„2000 Mann treten uns bei, alle verteidigungsfähig.“ – Der Prozess gegen Marko G. – 3. Verhandlungstag

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NSU-Watch Protokoll vom 3. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 12.12.2019

Der Angeklagte Marko G. grüßt erneut Menschen auf der Tribüne für Besucher*innen des Prozesses, 09:30 Uhr beginnt der Prozesstag. Es sollen vier Zeugen gehört werden, die Staatsanwaltschaft (StA) erklärt, sie wolle keine zusätzlichen Zeugen laden. Der Richter sagt, dass die StA habe am Nachmittag zuvor noch mitgeteilt, dass sie zusätzlich den Zeuge Le. vom LKA hören wolle, der sei geladen worden. Der Staatsanwalt sagt, man habe intensiv diskutiert, wie sie mit der Verfahrenseinschränkung umgehen wollen. Am letzten Verhandlungstag hatte das Gericht angedeutet, man könne die Vorwürfe wegen der unsachgemäßen Lagerung der Waffe der Marke Glock fallenlassen. G. hatte zuvor angegeben, er hätte kurz vor der Durchsuchung Geräusche gehört, und sei mit der durchgeladenen Glock zur Haustür gegangen. Als er die Polizei bemerkt habe, habe er die Waffe fallen gelassen. Die Waffe wurde bei der Durchsuchung im Flur des Hauses gefunden. Die StA sagt nun, man werde der Verfahrensbeschränkung nicht zustimmen: „Wir sind der Wahrheit verpflichtet.“ Das Gericht solle dies nicht fallen lassen sondern den Angeklagten ggf. freisprechen.

Zeugenanhörungen

Oliver Le., Polizeibeamter beim LKA, wafffenrechtliche Einschätzung und Gutachten für das LKA Hamburg

Der Staatsanwalt sagt, der Zeuge Le. solle seinen Aufgabenbereich darstellen. Le. sagt, er habe die primären Verkaufs- und Veräußerungswege der Munition ermittelt, bis zum ersten Empfänger. Anhand von sogenannten Losnummern könne man das Herstellungsdatum und den Hersteller feststellen. Er habe die Verfügung der Staatsanwaltschaft am 26.08.2019 erhalten, dann sei beim LKA eine Katalogisierung erfolgt. Die StA fragt, ob er die Munition im Einzelnen benennen könne, Le.: „Mit Aktenhilfe kriegen wir das hin, aber aus der Erinnerung ist das nicht möglich.“ Die StA fragt nach der ersten Durchsuchung, nach sachgemäßer Lagerung und den Waffen. Der Zeuge sagt, das kenne er nur von Fotos, diese habe er in Erinnerung.

Zur Munition, die bei der Durchsuchung 2019 gefunden worden sei, erzählt Le. auf Nachfrage, die Muntion sei vom BKA überbracht worden und sei in den Munitionsbunker gebracht worden, dann habe es eine entsprechende kriminaltechnische Untersuchung und Asservierung gegeben. Die StA geht mit dem Zeugen die in der Anklageschrift benannten Munitionsteile durch. Gefragt nach für Zivilisten zugänglicher Munition gibt der Zeuge allgemeiner an, diese könne man mit entsprechenden Dokumenten über einen Fachhändler erwerben, man zeige dafür die Waffenbesitzkarte vor. Die StA hakt nach, ob man jegliche Munition kaufen könne und mehr als zu den auf der Waffenbesitzkarte angegebenen Waffen. Le. sagt, auf der Waffenbesitzkarte sei das Kaliber abgedruckt, darüber hinaus brauche man eine Erwerbskarte. Auf weitere Nachfrage gibt der Zeuge an, bis 2017 habe G. eine solche besessen, danach nach Aktenlage nicht mehr. Die StA geht dann mit dem Zeugen weiter die gefundene Munition durch, dieser nennt die legalen ersten Empfänger und ob es sich um Munition handelt, die auch für Zivilist*innen zugänglich ist. Le. macht dazu Angaben, darunter sei Munition gewesen, die zunächst das LBPK (Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz) Mecklenburg-Vorpommern erhalten habe. Die StA fragt nach 12 Kartons mit Munition mit dem Namen „Sniperline“. Le. sagt, dies sei lange Munition, sie sei für den zivilen Markt zugänglich. Im konkreten Fall sei sie aber nur an Behörden, an Spezialeinheiten, auch in Holland und verschiedene Workshops des Herstellers „MEN“ ausgeliefert worden. Die StA fragt, ob „MEN“ auch einen Workshop in Güstrow durchgeführt habe. Le. bejaht und fügt hinzu, auch in Frankfurt. Die StA fragt nach, ob die konkrete Munition vollständig an Behörden ausgeliefert worden sei. Die Verteidigung interveniert, ein Workshop in Güstrow sei keine Behörde und beanstandet die Frage. Auf Nachfrage sagt Le., weitere Munition sei an die zentrale polizeiliche Verteilstelle von Nordrhein-Westfalen in Duisburg gegangen. Zu einer weiteren Muntionsangabe sagt der Zeuge, das sei Sportschützenmunition, die sei im Landkreis Friedrichslust, an Herrn He. (2. Prozesstag) ausgeliefert worden, diese sei für den offenen Markt zugänglich.

Die Verteidigung fragt, was mit der Munition die an das LBPK Mecklenburg-Vorpommern geliefert worden sei, passiert sei. Le. antwortet, das wisse er nicht. Der Staatsanwalt sagt dazu, 4150 Schuss, die bei G. gefunden worden sein, könnten legal gekauft oder beim LBPK unterschlagen worden sein. Die Verteidigung fügt hinzu: „Oder offiziell an die Schießmannschaft ausgehändigt.“ Le.: „Das sind die Optionen.“ In der weiteren Befragung der StA sagt der Zeuge, dass es auch ältere Patronen von 1993 gegeben habe. Es habe auch 20 „Patronen Unterschall“ gegeben, das sei Schalldämpfermunition, nur für Militär in „früheren Ostzonen“, die seien einen Zeit lang vom LKA verwendet worden, Le. wisse aber nicht genau, in welchem Zeitraum. Auch Sportschützenmunition aus der DDR sei gefunden worden, diese sei bei zivilen Sportschützen „ganz normal“. Die 1080 unverschossenen Patronen, die in der blauen Tonne gefunden worden seien, seien 2016 angefertigt worden, diese könne man legal erwerben.

Die Staatsanwältin fragt nach der 2019 gefundenen Munition, bei einigen benannten Teilen sagt der Zeuge knapp: „Zivilmunition“. Dann geht es um Munition des Kaliber 9, hier sei der legale Empfänger am 24. Juli 2018 die Bereitschaftspolizei Bayern gewesen. Die StA fragt dann nach neun Patronen, diese seien eigentlich 2018 für das Munitionsdepot Wulfen bestimmt gewesen. Le. sagt, diese Munition sei ausschließlich für die Bundeswehr, sie sei an das Kommando Spezialkräfte (KSK) ausgegeben worden. Das KSK habe eine große Menge dieser Munition am 6. April 2018 empfangen. Le. nennt die Zahl 455.000 Patronen. Die StA nennt als nächsten Posten Luger Vollmantel Munition, der legale Empfänger sei die Carl Walther GmBH und ein Ministerium in Thüringen gewesen. Le. sagt., diese sei an Behörden und zu Testzwecken an den Waffenhersteller ausgeliefert worden. Die StA fragt nach Munition, die 2018 nach Sachsen ausgeliefert worden sei. Der Zeuge sagt, da seien eine halbe Million Patronen geliefert worden. StA: „Wie sind die zu Herrn G. nach Hause gekommen?“ Der Zeuge sagt, das wisse er nicht. Die nächste Frage dreht sich um fünf Kartons, deren legaler Empfänger Frank Th. gewesen sei. Le. sagt, er erinnere sich.

Die StA fragt den Zeugen Le. auch, ob er Angaben zur Waffensachkunde von G. machen könne. Ob dieser bspw. als Ausbilder tätig gewesen sei. Le. sagt aus der Asservatenauswertung bei Frank Th. ergebe sich, dass es zwischen G. und Th. 2018 eine Kommunikation gegeben habe, ob G. einen Sachkundelehrgang in Neumünster begleiten könne. Die StA hält ein Schreiben von Th. an den Auftraggeber des Lehrgangs vor: Die Durchführung und die Prüfung unterliege Herrn G. Er und andere seien langjährige Ausbilder, die in der Vergangenheit so etwas schon gemacht hätten. Die StA fragt, wie der Weg der Uzi nach dem Fund 2019 weitergegangen sei. Le sagt, es habe eine kriminaltechnische Untersuchung vom Schusswaffenerkennungsdienst gegeben, die Uzi sei beschossen worden, die Projektile seien an das BKA weitergeleitet worden, er, Le., habe die Uzi bei der Übergabe gesehen. Die StA liest zum Assverat vor, dass eine Zeitung darin gelegen habe. Le. sagt, das sei „Unser Schwerin“ vom 09. Januar 2005 gewesen. Die Überschrift sei „Heißer Start 2005“ gewesen. Le. bejaht, dass die Uzi und der Koffer durch das LKA begutachtet worden seien. Die StA sagt, im Gutachten werde die gefundene Mutter erstmals von Herr Jo. (später an diesem Tag geladen) beschrieben. Am letzten Prozesstag hatte der Richter verlesen, dass eine Mutter im Koffer der Uzi gefunden worden sei, mit der Uzi und Schalldämpfer verbunden werden könnten. Le. bestätigt, dass er das gesehen habe, darüber habe er mit Jo. gesprochen. Die StA hakt nach, mit der Mutter habe man mit Schalldämpfer schießen können und ihm, Le. sei diese nicht aufgefallen? Le. sagt, er habe den Gutachter gefragt und dieser habe gesagt, er habe sich ein Provisorium basteln müssen, um die Uzi mit Schalldämpfer beschießen zu können, danach sei ihm die Mutter aufgefallen.

Die Verteidigung fragt, ob Le. eine Differenzierung bei der Behörden- und Zivilmunition vorgenommen habe, ob G. die habe besitzen dürfen oder nicht. Le. verneint.

Oliver Jo., Sachverständiger für Schusswaffen vom LKA Mecklenburg-Vorpommern und Zeuge zur Vernehmung 2017

Der Richter sagt, er wolle zunächst über die Durchsuchung 2017 sprechen, da sei Jo. nach Aktenlage anwesend gewesen. Jo schildert, er sei zur Durchsuchung dazu gerufen worden, weil die Kollegen nicht sicher gewesen seien, ob alles mit den Waffenbesitzkarten von G. übereinstimmen würde. Als er angekommen sei, sei bereits alles durchsucht und zusammengestellt worden. Alles was gefunden worden sei, sei im Wohnzimmer abgestellt worden. Dann sei ihm immer zugerufen worden, wenn was Unklares gefunden worden sei. Er habe die Waffennummern mit den Ausdrucken abgeglichen und habe festgestellt, mit den Waffen sei soweit alles in Ordnung gewesen. Es seien viele Polizisten vor Ort gewesen, er habe vor Ort unterstützt. Am Ende seien die Waffen vom Ordnungsamt mitgenommen worden, dabei habe er, Jo., auch den Herrn He. (2. Prozesstag) getroffen. Der Richter fragt, ob es vor Ort Auffälligkeiten bezüglich der Munition gegeben habe. Jo. sagt, es sei bei der Durchsuchung besprochen worden, dass viel Munition nicht in Schränken gewesen sei. Auf Nachfragen sagt der Zeuge, für zwei Munitionsteile habe G. keine Genehmigung gehabt, es sei auch Munition unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gefallen, die sei gemessen an der Gesamtmenge ein verschwindend geringer Anteil gewesen, es sei eine kleine Packung gewesen.

Jo. sagt auf Nachfrage der StA, er schätze, es seien ihm 20 bis 30 Waffen vorgelegt worden. Die StA fragt auch nach der Munition, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gefallen sei. Jo. bestätigt, dass diese für ihn sofort erkennbar gewesen sei. Die Sta. fragt, ob er diese Information an Herrn He. (2. Prozesstag) weitergegeben habe, Jo. sagt, das wüsste er nicht. Auf Nachfrage sagt er, die Munition sei von Herrn He. mitgenommen worden. Man sei über das Ausmaß erschrocken gewesen. Das BKA habe sich für nicht zuständig gesehen, daher habe He. das mitnehmen müssen. Die StA fragt, was man mit Munition nach Kriegswaffenkontrollgesetz mache, ob das üblich sei, diese dem Ordnungsamt zu übergeben. Jo: „Was heißt üblich?“ Das Ordnungsamt schicke das dann weiter. Die StA fragt, ob sich Jo. mit He. unterhalten habe. Der Zeuge sagt, sicherlich, aber er wisse nicht mehr, worüber. Die StA hakt erneut nach, was mit der gefundenen Munition und den Waffen passiert sei. Jo. sagt, die sei an dem Tag eingeladen worden. Die Funde seien nicht vor Ort aufgelistet worden, man habe sich geeinigt, He. solle alles mitnehmen und in Ruhe auflisten. Der Zeuge sagt, er wisse nicht, was mit der Waffenbesitzkarte von G. passiert sei.

Die StA geht dann mit dem Zeugen einzelne Munitionsteile durch und fragt, ob diese für die gefundene Luger oder die Glock, die G. legal besessen habe, passend gewesen wären. Jo. Sagt, einiges würde passen, anderes nicht. Die StA fragt erneut nach der Durchsuchung 2017. Der Zeuge berichtet, diese habe während der Dienstzeit stattgefunden, er habe den Polizeidienststellen beratend zur Seite gestanden. Die StA fragt, ob die Situation unübersichtlich gewesen sei. Jo. sagt, große Menge seien auf Fußboden ausgebreitet gewesen, u.a. Taschen mit Munition, Kollegen hätten auf dem Sofa gesessen, hätten den Rechner von G. in Bearbeitung gehabt. Die StA fragt erneut danach, dass He. die Waffen und Munition mitgenommen habe. Jo. sagt, He. habe alles auflisten sollen, „die Durchsuchungskräfte wollten das nicht machen“. Sie hätten gesagt, He. solle darauf achten, das nichts wegkomme. Die StA fragt nach, wenn alles ok gewesen sei, warum sei es dann mitgenommen worden. Der Zeuge sagt, die unsachgemäße Lagerung habe festgestanden und dann habe man gesagt: „Ok, dann ist irgendwas nicht ganz richtig.“ Die Verteidigung fragt, warum die unsachgemäße Lagerung festgestanden habe. Jo. antwortet, das habe ein Kollege festgestellt, er, Jo., habe das nur gehört.

Der Richter sagt, nun komme man zum Gutachten zur Uzi: „Auf meine Anordnung haben sie die Uzi mitgebracht.“ Diese wird von den Verfahrensbeteiligten am Richtertisch in Augenschein genommen, immer wieder lachen einzelne von ihnen. Der Angeklagte G. ärgert sich in dem Moment offenbar, dass er nicht mit nach vorne darf. Jo.: „Jetzt bin ich Sachverständiger.“ Jo. sagt, diese Uzi sei aus ehemals zwei Uzis zusammengesetzt worden. Man könne nicht sagen, wann mit der Waffe das letzte Mal geschossen worden sei. Der Richter sagt, bei der Uzi sei ein Schalldämpfer gefunden worden, die Uzi sei aber damit nicht nutzbar gewesen. Jo. schraubt den Schalldämpfer auf die Waffe und erzählt, er habe für den ersten Schussversuch einen Pappring gemacht, das habe funktioniert. Am Ende habe er, Jo., alles in den Koffer verpackt, da sei ihm diese Mutter aufgefallen, die sei kein Waffenteil, passe aber zufällig drauf und dann funktioniere es auch, die Uzi mit dem Schalldämpfer zu schießen. Der Richter sagt, diese Mutter klinge nach Improvisation. Das bestätigt Jo. Der Richter hakt nach, warum die Mutter nicht vorher gefunden wurde. Jo. sagt, es sollten andere Sachen im Koffer gesichtet werden, z.B. DNA. Dann sei der Koffer bei ihm gewesen, weil es um die Waffe gehen sollte. Die Mutter sei irgendwo in der Tasche gewesen. Es sei ja vorher um andere Sachen gegangen und da sei sie offenbar übersehen worden. Auf Nachfrage sagt Jo., der Koffer sei nicht ausgepolstert gewesen, da seien lose Plastiktüten, Munitionsmagazine für die Uzi mit drin gewesen. Er denke, wenn man den Koffer geschüttelt hätte, hätte es geklappert. Ein weiterer Richter fragt, ob so ein Koffer eine übliche Lagerungssituation für eine Uzi sei. Jo. sagt, wenn er im Waffenschrank stehe schon, aber eine Uzi sei in Deutschland im Zivilbereich sowieso nicht zugelassen.

Die Verteidigung fragt, ob Jo. seine Konstruktion mit der Pappscheibe dokumentiert habe. Jo. sagt, ja das habe er in seiner Handakte getan. Es wird angemerkt, dass die Handakte kein Teil der Verfahrensakten sei. Die Verteidigung fragt dann, ob Jo. sofort den Eindruck gehabt habe, dass Uzi und Schalldämpfer mit der im Koffer vorhandenen Mutter beschießbar sei. Das bestätigt Jo.

Matthias He., Beamter des Landrates Ludwigslust-Parchim, u.a. zuständig für Waffen- und Sprengstoffangelegenheiten

Als dritter Zeuge ist erneut He. (2. Prozesstag) geladen. Der Richter fragt nach dem Munitionserwerbsschein von G. He. gibt an, dieser sei auf G. ausgestellt gewesen, am Tag der Durchsuchung sei er ihm, He., übergeben worden, er habe ihn mit ins Büro genommen. Richter: „Aber der ist nicht im Sicherstellungsschreiben aufgeführt.“ He. sagt, das müsse ein Versehen sein, er sei in der Akte drin. He. sucht in seiner mitgebrachten Akte und zeigt schließlich den Munitionserwerbsschein. Dieser wird in Augenschein genommen. Der Erwerbsschein war bis 2023 gültig, da er von He. ausgestellt wurde, trägt er auch dessen Unterschrift. Mit dem Schein könne Munition bis Kaliber .50 BMG gekauft werden, der Richter fragt, was das bedeutet. Der Zeuge antwortet, das sei das größtmögliche Sportschützenkaliber. Der Richter hakt nach, ob mehr als .50 BMG im zivilen Bereich erworben werden könnte. He. verneint, dies gelte beispielsweise auch für Jäger. Der Richter fragt, ob He. G. am Tag der Durchsuchung belehrt habe, was der Verlust des Erwerbsscheins zu bedeuten habe. He. sagt, die Waffen seien solange im Besitz von G. bis diese eingezogen würden, dies sei bisher nicht der Fall, aber beim Waffenerwerbsschein könne es sein, dass sich da Änderungen ergeben. [phon.] [Die Einziehung ist noch nicht gerichtlich beschlossen, die Waffen und die Munition von G. sind bislang nur konfisziert, er könnte auf Rückgabe klagen. G. hat bereits am ersten Prozesstag erklärt, darauf werde er verzichten.]
Der Richter fragt, ob der Erwerbsschein in einer späteren Liste aufgeführt sei. He. sagt, er sei nicht ausdrücklich aufgeführt. Das Gericht fragt außerdem nach, ob G. weiterhin Munition kaufen könne.
He.: „Wenn er einen Munitionserwerbsschein in der Hand hätte, könnte er damit einkaufen.“ Die Verteidigung fragt, ob der Munitionserwerbsschein G. zustehen würde. He. sagt, dazu werde er noch einen Bescheid erlassen. Es folgt die Mittagspause.

André We., Polizeibeamter beim LKA, Auswertung der elektronischen Kommunikation von Marko G. aus

Nach der Pause wird der vierte Zeuge des Tages vernommen. We. sagt, er habe Anfang 2019 vom BKA die Festplatte mit elektronischen Daten von G. bekommen und habe sie ab März gesichtet und ausgewertet, dabei insbesondere die Telekommunikation. Dabei habe er Datensätze von 2017 und 2018 gehabt. Er habe die Daten in einer Auswertesoftware eingespielt, dort habe er sie sich zunächst in einer Zeitachse darstellen lassen, dann habe er eine Komplettsichtung vorgenommen, um einen Überblick zu bekommen, dann habe er die Kommunikation mit Einzelnen betrachtet und Vermerke gefertigt. Er hat für die Vermerke die gesamte Kommunikation ausgedruckt, hat sie abgeheftet, aber wenn es zuviel gewesen sei, dann habe er nur eine Auswahl getroffen, diese habe er für sich festgelegt. Der Richter fragt nach der inhaltlichen Auswahl. We. sagt, er habe es ausgedruckt, wenn es um Waffen und Munition und um die „Gruppierung Nordkreuz“… Der Richter unterbricht: „Nennen wir es mal Chatgruppe,“ und fragt dann nochmal, was We. ausgedruckt habe. Dieser sagt, alles, was aus seiner Sicht Relevanz für Verfahren haben könnte. Der Richter frage, was ihm allgemein aus seiner Sicht aufgefallen sei. We. antwortet, dass Herr G. ein zumindest gesteigertes Interesse an Schießen, am Schießsport habe.

Der Richter gibt das Stichwort „SOP-Kurzfassung“, dabei sei es um die Regeln der Chatgruppen gegangen, die solle G. verschickt haben. We. bestätigt, dass seien Verhaltensregeln in der Chatgruppe gewesen, ihm sei aufgefallen, dass diese an mehrere Chatteilnehmer zu Beginn verschickt worden seien, es sei unklar, ob an alle. Nach seiner Auswertung sei die „SOP-Kurzfassung“ erstmal von Th. an Herrn G. geschickt worden und danach habe G. sie weiter verwendet. Der Richter hakt nach, aus welcher Auswertung sich das ergebe, bisher solle G. der Urheber von „SOP-Kurzfassung“ sein. Der Zeuge sagt, das könne er so nicht bestätigen, am 10. Dezember 2015 habe Th. das an G. gesandt, dann sei es von G. genutzt worden. Richter: „Das heißt, Herr G. hat die ‚SOP-Kurzfassung‘ seinerseits weitergeschickt?“ We.: „So würde ich das sagen.“ Der Richter fragt nach Kommunikation von 2019, We. sagt, die habe er nicht ausgewertet. Der Richter fragt noch einmal, ob G. die „SOP-Kurzfassung“ nicht an alle weitergeleitet habe. We. sagt, er könne nur sagen, an wen es verschickt wurde, es sei unklar, ob an alle.

Danach fragt der Richter, ob in den Chatgruppen Inhalte ausgetauscht wurden, die politisch fragwürdig bis strafbar sein könnten, ob We. da in Bezug auf das, was G. versendet hat, etwas aufgefallen sei. Der Zeuge antwortet, er würde sagen, das sei genauso empfangen wie versandt worden, genau könne er das nicht sagen. Es hätten auch mehr Leute Inhalte versandt, aber G. habe genauso Sachen verschickt, aber er, We. könne keine prozentualen Angaben machen. Auf Nachfrage der StA zu der Auswahl, die er getroffen habe sagt We. er habe Nachrichten wie „Hallo“, „Guten Tag“ oder „Wollen wir einen Kaffee trinken?“ rausgelassen. Er habe ausgedruckt, wo es um Waffen und radikalen Tendenzen gegangen sei, wo es aus seiner Sicht fragwürdig sei. Die StA sagt im Vermerk von 16. August 2019 gehe es um die „Flüchtlingsproblematik“ und um Nazideutschland. Warum habe We. das aufgenommen? We. sagt, das sei aus seiner Sicht fragwürdig, er sei sich nicht sicher ob das strafrechtlich relevant sei, deswegen habe er das aufgenommen. Die Verteidigung interveniert, die StA solle sagen, woher das komme, aus einem Privatchat oder Gruppenchat, der hier genannte Chat mit Herrn N. sei ein Privatchat, das wollen sie unterschieden wissen.

Die StA präzisiert, bei der Auswertung des Privatchats mit N. habe G. ein Bild von einer Situation, vermutlich einem Bombenanschlag, geschickt und darauf stehe, dass sowas von sowas komme. N. habe ein Bild geschickt, auf dem Adolf Hitler vorm Eiffelturm stehe mit der Bildunterschrift „Deutsche Antiterrordelegation in Paris eingetroffen.“ 2016 habe G. an N. ein Bild geschickt, auf dem Soldaten der Wehrmacht auf auf dem Boden liegende Menschen schießen, die Bildunterschrift habe „Asylantrag abgelehnt“ gelautet. G. habe N. ein Video geschickt, in dem ein Nussknacker „Sieg Heil“ sage. N. habe G. an Bild geschickt, darunter habe es geheißen „Zur Reinhaltung der Deutschen Rasse 1938“. G. habe am 20. April an N. ein Foto von Hitler geschickt, auf dem „Happy Birthday“ gestanden habe. Die StA fragt, warum er das aufgenommen habe. We. sagt, unabhängig davon, ob das strafrechtlich relevant sei, er habe aber da schon seine Bedenken, ob das so rechtlich in Ordnung sei: „Wenn das witzig sein soll, dann ist das zumindest nicht mein Humor.“ Es stelle zumindest eine Form der Verherrlichung der Zeit und der Person dar, sei beispielsweise fremdenfeindlich. Die Sta fragt zu den Verbindungen zum Vorwurf. We. sagt, zu dem Zeitpunkt habe er nicht nicht gewusst, in welche Richtung die Ermittlungen laufen, da habe er das aufgenommen, weil es ihm aufgefallen sei.

Die Staatsanwältin fragt, ob die Datenträger vollständig gewesen seien, ob es Hinweise auf Löschungen durch den Angeklagten gäbe. We. sagt, davon gehe er aus. Die Gruppe „Nordkreuz“ sei erst ab Juli 2017 zu lesen gewesen, die Gruppe sei aber vorher gegründet worden, da habe es wohl Löschungen gegeben, das habe G. wohl auch in einer Aussage gesagt. Die Staatsanwältin fragt, was We. zu den Gruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ festgestellt habe. Der Zeuge sagt, er habe sich bezüglich der Mitglieder auf Erkenntnisse des BKA gestützt, an der Liste habe er sich auch orientiert, sonst sei es für ihn nicht nachvollziehbar, wer schreibt. „Nord.com“ sei erst im Juli 2017 gegründet worden. Die Staatsanwältin fragt nach der Anzahl der Mitglieder. We. sagt, es seien ungefähr 30 gewesen. Auf Nachfragen zum Aufbau der Gruppen sagt der Zeuge, „Nordkreuz“ sei quasi der Infokanal gewesen, das habe G. auch so angegeben, da habe es nur wesentliche Mitteilungen gegeben, nur der Administrator habe Senderecht gehabt. „Nord.com“ sei der „Quasselkanal“, da hätten sich alle austauschen können. Er selbst könne nicht sagen, wer der Administrator sei, das BKA habe G. ermittelt. G. habe einige Chatgruppen gehabt, „Vier gewinnt“, „Reisegruppe Dresden“ und „Dreschden“ [phon.].

Die Staatsanwältin liest aus der „SOP-Kurzfassung“ vor: Dieser Chat sei ins Leben gerufen worden, um die aktuelle Lage und das weitere Vorgehen an alle Eingeweihten zu vermitteln. Desto besser die Kommunikation, desto besser die Organisation und das Sammeln an Tag X. Bis dahin sei es wichtig, nicht aufzufallen, und möglichst viele Vertrauenswürdige in die Chatgruppe zu füllen, dann kämen die Punkte, diese liest die Staatsanwältin aber nicht vor. Dann hält die Staatsanwältin aus einer weiteren Kommunikation vor, G. schreibe an einen Hendrik, dass er hoffe, dieser sei gut zu Hause angekommen und G. finde es schön, dass er da gewesen sei. Später schreibe G. erneut, dass Hendrik Rückmeldung geben solle. Dann komme die Antwort von Hendrik, er sei gestern gut zu Hause angekommen, er habe sich gefreut, er habe die Regeln wahrgenommen und warte auf weitere Anweisungen. G. habe geantwortet, prima, dann gehe es jetzt los in Nord. We. sagt, das dürfte Jan-Hendrik H. sein.

Die Staatsanwältin fragt nach der Thematisierung von Safehouses. We. sagt, im Februar 2016 habe es eine Objektbesichtigung gegeben, G. habe darüber mit Jörg Sch. geschrieben, bestätigt der Zeuge. Im Februar 2016 sei man auf der Suche gewesen, man habe sich was angesehen und sich dafür entschieden. Er könne nicht sagen, ob man sich dort eingerichtet habe. Die Staatsanwältin sagt, am 09. März 2016 sei über Listen geschrieben worden, das Safehouse Nord biete ein „großes Depot von Mun“, weitere Informationen gäbe es vom „Safehouseführer“. We. sagt, ja, das habe er gefunden, er könne aber nicht sagen, ob es noch weitere Kommunikation mit Sch. gegeben habe. Die Staatsanwältin liest vor, G. schreibe an Sch.: „Kurzes Feedback von mir, 2000 Mann treten uns bei, alle verteidigungsfähig.“ Sie würden sich zusammenschließen und „im Nordbereich unterstützen“, dann erneut das Zitat: „Safehouse Nord bietet großes Depot von Mun.“ Die Rede ist außerdem von einer Münchener Gruppe. Die StA fragt nach Jan-Hendrik H. und nach dem Pokalschießen. We. sagt, es sei sinngemäß so gewesen, dass Herr G. zur Geburtstagsfeier von H. eingeladen war. Da habe es ein Wettschießen mit Luftgewehr gegeben, es habe einen Pokal gegeben, der sollte Mehmet Turgut „gewidmet sein“ und er, We. meine, dass das ein Opfer des NSU gewesen sei. So ein Schießen habe es wohl zweimal gegeben, im Jahr davor sei es kalt gewesen, dann sei es in den Mai verlegt worden. Die StA sagt, in der Einladung sei die Rede von einem „bedauernswerten südländischem Neumitbürger“, der „vor gar nicht allzu langer Zeit durch fiese Mörderhand“ ermordet worden sei. Die StA fragt, warum We. das protokolliert habe. Der sagt, er habe das Foto gesehen und der Name sei im Zusammenhang mit der Einladung gefallen. Die Sta sagt, We. habe in seinen Vermerken teilweise das Stichwort Radikalisierung notiert, und fragt, was es bedeute. We. sagt, das beziehe sich genau auf solche fremdenfeindlichen, menschenverachtende, das 3. Reich verherrlichende Inhalte.

Die Verteidigung fragt nach einzelnen Nachrichten, die möglicherweise einen rechten Hintergrund haben könnten, dabei betont der Anwalt den zweiten Teil des Satzes über und schüttelt die Hände neben seinem Kopf. We. sagt, das sei vorrangig in bilateralen Chats gewesen, aber auch in Chatgruppen. Der Verteidiger fragt, ob bei der Chatgruppe „Nordkreuz“ irgendwas mit rechtem Gedankengut geschickt worden sei. We.: „Aus meiner Erinnerung nein.“

Als der letzte Zeuge des Tages entlassen ist, sagt der Richter, für das Gericht stelle sich die Frage der weiteren Zeugenvernehmungen durch Verlesungen und die Problematik der Einziehung der Waffen und Munition des Angeklagten G. Der Richter macht den Vorschlag, die bereits benannten weiteren Zeugen durch Verlesungen zu ersetzen. Die StA antworten, sie hätten die Beweisaufnahme so bekommen wie sie gewollt hätten. Der Richter verliest dann die Liste potentieller Zeugen, davon sind einige offenbar aus dem Umfeld von G., einige wie Frank Th., Jörg Sch. oder Norman N. wurden vom Zeugen We. als Chatpartner von G. benannt. Weitere Zeugen von der Liste sind vermutlich weitere Zeugen der Polizei, z.B. zur Auffindesituation. Insgesamt verliest der Richter ca. 20 Namen. Die Vernehmung dieser Zeugen wolle man durch Verlesungen ersetzen. Die Verfahrensbeteiligten sind alle damit einverstanden.

Dann stellt der Richter die Frage, ob man das Einziehungsverfahren abtrennen solle, da es zur Verzögerung führen könnte. Die StA sagt dazu, dass es aus Nordrhein-Westfalen den Antrag gäbe, dem Einziehungsverfahren beizuwohnen. Die Verteidigung wendet ein, wenn der Angeklagte verzichte, dann sei es doch kein Problem. Dann könnten sich die Geschädigten, wenn es denn welche seien, an die StA wenden und das rausklagen.

Danach wird beschlossen, Zeugenvernehmungen vor Gericht durch Verlesungen von Zeugenvernehmungen, Schreiben und Gutachten zu ersetzen. Der Richter sagt, wegen der voll geständigen Einlassung des Angeklagten und wegen der bisher gehörten Zeugen seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Die Verlesungen werden dann im Selbstleseverfahren angeordnet, das heißt, die Verfahrensbeteiligten lesen diese außerhalb der Hauptverhandlung. Es werden dann Ordner und CDs an alle ausgeteilt.

Die StA verliest im Anschluss daran ein Schreiben des GBA vom 19. September 2019. Es betrifft das Verfahren gegen Jan-Hendrik H. und Haik J. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Der GBA nimmt Bezug auf das Verfahren der StA Schwerin gegen G. Der GBA erklärt, er sei für dieses Verfahren nicht zuständig, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte nicht gegeben seien. Sollte sich etwas neues ergeben, solle die StA Schwerin dazu Bescheid sagen.

Zur Person Marko G.

Der Richter sagt, nun wolle man den Angeklagten G. zur Person vernehmen. G. erzählt selbst und sagt, er sei in Neu Kaliß geboren, das sei der Wohnort seiner Großeltern gewesen, dort seien sie „hängen geblieben nachdem sie aus Ostpreußen vertrieben worden waren“. Seine Mutter sei Krankenschwester beim Landarzt gewesen. Sie seien dann nach Cambs gezogen, er, G., habe eine unbeschwerte Kindheit und Jugend erlebt. Er habe eine Schwester und sei in Cambs eingeschult worden. Dann sei er bis zur zehnten Klasse an die Polytechnische Oberschule gegangen, seinen Abschluss habe er 1985 gemacht. Dann habe er die Grundausbildung zum technischen Zeichner gemacht. Sein Berufswunsch sei Fallschirmjäger gewesen. Die Schweriner Einheit sei ein bisschen elitär gewesen, da habe er gerne hin gewollt. Er habe dann an Fallschirmspringen teilgenommen, im Frühjahr 1990 habe er die Ausbildung vorzeitig mit sehr guter Leistung abgeschlossen. Er habe sich dann beim Kreiswehrersatzamt Bad Oldesloe für vier Jahre freiwillig gemeldet. 1991 habe er in Braunschweig seinen Dienst angetreten, er habe auch Lehrgänge in Oberbayern besucht. Er sei zur Schützenschule gegangen, habe an europaweiten Übungen teilgenommen. Er habe deutsche und u.a. auch ein dänisches Abzeichen bekommen. Er sei Gründungsmitglied der Kommando Spezialkräfte (KSK) gewesen. Er habe einen „heimatnahen Standort“ in Schwerin gehabt. Sein letzter Rang sei Oberfeldwebel gewesen.

Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr dann eine Ausbildung zum Physiotherapeuten begonnen. Nach zwei Jahren habe er sich umentschieden, er habe den Entschluss gefasst, zur Polizei zu gehen. Er sei allerdings schon 29 gewesen, nur bis 27 werde man eingestellt, er habe daher beim Innenministerium eine Sondergenehmigung beantragt. Dann habe er die Ausbildung beim mittleren Dienst begonnen, dann sei er Polizeimeister geworden, danach sei er direkt nach Schwerin zur Bereitschaftspolizei gegangen. Da habe es ihn nicht lange gehalten, er habe zur BFE gewollt, das seien die, die bei Demonstrationen die „schweren Straftäter sich rausgreifen“. Er habe an Einsätzen am 1. Mai in Berlin und bei Castor-Transporten teilgenommen. 2001 sei er wegen seiner Schießleistungen in die Schießmannschaft berufen worden, er sei dann alle zwei Jahre nach Suhl gefahren. Bei der BFE habe er seine Schießtrainerausbildung gemacht. Er habe dann noch eine Stufe höher gewollt, „alle beim BFE wollen zum SEK“. Bei ihm habe es gereicht, 2004 habe er in Schleswig-Holstein seine SEK-Grundausbildung gemacht, dann sei er zurück nach Mecklenburg-Vorpommern gegangen. 2008 habe er einen weiteren Lehrgang besucht und sei ab dem Zeitpunkt Präzisionsschütze und der Erfahrenste gewesen. 2009/2010 habe er in Güstrow einen Aufstiegslehrgang besucht. Er, G. sei getauft und konfirmiert, seine Hobbys seien Motorfallschirm fliegen, Motorrad fahren, er habe Europa bereist, der Schießssport sei seine Berufung gewesen. Seit 1995 sei er Sportschütze, er sei Mitglied in zwei Vereinen und auch als Ausbilder tätig. Im Laufe der Zeit habe er viel erworben, das sei ja besprochen worden. Er habe seine Behörde auch auf eigene Kosten bei Wettkämpfen im Ausland vertreten [phon.].

Der Richter fragt, ob beide Eltern noch leben würden und wie der Kontakt zu ihnen sei. G. bejaht das, sie seien schon lange geschieden. Zu seinem Vater habe er keinen Kontakt, seine Mutter sei heute bei der Verhandlung anwesend. Der Richter fragt, wie seine Mutter auf die Festnahme reagiert habe. G. sagt, sie sei zunächst bestürzt aber dann „sehr herzlich“ gewesen, sie besuche ihn so oft es gehe und sie schrieben Briefe. Aber das wisse das Gericht ja, weil er der Postkontrolle unterliege. Der Richter sagt, bei dem Lebenslauf stelle sich ihm die Frage, warum G. nach acht Jahren Bundeswehr nicht direkt zur Polizei gegangen sei, sondern die Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen habe. G. sagt, er sei nach fast acht Jahren uniformmüde gewesen, habe immer nur aus dem Rucksack gelebt, er wollte zuhause sein. Einige Kameraden seien Physiotherapeuten geworden, hätten geschwärmt, aber als „Haupternährer der Familie“ könne man davon nicht leben, das sei ein Grund gewesen.

Der Richter fragt, mit welcher Begründung er die Ausnahme beantragt und bekommen habe. G. sagt, er habe seine Qualifikationen angeheftet, das müsse auf den Minister einen guten Eindruck gemacht haben. Der Richter fragt, ob er sich schon zu DDR-Zeiten für sein Berufsfeld interessiert habe. Was sei zuerst da gewesen, das Interesse am Schießen oder die Tätigkeit in Bundeswehr und Polizei. G.: „Das war irgendwie anders, ich habe schon als Kind gern mit Luftgewehren geschossen.“ Er habe wegen Abenteuer und Fallschirmspringen zur Bundeswehr gewollt, Schießen habe nicht so im Vordergrund gestanden. Auf Nachfragen sagt er, sein letzter Dienstrang sei Polizeikommissar gewesen, „ohne das ganze Drama hier“ habe er 2500 € netto verdient. Der Richter fragt nach Schulden und wie der diese bediene. G. sagt er habe Hauskredite, es sei „auf letzter Schiene“. Er fügt hinzu „ich schaue mal nach oben, da kommt wohl noch monatliches Einkommen.“

Der Richter sagt, G. habe in seiner Einlassung verlesen lassen, dass er ab August 2017 keinen Glauben mehr daran gehabt habe, dass er zurück zum SEK komme. Wieso habe er vorher gedacht, das könnte noch gelingen? G. sagt, ab der Auskleidung habe er es dann nicht mehr geglaubt: „Da war es dann vollzogen.“ Richter: „Aber ihr Vorgesetzter hat doch gesagt, das wird nichts mit dem Zurückkommen?“ G. sagt, da sei viel gesagt worden, aber er sei nicht ausgekleidet worden, er habe noch einen Schlüssel, einen Transponder und das Recht, in die Waffenkammern zu kommen gehabt und es sei ihm klar gewesen, es fehlen Fachleute. Der Richter sagt, dass G. laut Akte seit einiger Zeit erkrankt sei und fragt warum. G. sagt, da gehe es um Dinge, „die sich im Kopf abspielen“, das sei schwer nach außen darzustellen. Allein der Einsatz bei ihm 2017 als Zeuge [erst bei der zweiten Hausdurchsuchung 2019 wurde Marko G. als Beschuldigter geführt], das sei um Haaresbreite gewesen: „Da hat das Schicksal mir beigestanden am Morgen.“ Das habe Spuren hinterlassen. Der Richter hakt ein, dass laut Akte G. aber schon seit 2015 regelmäßig krankgeschrieben gewesen sei. G. sagt, er habe „durch die Personalpolitik meiner Behörde eine leichte Depression“ gehabt. Er habe 2014 erfahren dass er ab der nächsten Woche zur Bereitschaftspolizei versetzt würde. Er habe die Schießtrainerausbildung noch mitgenommen, dann sei er zum Dienst erschienen. Als er zum SEK zurücksollte – seine Gruppe habe sich schon auf seine Rückkehr gefreut – sei er auf dem Weg zu einer Übung zurückgerufen worden, es habe eine Anschlussabordnung gegeben. Das sei keine Art und Weise, mit der man mit Personal umgehen solle. Seine Abordnung zur Bereitschaftspolizei sei dann noch mehrfach verlängert worden. Einmal habe er bei einem Einsatz des SEK dabei sein sollen, da habe er einen Anruf gekommen: „Herr G. fährt nicht mit.“ Er habe dann drei Tage durchgehalten, dann hätten ihn seine Kollegen zum Amtsarzt geschickt. Er habe auch eine Kur besucht. 2017 habe er wieder im Dienst Fuß fassen wollen, dann habe es eine Woche vorher „das Ereignis der Durchsuchung“ gegeben.

Der Richter fragt nach der Untersuchungshaft. G. sagt, er habe erst mal einen Tag gebraucht, um das zu realisieren, dann habe er seinen Anwalt angerufen. Er sei fast 20 Jahre bei der Polizei gewesen und dann werde man mit Handschellen dort reingeführt, wo man sonst andere hingeführt habe. Er habe einen starken Willen, sich nicht hängen zu lassen, die Zeit einigermaßen zu überstehen, aber es gebe auch Momente, in denen es nicht gut gehe. Der Richter fragt, wie die Bediensteten im Gefängnis ihn behandelten, als Verräter oder „Einen von uns“. G. sagt, das sei unterschiedlich, es gebe überall Leute, die ihren Dienst gut machten. Auf Frage sagt G., auch seine Lebensgefährtin und seine Kinder kämen ihn so oft wie möglich besuchen, das sei in Hamburg, wo er in Untersuchungshaft sitze, aber schwierig. Der Richter fragt nach dem letzten halben Jahr. G. sagt, er sitze in Isolationshaft und muss sich offenbar erst einmal fangen und trocknet sich die Augen. Dann beschreibt er seinen Tagesablauf in Haft.

Richter: „Irgendwann wird die Haft vorbei sein, wie wird es dann weitergehen?“ G. sagt, er könne viele Führerscheine und einen großen Freundeskreis vorweisen, es müsse dann alles zügig gehen, damit er wieder Geld verdiene. Es gebe weltweit Bereiche, wo er seine Fähigkeiten anbringen könnte, irgendwas werde er finden. Aber er könne sich „viel ausmalen in der Isolation aber man kriegt ja keine Rückmeldung.“

Die StA fragt ab, wann G. zur Bereitschaftspolizei/Wasserschutz abgeordnet worden sei. G. sagt, das sei ab Oktober 2014 bis 15. April 2015, zur Bereitschaftspolizei sei er ab Januar 2017 versetzt worden. Er habe dazu keinen offiziellen Grund mitgeteilt bekommen, es sei üblich, dass man sich ab Anfang/Mitte 40 mal umsehe, was danach komme, er habe mal geäußert, dass er vielleicht ein Praktikum beim Wasserschutz machen wolle, dann sei nichts mehr gekommen und dann sei die Abordnung erfolgt. Von 2004 an sei er beim SEK gewesen, bis zur Auskleidung, die hektisch nach den 28. August 2017 erfolgt sei. Der Staatsanwalt sagt, er wolle die Person Marko G. verstehen. Sein Verteidiger habe verlesen: “… wir pflegten sicherlich einen bösen Humor, anders ist das nicht zu bewältigen.“ G. sagt, ja das mit dem schwarzen Humor, das seien Dinge über die man sich keine Gedanken mache. Der Staatsanwalt fragt nach der Situation in Mecklenburg-Vorpommern, die man bewältigen müsse. G. antwortet, Mecklenburg-Vorpommern sei relativ ruhig, aber trotzdem gebe es Einsätze, die gefährlich seien, gegen gefährliche Straftäter. Es herrsche ein „schnoddriger entspannter Umgangston“, das verselbständige sich, es gebe eine besondere Beziehung zu den Kollegen. Pro Woche habe es etwa einen Einsatz für das gesamte SEK gegeben, also nicht unbedingt für seine Einheit.

Die StA sagt, das Verfahren hier werde ja mit einer Strafe enden und zitiert aus der Einlassung, dass sich G. als kritischen wertekonservativen Bürger bezeichne. Die StA fragt, ob das dann so bleiben würde. G. bejaht das, und trotzdem sei er mit einigen Entscheidungen, die die Regierung getroffen habe, unzufrieden, z.B., was das Klima betreffe. Aber man sollte die Entscheidungen der eigenen Führung mal hinterfragen, das sollte jeder Bürger tun. Er habe bis 2010 immer CDU gewählt, er sei christlich erzogen worden. Richter: „Das klingt, als käme ein Aber?“ G.: „Ohne aber.“ Die StA fragt, was reiche, um sich so politisch zu bekennen. G. sagt, das Einhalten der gesetzlichen Norm, ein gemeinsames Miteinander. Er bekenne sich selbstverständlich weiter politisch wie angegeben, er habe auch das Gefühl, hier ein rechtsstaatliches Verfahren zu bekommen.

Die Staatsanwältin fragt, ob er Ausbildungslehrgänge bei Th. unterstützt habe. G. bestätigt, er habe seinen Freund unterstützt. Das sei im Juli 2018 gewesen. Staatsanwältin: „Würden Sie sich Waffenexperte bezeichnen?“ G. sagt, er habe Waffenrecht unterrichtet, er habe keine Scheu vor größeren Personengruppen zu sprechen. Die Staatsanwältin fragt nach konkreten Plänen, wie es weitergehen solle. G. sagt, konkrete Pläne seien schwer, er könnte LKW fahren, aber dazu sei er sich zu schade. Die Staatsanwältin fragt nach dem weiteren Umgang mit der Waffenbehörde. G.: „Das Thema ist erstmal durch.“ Auf Nachfrage verneint G., noch über Waffen und Munition zu verfügen: „Ich denke, sie haben sehr sorgfältig alles umgegraben bei mir zu Hause.“ Die Staatsanwältin sagt, es dränge sich die Frage auf, 2019 habe man wieder viel gefunden, wie sehe es bei Marko G. 2020, 2021 aus. G. sagt, dann sei nichts mehr da, weil er keine Waffenschein mehr besitze. „Wenn das wieder möglich sein sollte, dann sieht das wieder anders aus.“ Die StA fragt nach dem Thema Survival und was es G. bedeute. G. sagt, er habe es in extremen Formen selber gelernt. Die Staatsanwältin fragt nach der vorliegenden Risikoanalyse und wie er sich selbst einschätzen würde. G. sagt, davon, was der Herr Horn aus München geschrieben habe, das sei Wahnsinn, davon distanziere er sich. Er lehne Gewalt ab, er habe noch nie eine körperliche Auseinandersetzung gehabt, sei Schlägereien aus dem Weg gegangen. Was Notwehr oder Dienstliches betreffe, das sei was anderes.

Die Verteidigung fragt nach der Haft. G. sagt, er sei zunächst in Lübeck gewesen, in normaler Untersuchungshaft, dann sei er mit der Begründung, er sei für seine eigene Sicherheit in den Sicherheitstrakt in Lübeck verlegt worden, und weil er mal beruflich in der JVA Lübeck gewesen sei, sei er nach Hamburg verlegt wurde: „Ich denke, dass mich mehrere Mithäftlinge, als sie herausbekommen haben, dass ich ein Bulle bin, haben sie mich angeschissen.“ In Hamburg habe es 38 Tage gebraucht, um überhaupt zu telefonieren. Der Staatsanwalt fragt, wie er die Medienpräsenz empfinde. G. sagt, es sei belastend im Fokus zu stehen, davor habe er einen guten Leumund gehabt, das sei nun eingeschränkt. Er adressiert einen Journalisten persönlich und fragt, ob er noch da sei. Er sagt die ZDF-Zoom-Doku „Staatsbürger in Uniform“ habe er dreimal gesehen, das seien alles „Lügen und Verdrehungen“. Der Staatsanwalt fragt, ob G. das als Vorverurteilung empfinde. G.: „Auf jeden Fall.“

Damit endet der Prozesstag, am 18.12. soll ab 09:00 Uhr die Beweisaufnahme geschlossen werden und dann sei der Plan, dass die Verfahrensbeteiligten ihre Plädoyers halten.