„Dass die Ausgabe in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorlag, höre ich zum ersten mal.“ Die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Dezember 2020

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Der erste Zeuge ist Sebastian Egerton (Deckname) vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Er war u.a. für die Auswertung des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ zuständig. Im diesem war 2002 ein „Gruß an den NSU“ abgedruckt. Der Zeuge sagt heute, er habe den im Editorial des „Weissen Wolf“ 18 abgesetzt gedruckten Gruß an den NSU nicht wahrgenommen oder nicht als relevant eingestuft. Egerton sagt, hätten ihm zwei weitere Informationen, eine V- Mann-Meldung zu einer Spende an den „Weissen Wolf“, die das LfV Mecklenburg-Vorpommern hatte, und der NSU-Brief vorgelegen, hätte er den Gruß im „Weissen Wolf“ anders bewertet und evtl. weiter nachgeforscht. Egerton geht davon aus, dass das LfV Mecklenburg-Vorpommern den „Weissen Wolf“ 18 auswertete, da alle Landesämter lokale Fanzines auswerten sollten. In Mecklenburg-Vorpommern hätten demnach zwei von drei Informationen vorliegen müssen. Das LfV Mecklenburg-Vorpommern sagt, dass sie die Ausgabe nicht hatten. Egerton: „Das höre ich zum ersten Mal.“ Der nächste Zeuge, „VP-F 01“, ist für die Öffentlichkeit nicht sicht- nur hörbar. Er führte Vertrauenspersonen bei der Polizei Rostock, allerdings nicht im Bereich Staatsschutz, sondern „allgemeine Kriminalität“. Nach dem Mord an Mehmet Turgut befragte er seine Quellen. Die Befragung dieses Zeugen wurde massiv behindert, da die Akten dem NSU-Untersuchungsausschuss erst am Vortag geliefert wurden und so keine Vorbereitung stattfinden konnte. Zum Inhalt der Akten konnte so nicht gefragt werden. Der Zeuge sagt, seine Quellen im Bereich Organisierte- und Drogenkriminalität hätten weder vor noch nach dem Mord von Mehmet Turgut erzählt, daher habe er – im Gegensatz zu den Ermittler*innen – nicht daran gedacht, dass der Mord einen solchen Hintergrund haben könne. Der Zeuge „VP-F 01“ sagt weiter, dass nach der Selbstenttarnung des NSU Vertrauenspersonen auf ihn zukamen. Zwei wussten von Verbindungen des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern, eine*r konnte zu einem Foto etwas sagen. Konkreter wird der Zeuge nicht und es wird nicht nachgehakt. Die letzten beiden Zeugen sind ehemalige Beamte der „Mobilen Aufklärung Extremismus“ (MAEX), von der im NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern schon viel zu hören war. Diese sollte die Neonazi-Szene aufklären, gab aber bisher und auch heute kein gutes Bild ab.

Als erster Zeuge ist der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Arbeitsnamen Sebastian Egerton geladen. Er gibt an, zur Vorbereitung keine Vorgespräche geführt zu haben, aber er habe sich in die Akten eingearbeitet. Egerton war Auswerter für das Neonazi Fanzine der „Weisse Wolf“. Er sagt, er habe auch die Ausgabe 18 des Fanzines ausgewertet, die den „Gruß an den NSU“ enthalten habe. Egerton sagt dazu, das hätte man nur im Zusammenhang mit anderen Puzzleteilen verstehen können. Diese hätten beim BfV nicht vorgelegen. Als fehlende Puzzleteile benennt er die V-Mann-Meldung zur Spende an den „Weissen Wolf“, die 2002 dem LfV Mecklenburg-Vorpommern vorlag, und den dazugehörigen Brief des NSU. Es hätten dem BfV aber nicht alle drei Teile vorgelegen. Die Vorsitzende von Allwörden fragt, seit wann dem Zeugen der „Weisse Wolf“ bekannt ist. Dieser sagt, er kenne das Fanzine schon seit der ersten Ausgabe. Es sei ab 1996 zunächst in Brandenburg in der JVA erstellt worden. Von Allwörden fragt nach damaligen Erkenntnissen zu einem Bezug nach Mecklenburg-Vorpommern. Egerton sagt, bei den ersten Herausgebern habe es keine gegeben. Die Vorsitzende fragt, was er über die Übergabe der Herausgeberschaft von Maik Fischer an David Petereit wisse. Egerton antwortet, dass es auch Verbindungen nach Bayern, nach Kronach gegeben habe, „aber wie der Wechsel zu Petereit lief, weiß ich nicht“. Die Vorsitzende fragt, wer für die Auswertung des Heftes zuständig gewesen sei. Der Zeuge sagt, zuständig seien immer die, deren Regionalbereich das gewesen sei, daher sei die Zuständigkeit für den „Weissen Wolf“ 2000 zu ihm gewechselt. Von Allwörden fragt nach der Zusammenarbeit zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Egerton erklärt, dass die jeweiligen Landesämter bei der Beschaffung und Auswertung der regionalen Fanzines federführend gewesen seien, da es sehr viele Fanzines gegeben habe. Daher habe es die Abmachung gegeben, dass zuerst die jeweilige Landesbehörde zuständig sei. Aber sehr wichtige Hefte habe sich das BfV selbst besorgt, darunter sei der „Weisse Wolf“ gewesen. Von Allwörden fragt, wie die Ausgabe 18 besorgt worden sei. Egerton sagt, das Heft habe eine Quelle über einen legendierten Weg besorgt.

Der SPD-Abgeordnete Friedriszik fragt, wie man sich die Auswertung vorstellen könne. Egerton sagt, man gucke in das Heft rein, gucke nach der Region, nach Musikgruppen – das sei wichtig, daraus könne man Informationen ziehen. Man achte auf Namen, lese Berichte und Interviews. Er habe 12 bis 14 Kollegen an der Auswertung beteiligt, das sei intensiv geschehen. Friedriszik sagt, in der Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ sei dem NSU gedankt worden. Er fragt den Zeugen, wie er das bewertet habe und welche Maßnahmen er dazu ergriffen habe. Egerton: „Ich muss zugeben, bis 2012 war mir der Satz nicht mehr geläufig, ich weiß nicht, ob ich ihn registriert habe“. Wenn ja, dann habe er ihn als nicht relevant eingestuft. Der Abgeordnete fragt, ob sein Auswertebericht dem LfV Mecklenburg-Vorpommern zugänglich gewesen sei. Der Zeuge sagt, er habe ihn seinen BfV-Kollegen zukommen lassen, aber nicht Mecklenburg-Vorpommern, „da ja die Federführung für die Auswertung der Zeitungen bei dem LfV lag“. Friedriszik: „Ich entnehme dem, Ausgabe 18 hat in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen?“ Egerton: „Ich gehe davon aus, von uns aus haben wir es nicht geschickt“. Egerton betont, man müsse ja davon ausgehen, dass sie selbst Beschaffungswege hätten, weil sie ja federführend gewesen seien. Barlen von der SPD fragt nach der Federführung der Bundesländer. Egerton: „Es gab hunderte Publikationen im Jahr, das hätte das BfV überfordert“, daher habe es die Vereinbarung gegeben, dass die Landesämter die Federführung zu den Publikationen im Regionalbereich übernehmen. Barlen fragt, wie er relevant definiere. Egerton sagt, das mache sich an den Herausgebern fest, den Protagonisten der Szene, aber auch an der thematischen Reichweite und der überregionalen Ausweitung. Barlen fragt, ob er das Kürzel NSU in der Ausgabe wahrgenommen habe. Egerton: „Ich vermute es, aber kann mich nicht erinnern“. Sie hätten die Ausgabe aber intensiv ausgewertet.

Barlen fragt allgemeiner, was passiere, wenn bei der Auswertung eine Abkürzung entdeckt würde. Egerton antwortet, sie hätten eine Datenbank zu Organisationen gehabt, die hätte man abfragen können. Er wisse nicht, ob das gemacht worden sei. Das wäre dann erfolgt, wenn er eine inhaltliche Relevanz erkannt hätte, aber er wisse nicht, ob das der Fall gewesen sei. Barlen sagt, der Gruß sei ja im Editorial abgesetzt sichtbar gewesen. Egerton: „Kann ich nicht sagen.“ Man wisse ja inzwischen, dass sich wegen der Spende bedankt worden sei. Vorher habe es im „Weissen Wolf“ Spendenaufrufe gegeben, der Herausgeber habe angegeben, „blank“ zu sein. Deswegen sei es im Nachhinein zwangsläufig, dass es auch einen Dank für eine Spende gebe. Barlen hakt erneut nach, wie das Vorgehen sei, wenn in einem Landesamt so etwas auffalle, eine Abkürzung, eine Spende. Egerton weicht aus, das hätte vorausgesetzt, dass dem Satz Relevanz zugeschrieben worden wäre. Barlen hakt erneut nach, was passiert wäre, wenn das in Mecklenburg-Vorpommern erkannt worden wäre. Egerton: „Ich weiß nicht, ob man sowas ausgetauscht hätte. Wenn man den Konnex zwischen Dank und Spende hätte ziehen können…“. Eigentlich habe es insgesamt einen intensiven Austausch gegeben, fügt der Zeuge hinzu.

Die Vorsitzende sagt, Spekulationen in die Richtung, wie Ämter gehandelt haben könnten, seien unzulässig. Barlen befragt den Zeugen weiter, ob ihm bekannt sei, dass es eine Deckblattmeldung zu der Spende gab. Egerton sagt, zum damaligen Zeitpunkt nicht. Erst im Frühjahr 2012 sei es bekannt geworden „nachdem es in der Presse stand“. Barlen fragt, ob er damit wieder zuständig geworden sei. Der Zeuge sagt, für die Aufarbeitung des NSU sei er zuständig gewesen, aber nicht erneut für den „Weissen Wolf“. Auf Frage, wie man einer solchen Abkürzung wie der in Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ nachrecherchieren könne, sagt der Zeuge, eine Abfrage in der Datenbank des Verfassungsschutzes wäre möglich gewesen. „Die wäre ja negativ gewesen.“ Andere Recherchemöglichkeiten hätte es auch aus heutiger Sicht nicht gegeben. Allgemein gäbe es noch andere Möglichkeiten, wie Quellen zu fragen, aber in dem Fall sei das nicht möglich gewesen.

Der CDU-Abgeordnete Manthei fragt, welche Erkenntnisse der Zeuge zu rechten Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern habe. Egerton sagt, das sei sehr allgemein. Er sei nie originär für Mecklenburg-Vorpommern zuständig gewesen. „Ich würde bitten, die Frage zu konkretisieren. Es gab Gruppierungen in Mecklenburg-Vorpommern, die für uns interessant waren, weil sie bundesweit aktiv waren“. Der Zeuge bejaht die Frage der Vorsitzenden, ob ihm Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe schon vor ihrer Flucht bekannt gewesen seien. Von Allwörden fragt, ob ihm vorher schon Verbindungen nach Mecklenburg-Vorpommern bekannt gewesen seien. Das verneint der Zeuge. Drei Namen aus Mecklenburg-Vorpommern hätten auf der Garagenliste gestanden, das habe man aber erst hinterher erfahren. Er denke aber nicht, dass es intensive Verbindungen gegeben habe. Auf die Frage nach Verbindungen zwischen dem Thüringer Heimatschutz und Mecklenburg-Vorpommern sagt Egerton, es habe einzelne Verbindungen gegeben, beispielsweise vom Leiter des THS zu einem Rechtsanwalt hier. Stärkere Verbindungen habe es aber eher nach Franken gegeben.

Von Allwörden fragt nach Verbindungen von Blood&Honour nach Mecklenburg-Vorpommern. Egerton sagt, das sei eine globale Organisation. Es habe auch regionale Divisionsführungen gegeben, darunter in Norddeutschland, daher habe es schon Verbindungen gegeben. Von Allwörden fragt nach, ob Egerton vor 2000 mit Blood&Honour betraut gewesen sei. Dies bestätigt der Zeuge, er sei zuständig gewesen. Er bejaht auch, dass er in das Verbotsverfahren eingebunden war: „Das Verbot haben wir alleine gestemmt, haben Material zusammengesammelt, die Adressen für die Verbotsverfügung“, sie hätten die Verbotsverfügung für das Bundesinnenministerium entworfen. Die Vorsitzende fragt, warum bei Anke Za. nach dem Verbot eine Durchsuchung stattgefunden habe. Egerton: „Bei den wesentlichen Protagonisten wird bei Verboten durchsucht.“ Von Allwörden fragt daraufhin, warum dann bei Oliver Do. nicht durchsucht worden sei. Der Zeuge sagt, das könne er heute nicht mehr sagen. Er glaube sich zu erinnern, dass die Verbotsverfügung an 15-20 wesentliche Personen gegangen sei, ob Do. so wesentlich war, wisse er nicht mehr. Die Frage, ob man Blood&Honour weiter beobachtet habe, bejaht der Zeuge. Es habe Bestrebungen gegeben, die Strukturen aufrecht zu erhalten. Besonders die „Nordsektion“ sei kämpferisch gewesen, habe Konzerte veranstaltet und das Logo weiterverwendet. Von Allwörden fragt, wie das Logo weiterverwendet worden sei. Egerton führt aus, das sei nur szeneintern verwendet worden, denn mit dem Verbot sei es strafbar gewesen. Die Szene hätte dann die „28“ genutzt, um dies zu umgehen.

Der Abgeordnete Ritter von der Linksfraktion fragt nach dem „Weissen Wolf“ Nummer 4 aus dem Jahr 1996, um Bezüge des „Weissen Wolfs“ nach Mecklenburg-Vorpommern vor der Übergabe an Petereit aufzuzeigen. Er hält dem Zeugen die Liste der Grüße sowie einen Artikel vor. Bereits in dieser Ausgabe werde „David P.“ gegrüßt und der Artikel zum Thema „Feindaufklärung“ stamme von „Martin H. aus Rostock“. Außerdem werde Uwe Mundlos durch einen Autor gegrüßt. Diese Ausgabe sei auch bei der Durchsuchung der Garage des NSU im Januar 1998 gefunden worden. Ritter geht näher auf den Artikel von Martin H. ein: Dieser könne als Blaupause der Todes- und Feindesliste des NSU angesehen werden, denn hier werde zur gezielten Ausforschung politischer Gegner*innen aufgerufen. Ritter hält vor: „Lauert sie auf und bekommt heraus, wo sie wohnen bzw. hausen! Besorgt den Namen, eventuell Autonummern und findet raus, mit wem sie sich sonst so abgeben, z.B. Organisationen, Vereine,…! Noch besser ist es natürlich, wenn Ihr noch mehr habt, wie z.B. Fotos und dann die ganzen Materialien zur Front 88 schickt! Also, auf, auf zum Kampf mit braunen Batalionen!“ Der „Weisse Wolf“ habe erst 2002 den NSU gegrüßt, aber man könne die Artikel zuvor als Handlungsanweisungen lesen. Ritter fragt den Zeugen, wie er das mit dem Wissen von heute bewerte. Egerton: „Das sagt mir alles nichts.“ Aber diese Aufrufe aus dem Feld der Anti-Antifa und die Bedrohungsszenarien seien bekannt gewesen. Ritter hakt nach, ob nach der Selbstenttarnung des NSU nochmal nachgegraben worden sei, um die Ursprünge zu finden. Egerton erwidert, die Anti-Antifa-Arbeit würde er mit den späteren Taten nicht vergleichen. Der NSU habe Terrorismus verübt, bei Anti-Antifa gehe es eher um die „Einschüchterung der linksextremistischen Szene“, aber es habe keine Angriffe wegen Listen gegeben. Ritter hinterfragt, ob der Zeuge in der Anti-Antifa keine Vorstufe erkennen könne, der NSU sei der Vollstrecker, „das kann man nicht trennen“. Egerton: „Die Qualität der Gewalt ist unterschiedlich.“ Der NSU sei in einer gewaltvollen Szene sozialisiert worden, daher habe man die drei schon viel eher und vor dem Abtauchen auf dem Schirm gehabt. Der Thüringer Heimatschutz sei ja aus der Anti-Antifa entstanden. Aber er glaube nicht, dass daraus „automatisiert“ der NSU entstanden sei. Es sei etwas anderes, ob man jemanden zusammenschlage oder ihm in den Kopf schieße.

Ritter fragt nun nach Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ und warum man sich bei der Beschaffung von Fanzines, die man habe auswerten wollen, nicht auf die LfV habe verlassen wollen. Egerton sagt, man habe einen Zeitverzug vermeiden wollen. Das habe manchmal gedauert, das Heft müsse ja beim Landesamt erst ausgewertet werden. Die Qualität der Informationen in einem Heft werde schlechter, je älter es werde. Ritter fragt, was die Grundlage für seine Einschätzung gewesen sei, dass die Ausgabe 18 besonders wichtig sei. Egerton antwortet, das gelte für alle anderen Ausgaben auch. Der „Weisse Wolf“ sei wichtiger als andere gewesen, er habe nicht nur Berichte über Skinheadbands enthalten. Sie hätten auch den „Hamburger Sturm“ gelesen, weil dieses Fanzine auch eine große Reichweite hatte. Ritter hakt nach, wie das laufe und ob man sich mit den Landesämtern austausche. Egerton sagt, man habe nur auf Anfrage verschickt. Ritter sagt, es gäbe einen Widerspruch dazu, ob die Ausgabe in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen habe. Mecklenburg-Vorpommern sage, sie hätten sie nicht gehabt, daher habe keine Auswertung stattgefunden. Im BfV habe sie vorgelegen und sie sei ausgewertet worden. Egerton: „Zu dieser Ausgabe gab es keinen Austausch. Dass die Ausgabe in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorlag, höre ich zum ersten Mal.“ Ritter fragt nach Petereit. Egerton: „Ich war nicht für ihn als Person zuständig, er war eine wichtige Figur.“ Er sei ein führender Protagonist der NPD gewesen Er habe dazu beigetragen, die Szene in die NPD zu integrieren. Petereit sei für das BfV wichtig gewesen.

Barlen fragt nach den Zuständigkeiten für Fanzines und ob explizit vereinbart worden sei, dass diese nach der Herausgeberschaft aufgeteilt würden. Der Zeuge bejaht, dies sei einmal im Jahr auf einer Tagung festgelegt worden. Er bejaht auch die Nachfrage, ob jedes Jahr alles durchgegangen worden sei und es dann aufgeteilt worden sei. Auf weitere Nachfrage sagt er, er sei mit Wechsel der Herausgeberschaft für den „Weissen Wolf“ zuständig geworden. Barlen fragt, ob es Probleme mit den Landesbehörden bezüglich der Fanzines gegeben habe. Egerton verneint, alle Landesbehörden seien zuverlässig gewesen. Es habe kein Landesamt zugesagt, etwas zu tun, was sie nicht gemacht hätten. Barlen hakt nach, ob das BfV mitgeteilt habe, wenn sie sich eine Ausgabe besorgt hätten. Der Zeuge verneint, es habe auch in der Eigeninitiative von Auswertern gelegen, ob man eine Ausgabe bei der Beschaffung bestelle. Die Tagung habe aber auf Führungsebene stattgefunden. Barlen fragt, ob es einen kollegialen Austausch zwischen dem BfV und LfVs gegeben habe. Egerton: „Zu konkreten Ausgaben kann ich das nicht nachvollziehen.“

Auf Fragen sagt der Zeuge, operative Maßnahmen hätten nur in Absprache mit dem LfV stattgefunden, „aber reine Herausgeberschaft reicht nicht für operative Maßnahmen“. Sie hätten zur Person Petereit mit dem LfV Mecklenburg-Vorpommern in Kontakt gestanden. Barlen fragt, wie der Auswertebericht zum „Weissen Wolf“ Ausgabe 18 ausgesehen habe. Egerton sagt, es habe keinen formellen Bericht gegeben, sondern er habe sie angeguckt und an die Auswerter geschickt, für die zum Beispiel Konzerte interessant waren. Er habe diese Ausgabe 18 an zwölf weitere Auswerter geschickt. Sie seien eine Arbeitseinheit gewesen, die sich ausgetauscht habe, so Egerton auf Nachfrage.

Auf Fragen beschreibt der Zeuge die Bemühungen der Neonazi-Szene, die Strukturen von Blood&Honour nach dem Verbot aufrecht zu erhalten. Es habe zwei Sektionen in Mecklenburg-Vorpommern gegeben: „Pommern“ und die Rostocker seien als „Mecklenburg“ aufgetreten. Zur Sektion „Nord“ hätten Niedersachsen, die „Nordmark“, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen gehört. Viele Großkonzerte seien arbeitsteilig von mehreren Sektionen veranstaltet worden. Die Aktivitäten seien dann unterbunden worden, ein LKA habe sich dahintergeklemmt, dann habe es 2008 auch Verurteilungen gegeben, aber nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Nach diesen Nachfolgemaßnahmen seien die Protagonisten in der Versenkung verschwunden. Bei den beiden Personen, die genannt worden seien, Anka Za. und Oliver Do. wisse er nicht, wo die verblieben seien.

Ritter fragt nach dem V-Mann des BfV, Thomas Richter, Deckname: „Corelli“. Er sei nah am Fanzine der „Weisse Wolf“ gewesen, Richter habe dazu ausgesagt, hält Ritter vor: „Hierzu muss ich sagen, dass ich im Bezug auf den ‚Weißen Wolf‘ den David Petereit bei [E. M.] in Ried-Nordhausen kennengelernt habe. David Petereit war sehr oft dort. Er hat mich angesprochen, ob ich ihm Speicherplatz für sein Heft ‚Der Weiße Wolf‘ zur Verfügung stellen könne. Ich sagte zu. Daraufhin hat Petereit eine Online-Ausgabe erstellt und selbst auf meinen ftp-Server hochgeladen. Es müsste der Server ‚oikrach.com/ww‘ gewesen sein.“ Ritter fährt fort, der Sonderermittler des Bundestages Jerzy Montag führe dazu aus: „Richter hat nach den Feststellungen des Sachverständigen nachweislich in Beziehung zum Fanzine ‚Der Weisse Wolf‘ gestanden. Er hat über Jahre den Newsletter des Fanzines bezogen und ihn an das BfV weitergeleitet – darunter auch die Ausgabe des Newsletters, in dem das Heft 18 angekündigt worden ist. Des Weiteren besorgte Richter auftragsgemäß ein Exemplar dieser Ausgabe, übergab es dem BfV und beschaffte weitere Informationen. Darüber hinaus kannte Richter den Herausgeber von ‚Der Weisse Wolf‘ und unterstützte diesen.“ Ritter fragt, welche Bezüge „Corelli“ noch nach Mecklenburg-Vorpommern gehabt habe und ob er eventuell auch von der Spende erfahren haben könnte. Der Zeuge sagt, außer dem Verhältnis zu Petereit habe er nichts im Kopf. Corelli habe zum BKA gesagt, er habe nichts von der Spende gewusst, „das kann man nehmen wie man will, ich halte das für glaubhaft“. Ritter entgegnet, „Corelli“ sei nicht „irgendwer“ gewesen, es falle ihm schwer zu glauben, dass dieser nur gesagt habe, ‚Petereit kenne ich‘. Der Abgeordnete fragt, ob es mit der Quelle keine Gespräche dazu gegeben habe. Der Zeuge widerspricht: „Das haben wir gemacht“, sie hätten ihn den Rundbrief des „Weissen Wolfs“ bestellen lassen, sie hätten die Quelle gesteuert. Ritter fragt, ob diese Erkenntnisse an das LfV Mecklenburg-Vorpommern weitergeleitet wurden. Egerton sagt, sie seien verpflichtet, Operatives zu melden. Sie hätten Informationen von Quellen weitergeleitet, der Auswerter habe geguckt, an welche Länder und dann sei es weitergeleitet worden.

Ritter fragt den Zeugen, wann er von der Spende an den „Weissen Wolf“ erfahren habe. Dieser sagt, er habe davon 2012 durch das Landesamt erfahren. Ritter fragt, ob man anders hätte reagieren sollen. Egerton sagt, die Spende sei ungewöhnlich gewesen, „wenn man alle drei Informationen gehabt hätte“, hätte man gefragt, „wer hat so viel Geld, um so viel Geld dort hinkommen zu lassen?“ Das sei eine größere Summe gewesen als bei anderen Heften. Ritter fragt nach den Grüßen im „Weissen Wolf“. In Ausgabe 18 habe es keine seitenlange Grußliste gegeben – nur den „Gruß an den NSU“. Das sei ein Unterscheidungsmerkmal, eine Besonderheit. Egerton antwortet, heute kenne man ja die Genese dieses „Grußes an den NSU“. Die Grußseiten würden noch aus den Anfängen des „Weissen Wolfs“ stammen, als dieser aus „dem Knast heraus“ produziert wurde. „Man wollte die eigene Funktion in der Szene zeigen“. Später habe sich dies geändert. In Skinheadmagazinen gäbe es mehr Grüße als bei politisch ausgerichteten Fanzines.

Ritter zitiert aus der Aussage der Sachverständigen Antonia von der Behrens (siehe Sitzung vom 14. Juni 2019). Diese habe zum „Weissen Wolf“ ausgeführt, dass „es ein Heft ist, was von der ganzen Art dem NSU entgegengekommen ist. Der immer wieder kritisiert hat, dass die Szene viel zu sehr auf Party, Konzerte und Trinken aus ist und viel zu wenig ernsthafte Politik macht. Es werden dort alle Themen, die für den NSU auch relevant sind, angesprochen“. Egerton widerspricht, der Kampf, von dem im „Weissen Wolf“ die Rede sei, meine nicht Terrorismus, „Petereit meint politischen Kampf, die NPD, den Kampf um die Straße nicht die Revolution“. Das sei dort gemeint mit „der Kampf geht weiter“. Egerton fügt hinzu, Rudi Dutschke habe auch von Kampf gesprochen, aber Terrorismus zurückgewiesen. Petereit habe keine Ahnung vom NSU-Terror gehabt, sondern habe die Aufforderung im Brief als Aufforderung zum „politischen Kampf“ verstanden. Auch aus dem Brief lasse sich das nicht herauslesen, dass es um Terrorismus gehe. Ritter sagt, genau diese Debatten seien ein Wesensmerkmal der rechten Szene, „aus diesen Debatten heraus ist der NSU entstanden“, er höre aber beim Zeugen raus, dass nur die drei für Terror stünden, der Rest sei „politischer Kampf“. Ritter: „Aber das war doch kein luftleerer Raum“, man müsse die Motivation des NSU in den Blick nehmen, man könne nicht trennscharf zwischen Terror und politischen Kampf unterscheiden. Der Zeuge sagt, er glaube nicht, dass es einen Automatismus gebe, „dazu sind die Taten des NSU zu einzigartig in der Geschichte“. Terrorismus entstehe nicht aus dem Nichts, aber er sei kein Automatismus: „Ich würde Petereit nicht so einschätzen, dass er Terrorismus gut heißt“, das sei aber Spekulation, „ich glaube nicht, dass Petereit rechten Terror unterstützt“.

Der SPD-Abgeordnete Friedriszik fragt nach dem Jugendclub „MAX“ und seiner Rolle für Blood&Honour. Egerton sagt, seiner Meinung nach habe er keine besondere Rolle gespielt: „Das ist so ein lokales Detail, das hat uns als BfV nicht interessiert.“ Es habe viele Treffpunkte gegeben, er habe keine spezielle Erinnerung an diesen Jugendclub. Ritter fragt nach der Verbindung zwischen Thüringer Heimatschutz und Mecklenburg-Vorpommern. Egerton sagt, der THS habe als Struktur keine Verbindungen nach Mecklenburg-Vorpommern gehabt, in Einzelfällen habe es persönliche und politische Kontakte gegeben. Auf Nachhaken von Ritter, der Zeuge solle konkreter werden, nennt Egerton die Verbindung zwischen Tino Brandt und Hans Günter Eisenecker. Ritter fragt nach Eisenecker. Der Zeuge antwortet, dieser sei nicht unter seine Zuständigkeit gefallen, sondern dafür sei die Person, „die NPD gemacht hat“, zuständig gewesen. Seine Auswertung des THS habe dazu nichts ergeben, das sei aber 20 Jahre her. Ritter fragt nach Patrick Wieschke. Egerton: „Die Person kenne ich, er hat im NSU-Ermittlungsverfahren eine Rolle gespielt“, er sei verdächtig worden, Zschäpe beherbergt zu haben, habe aber keine Kontakte nach Mecklenburg-Vorpommern. Ritter fragt, wie Blood & Honour in Mecklenburg-Vorpommern ausgerichtet und ob Blood & Honour Sachsen von besonderem Interesse für das BfV gewesen sei. Egerton sagt, dort seien Einzelpersonen aktiv gewesen, deren Namen seien schon gefallen. Es sei nicht ganz klar gewesen, ob es sich um Aktivitäten für die Szene oder vielleicht doch für persönlichen Benefit gehandelt habe. Die Reichweite der Sektion Mecklenburg sei eher gering gewesen. Eine Besonderheit sie die eigene Band „Nordmacht“ gewesen, aber im Vergleich zu anderen habe zum Beispiel die sächsische Sektion deutlich mehr Gewicht gehabt. Ritter fragt, ob Blood & Honour Sachsen in Mecklenburg-Vorpommern Konzerte veranstaltet hätte. Egerton sagt, es habe ja Bands gegeben, die bundesweit gespielt haben, „bestimmt auch hier“. Ritter fragt nach Konzerten in Mecklenburg-Vorpommern wenige Monate nach dem Abtauchen des NSU. Egerton sagt, ihm sei kein Konnex zwischen dem Abtauchen und Konzerten bekannt. Ritter hakt nach, ob auf solchen Konzerten Gelder für Abgetauchte gesammelt wurden. Egerton sagt, das sei nicht auszuschließen und nicht unwahrscheinlich, dass möglicherweise Gelder von Blood & Honour-Strukturen an die drei geflossen sei, „nach meinem Wissen konnten wir das nie bestätigen“.

Die Vorsitzende fragt erneut nach dem Jugendclub „MAX“ und warum dieser für den BfV keine Relevanz gehabt habe, obwohl Blood & Honour sich dort jeden Donnerstag getroffen hätte. Egerton: „Weil wir eine Bundesbehörde sind“, es habe ihn nicht interessiert, wo sich getroffen wurde, „sondern welche Wirkung hatten Aktivitäten. Wenn da Konzerte stattgefunden hätten, dann vielleicht“. Von Allwörden antwortet, dort hätten Konzerte stattgefunden, auch die Mitarbeiter seien in diese eingebunden gewesen. Der Zeuge schüttelt den Kopf, der Jugendclub sei ihm ein Begriff, aber er erinnere sich nicht mehr an Details. Die Vorsitzende fragt, ob das Landesamt Mecklenburg-Vorpommern beim BfV nach Ausgabe 18 des „Weissen Wolfs“ gefragt habe, der Zeuge weiß es aber nicht. Grundsätzlich habe man vielleicht mal ausgeholfen, das sei eine Frage der Kapazität. Es habe ja nicht nur den „Weissen Wolf“ gegeben, „‘Foier frei‘ hatten wir auch“. Auf Frage der Vorsitzenden sagt Egerton, sie hätten zu der Zeit „eine Menge“ Fanzines ausgewertet.

Barlen fragt nach der Vorgehensweise bei der Auswertung. Egerton sagt, wenn ein Interview im Fanzine gewesen sei, hätte es der Kollege bekommen, der für Bands zuständig war. Wer was bekomme, komme aus dem Erfahrungswert, „das bekommt man im Laufe der Zeit mit, was von Relevanz ist“. Er habe als Auswerter für das Heft das Magazin gelesen. Er habe geschaut, ob die Daten der Herausgeber im System sind und habe es dann verteilt. Es habe aber auch Inhalte gegeben, die relevant für seine Zuständigkeit gewesen seien. Barlen fragt nach der „Garagenliste“ des NSU und ob diese auch im Schlagwortverzeichnis gesucht worden sei. Egerton sagt, sie hätten davon erst nach der Selbstenttarnung des NSU erfahren, „aber wenn es sowas gibt, dann ja“. Barlen fragt nach Beate Zschäpe und Egerton sagt, sie hätten die Personen schon lange gekannt. Er bejaht die Frage, ob ihnen aufgefallen wäre, wenn sie in Fanzines erwähnt wurden. Der Zeuge verneint die Frage, ob er die Band „Nordmacht“ zuständig gewesen sei: „Nein, das war Musik“, aber er habe sie wahrgenommen, weil sie zu Blood & Honour gehört habe. Die „Kompromisslosigkeit der Cover“ sei schon eine Besonderheit gewesen. Auf Nachfrage sagt Egerton, sie hätten auf die Auswertung von Konzerten großen Wert gelegt, „die meisten Auftritte waren bekannt, es gab ein eigenes Referat für Musik und Fanzines“. Er sei deswegen aber nicht in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Friedriszik fragt nach der Meldung, dass auf Konzerten Geld für die drei gesammelt worden sei. Der Zeuge sagt, es habe die Meldung gegeben, dass auf Konzerten Geld gesammelt worden sei, er denke aber nicht in Mecklenburg-Vorpommern.

Ritter hakt erneut nach, wie man Terror von politischem Kampf trennen könne und nach der Ausgabe 18 von „Der Weisse Wolf“. Der Zeuge antwortet, das sei alles sehr konsistent, wenn vom politischen Kampf die Rede sei, werde von „Aufwachen“ gesprochen, davon, dass man „weg von Parties und Konzerten“ gehen sollte und stattdessen politischer Tätigkeiten nachgehen solle. „Dadurch, dass er nicht zu Gewalt aufruft, ist der Gruß hier auch so gemeint“, das beziehe sich auf den politischen Kampf. Ritter sagt, man könne ja nicht offen zur Gewalt aufrufen: „Für mich ist das ein Aufruf zur Gewalt“. Egerton: „In meiner Erfahrung als Auswerter nicht“, Petereit habe nicht zu Gewalt und Terrorismus aufgerufen. Ritter fragt nach dem Verbot von Blood & Honour und warum von Combat 18 unterschieden worden sei. Egerton sagt, Combat18 sei als Name bekannt gewesen, aber es hätte keine Strukturen gegeben. Daher habe man Combat 18 erst im Januar 2020 verboten. „Man konnte jetzt Namen und Strukturen festmachen.“ Damals habe man es nur geschafft, die Jugendorganisation von Blood & Honour, White Youth, zuzuordnen und zu verbieten. „Combat18 hatte keine Struktur in Deutschland.“ Die Befragung des Zeugen wird beendet. Egerton: „Ich möchte mich für die angenehme Atmosphäre hier bedanken.“

Der nächste Zeuge, „VP-F 01“ von der KPI Rostock, ist für die Öffentlichkeit nur zu hören – die Sitzung wird in das Café Niklot übertragen. Er wird vom Rechtsbeistand Butz Peters begleitet. Zu seiner Vorbereitung gibt er an, er habe Vorgespräche mit seinem Rechtsbeistand, dem Dezernat beim LKA und Kollegen der alten Dienststelle geführt und Dokumente gelesen. Der Zeuge führt aus, er sei mehr als 10 Jahre VP-Führer [VP ist die Abkürzung für Vertrauensperson] bei der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Rostock gewesen. Er habe die VPs ausgesucht, angeworben und geführt. Es habe eine strikte Trennung zwischen Informationsbeschaffung und Verfahrensbearbeitung gegeben, er habe also keine Ermittlungen gemacht. Er sei nicht für Staatsschutz zuständig gewesen, „das war nicht mein Aufgabenbereich“. Wenn es Meldungen durch VPs gegeben habe, die den Bereich Staatsschutz betrafen, seien diese an das LKA übergeben worden. Wenn es um Informationsbeschaffung im Bereich Staatsschutz ging, sei dies nur nach Anweisungen des Staatsschutzdezernats geschehen, Entscheidungen seien nur da getroffen worden. Er erinnere sich aber nicht an konkrete Aufträge, zu Themen aus dem Staatsschutzbereich nachzuhaken. Er habe in seinen Unterlagen drei Sachverhalte gefunden, die zum Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses passen. Vor Enttarnung des NSU hab er keine Erkenntnisse dazu erhalten. Die Hinweise zu den drei Sachverhalten seien nach der Enttarnung eingegangen. Zwei Mal hätten Personen angegeben, dass Personen aus Mecklenburg-Vorpommern Kontakte zum NSU gehabt hätten. Außerdem sei eine Person auf einer Lichtbildvorlage erkannt worden, die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe gestanden habe. Er habe die Informationen weitergegeben. Ob es in der Folge Rückfragen gegeben habe, wisse er nicht, wenn dann nicht schriftlich. Er habe in den Unterlagen eine Notiz gefunden: Es habe Kontakt zum BKA gegeben, das wiederum gesagt habe, er solle nichts weiter machen. Aber er könne das nicht zuordnen. Er habe seine VP diesbezüglich nicht mehr gesteuert. Nach dem Mord an Mehmet Turgut habe er seine VPs gefragt, was sie darüber wissen, weil es keine Hinweise auf ein Staatsschutzdelikt gegeben habe. Er habe aber keine Hinweise erarbeiten können.

Die Vorsitzende fragt, wie der Vertrauenspersonen-Bereich eingeteilt sei. Zeuge: „Die VP-Führung kann sich mit allem befassen, außer mit politisch motivierter Kriminalität.“ Die Vorsitzende sagt, die Akten zum Zeugen seien erst am Vortag beim Untersuchungsausschuss angekommen. Der Ausschuss müsse sich damit erst befassen, der Zeuge müsse erneut geladen werden. Friedriszik fragt, welche Akten der Zeuge zu Vorbereitung eingesehen habe. Dieser antwortet, er habe die von ihm gefertigten Erkenntnismitteilung gelesen, darüber hinaus hab er nichts gefunden. Friedriszik fragt, zu welchem Sachverhalt er Mitteilungen gelesen habe. „VP-F 01“: „Es geht um diese zwei Hinweise zu Personen, die Kontakt zum NSU hatten und die Lichtbildvorlage.“ Der Zeuge sagt auf Frage, er habe ja Eingangs erklärt, dass die VP-Führung und der Ermittlungsbereich strikt voneinander getrennt seien. Er habe nach dem Mord an Mehmet Turgut aufgrund dessen, was in der Kenntnislage abgebildet gewesen war, seine VP befragt. Das habe keine Ergebnisse erbracht, „da ging es gar nicht um den angenommenen Hintergrund“. Er sei befugt gewesen, im Rahmen der Gefahrenabwehr seine VP zu befragen, aber das sei erfolglos gewesen. Auf Nachfragen verneint der Zeuge, Erkenntnisse aus dem Bereich „Organisierte Kriminalität“ erhalten zu haben. Er habe aufgrund der Kenntnislage nach dem Mord an Mehmet Turgut seine VPs gefragt, ob sie etwas wüssten. In der Kenntnislage habe der Tatort und der Name gestanden und dass es sich um ein Tötungsdelikt handele. Er habe alle befragt, „ich weiß nicht, wie viele das zu diesem Zeitpunkt waren. Es ist lange her. Ich hatte im Durchschnitt fünf bis zehn VP“. Dies habe keinerlei Aussagen erbracht. Auf Nachfrage von Barlen sagt der Zeuge, er habe dies nicht gemeldet, es sei „nicht erforderlich, nur wenn wir was haben“.

Ritter fragt, ob es Beziehungen zum Verfassungsschutz gegeben habe. Der Zeuge verneint Beziehungen zum Verfassungsschutz. Er sei VP-Führer bei der KPI gewesen, also ein Dienstleister für Ermittlungen. Wenn es Kontakt zwischen dem VS und der KPI gegeben habe, dann sei er nicht Teil davon gewesen: „Ich kann für meinen Bereich sagen, solche Kontakte gab es nicht“. Ritter fragt, wie mit den Mitteilungen zu den Personen, die Kontakt zum NSU hatten, umgegangen wurde. „VP-F 01“: „Ich kann nur wiederholen, wir fertigen Kenntnismitteilung, schicken es über den Leiter an das LKA“. Wenn das LKA zustimme, dann gehe die Mitteilung auch an die Staatsschutz-Abteilung im Haus. „Wie es weitergeht hören wir nur, wenn es Rückfragen gibt.“ Er habe nur den Vermerk gefunden, dass das BKA sagte, weitere Einsätze seien unnötig. Ritter: „Der Hinweis ist in den Akten, die wir nicht kennen.“ Die Vorsitzende fügt hinzu, dass die Lichtbildvorlage nicht in den Akten enthalten sei. Der Vertreter Regierung sagt, das müsse nochmal recherchiert werden. Koplin von der Linksfraktion fragt, wann der Zeuge seine VP nach dem Mord an Mehmet Turgut befragt habe. „VP-F 01“ antwortet, die Lage-Information der KPI gebe es jeden Tag. Er nehme an, dass er am nächsten Morgen vom Mord erfahren habe. Er habe seine VPs im zwei bis drei Wochenrhythmus gesehen, also habe er seine VPs in den 15 bis maximal 20 Tagen nach dem Mord befragt. Koplin hakt nach, warum er alle befragt habe. Der Zeuge sagt, das sei nach einem Tötungsdelikt üblich. Koplin fragt, wer die Befragung der VPs nach der Selbstenttarnung des NSU abverlangt habe. „VP-F 01“: „Nicht in dem Sinne abverlangt“, die Mitteilungen hätten sich aus der Situation ergeben, die VPs seien von selbst an ihn herangetreten, „wegen dem was in den Medien war“.

Barlen fragt, ob der Zeuge auch Vertrauenspersonen aus der Drogenkriminalität geführt habe. Das bejaht dieser, er habe mehrere VPs im Bereich Drogenkriminalität geführt, aber das sei nicht sein Bereich gewesen. Die Frage, ob er VPs zur PKK geführt habe, verneint der Zeuge. Barlen sagt, es sei in die falsche Richtung ermittelt worden, es habe angeblich Hinweise auf Drogengeschäfte gegeben. Er fragt, ob es in Rostock weitere Personen gegeben habe, die in dem Bereich VPs geführt haben. Der Zeuge bejaht, es habe einen zweiten Mitarbeiter gegeben. Sie hätten sich ein Zimmer geteilt, aber jeder habe seine eigenen VPs geführt. Barlen fragt, ob einer der VPs etwas zu Drogen gesagt habe. Der Zeuge sagt, für einen Zusammenhang zwischen Drogen und Mehmet Turgut „gab es keinen Anhaltspunkt, er ist nie genannt worden vor seinem Tod“ im Zusammenhang mit Drogen, „der ist als Drogenhändler nicht bekannt geworden“. Barlen fragt, wie das bei seinem Kollegen gewesen sei. Der Zeuge antwortet, er erinnere sich nicht. Barlen hakt erneut nach, wer ihn beauftragt habe, nach dem Mord an Mehmet Turgut seine VPs zu befragen. Der Zeuge sagt, er sei nicht beauftragt worden, „nach einem Mord, da befrage ich die VPen“. Auf die Frage, ob das für alle Standard sei, sagt der Zeuge, „weiß ich nicht, aber für mich ja“. Friedriszik fragt, ob es eine Erkenntnismitteilung gegeben habe, die bei Scharen den Schluss zugelassen habe, dass es um Drogen geht. Das verneint der Zeuge ebenso wie die Frage, ob es ein Zwiegespräch auf dem Flur gegeben habe. Die Vorsitzende stellt fest, dass dies der „falsche Zeuge“ für den eigentlich gestellten Beweisantrag sei.

Ritter fragt, aus welcher Szene der Hinweis auf die Personen mit NSU-Kontakt gekommen sei. „VP-F 01“ antwortet, die Hinweise bezögen sich auf Personen, die die VPs als Rechte zugeordnet hätten. Koplin: „Ist das üblich, dass das BKA sich meldet, aus Gründen Effektivität brauche man da nicht ermitteln?“ „VP-F 01“: „Für mich war es eine Besonderheit, daher habe ich auch den Vermerk geschrieben.“

Es folgt die Befragung des Polizeihauptmeister Görlitz, er war 1999 bis 2006 bei der Polizeisondereinheit „Mobile Aufklärung Extremismus“ (MAEX). Er gibt an, er habe zur Vorbereitung Akteneinsicht genommen. Er sei als Einsatzbeamter im Außendienst gewesen, „ich war auf der Straße“. Er habe keinerlei Ermittlertätigkeiten gemacht, er habe seine Erkenntnisse niedergeschrieben und an die Abteilung FK 4 weitergeleitet. Er sei bei offenen Treffs im Einsatz gewesen, die Treffpunkte seien durch polizeilich relevante Sachverhalte bekannt geworden. Am Anfang der MAEX sei dies auch in „Richtung Sozialarbeiter“ gegangen, die Leute „haben alles erzählt“ aber durch regelmäßige Kontrollen sei die MAEX dann bekannt geworden: „Die Personen wussten, wenn sie Straftaten begehen, werden wir sie aufnehmen.“ Er sei in Sanitz, Rostock, Tessin, Bad Doberan aktiv gewesen, die hätten sich die rechte Szene in Bereiche eingeteilt, es habe rechte Gruppierungen mit jüngeren und Gruppierungen mit älteren Neonazis gegeben. Sie hätten die Rechten an der Kleidung erkannt. Die Gruppen seien überall im Stadtgebiet vertreten gewesen. „2001 gab es von den kleinen Gruppen den Gedanken, eine Kameradschaft zu bilden, sie wollten Bund Deutscher Kameraden heißen“. Zu dem Zusammenschluss sei es nicht gekommen. „Die Großen“ seien nicht auffällig gewesen, sie seien „nicht durch Straftaten in der Öffentlichkeit aufgefallen, wie die Jüngeren. Aus dem Zusammenhang sollte der ‚Arische Widerstand‘ gegründet werden, dazu ist es nicht gekommen.“ In Rostock und im Stadtbereich habe es Musikgruppen gegeben, „Nordmacht“, „Bataillon 500“ und „Hatecrew“, „alle drei hatten Verbindungen in die Schweiz“. Im Bereich Güstrow habe es eine Konzertgarage gegeben, dort hätten die „Hateboys“ geprobt. Aber von dieser Band habe es keine größeren Aktivitäten gegeben. Außerdem habe es den Liedermacher Martin Krause aus dem Bereich Rostock gegeben. „Der Jugendclub ‚MAX‘ war als Treffpunkt bekannt, in dem auch Konzerte von ‚Nordmacht‘ und ‚Bataillon 500‘ stattgefunden haben.“ Bei diesen Bands könne man davon ausgehen, dass es Verbindungen zu Blood & Honour-Mitgliedern gab. Zu Combat 18 lägen keine Erkenntnisse vor. „Zu dem Mord am Imbiss, da wurde in der Zeit in der rechten Szene nicht drüber gesprochen. Ich selbst kann mich erinnern, ich war im Bereich des Tatorts eingesetzt, um zu gucken, wer dort umherläuft, neugierig ist und schaut.“ Soweit er sich erinnere, habe er keine Feststellungen gemacht.

Die Vorsitzende fragt, wie er zur MAEX gekommen sei. Görlitz sagt, er habe eine persönliche Veränderung gewollt, habe sich beworben und sei genommen worden. Nach 2006 sei er zu Schutzpolizei gewechselt. Von Allwörden fragt, inwiefern der Jugendclub „MAX“ ein Schwerpunkt der Arbeit gewesen sei. Der Zeuge antwortet, er sei „praktisch gleich wie alle anderen Treffpunkte auch“ gewesen. Kontakte seien nicht möglich gewesen, weil alles in geschlossenen Räumen stattgefunden habe. Die Vorsitzende fragt nach, ob ihm also bewusst gewesen sei, dass dort die Älteren unterwegs gewesen seien. Görlitz bejaht. Er habe Personen, nicht Organisationen, nur Musikgruppen zuordnen können. Detailfragen zum Jugendclub „MAX“ kann der Zeuge nicht beantworten, „da haben sich andere Kollegen drum gekümmert“. Die Vorsitzende erklärt Görlitz, er sei nicht der erste Zeuge im Untersuchungsausschuss, der bei der MAEX gewesen sei, aber „ich kann immer noch nicht fassen, was ist ihre Arbeit? Wie war das beim ‚MAX‘? Wer ist da ein- und ausgegangen?“ Der Zeuge führt aus, die Arbeit der MAEX seien offene Ansprachen gewesen. Der Jugendclub „MAX“, „das war ja drin, diese Bereiche haben wir nicht betreten“. Wenn sie vor Ort geschaut hätten, hätten sie „die Personen der Gruppe ‚Nordmacht‘ bzw. ihre PKWs“ gesehen. Er erinnere sich namentlich an die Bandmitglieder, so der Zeuge auf Frage. Zu Oliver Do. und Anke Za. sagt er, „ja, die haben engen Kontakt zu ‚Nordmacht‘ gehabt“. Auf Frage sagt der Zeuge, sie seien nicht in Gebäuden tätig geworden, da dies geschützte Räume seien. Die Vorsitzende hakt nach, ob sie, wenn eine Person bekannt gewesen sei, zu den Fahrzeugen gegangen wären: „Was ist da der Auftrag gewesen? Was wurde da gefragt?“ Görlitz: „Nee, an dem Club ‚MAX‘ haben wir keine Ansprache gemacht.“ Von Allwörden: „Was dann?“ Sie hätten Personen und Kennzeichen schriftlich aufgenommen und weitergeleitet, antwortet Görlitz. Die Vorsitzende fragt, ob sie auch mal Erkenntnisse gehabt hätten, die polizeilich relevant gewesen seien. Görlitz: „Erkenntnisse haben wir erlangt ja klar“, sie hätten festgestellt, wer im „MAX“ ein- und ausgegangen sei, „das waren für mich Erkenntnisse“. Nach der weiteren Verwertung gefragt sagt der Zeuge, sie hätten jeden Abend einen Bericht geschrieben, der dann an den Staatsschutz gegangen sei. Von Allwörden fragt, warum nach dem Verbot von Blood&Honour bei Anke Za. durchsucht wurde und nicht bei Oliver Do. Das weiß der Zeuge allerdings nicht und auch nicht, ob jemand von der MAEX bei der Durchsuchung dabei gewesen sei. Von Allwörden fragt nach, ob die MAEX in das Verbotsverfahren eingebunden gewesen sei. Görlitz erklärt, die MAEX sei im Juni oder Juli 1999 gegründet worden, „da lief erst alles an“, er denke, die MAEX sei daher noch nicht eingebunden gewesen.

Barlen sagt, der MAEX-Kollege Maik Oswald habe sich bei seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss selbst als Praktikanten von Görlitz bezeichnet [Siehe Sitzung vom 5. Juni 2020]. Görlitz sagt, er könne sich an Herrn Oswald erinnern. „Er ist die erste Zeit bei uns mitgefahren“, aber er sei kein Praktikant, kein Polizeischüler gewesen. „Er meint das sicherlich so, dass er das Spezielle noch nicht wusste.“ Sie seien ja eine Einheit gewesen, sonst seien sie zu zweit unterwegs gewesen, sagt der Zeuge auf weitere Fragen. Auf die Frage Barlens nach thematischen Schwerpunkten der Arbeit antwortet Görlitz, sie hätten alle die gleiche Arbeit gemacht, alle hätten alle Bereiche, die Barlen als „links, rechts, religiös“ benennt, bearbeiten müssen. Barlen fragt erneut nach der Arbeit der MAEX am und mit dem Jugendclub „MAX“. Dazu führt der Zeuge aus, er könne sich nicht erinnern, dass es mit dem Club Gespräche gegeben habe. Sie hätten „vom Ansehen“ gesehen, wer in den Club gegangen sei, teilweise hätten sie durch Internetrecherchen gewusst, wie Neonazis aussehen. Sie hätten sie aber auch anhand von Fahrzeugkennzeichen identifiziert, sagt er auf Nachfrage von Friedriszik. Auf dessen Frage, ob sie Personenfeststellungen durchgeführt hätten, sagt Görlitz: „Ja, wir sind ja Polizeibeamte.“ Er bestätigt, dass sie ein Protokoll angefertigt hätten, wenn sie jemanden angetroffen hätten.

Peter Ritter fragt nach einem Einsatzbericht zu dem Konzert der Blood & Honour-Band „Nordmacht“ im „MAX“ am 27. Januar 2001, dem Tag der Befreiung von Auschwitz. Das sei vielleicht Zufall, aber Staatsschutz und MAEX seien da vielleicht hellhörig geworden, insbesondere, weil ein halbes Jahr vorher sei Blood & Honour verboten wurde. Auf dieser Veranstaltung seien Leute gewesen, die Teil von Blood & Honour gewesen seien, „das sind Leute, die man auf dem Schirm haben müsste“. Im Einsatzbericht heiße es aber, „keine relevanten Feststellungen“. Ritter: „Das macht es mir schwer zu glauben, dass die MAEX ihre Aufgabe erfüllt hat. Warum ist man in der Situation stehen geblieben, das war eine kommunale Einrichtung, nicht privat?“ Drinnen seien Fanzines vertrieben und der Hitlergruß gezeigt worden, das habe man aber nicht sehen können, wenn man draußen steht. Görlitz: „Wir haben den Auftrag gehabt aufzuklären, das haben wir gemacht, wir haben ja Personen festgestellt“, sie hätten dies der Einsatzleitung mitgeteilt und dann weiter gemacht. Ritter: „Hat sie das zufrieden gestellt?“ Der Zeuge wiederholt, sie hätten ihre Ergebnisse weitergegeben, die Rückschlüsse seien dort gezogen worden. Ritter: „Das macht einen doch unzufrieden, wenn man so arbeiten muss.“ Görlitz: „Ich habe ja meine Arbeit gemacht.“ Ritter fragt, was der Zeuge über Oliver Do. wisse und ob dessen Laden ein Arbeitsschwerpunkt gewesen sei. Der Zeuge sagt, der Laden sei bekannt gewesen, der Laden sei beobachtet worden, aber nicht durch die MAEX. Es habe auch Auseinandersetzungen gegeben, „mit denen, die gegen den Laden waren“. Ritter: „Und?“ Görlitz: „Wir haben den Laden angefahren und gecheckt.“ Ritter: „Und, haben Sie was gesehen?“ Der Zeuge sagt, er erinnere sich nicht, er denke, es sei nichts passiert.

Koplin fragt erneut zur grundsätzlichen Arbeit der MAEX, hakt dazu nach, dass der Zeuge von sozialer Arbeit gesprochen habe. Görlitz sagt, so seien sie von den Jugendlichen angenommen worden, „sie haben uns alles erzählt, dass sie zum Beispiel keinen Jugendclub haben, wir konnten ja auch keinen besorgen“. Durch den MAEX-Erlass hätten sie die Handlungsanweisung gehabt, offene Aufklärung zu betreiben: „Wir mussten nicht jeden Tag irgendwelche Zettel für Aufträge bekommen, wir haben einfach geschaut, das war unsere Aufgabe“, es sei präventive Arbeit gewesen.

Friedriszik hakt zum Aufklärungsaspekt der Arbeit nach. Der Zeuge antwortet, es sei eine präventiv ausgerichtete Tätigkeit, sie hätten gesprochen und „angehört, was die erzählen“. Aus diesen Gesprächen hätten sie Erkenntnisse gezogen, diese aufgeschrieben und weitergeleitet. „Das ist dann ein bisschen Aufklärung, um irgendwann das Große aufzuklären, aber das war nicht mehr unsere Zuständigkeit, wir waren die Ersten in der Kette.“ Der Abgeordnete fragt, ob er bis zum Ende seiner Tätigkeit, 2006, Kontakt zu Oliver Do. und Anke Za. gehabt habe. Görlitz: „Nein auf keinen Fall, das waren ja die ‚Größeren‘, die konspirativer gearbeitet haben.“ Er habe sie nach 2000 bei dem Konzert im „MAX“ wahrgenommen, danach könne er nicht sagen, so der Zeuge auf Nachfragen.

Barlen fragt, ob der NSU bei ihm eine Rolle gespielt habe, ob ihn das nochmal beschäftigt habe. Görlitz: „Wenn ein Mord passiert in meiner Stadt, das geht an keinem spurlos vorbei, das war schon heftig.“ Barlen hakt nach, ob Görlitz nochmal nachgedacht habe, wer das Netzwerk gewesen sein kann, und sich die Leute von damals vor die Augen geholt habe. Der Zeuge bejaht, er habe sich damit in dem Sinne beschäftigt, aber nicht vor dem Hintergrund der Leute da, „ich hätte nicht gedacht, dass da jemand von denen da in Frage kommt“, das seien nicht „die Besten“ gewesen. Barlen fragt, ob er nochmal als „Zeitzeuge“ angesprochen worden sei, der Zeuge verneint dies. Barlen fragt erneut zu dem Konzert im „MAX“ am 27. Januar, dort seien beide Fahrzeuge der MAEX zum Einsatz gekommen. Im Bericht stehe, es habe Kontakt zu Frau Balgé gegeben. Weiter heiße es, die Musikband trage keinen Namen, es seien Nachwuchskünstler. Barlen fragt, ob es zu den Berichten das Feedback gegeben habe, da müsse mehr kommen? Görlitz: „Wir haben ja unsere Arbeit da gemacht.“ Die Nachwuchsband sei vielleicht „Hatecrew“ gewesen, „wir haben keine Mecker bekommen“, oder die Rückmeldung, da was falsch gemacht zu haben.

Der letzte Zeuge des Tages ist Kriminalobermeister Leif Wagner. Er erscheint mit seinem Rechtsbeistand Butz Peters. Auch er war bei der Polizeisondereinheit „Mobile Aufklärung Extremismus“ (MAEX). Zur Vorbereitung habe er sich ausgetauscht, gibt der Zeuge an. Er führt aus, sie hätten mit dem „Spektrum in Kontakt treten und bleiben“ sollen. Am Ende der Schicht, hätten sie einen Bericht erstellt. „In unserer Arbeit wurden wir nicht mit Informationen aus Fachkommissariaten ausgestattet, damit auch keine Informationen in die Szene fließen können.“ Sie hätten nicht im strafrechtlichen Sinn ermittelt, sie hätten aber Anzeigen aufgenommen. Er benennt verschiedene Orte, an denen sie Personen angetroffen hätten. In den Sommermonaten sei der Strand in Warnemünde ein Ort gewesen, an dem sich bis zu 30 Personen getroffen hätten. In den Wintermonaten sei das schwierig gewesen Feststellungen zu machen. Die Leute seien nicht mehr auf der Straße gewesen. An Personen seien ihm noch Antje Ka., Christian Worch, der mehrfach in Rostock gewesen sei, Lars Ja., Lutz De., der Liedermacher Martin Krause, der habe am Anfang Straftaten begangen, sei dann nach Malente und wieder zurück gezogen, Ralf Za., Oliver Do. Anke Za. und Mathias Br. bekannt. Letztere seien zu der „Blood & Honour-Geschichte“ zugehörig. Zu Combat 18 und Blood & Honour habe er keine weiteren Erkenntnisse.

Die Vorsitzende fragt nach der Bedeutung des Jugendclub „MAX“ und ob dieser ein Schwerpunkt der Arbeit gewesen sei. Wagner verneint eine Bedeutung. Der Jugendclub „wurde nur Donnerstag von Szene besucht“. Ihnen sei verboten gewesen, das Gebäude zu betreten. Von Allwörden fragt nach Aktivitäten der Szene, wie zum Beispiel dem Verkauf von T-Shirts vor dem Club und fragt, ob sie während dieser Tätigkeiten Ansprachen gemacht hätten. Der Zeuge verneint, sie hätten nur Rückschlüsse aus den Kennzeichen gezogen. Von Allwörden: „Haben Sie geguckt wer eigentlich vor Ort ist?“ Ein Auto mit einem Kennzeichen könne ja von verschiedenen Personen gefahren werden. Wagner verneint dies. Von Allwörden entgegnet, wenn jemand also neu aber ohne Auto gewesen sei, sei er ihnen durch die Lappen gegangen. Der Zeuge sagt, sie hätten nur Kennzeichen aufgenommen. Von Allwörden fragt nach Oliver Do. und Anke Za. Der Zeuge sagt, diese kenne er nur namentlich, er habe sie aber nicht gesehen. Er bejaht, dass er Blood & Honour kenne. Von Allwörden fragt, ob der MAEX nicht vertraut worden sei, wenn vom Fachkommissariat 4 keine Informationen weitergeben wurden, damit diese nicht in die Szene gelangen können. Wagner: „Doch, wir waren ja sicherheitsüberprüft.“ Aber das sei nicht gewollt gewesen, damit der Verdacht nicht aufkommt, es sei um „unsere Sicherheit, deren Sicherheit“ gegangen. Auf Frage sagt der Zeuge, sie seien in den Augen der Nazis „nur MAEX-Beamte“ gewesen, „da wurde gesagt, die sind von der MAEX, nicht von der Polizei“. Die Vorsitzende sagt, ob die Nazis das so gesehen hätten, wenn man mit denen rede, passiere sowieso nichts. Wagner: „Nein, wir haben Anzeigen geschrieben.“ Die Vorsitzende sagt, wenn sie nicht erkannt hätten, wer Blood & Honour-Größen sind, sei etwas schief gelaufen.

Friedriszik fragt nach der Verteilung von CDs vor dem Jugendclub „MAX“ und ob sie auch ein Exemplar sichergestellt hätten. Der Zeuge sagt, sie hätten die Verteilung nur registriert. Auf Frage sagt er, er wisse nichts zum Inhalt der CD. Friedriszik sagt, Blood & Honour sei im September 2000 verboten worden und fragt, ob sie noch in Erscheinung getreten seien. Der Zeuge antwortet, das wisse er nicht.

Ritter sagt, er sei nach den Befragungen der MAEX im Untersuchungsausschuss fassungslos nach Hause gegangen, „wir haben andere Vorstellungen gehabt, als wir die eingerichtet haben“. Es gebe ja noch anderen Kriterien außer „alt“ und „jung“, wie zum Beispiel militant. Dem Zeugen wird der Bericht vom 27. Januar 2001 vorgelegt. Auf Frage von Ritter entgegnet der Zeuge: „Sie wollen auf Waffen heraus, es gab keine Waffen.“ Bis heute gäbe es keine Erkenntnisse zu Waffen. Ritter reagiert empört, stellt keine Fragen mehr, die Sitzung wird beendet.