Protokoll 416. Verhandlungstag – 21. März 2018

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An diesem Verhandlungstag geht es zunächst um Verlesungen von Vermerken der Thüringer Polizei zu Bombenattrappen aus dem Jahr 1997, die Anfang 1997 verschickt wurden. Danach fordert Richter Götzl RA Borchert auf, mit seinem Plädoyer zu beginnen. Der sagt allerdings, seine Mandantin sei krank, daher sei dies nicht möglich. Ein Arzt untersucht Beate Zschäpe, Götzl beendet daraufhin den Prozesstag.

Um 09:33 Uhr wird im Saal A101 per Durchsage die Verfügung mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Ablehnungsgesuche die Hauptverhandlung heute erst um 11:30 Uhr beginnt. Der Verhandlungstag beginnt dann um 11:42 Uhr. Anwesend ist heute von den „neuen“ Verteidigern Zschäpes neben RA Grasel auch Zschäpes Wahlverteidiger RA Borchert. Außerdem sitzt als „Beistand“ neben ihrem Mann Ralf und erstmals als „Beistand“ neben ihrem Mann André.

Direkt nach der Präsenzfeststellung beantragt Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders, die Hauptverhandlung für 30 Minuten zu unterbrechen: „Herr Wohlleben konnte die drei Beschlüsse noch nicht zu Kenntnis nehmen.“ Richter Götzl: „Ja, aber die waren ja außerhalb der Hauptverhandlung.“ Schneiders: „Er muss die Beschlüsse zur Kenntnis nehmen, um zu beraten, ob wir jetzt prozessuale Anträge stellen.“ Götzl sagt, ein Rechtsverlust trete ja nicht ein, wenn das in der nächsten Pause geschehe. Schneiders: „Dann beantragen wir einen Gerichtsbeschluss.“ Götzl: „Stellungnahmen?“ Bundesanwalt Diemer: „Ich meine auch, dass man bis zur nächsten Pause warten kann.“ Götzl: „Weitere Stellungnahmen? Keine? Dann wird unterbrochen, wir setzen fort um 12:10 Uhr.“

Um 12:12 Uhr geht es weiter. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Und zwar nehmen wir den Antrag auf Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses zurück. Wir haben die Unterbrechung genutzt, um uns beraten zu können, von daher hat es damit sein Bewenden.“

Götzl: „Es ist beabsichtigt, folgende Schriftstücke zu verlesen.“ Götzl nennt aus Altakten der StA Gera Teile eines Vermerks des Polizeiangestellten Br. vom 31.12.1996, Teile eines Vermerks von KM Gl. vom 02.01.1997 sowie Teile eines Vermerks von POM Ku. vom 02.01.1997. Außerdem sei, so Götzl, beabsichtigt, bestimmte Abbildungen in Augenschein zu nehmen. Er nennt auch hier die Fundstellen aus Altakten der StA Gera. Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: „Ich würde Sie bitten, die Hauptverhandlung für 30 Minuten zu unterbrechen, damit wir uns die Sachen vorher anschauen können.“ Götzl: „Frau Schneiders, Sie ebenfalls? Dann unterbrechen wir bis 12:45 Uhr.“

Um 12:48 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind Erklärungen dazu? Keine?“ Es kommt dann zu den angekündigten Verlesungen. Richter Lang verliest zunächst den Vermerk von Br. von der KPI Jena. Dem Vermerk zufolge habe der am 31.12.1996 zwischen 12:45 Uhr und 13:20 Uhr am Einsatzort in der Lokalredaktion der TLZ Jena anwesende Mitarbeiter der Redaktion folgende Angaben gemacht: Beim Eintreffen von Unterzeichner und KM Ho. habe der A5-Umschlag auf einem Schreibtisch gelegen. Nach erster Augenscheinnahme seien oben 8 cm aufgerissen gewesen und man haben Draht bzw. eine Styroporplatte erkennen können. Unter Beachtung weiterer Sicherheitsvorkehrungen sei das Papier mit einer Pinzette angehoben worden. Dabei habe erkannt werden können, dass eine Batterie etwas verkantet in der Styroporplatte gelegen habe und die Drähte unfachmännisch abisoliert die Kontaktstellen nicht berührten. Weiter sei ein Papierstück sichtbar gewesen, auf dem u.a. ein Hakenkreuz und die Worte ‚Scherz‘ und ‚ab 97‘ sichtbar geworden seien. Der Unterzeichner habe als Diplom-Ingenieur FH der Elektrotechnik entsprechende Fachkenntnisse und habe daher das Paket geöffnet. Eine Styroporplatte sei zum Vorschein gekommen, die eine Briefbombenattrappe darstellte. Zu sehen seien Knetmasse, Schrauben und Klingeldrähte gewesen. Im Vermerk ist die Rede von einem Zettel aus Versandtaschenpapier, Größe 12 mal 14 cm mit der blauen Beschriftung in Großbuchstaben: „Von Lüge und Betrug haben wir genug. Das wird der letzte Scherz jetzt sein, ab 97 haut es richtig rein!!!“. Dabei sei vor und nach dem Wort ‚rein‘ jeweils ein Hakenkreuz gezeichnet gewesen. Der Brief sei in einem Folienbeutel gesichert worden.

Dann verliest Richter Lang den Vermerk von Gl. von der KPI Jena vom 02.01.1997 „zur Anzeige wegen Störung des öffentlichen Friedens, Bombendrohung 02.01.1997“. Durch den Unterzeichner sei die Poststelle der Stadtverwaltung aufgesucht worden. Bei dem Briefkuvert handele es sich um ein braunes Kuvert ohne ersichtlichen Absender. In dem Kuvert habe sich eine weiße Styroporplatte mit Aussparungen befunden sowie eine rotbraune Masse, auf dieser wiederum eine Unterlegscheibe. Zwischen Knetmasse und Unterlegscheibe seien zwei Drähte gelegt bis zu einer weiteren Knetmasse. An den kurzen Enden der Knetmasse seinen zwei Schrauben eingedreht gewesen. Insgesamt handele es sich um ein Objekt, welches als Attrappe bezeichnet werden könne. Es finde sich ein handgeschriebener Zettel im Kuvert, Buchstabenhöhe 0,5cm, die Buchstaben seien augenscheinlich mit einem blauen Faserstift aufgezeichnet: „Mit Bomben-Stimmung in das Kampfjahr 97. Auge um Auge, Zahn um Zahn – Dieses Jahr kommt Dewes dran!!!“ Der Buchstabe S sei dabei regelmäßig als Rune geschrieben.

Zuletzt verliest Lang auch den Vermerk von Ku. vom LP Thüringen, 02.01.1997. Laut dem Aktenvermerk sei am Donnerstag, 02.01.1997, in der PD Jena eine Briefsendung über den üblichen Postweg eingegangen, welche eine als Inhalt gehabt habe. Die Bombenattrappe sei einer augenscheinlichen Überprüfung unterzogen worden. Es habe sich ein Zettel gefunden mit dem Text: „Mit Bombenstimmung in das Kampfjahr 97. Auge um Auge, Zahn um Zahn, dieses Jahr kommt Bubis dran!!!“. Die Buchstaben S seien als Sig-Runen dargestellt. Die Bombenattrappe ähnele den beiden anderen. Götzl: „Dann werden aus den Akten die Lichtbildtafeln 8 bis 11, 34 bis 36 und 43 bis 46 in Augenschein genommen.“ Die Fotos der Briefbombenattrappen werden in Augenschein genommen, die Bilder werden im Saal an die Leinwände projiziert.

Götzl: „Sollen Erklärungen erfolgen? Keine. Zum weiteren Prozedere: Von Seiten des Senats ist vorgesehen, zu Ihnen zu kommen, zu den Schlussvorträgen von Ihrer Seite, heute und morgen, Herr Rechtsanwalt Grasel und Herr Rechtsanwalt Borchert. Sind noch Anträge oder Erklärungen?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Dann schließe ich die Beweisaufnahme. Sie bekommen natürlich Gelegenheit zur Ergänzung Ihres Schlussvortrags.“ Diemer: „Ich nehme in vollem Umfang auf unsere Ausführungen Bezug. Mit Ausnahme des Antrags auf Abtrennung wegen der Einziehung, dem bereits stattgegeben wurde, halte ich alle unsere Anträge aufrecht.“ Götzl: „Dann wird auch den Nebenklägervertretern Gelegenheit gegeben. Sollen noch Ausführungen erfolgen? Keine.“

Götzl wendet sich an Grasel und Borchert: „Zum Prozedere jetzt: Wer möchte denn von Ihnen beginnen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Borchert: „Ich hatte beabsichtigt, heute mein Plädoyer zu beginnen. Die Mandantin hat mir aber mitgeteilt, dass sie unter starker Übelkeit und Kopfschmerz leidet, so dass ich nicht beginnen kann.“ Götzl: „Frau Zschäpe, brauchen Sie einen Arzt, sollen wir einen Arzt holen?“ RA Grasel: „Sie hat heute morgen schon Medikamente genommen, wäre wahrscheinlich sinnvoll, dass man da drüber schaut.“ Götzl: „Dass man einen Arzt holt?“ Grasel: „Ja.“ Götzl: „Dann werden wir mal eine halbe Stunde unterbrechen und um 13:30 Uhr fortsetzen.“

Um 13:44 Uhr sind die Angeklagten wieder im Saal, vor RA Borchert steht ein Redepult auf dem Tisch. Um 13:46 Uhr geht es weiter. Götzl: „Herr Dr. von Oefele hat Frau Zschäpe untersucht. Aufgrund der Beschwerden ist ein Weiterverhandeln nicht angezeigt, so dass unterbrochen wird. Wir setzen dann fort morgen um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 13:46 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Das Gericht verlas […] einige Polizeiberichte zu den Briefbombenattrappen, die – der Beweislage nach von Mitgliedern der ‚Kameradschaft Jena‘ – zum Jahreswechsel 1996/1997 verschickt worden waren. Unser Kollege Peer Stolle hatte in seinem Plädoyer u.a. auf diese Taten hingewiesen und dargestellt, warum schon zu diesem Zeitpunkt von der Existenz jedenfalls einer kriminellen Organisation auszugehen ist, die als Vorgänger des NSU anzusehen ist. […] Heute war neben der Ehefrau von Ralf Wohlleben auch Susann Eminger als ‚Beistand‘ für ihren Mann im Saal. Gegen sie wird wegen des Verdachts der Unterstützung des NSU ermittelt.
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2018/03/21/21-03-2018/

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