Kurz-Protokoll 367. Verhandlungstag – 31. Mai 2017

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An diesem Verhandlungstag verliest zunächst der Verteidiger von Beate Zschäpe, RA Heer, eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA zum Antrag von Sturm, Stahl und Heer auf Einholung eines weiteren Sachverständigen-Gutachtens. Danach stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat.

Der Verhandlungstag beginnt heute erst um 13:12 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung möchte Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders das Wort für einen unaufschiebbaren Antrag. Götzl: „Frau Rechtsanwältin Schneiders, bevor wir zu den Anträgen kommen, Sie erleiden dadurch keinen Rechtsverlust: Sollen denn heute noch Stellungnahmen abgegeben werden?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer verliest eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA zum Antrag von Sturm, Stahl und Heer auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens: Der GBA weist zurecht darauf hin, dass sich die Entscheidung, ob ein weiterer Sachverständiger zu bestellen ist, an § 83 Absatz 1 StPO zu orientieren hat. Demnach kann der Richter eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn er das Gutachten für ungenügend erachtet. Soweit das Gutachten nicht ungeeignet ist, so dass zwingend eine neue Begutachtung anzuordnen ist, steht die Entscheidung, ob eine wiederholte Begutachtung zu erfolgen hat, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ungenügend ist ein Gutachten dann, wenn es dem Richter nicht die erforderliche Sachkunde vermittelt, nicht aber schon, wenn es den Richter nicht überzeugt, denn auch ein nicht überzeugendes Gutachten kann dem Richter – allerdings nur in Ausnahmefällen – die erforderliche Sachkunde vermitteln.
Der Antrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens basiert auf dem methodenkritischen Gutachten, das Prof. Dr. Faustmann am 360. Hauptverhandlungstag erstattet hatte und zu dem er am 362. Hauptverhandlungstag durch den Vorsitzenden und weitere Verfahrensbeteiligte befragt worden war. Prof. Faustmann wurde anschließend entlassen. Auf Ladung durch den Vorsitzenden war Prof. Dr. Saß an beiden Terminen zugegen, so dass er die Methodenkritik unmittelbar zur Kenntnis nehmen konnte.
Auf erneute Ladung des Gerichts gab Prof. Saß am 366. Hauptverhandlungstag eine Stellungnahme u.a. zu dem Gutachten von Prof. Faustmann ab und verteidigte sein Gutachten gegen die methodenkritische Kritik. Im Rahmen der sich anschließenden Vernehmung bat der Vorsitzende den SV Prof. Saß ausschließlich, Angaben zu seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit als forensischer Psychiater zu machen und die Anzahl der von ihm gefertigten Gutachten abzuschätzen. Fragen im Hinblick auf das methodische Vorgehen stellte der Vorsitzende nicht; die übrigen Senatsmitglieder übten ihr Fragerecht nicht aus. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Senat insgesamt das Gutachten nicht oder jedenfalls nicht mehr als mängelbehaftet und damit nicht als ungenügend erachtet. Unserem Antrag wird daher auf derzeitiger Grundlage der Erfolg versagt sein.

Götzl: „Sollen Stellungnahmen erfolgen? Keine? Wir kopieren es. Dann kämen wir im Anschluss zu Ihnen, Frau Schneiders.“ Schneiders verliest einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Zunächst gibt sie aus Sicht der Verteidigung Wohlleben den prozessualen Sachverhalt, nämlich die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der Zeugen Luthard, Dressler etc. und hinsichtlich der Zeugin Stefanie Fö. vom 366. Verhandlungstag. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs sagt Schneiders zunächst, dass der Angeklagte Wohlleben wegen des Beratungsgeheimnisses nicht vortragen könne, ob alle abgelehnten Richter und wenn nicht, welche Senatsmitglieder die beiden Beschlüsse mitgetragen haben. Deshalb sei er berechtigt, alle Senatsmitglieder abzulehnen. Dann zitiert sie ausführlich aus dem Beschluss zur Ablehnung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Luthard, Dressler etc. Danach führt sie zur Begründung aus: In ihrem Beschluss führen die abgelehnten Richter keine tragfähigen Gründe an, weshalb die Zielfahnder gerade im Fall des Trios bei Kenntnis sämtlicher damals den Behörden vorliegender Informationen gerade diesen Zielfahndungsauftrag nicht zum Erfolg hätten führen können. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Garagenliste.
Zwar geht die Rechtsprechung hinsichtlich des Einflusses auf das Straf- und Schuldmaß lediglich davon aus, wenn staatliche Behörden Einfluss auf die Straftat als solches haben, doch muss in der Gesamtschau von den abgelehnten Richtern berücksichtigt werden, dass auch die Staatsanwaltschaft Gera ihren Beitrag zum Verbleib des Trios im Untergrund und damit eine Radikalisierung zu dieser Zeit gefördert hat.
Die Eltern des Böhnhardt haben in ihrer Zeugenvernehmung berichtet, dass man sich um eine Selbststellung bemühte und auch RA Dr. Eisenecker dies versuchte. Doch gab der Zielfahnder Wunderlich gegenüber den Eltern des Böhnhardt an, dass bei Ergreifung durch die Polizei das Trio erschossen werden könnte. Dies war für eine Selbststellung nicht förderlich, ebenso wenig wie die Akteneinsichtsverweigerung durch die Staatsanwalt Gera gegenüber RA Eisenecker. Das kollektive Zusammenwirken der genannten Behörden musste die Haltung des Uwe Böhnhardt und des Uwe Mundlos, ihr „Leben verkackt“ zu haben, geradezu bestärkt haben und drängt den Schluss auf, die späteren Taten befördert zu haben. Die abgelehnten Richter verkennen in ihrem Beschluss auch, dass die Verfolgungsbehörden im Rahmen des Legalitätsprinzips eine Pflicht zur Amtshilfe haben, insbesondere wenn es darum geht, auf der Flucht befindliche Tatverdächtige zu ergreifen. Und diese Möglichkeit bestand im Falle des Trios, wie darlegt, in besonders hohem Maße.

Den zweiten Teil des Befangenheitsantrags verliest Wohlleben-Verteidiger Nahrath: Die abgelehnten Richter zeigen mit dem Beschluss überdeutlich, dass sie sich hinsichtlich der Schuldfrage endgültig festgelegt haben. Weiter belegen die Gründe für einen verständigen Angeklagten unabweisbar, dass die abgelehnten Richter den Beweisantrag mit willkürlichen Erwägungen ablehnten. Bei dieser Sachlage hat Herr Wohlleben begründetes Misstrauen in die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter.
Mit keinem Wort setzen sich die abgelehnten Richter damit auseinander, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Versand der Waffe durch Schläfli & Zbinden und dem Erwerb einer Schalldämpferwaffe durch den Mitangeklagten Schultze sogar vier Jahre, die doppelte Zeitspanne, liegen und alle angeblichen Zwischenglieder – Germann, Müller, Theile, Länger) bestritten haben, an der Weitergabe einer Schalldämpferwaffe beteiligt gewesen zu sein. Allein dies belegt für den Angeklagten Wohlleben unabweisbar und schlagend, dass die abgelehnten Richter nicht bereit sind, ihre bereits feste Überzeugung über den Weg der Tatwaffe Ceska 83 auch nur kritisch zu überprüfen. Dies kann der verständige Angeklagte Wohlleben nur so verstehen, als dass das Urteil für die abgelehnten Richter bereits endgültig zu seinen Lasten feststeht. Bemerkenswert ist, dass der Senat bis heute nicht ermittelt hat, wer den Eintrag im Waffenbuch über den angeblichen Versand der Tatwaffe Ceska 83 bei Schläfli & Zbinden vorgenommen hat.
Ein Richter, der nicht mehr bereit ist, seine bereits gewonnene Überzeugung zu überprüfen, ist kein unparteilicher Richter im Sinne des Gesetzes.

Der Verhandlungstag endet gegen 14:30 Uhr.

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