung gefunden. Frau Zschäpe hat es so weit reduziert, dass es für uns in Ordnung war.“

Götzl: „Das ist mir nicht ganz klar, deswegen habe ich danach gefragt: Sie haben geschildert, Ihr Ziel sei eine Reduzierung gewesen, sie hätte ihre Argumente vorgetragen, sie hätten eine einvernehmliche Lösung gefunden. Mich würde noch interessieren, welche Argumente, soweit Sie sich daran erinnern, von Seiten Frau Zschäpes gebracht wurden.“ Ha.: „Frau Zschäpe zeichnet gern, bastelt gern. Dass sie es noch verschickt, dass die Sachen nur deshalb noch im Haftraum sind. [phon.] Im Grunde genommen hat sich dann ihr Haftrauminventar immer reduziert.“ Götzl: „Wie muss ich mir den Gesprächsverlauf vorstellen? Mir geht es darum, wie es dann zu dem Ergebnis einvernehmlichen Lösung kam.“ Ha.: „Einvernehmlich war es nicht, im Grunde genommen setzen wir uns dann schon durch. Sprechstunden laufen bei mir so: Die Dienstleitung und ich sprechen mit dem Gefangenen. Der Gefangene kann natürlich schon seine Argumente vortragen. Sind sie berechtigt, folgen wir dem schon mal. Wenn wir berechtigte Anliegen haben wie die Übersichtlichkeit des Haftraums, dann setzen wir die durch. Alternativ wäre das ein Disziplinargrund. Wenn die Übersichtlichkeit des Haftraums nicht gewahrt ist und der Gefangene dem trotz eines Gesprächs nicht nachkommt, dann ist es ein Disziplinargrund.“ Götzl: „Sind das längere Gespräche gewesen?“ Ha.: „Unterschiedlich. Im Schnitt so oder aus der Erinnerung heraus so zehn Minuten, Viertelstunde je Gespräch.“ Götzl: „Hat denn Frau Zschäpe Ihre Argumente dann akzeptiert?“ Ha.: „Sie akzeptiert die Entscheidung, glaube ich.“ Götzl: „Können Sie mir das näher erläutern?“ Ha.: „Viele Gefangene können unseren Argumenten nicht immer folgen, aber in der Regel werden unsere Entscheidungen akzeptiert.“ Götzl: „Ja, hat sie dann noch etwas dagegen vorgebracht?“ Ha.: „Nein.“

Götzl: „Sie hatten angesprochen: Hofgang, Sportmöglichkeiten, dass Frau Zschäpe gerne Volleyball spiele. Welche Angebote bietet denn die JVA, speziell für Frau Zschäpe, außer Sport?“ Ha.: „Frau Zschäpe nimmt, soweit es möglich ist, am normalen Anstaltsalltag teil. Der Sport ist kein extra Angebot, sondern findet im Rahmen des Hofgangs, des Aufenthalts im Freien statt. Daran nimmt Sie wie alle anderen Gefangene auch teil oder hat die Möglichkeit teilzunehmen. Soweit zwei andere Gefangene bei uns, von denen sie grundsätzlich getrennt sein soll, nicht an gemeinschaftlichen Veranstaltungen, Konzert oder Lesungen, teilnehmen, kann sie daran teilnehmen.“ Götzl: „Nimmt sie die Angebote auch wahr?“ Ha.: „Zum Teil ja.“ Götzl: „Können Sie dazu was sagen?“ Ha.: „Mir persönlich ist erinnerlich, dass sie am vorvergangenen Weihnachtsgottesdienst teilgenommen hat. Ich glaube, an der Bastelgruppe hat sie teilgenommen [phon.], aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.“ Götzl: „Gab es denn Anträge oder Wünsche an Sie, die abgelehnt wurden?“ Ha.: „Ja, es gibt immer wieder Anträge, die abgelehnt werden von uns, ganz unterschiedlich. Wollen Sie einen konkreten Antrag wissen?“ Götzl: „Haben Sie etwas vor Augen?“ Ha.: „Erinnerlich ist mir: Einmal habe ich einen Antrag abgelehnt zur Umbuchung von Geld. Aber es kommt immer wieder zu ablehnenden Anträgen innerhalb der Anstalt.“ Götzl: „Wie reagiert Frau Zschäpe darauf?“ Ha.: „In dem Fall hat sie gegenüber mir gar nicht reagiert. Das ist ja ein schriftlicher Antrag. Die Ablehnung hat sie quasi akzeptiert.“

Götzl: „Disziplinarmaßnahmen gab es keine?“ Ha.: „Nein, gab es keine.“ Götzl: „Gab es Vorkommnisse, die man als Streit, Auseinandersetzungen bezeichnen würde, ohne dass es zu Disziplinarmaßnahmen gekommen wäre?“ Ha.: „Nein, weiß ich von nichts. Mir ist lediglich ein Fall erinnerlich, aber keine Auseinandersetzung. Es war so, dass Mitgefangene von Frau Zschäpe mitgeteilt haben, dass eine andere Gefangene hinter ihr ausgespuckt hätte im Wartesaal beim Arzt. Aber es war keine Auseinandersetzung. Frau Zschäpe hat uns das berichtet und um Unzuträglichkeiten vorzubeugen, haben wir diese Gefangen auf eine andere Abteilung im Haus verlegt.“ Götzl: „Können Sie denn zum Verhalten jetzt Frau Zschäpes gegenüber anderen Untersuchungsgefangenen etwas sagen?“ Ha.: „Soweit wir das sehen, ist es unauffällig. Sie pflegt Kontakt zu mehreren Gefangenen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund. Im Anstaltsalltag ist sie gut integriert und auch in der Abteilung. Oder scheint gut integriert zu sein, soweit wir das sehen.“

Götzl: „Können Sie ihre Rolle in diesem Rahmen näher beschreiben.?“ Ha.: „Mir sind da jetzt keine näheren Informationen bekannt. Natürlich hat sie aufgrund der langen Haftdauer – sie ist sicherlich die am längsten inhaftierte Gefangene bei uns – eine gewisse Prominenz auch in der Anstalt, oder Sonderstellung. Aber im Übrigen würde mir da nichts auffallen.“ Götzl: „Ja, hat sie irgendwann mal über ihre Situation Ihnen gegenüber etwas geschildert oder ging es da letztlich nur um die Anträge oder die Reduzierungsfragen? Kam es zu weiteren Äußerungen Frau Zschäpes über ihre Situation, Vorstellungen, die sie hätte?“ Ha.: „Natürlich haben wir kurz darüber gesprochen, dass natürlich die Haftsituation für sie zum Teil belastend ist, auch Termine bei Gericht zum Teil belastend sind. Ja, aber das war nur kurz angerissen. Ich habe ihr dann immer Gespräche mit dem Psychologen oder mit dem Seelsorger angeboten. Die Möglichkeiten, die wir unterstützend haben in der Anstalt, wenn krisenhafte Situationen auftreten, das habe ich ihr halt dargestellt.“ Götzl: „Wissen Sie, ob sie es wahrgenommen hat?“ Ha.: „Soweit ich weiß nein. Also ein Gespräch nicht. [phon.]“ Götzl: „Gibt es sonstige Angebote von Seiten der JVA, die an Frau Zschäpe herangetragen worden wären und die sie entweder angenommen oder nicht angenommen hätte, irgendwelche Beschäftigungen, Weiterbildungen?“ Ha.: „Sie hat ja keine Arbeitserlaubnis, von daher kann sie in der Anstalt nicht arbeiten, das geht nicht. Ansonsten nimmt sie ganz normal am Alltag in der Anstalt teil, soweit es der Beschluss zulässt. Aber wir überlassen es immer den Gefangenen, ob sie an Veranstaltungen teilnehmen oder nicht.“ Götzl: „Wir machen jetzt mal eine zehnminütige Pause und setzen dann um 25 fort.“

Um 10:27 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind noch Fragen? Von Seiten des Senats? Von Seiten der Bundesanwaltschaft? Von Seiten der Verteidiger? Von Ihnen, Frau Zschäpe? Sonst? Keine?“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Ein paar ergänzende Fragen: Können Sie uns etwas darüber sagen, ob Frau Zschäpe mit Ausnahme ihrer Verteidiger Besuch erhält?“ Ha.: „Ja, also sie erhält von Angehörigen Besuch.“ Scharmer: „Familienangehörigen?“ Ha.: „Familienangehörigen und von einer weiteren Person, soweit ich es weiß.“ Scharmer: „Wer ist diese weitere Person?“ Ha.: „Das ist, denke ich, eine Frage des Datenschutzes.“ Scharmer: „Frau Zschäpe hat sich dazu eingelassen, dass sie sich von der rechten Szene gelöst hat. Deswegen interessiert mich das. Ich halte die Frage aufrecht.“ Götzl sagt, er halte die Frage für zulässig. Ha.: „Das war die Frau K., die Frau Zschäpe besucht.“ Scharmer: „Kennen Sie einen Hintergrund von dieser Frau?“ Ha: „Nein.“ Scharmer: „Also eine befreundete Person?“ Ha.: „Ja.“ Scharmer: „Haben Sie noch einen Vornamen zu der Frau?“ Ha.: „Soweit mir erinnerlich: Desiree [phon.].“ Scharmer: „Dann interessiert mich noch, wenn Sie etwas dazu sagen können, ob Ihnen im Verlauf der Haftzeit von Frau Zschäpe etwas über Poststücke bekannt geworden ist, die sie erhalten hat von Personen aus der rechten Szene?“ Ha.: „Postkontrolle erfolgt nicht über die Anstalt, sondern über den Senat.“ Scharmer: „Das ist mir bewusst. Aber der Haftraum wird ja kontrolliert, gab es da Poststücke oder Symbole aus der rechten Szene?“ Ha.: „Ist mir nichts bekannt.“

Scharmer: „Sagt Ihnen der Name Robin Schmiemann etwas?“ Ha.: „Nein.“ Scharmer: „Können Sie etwas über die finanziellen Verhältnisse von Frau Zschäpe sagen?“ Ha.: „In der Haftanstalt?“ Scharmer: „Ja, in der Haftanstalt.“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel beanstandet die Frage als nicht zur Sache gehörend. Scharmer sagt, es gehe hier um Tatvorwürfe, die abstrakt geeignet wären, Adhäsionsanträge [zivilrechtliche Ansprüche, die aus einer Straftat erwachsen, werden statt in einem eigenen zivilgerichtlichen Verfahren unmittelbar im Strafprozess geltend gemacht — NSU-Watch]zu stellen, er halte die Frage aufrecht. Götzl sagt, es liege eine Aussagegenehmigung vor und er wisse nicht, inwiefern die Frage unzulässig sein sollte. Ha.: „Frau Zschäpe bekommt regelmäßig Einzahlungen von außen. Von nahen Angehörigen und einer dritten Person.“ Scharmer: „In welcher Höhe und wer ist die dritte Person?“ Ha.: „Unterschiedlich hoch, mal hundert, mal zweihundert Euro. Die dritte Person kenne ich jetzt auch nicht. Wollen Sie den Namen wissen?“ Scharmer: „Ja.“ Ha.: „Enrico Ki.“ Scharmer: „Können Sie etwas dazu sagen, ob Frau Zschäpe in der U-Haft, sofern sie eigene Kleidung tragen darf, mit besonderen Kleidungsstücken aufgefallen ist?“ Ha.: „Sie darf Privatkleidung tragen wie alle Untersuchungsgefangenen. Mit besonderen Kleidungsstücken ist sie nicht aufgefallen.“ Scharmer: „Ich frage mal konkret nach Military-Bekleidung.“ Ha.: „Nein, ist uns nicht aufgefallen.“ Scharmer: „Sie sind Abteilungsleiterin der JVA für Frauen?“ Ha.: „Ja.“ Scharmer: „Das heißt Sie haben in erster Linie administrative Aufgaben zu erfüllen. Auf der Station, wo Frau Zschäpe untergebracht ist, können Sie sagen, wer die Bediensteten sind, die am engsten Kontakt mit Frau Zschäpe haben?“

Ein Handy läutet. Götzl: „Handy bitte aus!“ Ha.: „Ist meins.“ Götzl: „Ja, dann machen Sie es bitte aus.“ Die Zeugin stellt das Handy ab und sagt dann: „Sie wollen die zuständigen Abteilungsbeamtinnen wissen?“ Scharmer: „Genau.“ Ha.: „Das sind wechselnde Kolleginnen, momentan die Kolleginnen E. [phon.] und S. [phon.] hauptsächlich.“ Scharmer: „Vom allgemeinen Vollzugsdienst?“ Ha.: „Ja.“ Scharmer fragt nach einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter. Ha.: „Die zuständige Sozialarbeiterin auf der Abteilung von Frau Zschäpe kann ich gerade nicht sagen. Wir haben drei Sozialarbeiterinnen, die wechselweise zuständig sind.“ Ha. nennt die Namen H. [phon,], Si. und St. Scharmer: „Sind die alle mit Frau Zschäpe befasst?“ Ha.: „Ich meine, dass die Frau H. zuständig ist, originär oder hauptsächlich. Da müsste ich aber nochmal nachfragen.“ Scharmer: „Können Sie uns Auskunft darüber geben, ob Frau Zschäpe Medien, Zeitungen oder ähnliches bekommt, die rechte Publikationen enthalten oder ähnliches?“ Ha.: „Soweit ich weiß nicht.“

RA Narin: „Eine Nachfrage: Uns liegt ein Sachverständigengutachten des Prof. Nedopil vom 04.03.2015 vor und es heißt auf Seite 5 darin, sie habe eine ‚Einzelzelle der Oberklasse‘, die sie als ‚gut und angemessen‘ ansehe. Was versteht man in der JVA unter einer Zelle der Oberklasse?“ Ha.: „Frau Zschäpe hat eine ganz normale Einzelzelle. Wir haben keine unterschiedlichen Hafträume, nur insofern, dass es Gemeinschaftshafträume gibt mit vier Gefangenen oder Einzelhafträume. Einen dieser Einzelhafträume hat Frau Zschäpe. Ganz normal ausgestattet, sind alle gleich ausgestattet mit Bett, Tisch, Stuhl, abgetrennter Toilettenkabine und einem Schrank. Sind alle gleich ausgestattet, alle Hafträume.“ Narin: „Vielen Dank.“ RAin Hartmann [phon.]: „Das Gespräch über den Haftraum, wann hat das stattgefunden?“ Ha.: „Im Verlauf des Jahres 2015, an welchem Tag kann ich nicht sagen. Und es waren zwei Gespräche.“ Hartmann: „Ungefähr?“ Ha.: „im Sommer eins und im Herbst eins.“

RA Erdal: „Gab es Beschwerden von anderen Mithäftlingen über die Angeklagte?“ Ha.: „Nein, soweit ich weiß.“ Erdal: „Haben Sie von einer Mehlattacke gehört?“ Ha.: „Ja, da war Frau Zschäpe nicht beteiligt. Im April vergangenen Jahres haben Gefangene versucht, Wasser, Mehl, Zucker von oben in den jeweils anderen Haftraum zu leeren. Aber die Frau Zschäpe war nicht dran beteiligt.“ Erdal: „Was wissen Sie über Zeitungsberichte über die Angeklagte?“ Götzl sagt, er wüsste jetzt nicht, was da von Belang wäre. Erdal: „Ich frage sie, ob sie was weiß.“ Götzl: „Dann beanstande ich es.“ Erdal: „Es gab eine Journalistin, die in Stadelheim eingesessen hat. Sie hat einiges berichtet danach.“ Götzl sagt, dann solle Erdal eben danach fragen. Ha.: „Die Dame aus dem Artikel war bei uns in Haft, ja. Aus dem Artikel in der Zeit, meinen Sie? Erdal: „Haben Sie Zeitungsartikel gelesen von dieser Dame?“ Götzl: „Meinen Sie allgemein Artikel oder diesen Artikel?“ Erdal: „Was wissen Sie über die Zeitungsartikel hinsichtlich der Angeklagten Zschäpe?“ Götzl: „Die Frage halte ich für unzulässig. Es geht hier um das, was die Zeugin zum Verhalten Frau Zschäpes in der Haft berichten kann. Welche Relevanz soll das haben, ob Frau Ha. über Frau Zschäpe oder überhaupt, wie Sie es formuliert haben, Zeitungsartikel liest. Es kommt hier nicht drauf an, ob Frau Ha. Zeitung liest.“ Erdal: „Nein, meine Frage lautet. Was wissen Sie über die Zeitungsartikel über die Angeklagte Zschäpe?“ Götzl: „Welche Relevanz soll das haben?“ Erdal: „Frau Zschäpe wurde als Königin von Stadelheim bezeichnet.“ Götzl fragt Erdal, was denn die Zeugin dazu sagen solle. Erdal: „Ich halte meine Frage aufrecht.“ Götzl: „Um das abzukürzen: Haben Sie so einen Artikel gelesen?“ Ha. bejaht das.

RA Scharmer erkundigt sich bei Ha. nochmal nach den Namen der beiden Bediensteten aus den Vollzugsdienst und der Sozialarbeiterin H. und fragt dann, ob die gerade im Urlaub seien oder für diesen Prozess ladbar. Ha. „Die sind im Dienst.“ Der psychiatrische SV Prof. Dr. Saß fragt Ha.: „Hat es ansonsten mal tiefere Gespräche, einen Gedankenaustausch zwischen Ihnen und Frau Zschäpe gegeben?“ Ha.: „Nein, über das, was ich berichtet habe, hinaus nicht..“ Saß: „Wissen Sie etwas über die Lektüre?“ Ha.: „Welche Bücher oder Zeitschriften Frau Zschäpe liest? Nein, weiß ich nicht.“ Die Zeugin wird um 10:40 Uhr entlassen.

NK-Vertreter RA Daimagüler gibt eine Erklärung zu der Zeugin ab: „Wir haben ja im deutschen Strafprozessrecht grundsätzlich schon vor langer Zeit den Leumundszeugen nicht mehr, nur noch in Ausnahmefällen. Ich glaube, wenn man die Rolle von Frau Zschäpe verstehen will, die sie früher gespielt hat und die sie heute spielt – und mir geht es um das Wort ’spielt‘ [phon.] –, dann sollte man einen Blick in die Anklage werfen.“ Götzl unterbricht: „Mir geht es schon um Erklärungen. Wenn Sie Anträge haben, nehme ich das zur Kenntnis.“ Daimagüler: „Das ist eine Erklärung nach 257 Absatz 2. Wenn ich einen Antrag stellen möchte, würde ich das ankündigen.“ Götzl: „Ich habe bisher nicht den Eindruck, dass Sie zur Zeugin Ausführungen machen wollen.“ Daimagüler: „Habe ich jetzt das Wort oder nicht?“ Götzl: „Um eine Erklärung zur Zeugin abzugeben, ja, sonst nicht.“ Daimagüler sagt, er bitte um Geduld und um Sachlichkeit. Götzl ungehalten: „Ich bin sachlich. Ich bin auch jetzt sachlich. Wir wollen dabei bleiben, dass wir sachlich bleiben. Ich habe eine ganz klare Ausführung gemacht, dass Sie das Wort zu einer Erklärung zur Zeugin haben.“ Daimagüler: „Darf ich fortfahren?“ Götzl: „Wenn zur Zeugin, ja.“ Daimagüler: „Die Zeugin hat hier beschrieben, dass Frau Zschäpe als Insassin der Haftanstalt relativ unauffällig ist. Ich glaube nicht, dass diese Beschreibung von Frau Zschäpe in der Haftanstalt uns hier im Verfahren, was die Bewertung von Frau Zschäpe angeht, der Anklage, wirklich weiterhilft.“ In der Anklage heiße es, so Daimagüler, dass Zschäpe die Rolle einer kommunikativen Außendarstellerin gehabt habe, die Normalität darzustellen: „Und ich gehe davon aus, insofern ist die Aussage auch konsistent, dass Sie genau dies tut: sich unauffällig zu verhalten. Ich möchte auf die Zeugenaussage des Tino Brandt verweisen, der sie als bauernschlau bezeichnet hat.“

RA Bliwier: „Ganz kurz, Herr Vorsitzender: Die Aussage der Zeugin hat ergeben, dass Frau Zschäpe, wenn das so richtig ist, sich von Enrico Ki. finanziell unterstützen lässt. Ein kurzer Blick in das Facebook-Profil ergibt, dass er sich als Vorsitzender einer ‚Initiative Freiheit für Bea‘ ausgibt. Er vergleicht das vorliegende Verfahren mit Verfahren vor dem Volksgerichtshof, spricht von ‚Lügenverfahren‘, ‚Lügengericht‘, ‚Lügenpresse‘. Wenn das so zutrifft, dass das dieser Enrico Ki. ist, von dem sie sich alimentieren lässt, dann kann alles, was Frau Zschäpe hier zur Abkehr von der rechten Szene gesagt hat, vergessen werde. Und ich denke, das müsste aufgeklärt werden von Amts wegen.“

Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Ich halte die Vorhaltung Frau Zschäpe gegenüber für unfair, denn dem Kollegen ist natürlich bekannt, dass Frau Zschäpe in der Haft nicht über einen Internetzugang verfügt. Und auch ich kann das auf die Schnelle nicht nachprüfen. So geht’s eigentlich nicht. Das ist ein bisschen zu lax.“ Bliwier: „Ich habe ja nur gesagt, dass es aufgeklärt werden muss. Frau Zschäpe hat es ja in der Hand, zu erklären, sie wisse nicht, wer der Ki. ist und was der tut, welche Initiativen der ergreift. Wenn Frau Zschäpe weiß, was der politisch vertritt, dann kann alles vergessen werden, was Frau Zschäpe über eine fehlende Einbindung in die rechte Szene hier erklärt.“ Daimagüler: „Vollkommen richtig. Ich empfehle einen Besuch auf der Twitterseite des Enrico Ki., wo in einer Weise über Flüchtlinge und den Rechtsstaat kommuniziert wird, die keinen Zweifel über die ideologische Orientierung lässt. Von daher muss man sich schon die Frage stellen, vom wem ich eine Angeklagte, die abgekehrt sein will, alimentieren lässt.“

Götzl: „Wir werden nach einer Pause zu Ihnen kommen, Herr Prof. Dr. Saß. Aber im Blick auf den Beweisantrag von Rechtsanwalt Reinecke von gestern: Es ist beabsichtigt, drei Asservatenfotos in Augenschein zu nehmen.“ Götzl nennt die Asservatennummern. Außerdem sei beabsichtigt, die genannten Artikel zu verlesen, das erste Asservat teilweise, das zweite Asservat ganz und bei 3 sei eine teilweise Verlesung, zwei Zeilen Überschriften, vorgesehen. Götzl: „Dann werden wir unterbrechen und setzen um 11:15 Uhr fort.“

Um 11:18 Uhr geht es weiter. Götzl: „Dann setzen wir fort. Zunächst die Nachfrage: Sollen denn zu den in Augenschein zu nehmenden Asservaten und zur Verlesung Stellungnahmen erfolgen?“ Niemand meldet sich. Dann wird zunächst der Zeitungsartikel vom 20./21.1.2001 „Explosion in Lebensmittelgeschäft. Sprengsatz verletzt 19-Jährige“ in Augenschein genommen, dann ein Zeitungsartikel ohne Datum ,“Bombe in Geschäft explodiert – Köln“, und der Artikel „Bombe in Stollendose, Opfer liegt in künstlichem Koma“. Danach werden von Richter Lang beim ersten Artikel die Datumsangaben und Überschriften verlesen: „19.01.2001 handschriftlich, „Explosion in Lebensmittelgeschäft. Sprengsatz verletzt 19-Jährige. Kripo überzeugt: Vor Weihnachten stellte Verdächtiger seine Bombe ab.“ Dann verliest Lang den Artikel Asservat 2.12.377.2: „Im Lebensmittelgeschäft einer iranischen Familie eine Bombe explodiert. Lebensgefahr besteht nicht- Nach ersten Erkenntnissen der Polizei war der Sprengsatz in einer rotlackierten Dose mit Sternchenmuster versteckt, die von einem Mann in das Geschäft gebracht und dort ‚vergessen‘ worden sein soll. Ein ausländerfeindlicher Hintergrund wird nicht ausgeschlossen.“ Götzl: „Und noch 2.12.377.3, die Überschrift.“ Lang; „Bombe in Stollendose, Opfer liegt in künstlichem Koma.“ RA Reinecke bittet darum, dass noch der erste Absatz vorgelesen wird. Lang verliest: „Die Familie stammt aus dem Iran, hat aber längst die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Bei der Explosion war die 19-Jährige. Es gibt keine Anhaltspunkte zur Motivlage, sagte der Polizeisprecher.“ [alle Verlesungen phon.]

Götzl: „Dann wäre die Frage, ob der gestern gestellt Beweisantrag aufrechterhalten wird, es hatten sich diverse Kollegen angeschlossen.“ Reinecke: „Ja, der Beweisantrag bleibt aufrechterhalten. Zur zeitlichen oder inhaltlichen Einordnung: Es handelt sich hier um Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger. Ich hatte darauf hingewiesen, dass es nur Berichterstattung in Köln gegeben hat. Das Asservat mit der Endnummer 2 ohne Datum ist der kurze Anreißer auf der Titelseite, das verweist auf den Lokalteil, den größeren Artikel mit der Endziffer 1. Das Asservat mit der Endziffer 3 ist frühestens am Dienstag, den 23.01. [phon.], veröffentlicht worden, weil darin ja von der Pressekonferenz am Montag die Rede ist. In der Sache geht es darum, dass wir Frau Zschäpe an dem von ihr selbst gesteckten Anspruch messen müssen. Es sollte ja deswegen alles schriftlich beantwortet werden, weil schriftliche Antworten ein Höchstmaß an Genauigkeit hätten. Es wurde ja gesagt, es solle keine Missverständnisse geben. Es stellt sich die Frage, ob Frau Zschäpe meint, sie habe es aus diesen Zeitungen entnommen. Aber das ist meiner Meinung nach ausgeschlossen. Sie hätte ja sagen müssen, Mundlos und Böhnhardt brachten plötzlich Kölner Zeitungen mit und sie liest von einem Anschlag darin. Also der Umweg, den sie beschrieben hat, dass sie gehört habe, dass Böhnhardt und Mundlos sich vor Weihnachten mal über Köln unterhalten hätten, das wäre ja dann völlig überflüssig gewesen.

Zweitens: In dem großen Artikel mit der Endziffer 1 befindet sich ein Phantombild. Das heißt, Frau Zschäpe hätte uns sicherlich berichtet, dass in dem Artikel ein Phantombild vorhanden war, das nun gar nicht aussah wie Mundlos oder Böhnhardt und dass es sicher eine Diskussion gegeben hätte: Wer ist denn das? Oder: Warum haben die euch denn nicht richtig dargestellt? Oder so etwas. Wenn man die Erklärung, die uns Frau Zschäpe am 09.12.2015 gegeben hat, nimmt, dann ist offensichtlich, dass mit ‚Berichterstattung in der Presse‘ nicht diese Artikel gemeint sein können. So dass weiter die Frage ist, ob es eine andere Berichterstattung gibt, über die Frau Zschäpe sich hätte diese Kenntnis erwerben können.“

Götzl: „Rechtsanwalt Narin hat einen Beweisantrag angekündigt. Ich würde vorschlagen, dass Sie ihn vor der Mittagspause stellen und wir anschließend dann zu Prof. Saß kommen.“

RA Narin beantragt, das im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 aufgefundene sogenannte „Drehbuch“ in Augenschein zu nehmen und soweit möglich zu verlesen zum Beweis der Tatsachen:
1. dass die Schriftstücke eine strukturierte Auflistung wenige Sekunden dauernder Sequenzen aus der Zeichentrickserie „Paulchen Panther“ enthalten, die jeweils als „Clip“ bezeichnet sind, den Inhalt der Filmsequenzen zusammenfassen und teilweise mit Anmerkungen zu deren Verwendung oder weiteren Bearbeitung versehen sind.
2. dass sich in den Notizen eine detaillierte, handschriftliche Anleitung zum Schneiden und Bearbeiten von Videodateien anhand der Computersoftware DVD Styler, Nero 7 Premium und Virtual Dub Mod befindet.

Begründung: Ziel des Beweisantrags ist es den Nachweis zu führen, dass die Angeklagte Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter der Bezeichnung „Clip“ nichts anderes verstanden, als die nach allgemeinem Sprachgebrauch geläufige Definition des Wortes, nämlich eine kurze Filmsequenz. Die Mitglieder des NSU bezeichneten im sogenannten „Drehbuch“ eben solche kurze Sequenzen von jeweils weniger als einer Minute Länge aus der Zeichentrickserie „Paulchen Panther“ als „Clips“, die für eine spätere Verwendung im NSU-Propagandavideo in Betracht kamen oder tatsächlich darin verarbeitet wurden. Mit der detaillierten, handschriftlichen Anleitung, die notwendige Bearbeitungsvorgänge beim Schneiden der „Clips“ Schritt für Schritt erklärt, sollten auch technisch nicht versierte Anwender in die Lage versetzt werden, mit entsprechender Software derartige Videosequenzen zu schneiden.

1. Die Angeklagte Zschäpe hatte am 09.12.2015 über ihren Verteidiger erklären lassen: „Der Vorwurf des GBA, ich hätte am Schneiden des Films mitgewirkt und dies ergebe sich aus der Wette ‚200 x Videoclips schneiden‘, erfolgt zu Unrecht.“ Vielmehr sei es ihr und Böhnhardt darum gegangen, unerwünschte Passagen wie Werbeeinblendungen oder Wiederholungen aus Fernsehserien zu entfernen, was „mit der Fernbedienung problemlos möglich, aber extrem langweilig“ gewesen sei. Wie Herr RA Langer bereits am 01.12.2016 im Rahmen seiner Erklärung gem. § 257 Abs. 2 StPO zur Vernehmung der Zeugin KOKin Pf. vom 29.11.2016 zutreffend ausführte, korrespondiert die Formulierung „200 x Videoclips schneiden“ bereits dem Wortlaut nach nicht mit der von der Angeklagten Beate Zschäpe erläuterten Verfahrensweise (Herausschneiden von „Wiederholungen zu Beginn, Werbeeinblendungen, Abspann“ aus einer aufgezeichneten Fernsehserie). Vielmehr handelt es sich bei einem „Videoclip“ umgangssprachlich um eine kurze Filmsequenz. Das „Schneiden“ kann in diesem Zusammenhang nur die Bedeutung haben, eine solche kurze Filmsequenz von einem größeren Filmteil abzutrennen und zu bearbeiten oder wenn eine solche Abtrennung schon vorliegt, diese Filmsequenz weiter zu bearbeiten und abzuspeichern, sei es zur weiteren Bearbeitung in einem größeren Filmprojekt, sei es als fertiggestelltes Einzelteil. Das Ergebnis ist jedoch demnach eine bearbeitete kurze Filmsequenz.

Dieses Ergebnis wäre auch im Sinne der Wette zählbar, da am Ende der Bearbeitung jeweils ein Videoclip vorläge. Im Übrigen nehme ich insoweit Bezug auf die Ausführungen des RA Langer in dessen Erklärung vom 01.12.2016. Auch die Angeklagte Zschäpe spricht in ihrer oben genannten Einlassung davon, sie habe am „Schneiden des Films“ (gemeint ist der NSU-Propagandafilm) nicht mitgewirkt. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Angeklagte selbst in Wahrheit auch die zutreffende, von RA Langer dargelegte Bedeutung des Begriffs „Schneiden von Videoclips“ unterstellt. Aus den Aufzeichnungen im sogenannten „Drehbuch“ ergibt sich, dass auch dessen Ersteller eben dieses zutreffende Verständnis der Bezeichnung „Clip“ teilten.
a) Zwar sind die beschrifteten Blätter, soweit diese erhalten sind, teilweise stark durch Löschwasser und Hitzeeinwirkung beschädigt. Dennoch lässt sich aus dem größtenteils ablesbaren Inhalt eine nachvollziehbare, tabellarische Struktur entnehmen: Am linken Rand der einzelnen Blätter findet sich jeweils untereinander geschrieben das Wort „Clip“ nebst einer laufenden Nummer, gefolgt von einem Doppelpunkt. Rechts davon finden sich durch einen Doppelpunkt getrennte Ziffernfolgen, die offenkundig Zeitcodes innerhalb einer Videosequenz bezeichnen, während diesen jeweils eine kurze, inhaltliche Zusammenfassung der betreffenden Ausschnitte aus der Zeichentrickserie „Paulchen-Panther“ folgt.
Exemplarisch soll dies anhand folgender Auszüge verdeutlicht werden:
[lückenhaft aufgrund von Brandschäden – NSU-Watch]
aa) Asservat 2.12.3

Clip 1: Paulchen fährt mit dem Auto durch die Stadt
3:13 Paulchens kleines Auto verwandelt (?) sich immer – verfolgungsjagd mit Polizei
5:05 Paul läuft durch die Stadt davon
6:11 Paul ist auf einem Roller unterwegs

Clip 3: 1:02 Gewitterhimmel mit Blitz
3:48 Krokodil sieht TV
4:17 Paul schiebt Kinderwagen am Gemüseladen vorbei

Clip 4: Paul sitzt im Sessel und liest Buch

Clip 5: Paul schiebt mit aller Kraft
3:02
6:10 Paul niedergeschlagen vor blauem Hintergrund
[…] beschriftet Paket […] zum Briefkasten und […] ein
Clip […] . […] aus dem Fenster […]

bb) Asservat 2.12.4

[…] 19: Paul kommt aus dem Wald ins Bild gelaufen (ev. für Anfang)
0:57 Paul liest Plakat am Baum (?) und nickt bestätigend
4:58 Paul sein Kopf schaut hinterm Baum hervor
6:02 Paul rennt aus dem Bild

Clip 20: 3:00 Paul zieht mit Magnet Polizisten aus
6:10 Paul flüchtet vor Polizei -hängt sich mit Magnet ans Flugzeug

Clip 21: 0:40 Paul zeigt (blauer Hintergrund) das er eine Idee hat
1:00 – “ –
3:32 Paul klettert auf Leiter, sieht übern Zaun – studiert Plan – Plan mit seinen Händen sind zu sehen
[…]

Anhand von Asservat 2.12.3 soll veranschaulicht werden, dass nach dem Verständnis des oder der Urheber des sog. „Drehbuchs“ mit der Begrifflichkeit „Clip schneiden“ nicht der bloße technische Vorgang des Setzens einer Schnittmarkierung gemeint ist. Vielmehr bezeichnet das „Schneiden“ eines „Clips“ den gesamten Bearbeitungsvorgang, der das Setzen mehrerer sogenannter „In-Points“ (Anfangsmarkierung) und „Out-Points“ (Endmarkierung) beinhalten kann, so dass die Anzahl von 200 zu schneidender Videoclips unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten ist. Auf dem genannten Asservat finden sich etwa unter der Rubrik „Clip 3:“ die jeweiligen Unterpunkte „1:02 Gewitterhimmel mit Blitz“, „3:48 Krokodil sieht TV“, „4:17 Paul schiebt Kinderwagen am Gemüseladen vorbei“. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass die als „Clip 3:“ vorgesehene Filmsequenz Ergebnis einer Videobearbeitung sein soll, die Szenen enthält, welche im ursprünglichen Rohmaterial jeweils an den dort bezeichneten Zeitcodes beginnen. Damit sind in dem Drehbuch die für einen Bearbeitungsvorgang notwendigen sog. „In-Points“ durch die sekundengenaue Benennung zwar grob gekennzeichnet, nicht hingegen die ebenfalls erforderlichen sogenannten „Out-Points“, die das Ende einer solchen Teilsequenz markieren. Hierzu bedienen sich der oder die Autoren des sogenannten „Drehbuchs“ lediglich einer inhaltlichen Zusammenfassung bzw. Beschreibung der jeweiligen Teilsequenz. Das bedeutet, dass die mit dem „Schneiden“ der „Clips“ betraute Person die sogenannten „Out-Points“ eigenständig zu bestimmen hatte. Weil das sogenannte „Bekennervideo“ eine Framerate von 25 Einzelbildern pro Sekunde aufweist, hatte der oder die Bearbeiterin zudem im Rahmen der „nur“ auf die Sekunde genauen Vorgabe des „In-Points“ ein bestimmtes Einzelbild („Frame“) selbstständig auszuwählen. Soweit erforderlich rege ich insoweit ergänzend die Anhörung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Film- bzw. Videoproduktion an.

2. Die Angeklagte Zschäpe ließ in Ihrer Einlassung vom 09.12.2015 außerdem Folgendes erklären:
„Deshalb der Wetteinsatz des Schneidens der Fernsehfilme – dies hatte nichts mit Schneiden eines Films am Computer zu tun – davon hatte und habe ich nicht die geringste Ahnung.“ Tatsächlich findet sich im sogenannten „Drehbuch“ auch eine detaillierte Anleitung zum Schneiden von Videoclips, die offensichtlich für Personen bestimmt ist, die vom Schneiden eines Films am Computer nicht die geringste Ahnung haben. Darin werden einzelne Bearbeitungsschritte in einer Weise dargestellt, die jeder Person mit auch nur grundlegenden Computerkenntnissen völlig überflüssig erscheinen dürften. Die Angeklagte hatte in derselben Einlassung außerdem vortragen lassen, den Wettschein habe Uwe Mundlos am Computer entworfen und hergestellt. Mundlos war nach dem bisherigen Stand der Beweisaufnahme jedenfalls im Vergleich zur Angeklagten Zschäpe und zu Uwe Böhnhardt recht intelligent und galt als Computerexperte. Auch mit Videoschnittsoftware dürfte Mundlos Erfahrungen gesammelt haben, zumal Vorgängerversionen des NSU-Videos bereits im Jahr 2001 produziert worden waren. Es erscheint daher ausgeschlossen, dass Mundlos die Anleitung zum Schneiden von Videoclips für sich selbst angefertigt hatte. Vielmehr sollten damit die Angeklagte Zschäpe sowie Uwe Böhnhardt in die Lage versetzt werden, ihren jeweiligen Wetteinsatz zu erfüllen und durch das Schneiden von Rohmaterial an der Erstellung des Propagandafilms mitzuwirken. In der Anleitung ausführlich erklärte einfachste Schritte wie das Anklicken eines Standartmenüs oder eines Bedienfelds können nur eine Person gedacht gewesen sein, die vom Schneiden eines Films am Computer nicht die geringste Ahnung hatte.

So ist etwa auf dem unter 2.12.20 asservierten Papier Folgendes handschriftlich ausgeführt: [lückenhaft aufgrund von Brandschäden – NSU-Watch]
„Nero 7Premium starten (Make your own DVD-Video)
– Disk importieren wählen und Daten von DVD Ram importieren

– Mehr wählen Export wählen

bei Exportvorlage Benutzerdefiniert wählen
AVI- Pal- 4:3- 720×576- keine Komp –
– Keine Komp – Ordner und Dateinahme wählen

– Mit Virtual DubMod 1.5.10.1 die mit Nero erstellte
AVI Datei öffnen

Save as wählen – Dateinahmen eingeben –
>Audio- Video Interleave (*.avi)< wählen – keine Häckchen setzen >Fullprocessing Mode< wählen

bei „Don’t run this“ und „Save AVI in
old“ sowie „Segment output file“


Achtung Video-Datei darf nicht zu groß sein,
sonst kann sie mit Corel Draw nicht geladen
werden

[Anmerkung des Unterzeichners: in zwei Rechtecken sind anschließend jeweils die
Symbole für „In-Point“ und „Out-Point“ eingezeichnet]

Mit diesen Feldern den Anfang und
das Ende des Bereichs (????) markieren,
der geschnitten werden soll [????] Edit und
Cut drücken“

Nachfolgend abgedruckter Screenshot des Programms Virtual Dub Mod 1.5.10.2 wurde durch den Unterzeichner beim Schneiden einer Teilsequenz aus einer Folge der Zeichentrickserie „Paulchen Panther“ gefertigt. Unter Zuhilfenahme der Anleitung erfolgte dies innerhalb weniger Minuten. Das Bildschirmfoto zeigt die mit der oben dargestellten Anleitung korrespondierende Menüstruktur des Programms, insbesondere die Menüpunkte „Edit“ und „Cut“. Außerdem sind die im oben genannten Asservat eingezeichneten Auswahlfelder für das Setzen von „In-Points“ bzw. „Out-Points“ zu sehen (unten mit Pfeil gekennzeichnet).

Die Angeklagte Zschäpe ließ in ihrer Einlassung vom 09.12.2015 erklären, dass sie „problemlos“ in der Lage gewesen sei, auf einem vermeintlichen Festplattenrekorder befindliche Filme unter Benutzung einer Fernbedienung zu schneiden. Zwar mag die Angeklagte Zschäpe nur von mäßiger oder allenfalls durchschnittlicher Intelligenz sein. Unter Zuhilfenahme der oben genannten Anleitung „Videoclips“ am Computer zu schneiden erfordert allerdings keine weitergehenden kognitiven Fähigkeiten als solche, die für das Schneiden von Filmen auf einem vermeintlichen Festplattenrekorder unter Verwendung einer Fernbedienung erforderlich sind. Die Angeklagte Zschäpe war durchaus in der Lage, einen Computer etwa zum Surfen auf verschiedenen Internetseiten oder zum „stundenlangen Computerspielen“ mit Mundlos und Böhnhardt zu bedienen. Folglich kann weder die hanebüchene Erklärung der Angeklagten Zschäpe, bei der Wette sei es um das Entfernen von Werbeeinblendungen aus Fernsehserien gegangen, noch ihre vermeintlich fehlende Erfahrung beim Schneiden von Videoclips anhand von Computersoftware überzeugen. Addiert man zu den auf diese Weise aus der Zeichentrickserie „Paulchen Panther“ extrahierten Clips die weiteren aus Fernsehsendungen herausgeschnittenen Filmsequenzen, welche teilweise ebenfalls nicht in die endgültige Fassung des Propagandavideos eingeflossen sind, erreicht man die Anzahl von 200 „Videoclips“ im oben genannten Sinne. Die so erstellten „Videoclips“ korrespondieren wiederum mit denjenigen Dateien, die in der Frühlingsstraße auf EDV 11 sichergestellt wurden und in Anlage 2 zum Vermerk des EKHK Dem vom 06.06.2012 in einer Excel-Tabelle aufgeführt sind.

Götzl: „Wir werden den Antrag wie immer kopieren und Ihnen zur Verfügung stellen. Sind sogleich Stellungnahmen?“ Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: „Aus meiner Sicht kann der Antrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt werden.“ Sturm sagt, hier werde akribisch um Worte gerungen, ob der Verfasser sich das ebenfalls dachte bei der Anleitung oder der Wette, sei aber völlig offen. Sturm: „Wie hier Clips geschnitten werden, im Prinzip kann das als wahr unterstellt werden, denn der Begriff Clip bezeichnet Werbeclips, den kenne ich auch [phon.], die man herausgeschnitten hat. Mag sein, dass das ein möglicher Schluss ist, den man aber nicht ziehen muss. [phon.] Und anzumerken ist auch, dass mal wieder tabula rasa gemacht wird, wenn gesagt wird, das war eine Anleitung für IT-Doofis, Mundlos war es nicht, also müssen es Böhnhardt und Zschäpe gewesen sein. Und weil Böhnhardt nicht auf der Anklagebank sitzt, muss es Frau Zschäpe gewesen sein. Und das verfängt hinten und vorne nicht.“

NK-Vertreter RA Langer schließt sich dem Antrag an und sagt, er wolle nur kurz erwidern: „Wir haben vorliegend eine sehr abgezirkelte Erklärung der Angeklagten Zschäpe und eine Reihe von konkretisierenden Fragen dazu, auch durch die Nebenklage, gehabt. Sie hat dazu gesagt, sie ist nicht bereit das zu beantworten. Und letztlich wird der Senat wissen, was er aus alledem zu schlussfolgern hat. Aber dazu sind eben diese Sachen notwendig, um das Bild möglichst vollständig zu haben.“ Narin: „Ich würde noch erwidern, dass es mir nicht darum geht, dass Frau Zschäpe diese Clips geschnitten haben muss. Sie wurde aber in die Lage versetzt durch die Anleitung, den Wetteinsatz zu erfüllen.“ Jede einzelne Sequenz im Drehbuch sei als Clip bezeichnet, so Narin, und es werde ein gemeinsames Verständnis von „Clip“ vorausgesetzt. RA Kolloge schließt sich dem Antrag ebenfalls an.

OStAin Greger gibt für den GBA eine Stellungnahme zum gestrigen Beweisantrag von RA Reinecke ab. Der Antrag sei abzulehnen, da die zu beweisenden Tatsachen für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Auch wenn die benannten Zeugen ausschließen würden, dass die DPA im Jahr 2001 über den Bombenanschlag in der Probsteigasse berichtet habe bzw. wenn sie ausschließen würden, dass die Lokalzeitungen Freie Presse und TA im Jahr 2001 über den Anschlag berichtet hätten, könne damit die Einlassung der Angeklagten Zschäpe in diesem Punkt nicht widerlegt werden, so Greger. Die Angeklagte beziehe sich auf Berichte in der Presse. Wo genau und unter welchen Umständen die Kenntnisnahme der Angeklagten erfolgt sein soll, dazu verhalte sie sich nicht. Nach der Beweisaufnahme und dem Augenschein vom heutigen Tag stehe fest, dass mindestens drei Presseberichte zum Anschlag in der Wohnung von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe vorhanden waren. Das Asservat mit der Endziffer 1 stamme aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 20/21. Januar 2001. Daneben seien zwei weitere Zeitungsartikel sichergestellt worden, deren exakte Quelle nicht feststellbar gewesen sei. Es liege nahe, dass die drei Zeitungsausgaben damals in der Wohnung in der Polenzstraße zur Verfügung standen, so dass die Angeklagte ohne weiteres in der Wohnung von den Artikeln habe Kenntnis nehmen können. Im Übrigen hätten die Ermittlungen ergeben, das der Kölner Stadtanzeiger 2001 in der Bahnhofsbuchhandlung Zwickau erhältlich war. In dieser Buchhandlung sei Zschäpe Kundin gewesen, das hätten die Ermittlungen ergeben, so dass sie jedenfalls in der Bahnhofsbuchhandlung Kenntnis von dem Anschlag hätte erlangen können.

Reinecke: „Erstens geht es hier nicht um die Wohnung Polenzstraße, sondern um die Wohnung Heisenbergstraße, Januar 2001. Zweitens, dass das nicht feststellbar wäre, wann der Artikel erschien: Da müsste das BKA nur einmal beim Kölner Stadtanzeiger anrufen, es ist das Titelblatt.“ Selbst wenn es so wäre, wie es Zschäpe angegeben habe, so Reinecke, müsse man an anderer Stelle etwas zu Lasten Zschäpes unterstellen, nämlich dass dieses Beispiel eindeutig gegen ihre Erklärung dafür, dass sie alle Sachen schriftlich abgibt, gegen eine besondere Eindeutigkeit spreche. Reinecke weiter: „Und dann müssten wir ihr zu Lasten auslegen, dass sie sich eben nicht eindeutig äußert. Und das können wir nur, wenn wir darüber Beweis erheben.“

Stahl: „Der Beweisantrag von gestern, der sich für den Außenstehenden auf den ersten Blick überzeugend angehört haben mag, ist allein schon durch die Inaugenscheinnahme der asservierten Artikel vom Ziel losgelöst worden. Er hat sein Ziel verfehlt. Es wäre eigentlich sinnvoll, den zurückzunehmen, damit man sich in diesem Verfahren nicht damit aufhält, im Trüben zu fischen. Das kann man auch nicht damit gesundbeten, dass dem Einlassverhalten angeblich noch eine besondere Akribie innewohnen würde. Das ist Ihre Schlussfolgerung, Herr Kollege!“

Es folgt die Mittagspause bis 13:04 Uhr. Götzl: „Wir würden dann, Herr Prof. Saß, zu Ihnen kommen.“ Saß setzt sich an den Zeugentisch. Götzl: „Zunächst wird es darum gehen, im Hinblick auf das Gutachten auf die Informationen einzugehen, die wir heute früh über die Zeugin Ha. erhalten haben. Ergeben sich irgendwelche Konsequenzen?“ Saß: „Ich hatte ja schon im mündlich vorgetragenen Gutachten und auch bei der Befragung ausgeführt, dass es zu den Eigenschaften und besonderen Fähigkeiten von Frau Zschäpe gehört, dass sie sich sehr kontrolliert, beherrscht und gut der Situation angepasst verhalten kann. Ich hatte als Beispiel auf die vielen Jahre im Untergrund hingewiesen, die offensichtlich ohne große Panne verlaufen sind, jedenfalls ist da nichts bekannt geworden, und auf die Zeugenschilderungen aus den Urlauben und den beiden Wohnungen.“ Er habe, so Saß, von Camouflage gesprochen, von Verstellung. Saß: „Das ist über viele Jahre gemacht worden und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Fähigkeit nicht mehr besteht. Damit ist ein reibungsloses und nicht auffällig gewordenes Verhalten in der JVA eigentlich nichts, was überrascht angesichts der früheren Jahre und es ist auch – um die Frage, die Rechtsanwalt Borchert aufgeworfen hatte, aufzugreifen – nicht geeignet, um eine grundsätzliche Wandlung einer inneren Einstellung und Abkehr von früheren Einstellungen zu begründen. Wir haben ja auch von der Zeugin gehört, dass intensivere persönliche Erörterungen und Gespräche, bei denen es etwa um innere Haltungen geht, nicht geführt worden sind. Insofern bleibt es bei den Aussagen, die ich hier schon ausgeführt habe.“

Götzl fragt, ob sonst noch Fragen sind. Heer: „Im Moment nicht, das erkläre ich für Frau Sturm, Herrn Stahl und mich. Es kann sich aber das Bedürfnis nach weiteren Entwicklungen – Stichwort in den Raum geworfen: Möglichkeit einer Exploration – ergeben.“ Scharmer: „Nur kurz eine Frage, Herr Prof. Dr. Saß. Wir haben die Frau Ha. gehört, die ja als Abteilungsleiterin nicht oft persönlichen Kontakt mit Frau Zschäpe hatte. Nun gibt es Stationsbedienstete und eine Sozialarbeiterin, die im täglichen Kontakt mit Frau Zschäpe umgehen. Wäre es für Ihre Begutachtung relevant, von diesen Zeuginnen zu erfahren, wie sie sich im täglichen Umgang verhält? Würde das Ihre Prognosebasis erweitern?“ Saß: „Also wenn es darum geht, wie sie sich im täglichen Umgang verhält, dann verspreche ich mir keine zusätzlichen Ergebnisse. Wichtig wäre, ob es Personen gibt, mit denen es Gespräche über Tieferes, Einstellungen, Überzeugungen gibt.“

Götzl: „Sind sonst noch Fragen?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Wir würden dann die Vernehmung von Prof. Dr. Saß abschließen, denn irgendwelche Möglichkeiten, von denen ich nicht absehen kann, ob sie sich überhaupt realisieren, würden einem Abschluss der Vernehmung des Sachverständigen nicht entgegenstehen.“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Die Problematik besteht darin, dass wir drei es eben auch nicht beurteilen können.“ Im Saal kommt kurz Gelächter auf. Heer weiter: „Da haben wir was gemeinsam.“ Götzl: „Ja, sind dann noch Fragen? Keine? Anträge auf Vereidigung des Sachverständigen, nehme ich an, werden keine gestellt. Dann bleibt der Sachverständige unvereidigt. Ich nehme an, der Sachverständige kann entlassen werden?“ Sturm, Stahl und Heer beraten sich kurz, äußern sich aber nicht weiter. Götzl: „Dann darf ich mich sehr herzlich bedanken. Wenn Sie hier Ihre Anweisung mitnehmen, dann kriegen Sie Ihre Entschädigung. Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Saß, auf Wiedersehen!“ Saß verlässt den Saal.

Heer: „Herr Vorsitzender, Frau Sturm, Herr Stahl und ich widersprechen der Verwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. Saß. Wir werden das ausführlich schriftlich begründen und würden uns auch eine Erklärung nach 257 vorbehalten. Hierfür benötigen wir eine erhebliche Zeit.“ Götzl: „Was bedeutet das, erhebliche Zeit? Wie lang?“ Heer: „Eine erhebliche Zeit. Es war umfangreich, kann ich so nicht zusichern. [phon.]“ Götzl: „Ich kann ‚erhebliche Zeit‘ nicht einordnen. Das ist ein sehr unbestimmter Begriff, der alles Mögliche zulässt. Und eine 257er-Erklärung ist in der Regel ja sofort abzugeben. Wenn Sie eine gewisse Vorbereitungszeit erfordert, lasse ich das zu, aber es ist nicht so, dass der jeweilige Erklärungsgeber bestimmt, wie lange er sich dafür Zeit nimmt.“ Heer: „Ich kann nicht sagen, wie lange. Ich gebe zu bedenken, dass Sie bei anderen Beweiserhebungen auch durchaus großzügig waren.“ Götzl: „Gut, aber es kommt auch darauf an, was der Verfahrensstand ist und wieviel Zeit Sie letzten Endes auch haben.“ Götzl sagt, er halte die Angabe „erhebliche Zeit“ für zu vage. Heer: „Ergänzend: Wir drei werden uns am nächsten Hauptverhandlungstag zu der benötigten Zeit erklären.“ Stahl: „Es will hier doch keiner rumtaktieren. Es ist so, dass eine ganze Menge Material entstanden ist. Das werden wir jetzt alles sichten müssen und dann werden wir da was draus machen müssen. Und das dauert eben seine Zeit. Und eine verbindliche Aussage, jetzt zu sagen, wie viele Stunden das in Anspruch nimmt, das geht halt nicht.“

Götzl fragt dann, ob heute weitere Anträge gestellt oder Erklärungen abgegeben werden sollen. Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath gibt eine Erklärung zur Stellungnahme von OStA Weingarten von gestern ab. Die BAW wolle, so Nahrath, die Anträge der Verteidigung bewusst missverstehen. Für die Wertung, dass die Zeugen fremdpsychische Tatsachen berichten sollen, biete der Antrag nicht den geringsten Anlass. Die Zeugen sollten eigenpsychische Wahrnehmungen bekunden, so Nahrath. Wären die beantragen Beweiserhebungen nicht aufgrund der Amtsaufklärungspflicht geboten, hätte es des immensen Aufwands von Weingarten nicht bedurft, so Nahrath. Weingarten konterkariere die Aufklärungsbemühungen des Senats, denn der Vorsitzende habe alle Zeugen zur politischen Einstellung von Mundlos und Böhnhardt befragt. Die Frage der Konnexität stelle sich nicht. Der Zusammenhang sei nur zu erörtern, wenn er zweifelhaft ist [phon.], so Nahrath. Im Übrigen hätten die benannten Zeugen hierzu in polizeilichen Vernehmungen bekundet. Die Unterlassung der Hinterfragung sei allein der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens zuzurechnen. Diese sei ihrer Leitungsfunktion nicht ausführlich nachgekommen.

Die BAW verkenne, dass sogar die Mitangeklagten Schultze und Gerlach trotz Eingebundenseins in die Waffenbeschaffung ausgesagt hätten, dass sie Mundlos und Böhnhardt solche Taten nicht zugetraut haben. Wohlleben sei nach seiner Aussage von der Verwendung der Waffe für einen Suizid ausgegangen. Soweit Weingarten bemängele, dass in dem Antrag auf Leumundszeugen keine konkreten Beweistatsachen benannt seien, verkenne er, dass unter Beweis gestellt sei, dass Wohlleben die Verwendung von Gewalt abgelehnt und sich für eine „Europa der Vaterländer“ ausgesprochen habe. Dies sei dem Beweis zugänglich. Soweit der GBA das Fehlen konkreter Tatsachen bemängelt, dass Wohlleben nicht mit feindseligen Ausführungen zu Ausländern aufgefallen sei, sei zu sagen, dass die Zeugen zu Ziffer 1 bis 7 längere Zeit mit Wohlleben Kontakt gehabt hätten und aus eigenem Erleben zum Verhalten Wohllebens gegenüber Ausländern berichten könnten. Gerade weil nicht nur die BAW, sondern auch der Senat in seinen Haftentscheidungen Wohlleben eine ausgeprägte ausländerfeindliche Gesinnung als Tatantrieb unterstelle, welche von keinem Zeugen bestätigt worden sei, sei die Haltung Wohllebens gegenüber Ausländern von der Amtsaufklärungspflicht umfasst.

Der Senat berät sich kurz. Götzl: „Sind denn ansonsten weitere Anträge oder Erklärungen?“ Bundesanwalt Diemer: „Ich könnte noch erklären, dass wir dem Beweisantrag von Rechtsanwalt Narin nicht entgegentreten, der vorhin gestellt worden ist.“ Götzl: „Der morgige Tag würde dann natürlich wegfallen, wir sind ja heute mit Prof. Dr. Saß fertig geworden. Wir würden am 07.03. fortsetzen. Dann wird unterbrochen, wir setzen fort am Dienstag, 07. März 2017, um 09:30 Uhr in diesem Sitzungssaal.“ Der Verhandlungstag endet um 13:21 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Die Vernehmung der Abteilungsleiterin aus der JVA München-Stadelheim brachte jedenfalls einen interessanten Aspekt zu Beate Zschäpe zu Tage, nämlich, dass sie regelmäßige Einzahlungen von einem Mann aus München bekommt. Es scheint sich um einen Mann zu handeln, auf verschiedenen sozialen Medien aktiv ist und hetzt dort gegen den ‚Lügenprozess‘ gegen Zschäpe, aber auch in Pegida/Nazi-Manier gegen Geflüchtete und ‚Ausländer‘ hetzt und zahlreiche Inhalte von Neonazis verbreitet. Zschäpe hat zwar bereits vor längerem dem Gericht mitgeteilt, dass sie keinen Besuch von dieser Person wünscht, die Zahlungen scheint sie aber gerne anzunehmen. Ansonsten, so die Abteilungsleiterin, sei Zschäpe höflich und unauffällig, sie könne keine negativen Auffälligkeiten berichten. Der Sachverständige Prof. Saß bekräftigte, dass dies an seiner Einschätzung nichts ändere, sie vielmehr sogar bestätige – auf die in den Jahren im Untergrund ausgeprägte Fähigkeit Zschäpes, Camouflage zu betreiben, hatte er ja bereits hingewiesen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/02/23/22-02-2017/

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