„Ich habe meine Arbeit gemacht, die mir aufgetragen wurde.“ – Die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern am 08.05.2020

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Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin am 8.5.2020 (Foto: NSU-Watch)

In der Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern am 8. Mai 2020 wird der Polizeibeamte Steffen Gumbiewski als einziger Zeuge befragt. Er führte nach dem Mord an Mehmet Turgut nur einen Tag allgemeine Personenüberprüfungen ohne Ergebnis durch. Wichtiger für seine Befragung ist allerdings seine damalige Tätigkeit bei der Mobilen Aufklärung Extremismus (MAEX), deren Beschäftigungsgebiet u.a. die Neonaziszene in Mecklenburg-Vorpommern ist. Das von ihm eigentlich erwartbare tiefe Wissen über die Neonaziszene offenbart der Zeuge aber nicht. Er antwortet zudem häufig ausweichend auf Fragen. Gefragt zum Mord an Mehmet Turgut gibt er an, nach den Personenüberprüfungen habe er sich nicht damit beschäftigt, welchen Hintergrund der Mord gehabt haben könnte. Nach der Darstellung des Zeugen insgesamt hat sich die Einheit MAEX an rechten Jugendlichen abgearbeitet, weil diese „öffentlichkeitswirksam“ auf der Straße herumgrölten, während Strukturen wie Blood&Honour in ihrer Arbeit keine große Rolle spielten, weil die Mitglieder nicht mit Straftaten in Erscheinung getreten seien.

Zeuge:

  • KOK Steffen Gumbiewski

Der Zeuge Gumbiewski berichtet zunächst, er habe nach Mord an Mehmet Turgut Personenüberprüfungen durchgeführt. Er sei damit nur einen Tag an den Ermittlungen beteiligt gewesen, er sollte Fahrzeughalter überprüfen. Wenn er sie nicht angetroffen habe, habe er ihnen Briefe hinterlasssen. Keine der Personen habe Hinweise liefern können. Er sei dort aber nicht für die MAEX tätig geworden. Die Vorsitzende von Allwörden fragt nach der rechten Szene in Toitenwinkel. Gumbiewski sagt, damals sei der Nordosten von Rostock kein Schwerpunkt der rechten Szene gewesen, dass sei eher der Nordwesten, z.B. Lichtenhagen gewesen. Im Nordosten hätte es keine ihm bekannte Gruppierung gegeben, die sich regelmäßig getroffen habe. Er könne aber nicht ausschließen, dass dort Neonazis gewohnt hätten. Die Vorsitzende fragt nach Jugendclubs. Der Zeuge nennt den Jugendclub „MAX“ im Rostocker Stadtteil Groß-Klein, dort habe es Donnerstags Treffen von rechten Personen gegeben, einige wenige Konzerte. Die Vorsitzende fragt nach Einsätzen der MAEX in Zusammenhang mit Jugendclubs oder Blood & Honour. Der Zeuge antwortet lediglich, er könne sich an 1999 erinnern, da hätten sie einmal im Jugendclub eine Personenkontrolle durchgeführt und eine Strafanzeige aufgenommen. Danach seien sie nicht mehr im Club gewesen, hätten aber Treffen dokumentiert, Personen und Fahrzeuge vermerkt. Die Vorsitzende fragt nach der Straftat. Gumbiewski antwortet, es habe sich um einen Verstoß gegen den Paragraphen 86a [Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen] gehandelt. Eine Person habe ein rechtes Fanzine öffentlich sichtbar im Auto gehabt. Konkreter kann sich der Zeuge auf Nachfrage nicht erinnern, es sei eine kopierte Schwarz-Weiß-Seite gewesen. Es seien ein Keltenkreuz und ein Skinhead zu sehen gewesen.

Dirk Friedriszik (SPD) fragt, was Gumbiewskis Eindruck bei den Ermittlungen gewesen sei, in welche Richtung die Tötung an Mehmet Turgut gehen könnte. Der Zeuge sagt, das sei für ihn ein normaler Sachverhalt gewesen. Er habe seine Aufgabe, das Klingelputzen, abgearbeitet. Es habe keine Ausrichtung gegeben, sie hätten dort erstmal den Anfang gemacht. Alle Richtungen der Ermittlungen seien offen gewesen, sie seien nicht in eine Richtung geschubst worden. Der Abgeordnete Barlen von der SPD fragt nach der MAEX und welche Rolle diese Einheit spiele, damit bei Ermittlungen extremistische Motive nicht ausgeschlossen würden. Der Zeuge überlegt und antwortet, die MAEX-Zugehörigkeit habe sich in dem Fall nicht gestellt. Alle, die mal Interesse gehabt hätten, in einer Mordkommission zu arbeiten oder die da waren, seien nach dem Mord zusammen gezogen worden: „Ich habe meine Arbeit gemacht, die mit aufgetragen wurde.“ Vor dem Bekanntwerden des NSU habe es keinen Einsatz der MAEX gegeben, gibt der Zeuge auf Nachfrage an. Danach habe er zum Beispiel am Gedenkstein zu tun gehabt, er sei der Beamte, der 2012 mit Eisenstangen angegriffen worden sei. Es habe bei der Gedenkveranstaltung einen Vorfall gegeben, da seien 20-30 Leute aufgetaucht. Die SPD fragt, ob dort mit Störern gerechnet worden sei. Der Zeuge sagt, er sei sehr überrascht gewesen, dass sich da Leute zusammen finden. Es habe Anruf gegeben, dass Personen sich vermummen und sammeln würden. Er habe sofort an der Aufmachung erkannt, dass es sich um Rechte gehandelt habe.

Barlen (SPD) sagt, sie hätten im Untersuchungsausschuss viele Ermittler*innen gehört, dabei sei der Eindruck entstanden, dass es sich bei Toitenwinkel um einen Hotspot rechter Aktivitäten handele, das sei ja ein Widerspruch zu dem was er, Gumbiewski, sage. Als MAEX-Beamter müsse er es ja wissen. Die Vorsitzende interveniert. Der Abgeordnete Barlen solle nicht für Untersuchungsausschuss sprechen, sondern nur für die SPD. Barlen entgegnet, das mache er. Der Zeuge sagt, er könne sich das nicht erklären, er wolle nicht ausschließen, dass dort Leute gewohnt haben und sich in Wohnungen getroffen hätten, aber es habe keine offene Szene gegeben.

Der Abgeordnete Ritter von der Linksfraktion fragt nach rechten Netzwerken im Raum Rostock, zunächst nach dem Raum Bützow. Der Zeuge antwortet, das sei damals und während seiner Tätigkeit ein schwieriger Bereich gewesen, es habe einen festen Treffort gegeben, an dem sich täglich 10-30 Personen getroffen hätten. Es habe dort eine gefestigte Struktur gegeben. Wenn Dorffeste gewesen seien, habe es regelmäßig Verstöße gegen den Paragraphen 86 gegeben. Es seien Hakenkreuze gezeigt worden. Es habe viele Körperverletzungsdelikte, schwere Landfriedensbrüche bis hin zu Brandstiftung gegeben. Die Schutzpolizei sei schwach aufgestellt und mit Dingen der normalen Abarbeitung beschäftigt gewesen. Auf Nachfrage nach Namen kann sich der Zeuge nicht erinnern. Ritter fragt weiter nach Güstrow und Krakow am See. Gumbiewski sagt, Güstrow sei ebenso schwierig gewesen, wenn auch nicht ganz vergleichbar mit Bützow. Auch dort habe es gewaltbereite rechte Personen gegeben. Diese seien später in „Richtung politische Arbeit, Richtung NPD“ gegangen. Es habe auch Sachbeschädigungen, Schmierereien und Körperverletzungsdelikte gegeben. In Krakow habe es eine lose Gruppierung mit dem Treffpunkt an einer Tankstelle gegeben. Er habe in Erinnerung, dass eine Gruppe am Herrentag mit Stahlhelm und einer nicht verbotenen Reichskriegsflagge durch die Gegend gegangen sei. Der Abgeordnete Ritter fragt danach, wie die Einsätze ausgesehen hätten. Bei der Gedenkveranstaltung seien sie zu zweit gewesen, sagt der Zeuge. Ritter fragt, ob das normal gewesen sei. Der Zeuge antwortet, das sei so üblich. Sie seien ja Zivilaufklärer in dem Fall gewesen. Entweder hätten sie sich Schwerpunkte – wie Trefforte – selbst gesucht. Wenn sie Personen und Straftaten festgestellt hätten, hätten sie Kräfte nachgefordert. Das sei an dem genannten Herrentag der Fall gewesen. Wenn das nicht möglich sei, seien sie an die Gruppe herangegangen oder hätten sich zurückgezogen.

Ritter fragt danach, dass die sog. NSU/NSDAP-CD in Krakow am See gefunden wurde. Gumbiewski sagt, ihm sei nur bekannt, dass die CD gefunden worden sei. Es sei ihm aber nur im Rauschgiftdezernat, wo er jetzt tätig sei, bekannt geworden, vorher nicht. Er sei dazu nicht befragt worden, sagt der Zeuge auf die Nachfrage, in der Ritter betont, dies sei ja mal der Bereich des Zeugen gewesen.

Friedriszik (SPD) fragt, welcher Struktur die Personen zuzurechnen seien, die die Gedenkveranstaltung gestört hätten. Der Zeuge sagt, das sei eine eher lose Gruppierung gewesen, die politisch aktiv auf Demonstrationen zugegen gewesen sei. Die Personen würde er keiner Kameradschaft zuordnen, aber an dem Tag hätten diese beschlossen, „ein Zeichen zu setzen und Flagge zu zeigen“. Friedriszik fragt weiter, ob sich der Zeuge mit Blood & Honour beschäftigt habe. Dieser sagt, gerade in Bezug auf Konzerte und Personen habe es Berührungspunkte gegeben, man habe von anderen LKAs Informationen bekommen, dass Leute aus Mecklenburg-Vorpommern woanders gewesen seien. Es habe zwei Bands aus Rostock und Bad Doberan gegeben. Dazu hätten sie Internetrecherchen gemacht, um herauszufinden, wo Konzerte und Proben stattfanden. In diesem Spektrum würde er die Störergruppe von 2012 aber nicht verorten, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Friedriszik sagt, der Zeuge überblicke ja die Szene, die den Mord an Mehmet Turgut hervorgebracht habe. Er fragt, ob es vor und nach der Tat Veränderungen gegeben habe. Der Zeuge sagt, das sei schwierig zu beantworten. Als die NSU-Morde bekannt geworden seien, habe sich eine Person gemeldet, dass sie aussteigen möchte. Die SPD fragt nach, ob er in die Aufarbeitung der Versäumnisse in Mecklenburg-Vorpommern als MAEX-Beamter einbezogen gewesen sei. Der Zeuge sagt, dazu sei er nicht angesprochen worden. Friedriszik fragt nach Auffälligkeiten bezüglich der rechten Hooligan-Szene. Der Zeuge sagt, sie hätten Anfang der 2000er immer mal wieder Fussball-Einsätze im Plan gehabt, sie hätten sich Spiele angeguckt, sie hätten gesehen, dass Personen der rechten Szene sich in den Blöcken versammelt hätten, es habe den Hitlergruß im Stadion gegeben. Für diesen Bereich, „da waren dann ja die SKBs [Szenekundige Beamte] zuständig.“ Die MAEX hätte sich um den Außenbereich des Stadions gekümmert, auch um rechte Personen. Es seien NPD-Aufkleber geklebt worden. Sie seien daher nur kurz mit der MAEX in Stadion gewesen. Der Zeuge verneint, dass ihm Verbindungen zwischen Hooligans und Blood & Honour bekannt seien.

Auf Fragen sagt der Zeuge, er sei 1999 bis 2006 und dann 2008 bis 2010 bei der MAEX gewesen. Sie hätten Hotspots bekannt gemacht, die Szene aus der Anonymität herausgeholt, Leute bekannt gemacht. Die Leute seien in Sommermonaten mehr draußen als im Winter. Im Winter würden dann Kneipen und Konzerte eine Rolle spielen, da seien sie als MAEX nicht so leicht reingekommen. Insgesamt sei die Szene nach seiner Auffassung nach eher kleiner geworden. In dieser Szene seien eher Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und weniger zugezogene aktiv gewesen. Von der Altersstruktur sei alles möglich. Am Anfang seien es eher jugendliche Personen gewesen, die Schwierigkeiten auf Straße gemacht hätten. Die Neonazis bei Blood & Honour seien älter gewesen, sie hätten sich bei Konzerten und in Kneipen getroffen. Dann gäbe es den „politisch organisierten Bereich der NPD“. Es gäbe Überschneidungen zum Bereich der Organisierten Kriminalität, es habe sich herauskristallisiert, dass einzelne Personen in den Bereich Rocker oder Türsteher gegangen seien.

Karen Larisch fragt nach Steve M., bei dem in Krakow am See die NSU/NSDAP-CD gefunden wurde. Sie fragt lediglich nach dem Namen und in welchem Kontext dieser dem Zeugen bekannt sei. Der sagt, das lasse sich schwer sagen, sie hätten viele Informationen gesammelt. M. sei ihm öfters untergekommen durch Personenenüberprüfungen oder Halterabfragen. Konkretes wisse er aber nicht. Larisch fragt dann erneut nach Krakow am See. Der Zeuge sagt, da habe es Anfang 2000 einen „besonderen Vorfall“ mit einer Person der rechten Szene gegeben. Nachmittags habe es an einem Badesee gegen 16:00 Uhr Streit mit einer Person gegeben, die Person habe mit einer russischen Maschinenpistole in die Luft geschossen und habe dann ein blaues Auge bekommen. Er, Gumbiewski, sei dort im Einsatz gewesen und habe eine Durchsuchung durchgeführt, dabei hätten sie scharfe Munition gefunden. Larisch hakt nach, warum das in der Öffentlichkeit nicht als rechte Tat verhandelt worden sei. Der Zeuge sagt, das könne er sich nicht erklären, er wisse nicht, ob es ein politisches Motiv für den Streit und die Körperverletzung gegeben habe, er selbst habe nur die Durchsuchung durchgeführt. Für ihn sei das eine außergewöhnliche Sache gewesen: „Eine Maschinenpistole mit scharfer Munition, das hätte Leute treffen können.“ Larisch fragt nach Verbindungen der Krakower Szene nach Hamburg. Der Zeuge sagt, das sei ihm nicht bekannt. Larisch fragt weiter nach unterschiedlichen Orten wie Linstow. Gumbiewski: „Ja, wenn sie völkische Siedler meinen, dann ja. Die Leute seien unauffällig, eher bäuerlich. Sie hätten als MAEX Hinweise gehabt, dass dort Fahnenappelle mit Uniformen und Liedersingen stattfinden sollen, aber er persönlich habe das nicht feststellen können. Aber das ginge auch in Richtung HDJ, wo das mit Fahnenappell und Uniform gewesen sei, wo Kinder aus anderen Bundesländern angereist seien. Die Abgeordnete Larisch fragt, ob das nicht als besonders gefährlich eingeordnet und mit der Artgemeinschaft in Verbindung gebracht worden sei. Gumbiewski sagt, wenn er von HDJ-Lagern spreche, dann wisse er nicht, wo das genau gewesen sei. Das habe medial für große Aufmerksamkeit gesorgt. Darum hätten sie das aufgelöst, das sei natürlich eine große Sache für sie gewesen. Aus Krakow sei ihm sowas aber nicht erinnerlich, sagt der Zeuge auf Nachfrage. In Krakow seien ein paar Personen gewesen, seiner Meinung nach aber keine festen Strukturen.

Ritter fragt nach der Gedenkveranstaltung 2012 und sagt, im Vorfeld sei es zu Taten gekommen. Es habe ein Graffiti, „Dönermorde-hahaha“, einen Tag vorher gegeben. Ritter fragt, ob es Aufklärungsarbeit gegeben habe, um Störungen zu vermeiden und ob es Hinweise gegeben habe. Der Zeuge sagt, er wisse, dass da gesprüht worden sei: „Ich war ja an dem Tag im Rahmen der Aufklärung schon morgens eingesetzt.“ Sie würden sensibilisiert, dass sowas vorgefallen sei, aber er wisse nicht, wer die Tatortarbeit gemacht habe. Ritter hakt nach, ob er als MAEX-Beamter nicht nach Hinweisen gefragt worden sei. Gumbiewski antwortet, wenn sie wüssten, dass sich ein Schwerpunkt entwickele, dann sollen sie aufklären. An dem Tag seien sie aber in die Richtung sensibilisiert worden.

Der Abgeordnete Barlen von der SPD fragt nach Combat 18. Gumbiewski sagt, das habe so gut wie gar keine Rolle gespielt. Er habe von Personen mit Verbindungen gehört, aber sonst nichts. Barlen fragt weiter, ob der Zeuge wisse, dass in Rostock bei Taten C18 als Kennzeichen hinterlassen wurde. Das verneint dieser. Peter Ritter fragt allgemeiner nach dem Sinn der Arbeit der Mobilen Aufklärung Extremismus (MAEX). Diese hätte ja auch Strategien entwickeln sollen. Er fragt auch, was mit der Aufklärungsarbeit geschehen sei. Der Zeuge sagt, man habe ja ein Problem gehabt, deswegen habe sich die Einheit gegründet. „Wir haben Personen aus der Anonymität rausgeholt, wer trifft sich, welche Verbindungen gibt es.“ Das sei an das LKA gesteuert worden, es habe einen Austausch mit Jugendämtern gegeben. Zu Anfangszeiten hätten rechte Jugendliche gedacht, die MAEX könnte Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, wo die Jugendlichen unter sich sein könnten. Der Zeuge sagt, sie hätten darauf entgegnet, das ginge nur mit Sozialarbeitern und die Räume müssten offen für alle sein, das hätten die Leute aber nicht gewollt. Das Problem seien die rechten Jugendlichen auf der Straße gewesen, die habe man kontrolliert. Ritter fragt nach Kontakt mit dem Verfassungsschutz. Gumbiewski sagt, es habe so gut wie keinen gegeben. Nur, wenn der Verfassungsschutz Nachfragen zu Personen gehabt habe, in Fällen in denen er, Gumbiewski, mehr gewusst habe als andere Personen. Das sei aber dann kein direkter Kontakt gewesen. Ritter adressiert den Zeugen als Kenner der Szene. Er fragt nach den drei Personen aus Rostock auf der sog. Garagenliste des NSU. Markus Ho., Martina Ja. und Lars Rei. Der Zeuge sagt, die Personen würden ihm nichts sagen. Ritter fragt nach dem Bund deutscher Kameraden. Gumbiewski: „Ja ich denke, das war eine Gruppierung die im Bereich Südstadt unterwegs war.“ Ritter fragt nach Personen in Toitenwinkel, u.a. Antje Me., Roger Bü. und Doreen Bu. Der Zeuge sagt, die Namen seien ihm geläufig. Er könne sich an ein Verfahren wegen krimineller Vereinigung erinnern. Die Gruppierung habe öffentlichkeitswirksam Sachbeschädigung begangen, zum Beispiel ein zehn Meter langes „Kauft nicht bei Juden“-Graffiti gesprüht. Außerdem seien Listen gefunden worden. Die Gruppe habe im jüdischen Max-Samuel-Haus in Rostock Wanzen installieren und Molotowanschläge begehen wollen.

Ritter sagt, die als Sachverständige gehörte Journalistin Andrea Röpke habe vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass Uwe Mundlos in einem Brief davon geschwärmt habe, dass es in Rostock einen günstigen Waffenladen gegeben habe. Der Zeuge sagt, das höre er zum ersten Mal. In Rostock habe es im Bereich Waldemarstraße einen Laden von einer rechten Person gegeben, aber da habe man eher Militaria-Ausrüstung bekommen, eventuell ein KO-Spray aber keine Waffen. Er sei da auch mal drin gewesen. Es habe noch einen anderen Militaria-Laden, aber keinen weiteren Waffenladen gegeben. Ritter sagt, die rechten Strukturen hier im Land hätten ja nicht luftleeren Raum existiert. Er fragt, welche Beziehungen es woanders hin, insbesondere nach Hamburg und Thüringen, gegeben habe. Gumbiewski sagt, es habe immer mal wieder Berührungspunkte auf Demos, zum Beispiel mit Brandenburg gegeben. Ansonsten wenn man mitbekommen habe, dass sich Personen verabredet hätten am Infotelefon oder im Internet oder dass Busse gechartert wurden, dann hätten sie Abfahrtskontrollen durchgeführt, um anderen Bundesländern Bescheid zu sagen, wer kommt. Da habe ein regelmäßiger Austausch stattgefunden, aber an dem Austausch mit den Behörden sei er nicht beteiligt gewesen. Ritter hakt nach, wenn man sich mit anderen austausche, gäbe es zwei Versionen, entweder man sage der und die seien da gewesen, das war’s. Oder man ziehe Schlussfolgerungen daraus, um Gegenmaßnahmen zu treffen. Er fragt, wie das in der Arbeit des Zeugen ausgesehen habe. „Wie kommt da raus, wie man das eindämmt?“ Oder sei Gumbiewski nur der Ermittler gewesen? Der Zeuge sagt, das Problem seien Personen die seit zehn Jahre in der rechten Szene seien, aber nie mit Straftaten auffällig geworden seien: „Wenn der woanders hinfährt, kann man das nicht verbieten nur wahrnehmen, das ist dann eine Infosammlung.“ Das sei aber nicht seine Aufgabe gewesen.

Ritter fragt nach einem Szeneladen, der Oliver Do. gehört habe. Gumbiewski antwortet, der habe damals zu Blood & Honour gehört. Er, Gumbiewski, meine, das sei der Blood & Honour-Chef von Rostock gewesen. Er sei mit der Bundeskassiererin von Blood & Honour, der Frau Anke Za., zusammen gewesen, diese sei überall unterwegs und gut vernetzt gewesen. Später sei Do. älter geworden, habe sich aus der Szene gelöst und sei in Richtung Türsteher-Szene gegangen. Ab 2005, 2006 sei Do. dann kein Thema mehr gewesen. Er sei nicht auffällig gewesen, weder durch Straftaten noch durch Anwesenheiten. Ritter sagt, vielleicht sei gerade das auffällig. Der Zeuge entgegnet, der Person sei keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden, weil die meisten Probleme hätten Jugendliche auf der Straße verursacht, die gegrölt hätten, die dadurch öffentlichkeitswirksam gewesen seien. Blood & Honour sei selten mit Straftaten in Erscheinung getreten. Es habe nur einen Vorfall in einem anderem Bundesland gegeben. Sonst seien sie selten strafrechtlich in Erscheinung getreten, immer nur durch Konzerte und Demonstrationen. Der Zeuge führt auf Nachfrage weiter aus, Blood & Honour sei der politische Arm der Skinheads, sie seien international vernetzt. Die großen Hotspots seien wegen Verboten aber nicht in Deutschland, sondern im Ausland gewesen. Daher habe es Konzerte im Ausland gegeben.

Karen Larisch fragt nach David Petereit. Der Zeuge sagt, der sei ihm geläufig. Auf Nachfrage zur Verbindung zum NSU sagt er, diesen verorte er im Bereich Anklam. Als er nach Rostock gekommen sei, habe er diverse Straftaten verübt. Bei einem Brennpunkt in Rostock, der KTV, sei es zu Straftaten gekommen, dort habe er Herrn Petereit wahrgenommen, da sei dieser schon bei der NPD gewesen. Es habe aber wenige Berührungspunkte gegeben, Petereit sei nie gewillt gewesen, mit der Polizei zu kommunizieren. Es habe Durchsuchungen bei Petereit gegeben, „wegen dem Fanzine und dem Dankeschön“. Er glaube, das der Name sei „Der Weisse Wolf“, aber damit habe er, Gumbiewski, nichts zu tun gehabt, das sei Sache des LKA gewesen, diese Zeitschrift habe er nicht in der Hand gehabt oder bei Durchsuchungen festgestellt. Er würde es eher in Richtung Anklam verorten und nicht in Rostock, sagt der Zeuge auf Nachfragen.

Barlen fragt, ob Gumbiewski aber generell die Aufgabe gehabt habe, sich mit Veröffentlichungen zu beschäftigen. Dieser sagt, „ganz klar“, wenn Flugblätter, Aufkleber oder Internetveröffentlichungen festgestellt worden seien, sei das alles verschriftet worden. Dadurch hätten sie sich auch fortgebildet. Das sei zusammengefasst und ans LKA geschickt worden. Er könne sich bezüglich Fanzines aber nur daran erinnern, Ende der 1990er einmal die Blood & Honour-Zeitschrift gelesen zu haben. Die SPD fragt nach einer Schändung eines jüdischen Friedhofs in Rostock, bei dem C18-Sprühereien hinterlassen worden seien. Der Zeuge bejaht, damit sei er betraut gewesen, er habe den Friedhof danach mehrere Nächte observiert, um zu sehen ob das nochmal passiert, aber es sei nichts gelungen. Auf Nachfrage sagt er, er könne sich nicht erinnern, ob noch einmal etwas passiert sei, aber jüdische Friedhöfe seien Angriffsziele und würden daher auch bestreift.

Ritter fragt nach dem Szeneladen in der Waldemarstraße und ob es sein könne, dass es der Laden gewesen sei, von dem Mundlos geschwärmt habe. Gumbiewski sagt, das wäre reine Spekulation, aber dieser Laden sei eher naheliegend. Er sei einmal drin gewesen, dort seien ihm Personen der rechten Szene aufgefallen, eine Person sei dabei gewesen, die er, Gumbiewski, bekannt gemacht habe. Das sei eine Person gewesen, die Leute im militärischen Nahkampf ausbilde, bei der NPD sei, Ende der 90er. Ein Name falle ihm aber nicht ein.

Ritter fragt nach Torben Klebe. Der Zeuge sagt, den kenne er nur von Hörensagen. Ritter fragt nach dem Laden East Coast Corner, den Klebe mit Thorsten de Vries betrieben habe. Der Zeuge sagt, de Vries sage ihm was, da habe es immer mal Berührungspunkte gegeben, der sei aus dem Bereich Hamburg gekommen. Wenn da Straftaten stattgefunden hätten, dann hätten sie die Personen aufgesucht. Er habe zwei bis dreimal mit de Vries im Rahmen von Befragungen zu tun gehabt. Ritter fragt erneut nach dem Laden. Der Zeuge sagt, Petereit habe mit einer Eisenstange vor dem Laden gestanden. Er, Gumbiewski, sei da aber nicht gewesen. Rechte hätten nachts Linke gejagt, er habe Geschädigte vernommen. Ritter fragt nach der Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock. Der Zeuge sagt, Anfang der 2000er hätten diese im Bereich Demos gemacht und Flugblätter verteilt, Lars Ja. sei da federführend gewesen. Ritter hakt nach, ob ihm Lars Ja. als rechte Hand von Christian Worch bekannt sei. Gumbiewski sagt, das sei ihm nicht in Erinnerung, Ja. habe das Infotelefon Rostock geführt, habe Demos angemeldet. Angang 2000 sei Ja. in Rostock eine gewissen Größe gewesen.

Barlen sagt, vor dem Laden East Coast Corner seien rechte und linke Gruppen aufeinander getroffen und fragt, wie die MAEX sich da aufgeteilt habe. Der Zeuge sagt, sie hätten erstmal die Gruppen getrennt, um Straftaten zu verhindern. Die Aufstellung innerhalb der MAEX sei so gewesen, dass es auch Personen gegeben habe, die sich um den linken Bereich gekümmert hätten, die dort Szenekenntnisse gehabt hatten. Aber generell müsse jeder alles können.

Barlen fragt danach, was man bei den Ermittlungen nach dem Mord an Mehmet Turgut und vor der Selbstenttarnung des NSU hätte besser machen können. Der Zeuge antwortet, generell würden ja solche Ermittlungen nach dem Prinzip des Ausschlusses geführt. Er sei daran aber nicht beteiligt gewesen. Er könne sich aber noch erinnern, das bei der Sendung Aktenzeichen XY eine DNA-Spur Thema gewesen sei, die sich aber als Fehlspur erwiesen habe: „das hat alle in die falsche Richtung gelenkt.“ Barlen: „Das war ja ihr Bereich die rechte Szene, da gab es wirklich Strukturen, die tatbereit waren und bewaffnet, Sie waren da mit der MAEX mittendrin, sowas zu verhindern. Das muss doch Ihr Innerstes erschüttert haben, als das rauskam, was hat das mit Ihnen gemacht?“ Der Zeuge sagt, generell sei es ja so, wenn man in einen Bereich reingucke, „dann sieht man ganz viel was andere nicht sehen, wenn man damit arbeitet, dann denkt man, man hat ein Problem.“ Natürlich habe er sich gefragt, welche Verbindungen der NSU gehabt habe, „oder sind die allein hierher gekommen. Im Nachhinein denke ich, das ist schwierig, es muss Verbindungen gegeben haben.“ Jemand müsse den Tatort ausgekundschaftet haben. „Damals haben wir nur am Rand gekratzt, Mecklenburg-Vorpommern ist groß.“ Sie seien viel gefahren, sie sollten sich mit den Jugendlichen beschäftigen. „Im Nachhinein frage ich mich, mit wem haben sie sich in Rostock getroffen? Damals hatten wir die Erkenntnisse nicht.“

Die Abgeordnete Larisch fragt nach Konzerten im Club MAX. Gumbiewski sagt, so etwas habe mehrmals, aber nicht mehr als fünf mal stattgefunden. Er wisse, dass die Band Nordmacht dabei gewesen sei. Larisch fragt nach Batallion 500. Gumbiewski antwortet, die seien auch in Rostock zu verorten. Larisch fragt nach Matthias Br. Der Zeuge sagt, Br. sei Mitglied der Band Path of Resistance, ehemals Nordmacht. Er habe seinen Wohnbereich in Bad Doberan, habe bundesweit Konzerte besucht. Larisch fragt, welche Rolle Blood & Honour im Zusammenhang mit Konzerten gespielt hat. Gumbiewski sagt, sie hätten nur bei einigen wenigen gewusst, dass sie Mitglied bei Blood & Honour gewesen seien, „deswegen sprechen wir über Blood & Honour-Nah.“ Blood & Honour Konzerte seien genutzt worden, um Vernetzung bundesweit und international durchzuführen. Es habe immer wieder Einsätze gegeben, weil strafrechtlich relevante Lieder gespielt worden seien. Die Konzerte seien eher abgeschottet gewesen, die Polizei sei nicht reingekommen. „Wenn wir reingegangen sind, da wurde einmal der Polizeiführer rausgeschmissen. Die Handys mussten abgegeben werden, wir wissen nicht, was dort gesprochen und gespielt wurde.“ Die Konzerte hätten in schalldichten Räumen stattgefunden. Sie als MAEX hätten immer erst kurzfristig Bescheid bekommen. „Das war eine sehr abgeschottete Szene, da hat die Polizei keinen Fuß reinbekommen.“ Er sei bei einigen Konzerten zur Aufklärung dabei gewesen, sogar einmal im Bereich Lübeck. Die Aufgabe sei gewesen, zu dokumentieren, Personen, Autos, Straftaten, manchmal seien auch Anhaltekontrollen durchgeführt worden. Larisch fragt nach Toralf St., Andreas Sy., Heiko De. und Katja Ei., einigen weiteren Neonazis, die mutmaßlich die Kontakte des NSU gewesen seien. Der Zeuge sagt, diese Namen würden ihm nichts sagen. Er fragt die Abgeordnete, wo diese wohnen würden. Larisch antwortet, in Rostock.

Ritter sagt, es habe aus dem Blood & Honour-Spektrum Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben und nennt den Namen Thomas Dü. Gumbiewski sagt, er wisse nur, dass dieser mit Anke Za. zusammen gewesen sei. Er sei ein paar mal im Bereich Bützow aufgefallen und habe mit späteren Rockern der Hells Angels an NPD-Treffen teilgenommen. Sein Fahrzeug sei auch in anderen Bundesländern gewesen. Ritter fragt nach Hannes Fr. Der Zeuge sagt, das sei wohl ein NSU-Unterstützer. Das habe er aber erst im Nachgang erfahren, nicht während seiner Tätigkeit. Ritter fragt nach den Schulungsmaßnahmen zum „Zeus-Programm“, da werde Gumbiewski als Teilnehmer genannt. Ritter fragt, ob die Schulung eine Konsequenz aus dem NSU sei. Der Zeuge bestätigt, dass das „Zeus-Programm“ eine Erkenntnis aus dem NSU sei. Sie seien geschult worden und das werde auch praktisch umgesetzt, speziell bei ihm aber nicht. Er führt aus, man stelle die bekannt gewordenen Straftaten ein, sowie Autokennzeichen und anderes. Der Vertreter des Innenministeriums interveniert an dieser Stelle und sagt, generalisierende Aussagen zu Systemen der Polizei dürfen in öffentlicher Sitzung nicht gemacht werden.

Der Abgeordnete Ritter fragt erneut, ob Gumbiewski nach der Selbstenttarnung des NSU noch einmal angesprochen worden sei. Das verneint der Zeuge. Ritter: „Um das auf Punkt zu bringen, ein Kenner der Szene und nach der Selbstenttarnung des NSU hat sich niemand mit ihm in Verbindung gesetzt.“ Gumbiewski: „Richtig.“

Damit endet die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern am 8. Mai 2020.