Longread und Interview: Aus dem Bild gefallen – Der rechte Terror der „Gruppe Ludwig“

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Gedenken in München. (c) Robert Andreasch

Zwischen 1977 und 1984 beging die „Gruppe Ludwig“ in Norditalien und München Morde und Anschläge, die fünfzehn Menschen das Leben kosteten. Ihre Ideologie wurde auf eine krude Mischung aus Nationalsozialismus und wahnhafter christlicher Sexualmoral verkürzt. Ein kritischer Blick auf eine Leerstelle in unserem Wissen über den europäischen Rechtsterrorismus.

von Eike Sanders und Thomas Porena

1980 beendete eine Bombe das Leben von zwölf Besucher*innen des Münchner Oktoberfestes, und der deutsche Staat tat alles, um zu verschleiern, dass es sich bis dato um den schwersten rechtsterroristischen Anschlag der Bundesrepublik handelte und der Täter sowohl ein politisches Ziel verfolgte als auch in ein neonazistisches Netzwerk eingebunden war. Dreieinhalb Jahre später steckten nur wenige Hundert Meter entfernt zwei junge Männer aus Norditalien die Diskothek „Liverpool“ in der Münchner Schillerstraße in Brand, die junge Barangestellte Corinna Tartarotti starb. Bei der italienischen Presseagentur traf einige Zeit später ein Bekennerschreiben der dort schon bekannten „Gruppe Ludwig“ ein – wie immer mit Reichsadler und Hakenkreuz im Briefkopf und der Parole „Gott mit uns“ unterschrieben. Darin heißt es: „Im Liverpool wird nicht mehr gefickt“. Dies war ein rechter Terroranschlag einer Serie, die sich gegen Menschen richtete, die als Schwule, Drogennutzer, Sexarbeiterinnen, ‚gefallene‘ Priester identifiziert wurden oder Sexkinos und -Diskotheken besuchten.

Eine Terrorserie, die 1977 begann und die von den ermittelnden italienischen Behörden, aber auch der italienischen und deutschen Gesellschaft systematisch entpolitisiert wurde. Die Morde und Anschläge im Namen der „Gruppe Ludwig“ endeten 1984 mit der Festnahme und Verurteilung von Marco Furlan und Wolfgang Abel, aber viele Fragen bleiben bis heute offen. Deutsch- und englischsprachige Quellen und Literatur sind bisher nur spärlich vorhanden, die „Gruppe Ludwig“ scheint auch in der Forschung über den europäischen Rechtsterrorismus eine Randnotiz zu sein. Beim Zusammentragen der Fakten auch nach 40 Jahren ergeben sich immer noch drängende Fragen nach der organisatorischen und ideologischen Vernetzung der beiden verurteilten Täter: Bestand die Gruppe wirklich nur aus zwei Personen und wie waren sie in den norditalienischen, den deutschen sowie den internationalen Faschismus vernetzt? Wie lassen sich die Taten und die dahinter stehende Ideologie in das politische Umfeld in Norditalien zu der damaligen Zeit einordnen? Und ist die ausagierte Ideologie wirklich so mysteriös und krude? Ein kritischer Blick zurück zeigt, dass nicht nur die Ermittlungs- und Justizbehörden ein Interesse daran hatten, die Ideologie als sonderbar, die Täter als „verrückt“ und den Fall als abgeschlossen zu erklären. Wir sehen Kontinuitäten in der gesellschaftlichen Verankerung menschenverachtenden Denkens, dem sowohl die Opferauswahl als auch das Handeln der Behörden zugrunde liegen. Geschlechterrollenbilder, Psychopathologisierung und Entpolitisierung bedingen einander viel zu oft. So stecken auch vierzig Jahre später die Aufarbeitung und das kritische Gedenken an die Opfer noch in den Anfängen.

Die Mord- und Brandanschlagsserie der „Gruppe Ludwig“

Gedenken an Corinna Tartarotti (c) Robert Andreasch

Die Opfer der „Gruppe Ludwig“ sind fünfzehn Tote, die in der Geschichtsschreibung über den europäischen Rechtsterrorismus größtenteils in Vergessenheit geraten sind. Acht vollzogene Morde sowie zwei Brandanschläge, bei denen es einmal sechs, einmal eine Tote und insgesamt mehrere Dutzend Verletzte gab, begangen in Norditalien und München in den Jahren 1977 bis 1984. Am 25. August 1977 wurde der 33-jährige Guerrino Spinelli in seinem geparkten Auto in einer verlassenen Gegend Veronas mit einem oder mehreren Brandsätzen angezündet. Er schlief, seine Frau lag neben ihm, doch sie konnte sich befreien. Spinelli selbst sah zwei oder drei Täter fliehen.[1] Passant*innen versuchten Spinelli zu retten und brachten ihn in das Krankenhaus, wo er am 2. September verstarb. Er war Sinto, Tagelöhner und wohnungslos.[2] Am 19. Dezember 1978 wurde Luciano Stefanato (44) in Padua mit zwanzig Messerstichen von der Seite und von hinten in seinem Auto ermordet. Er war homosexuell und arbeitete als Kellner. Ein Zeuge hatte zwei junge Männer beobachtet, die zu Stefanato ins Auto gestiegen waren. Ein unbeteiligter Verdächtiger aus der Schwulenszene wurde verhaftet und erst zwei Jahre später aus Mangel an Beweisen freigesprochen.[3] Am 12. Dezember 1979 wurde der 22-jährige Claudio Costa in Venedig nachts von zwei jungen Männern verfolgt und auf offener Straße mit 34 Messerstichen ermordet. Costa galt als drogenabhängig. Ein weiteres Jahr später, am 20. Dezember 1980, wurde in Vicenza die gehbehinderte Sexarbeiterin Alice Maria Beretta (51) erschlagen. Sie erlag am 4. Januar 1981 ihren schweren Verletzungen, die ihr mit einem Hammer und einer Axt zugefügt worden waren. Zwei junge Männer aus Vicenza wurden festgenommen, aber aus Mangel an Beweisen schließlich freigesprochen.[4] Am 24. Mai 1981 wurde Luca Martinotti (18) ermordet: Er verbrannte, nachdem er und ein Freund aus dem Internat im nahegelegenen Paderno del Grappa sowie ein älterer Freund aus Verona sich während eines Ausflugs in die Stadt im Freien schlafen gelegt hatten: Ihr Übernachtungsplatz, die verlassene Festungsanlage San Giorgio, galt als Ort für Drogennutzer*innen und Obdachlose, sie hatten ihn nur gewählt, weil sie überraschend doch nicht bei dem Veroneser Freund übernachten konnten. Die Männer wurden mit Benzin übergossen und angezündet. Die zwei Freunde von Luca Martinotti konnten sich retten und Hilfe holen, einer überlebte aber nur knapp. Ein anderer auch dort nächtigender Wohnungsloser und Drogennutzer – offensichtlich psychisch labil und schwer süchtig – wurde fälschlicherweise verdächtigt, das Feuer gelegt zu haben, und wurde festgenommen.[5]
Am 20. Juli 1982 wurden die beiden Mönche Mario Lovato (71) und Giovanni Pigato (69) in Vicenza mit zwei Hämmern erschlagen. Sie gehörten zu dem als liberal geltenden Kloster Santa Maria di Monte Berico, das an einem Ort angeblicher Marienerscheinungen im 15. Jahrhundert gebaut wurde. Mehrere Zeug*innen sahen vor oder nach der Tatzeit zwei Jugendliche, eine Zeugin sah drei junge Männer in der Nähe mit Plastiktüten wie denen, die am Tatort gefunden wurden. Zum Trauergottesdienst kamen rund 2.000 Menschen in die Kirche des Klosters.[6] Am 26. Februar 1983 wurde Armando Bison (71) in Trient mit einem Hammer und einem Maurermeißel erschlagen, in seinen Kopf wurde ein Kruzifix gerammt. Er erlag am 8. März seinen Verletzungen. Auch er war ein Priester, er lebte und arbeite in einem Konvent, das ‚gefallene‘ und zweifelnde Kirchendiener aufnahm, in seiner Vergangenheit wurde Bison des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Auch hier erinnerten sich Zeug*innen in der zeitlichen und räumlichen Nähe zwei junge Männer mit Plastiktüten gesehen zu haben.[7]

Gedenken in München (c) Robert Andreasch

Zu all diesen Taten bekannte sich früher oder später die „Gruppe Ludwig“: In ihren insgesamt sieben Bekennerschreiben, die sie an italienische Presseagenturen und Zeitungen schickte, offenbarte sie oft vorher unbekannte Details der Taten oder legte Beweise bei – Täterwissen, das allerdings nicht in allen Fällen durch die Ermittlungen der Polizei validiert werden konnte. Auch wenn die ersten beiden Bekennerschreiben in Schrift und Duktus sich von den letzten fünf abheben, so ist ihnen gemeinsam, dass sie in Symbolik, Sprache und Ideologie ihr nationalsozialistisches Gedankengut und damit eine politische Motivation bekannten: Auf dem Kopf jedes Briefes prangt ein selbst gezeichneter Reichsadler mit Hakenkreuz, auf seinen Flügeln steht „LUD“ und „WIG“. Jedes der Schreiben – in italienischer Sprache verfasst, mit Bleistift vorgezeichnet und schwarzem Kugelschreiber mit Hilfe eines Lineals in eckigen Buchstaben verfasst – ist auf deutsch unterzeichnet mit der Phrase „Gott mit uns“. Der Morde wird sich mit „Zweck unseres Lebens ist der Tod jener, die den wahren Gott verraten“ bekannt. Die „Gruppe Ludwig“ schrieb auch: „Unser Glaube ist Nazismus. Unsere Gerechtigkeit der Tod. Unsere Demokratie ist Ausrottung.“[8]

Nach dieser Mordserie folgten Brandanschläge auf belebte Gebäude: Am 14. Mai 1983 wurde das Sexkino „Eros“ in Mailand in Brand gesetzt, es starben sechs Männer im Feuer oder in den nächsten Tagen an den Folgen ihrer Verbrennungen: Pasquale Esposito, Ernesto Mauri, Domenico La Sala, Giorgio Fronza, Elio Molteni und Livio Ceresoli – letzterer ein Passant, der in das brennende Gebäude rannte, um Menschen daraus zu retten. Weitere Besucher wurden verletzt. Mehrere Zeug*innen hatten drei junge Männer unmittelbar nach Ausbruch des Feuers aus dem Gebäude fliehen sehen.[9]
Am 7. Januar 1984 wurde in der Diskothek „Liverpool“ in München ein Feuer gelegt, das das Leben von Corinna Tartarotti beendete und mehrere weitere Menschen verletzte. Corinna Tartarotti war die 21-jährige Tochter eines bekannten ZDF-Journalisten und im „Liverpool“ angestellt. Ein Kollege hatte sie mit seinem eigenen Auto in das nächste Krankenhaus gefahren, wo sie mehrere Wochen ums Überleben kämpfte und schließlich am 27. April verstarb.[10] Auch hier ermittelte die Münchner Polizei die ersten Wochen in eine falsche Richtung und ging von „organisierter Kriminalität“ im „Zuhälter-Milieu“ aus. Die Presse titelte mit sexuell aufgeladenen Schlagzeilen und vermutete einen „Krieg in der Unterwelt“.[11]

Brandanschlag auf die Diskothek „Liverpool“ (c) Monica Zornetta

Die Brandstiftungen beschrieb die „Gruppe Ludwig“ in ihren dazugehörigen Bekennerschreiben mit „Eisen und Feuer sind die Strafen des Nazismus“ und „im Liverpool wird nicht mehr gefickt“, die Opfer werden als „Männer ohne Ehre“ bezeichnet. Bei einem dritten Brandanschlag wurden schließlich zwei junge Männer aus Verona, Wolfgang Abel und Marco Furlan, auf frischer Tat ertappt: Am 4. März 1984 tränkten sie mit aufgeschlitzten Benzinkanistern in Sporttaschen den Boden der von gut 300 Menschen besuchten Diskothek „Melamara“ in Castiglione delle Stiviere und versuchten ihn anzuzünden. Gäste bemerkten den Benzingeruch, verständigten Mitarbeiter, Furlan und Abel wurden überwältigt, ein brennender Kanister wurde heraus geschafft, bevor es zu einem weiteren Unglück wie in Mailand oder München kommen konnte.

Die beiden jungen Männer wurden festgenommen und in einem Indizienprozess 1987 zu je 30 Jahren Haft verurteilt. Der Schuldspruch beruhte wesentlich auf dem Fund von Durchdruckspuren der Bekennerschreiben auf Schreibblöcken, die bei beiden gefunden wurden, auf der Identifizierung eines Weckers am Tatort in München durch Abels Mutter sowie auf Zeug*innenaussagen, die an verschiedenen Tatorten zwei, teilweise allerdings auch drei oder mehrere junge Männer entsprechenden Aussehens beobachteten. Für die ersten fünf Morde zwischen 1977 und 1981 wurden Furlan und Abel aus Mangel an Beweisen jedoch freigesprochen. Beide bestritten alle Taten, bezeichneten die versuchte Brandstiftung im „Melamara“ als „Scherz“. Beiden wurden ein starkes Abhängigkeitsverhältnis voneinander sowie psychopathologische Störungen attestiert, was die Strafen milderte und teilweise therapeutische Behandlungen im Gefängnis bedeutete.

1990 wurde in einem Revisionsprozess das Urteil auf 27 Jahre Haft reduziert. Jedoch beurteilte kurz vor Ende dieses zweiten Prozesses ein Kassationsgericht überraschend die Gesamtdauer der Untersuchungshaft als zu lange: Furlan und Abel kamen in dörflichen Hausarrest, aus dem Marco Furlan floh. Über Umwege landete er auf Kreta, wo er erst 1995 von Veronesischen Tourist*innen erkannt und schließlich festgenommen wurde.[12] In seiner Wohnung in Heraklion wurden 179.000 Dollar, 14 Millionen Lire, eine Million Drachmen und 1.500 D-Mark gefunden.[13] Furlan kam 2008 nach Verbüßung von 18 Jahren Strafe aus der Haft, allerdings bis 2010 auf Bewährung, Abel 2009 nach 23 Jahren und zwei Jahren Hausarrest.[14]

Die Mord- und Brandserie der „Gruppe Ludwig“ endete laut den offiziellen Erkenntnissen 1984 mit der Verhaftung von Abel und Furlan. Allerdings endeten nicht die Unterstützungsschreiben nationalsozialistischer Gesinnung, teilweise auch als schlechte Kopien der Bekennerschreiben formuliert, die weiter an die Redaktionen der Zeitungen geschickt wurden oder die Graffiti, die an den Wänden norditalienischer Städte die Sympathie mit Furlan, Abel und der „Gruppe Ludwig“ verkündeten.[15]

Gruppe oder Duo Ludwig?

Verfolgt man die These, dass die „Gruppe Ludwig“ nicht ein Mörder-Duo war, so gibt es drei verschiedene Spuren, die auf mehrere Personen und Vernetzungen der „Gruppe Ludwig“ deuten: Zunächst sagten diverse Tatortzeug*innen einiger Delikte aus, dass sie drei oder noch mehr verdächtige junge Männer gesehen hatten. Hier sind die Beschreibungen zum Teil so konkret, dass sie sich sowohl mit dem Aussehen von Furlan und Abel decken, als auch dass auf ihrer Grundlage mindestens ein Phantombild einer dritten Person angefertigt werden konnte.[16]
Die zweite Spur ist die Aussage einer Freundin der beiden: Anita A. erzählte 1984 den Carabinieri, dass Abel und Furlan eine Gruppe namens „Guerriglieri di Cristo Re“ („Krieger des Christkönigs“) besuchten und konnte auch die Adresse nennen, wo sie sich getroffen hatten.[17]
Eine dritte konkrete Spur ergab sich 1996 in den späten Aufklärungsversuchen des Massakers von Brescia 1974, bei dem eine Bombe auf einer antifaschistischen Demonstration acht Menschen tötete und über hundert verletzte: Während eines Verhörs nannte ein verstrickter Neofaschist drei Namen, die er als Mitglieder der „Gruppe Ludwig“ bezeichnete. Dies waren nicht Abel und Furlan, sondern Personen, die durch andere rechte Überzeugungen und Verbindungen bekannt waren oder wurden.[18] Einer der genannten, Marco Toffaloni, war ein Schulkamerad Abels und Furlans vom Elite-Gymnasium Liceo Fracastoro in Verona. Er gilt als einer der Gründer der „Ronde pirogene antidemocratiche“ (in etwa: „antidemokratische pyrogene Patrouille“), einer Gruppe, die vor allem Brandstiftungen an kleineren Autos ausübte und die zwischen 1987 und 1990 aktiv war. Ziel der Gruppe war die „Zerstörung der materiellen Symbole des Kleinbürgertums und der Arbeiter durch das Feuer“. Sie setzten dutzend- bis hundertfach alte, dreckige, kaputte Autos in vermeintlich „roten“, also kommunistischen, Vierteln vor allem in Bologna, aber auch in Verona in Brand, damit eine „perfekte soziale Ordnung ästhetisch“ hergestellt würde, wie es in den programmatischen Leitlinien „Piro Acastasi“ heißt.[19] Toffaloni wird inzwischen auch verdächtigt, an dem Anschlag in Brescia beteiligt gewesen zu sein.[20] Als weiteres Mitglied der „Gruppe Ludwig“ wurde Curzio Vivarelli genannt. Er wurde 1990 als Chef der „Ronde“ verurteilt und hatte Verbindungen zur „Ordine Nuovo“.[21] Toffaloni und Vivarelli sollen darüber hinaus Mitglieder der „Ananda Marga“-Sekte gewesen sein. Diese Sekte, die in den 70er und 80er Jahren mit Attentaten und Selbstverbrennungen ihrer Mitglieder internationale Aufmerksamkeit erzielte, bot den Ordinovisti mit ihrer Mischung aus Hierarchie und Spiritualität ein geschütztes Umfeld, um nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten und Aktivisten zu rekrutieren. Dies könnte die zahlreichen Verbindungen zwischen ihr und okkulten und rechten Gruppierungen in jener Zeit in Norditalien erklären.[22]

Die politische Geografie: Von Salò zur Ordine Nuovo

Gedenken an Corinna Tartarotti (c) Robert Andreasch

Während man diesen Spuren folgend vermuten muss, dass sich die Gruppe „Ludwig“ personell mit diesen Strukturen überschnitt oder teilweise deckte, so muss man sie aber auch geografisch, politisch und historisch in das Umfeld dieser Gruppen – ­„Guerriglieri di Cristo Re“, „Ronde pirogene antidemocratiche“, „Ordine Nuovo“ und „Ananda Marga – einbetten. Sie alle haben ihren Ursprung im faschistischen und postfaschistischen Italien. Dabei ist besonders Verona, eine mittelgroße, überproportional wohlhabende Stadt in der Region Veneto, immer wieder wegen rechter Gewalt in die Schlagzeilen geraten.[23] In Verona gab sich der italienische Faschismus im Herbst 1943 mit der Gründung der italienischen Sozialrepublik (inoffiziell „Republik von Salò“, benannt nach der Kleinstadt am Gardasee unweit von Verona) eine neue Form und Prägung. Im „Manifest von Verona“ vom Oktober 1943 [24] definierte sich die Republikanisch-Faschistische Partei als den „Orden der Kämpfer und Gläubigen“. Juden und Jüdinnen wurden offiziell als „fremde Rasse“ und Kriegsfeinde definiert, der Freimaurerei, England, den USA, dem Kapitalismus und der Demokratie die Feindschaft erklärt.[25[

Mit dem Ende des Krieges und der generellen Amnestie gegenüber den Faschisten durften diese ihre Arbeitsplätze behalten.[26] Einige engagierten sich in der postfaschistischen Partei „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Andere, vor allem die Militärs, nutzten die Gelegenheit als überzeugte Antikommunisten in klandestine Stay-behind-Organisationen einzutreten.[27] Der Neofaschismus in Italien behielt diesen Doppelcharakter: Auf der einen Seite die Ideologen, auf der anderen die Realpolitiker. Vor allem die neue Generation um Pino Rauti (1926-2012) fand sich in der MSI als einem undefinierbaren Sammelsurium von verschiedenen Positionierungen nur schwer wieder: Sie waren überzeugte Faschisten, die jedoch zu jung gewesen waren, um selbst im Krieg zu kämpfen. So spaltete sich Mitte der 1950er das „Il Centro studi Ordine Nuovo“ („das Studienzentrum Neue Ordnung“) mit Pino Rauti von der Partei ab. Es war ein eher kulturpolitischer Zusammenschluss, der der faschistischen Theorie eine neue Identität stiften wollte und nach neuen Bündnissen in Europa strebte.[28] Als Motto wurde die SS-Parole „Unsere Ehre heißt Treue“ und als Symbol die Doppelaxt gewählt.[29] Die Ideologie beruhte auf der Lektüre von „Mein Kampf“ und war durch die Erfahrungen vieler Mitglieder in den Reihen der Waffen-SS als internationaler Armee geprägt.[30] Auch der reaktionäre, rassistische und antisemitische Philosoph Julius Evola (1898-1974) beeinflusste das Weltbild der Gruppe [31]: Evola predigte eine hierarchische, heilige und organizistische Nation. Er befürwortete den Versuch Himmlers, die Besten der „besten Rasse“ zu vernetzen, er plädierte für „Transzendenz“ als höchstem Streben. Zentral wurde die Idee des Kaly Yuga, was in der hinduistischen Kosmologie eine Periode der Krise traditioneller Werte bedeutet und Evola identifizierte diese Periode als die Gegenwart.[32] Als nach dem Attentat in Mailand 1969 [33] Pino Rauti jedoch wieder in die MSI eintrat, entschied sich ein großer Teil der „Ordine Nuovo“ außerhalb des demokratischen Systems zu bleiben. 1973 wurde das „Movimento Ordine Nuovo“ endgültig per Dekret verboten. Trotzdem blieben die Anhänger organisiert. In Verona hatte sich die Gruppe schon lange etabliert und mit Bologna, Padua, Mailand, Venedig und Brescia gut vernetzt. Nach dem Verbot trafen sich die Mitglieder aus Verona sowohl unter dem Dach der „Guerriglieri di Cristo Re“ als auch in einem von ihnen gegründeten Yogazentrum, das der „Ananda Marga“-Sekte nahestand.[34]

Ideologische Kontinuitäten

Screenshot (c) Eike Sanders

Bis heute beschreiben Presseberichte fälschlicherweise die „Gruppe Ludwig“ als eher mysteriös, wahnhaft religiös und weniger als politisch. Dabei reiht sie sich in vielen Aspekten nahtlos in die postfaschistische extrem rechte Ideologie Italiens ein. Bestimmt strebte die Gruppe keine parlamentarische Politik an, dennoch hatten die Taten eine starke gesellschaftspolitische Wirkung und Symbolik, die die Wahrnehmung der Gesellschaft prägen wollte und in den rechten Gruppen Veronas Spuren hinterließ. Es waren Botschaftstaten. Und rechte Gruppen – ebenso vermutlich die Personen und Gruppen, die als Feindbilder adressiert wurden – schienen die Botschaften zu verstehen. Davon zeugen die Unterstützungsschreiben nach der Verhaftung von Furlan und Abel [35]; darauf deuten bis heute diffuse rechte Bezugnahmen hin: Noch 2019 vertrieb der Shop „Movimento Verona“, der aus einem neofaschistischen Fußball-Hooligan-Umfeld stammt, T-Shirts mit dem Vereinsnamen „Hellas Verona“, darunter Reichsadler und der Spruch „Gott mit uns“. Ein anderer Versand aus Verona verkauft Aufnäher und T-Shirts mit SS-Totenkopf und „Gott mit uns“. Sicherlich ist es fraglich, inwieweit sich diese jüngste Rezeption ausschließlich darauf zurückführen lässt, dass der Spruch „Gott mit uns“ die Reichs- und Wehrmachtskoppelschlösser zierte. Die Frage, ob sich aber vor allem im direkten lokalen Kontext bis heute rechte Strukturen bewusst auch auf die „Gruppe Ludwig“ beziehen, muss dennoch gestellt werden.[36]

Das Weltbild, das Abel und Furlan im Milieu von „Guerriglieri di Cristo Re“ und „Ordine Nuovo“ vorfanden, war von Elitarismus, faschistischem Untergangsmystizismus und einer sexualitätsfeindlichen Männerbundideologie geprägt. Abel (Jg. 1959) und Furlan (Jg. 1960) gehörten einer jüngeren Generation an, die erst nach dem Verbot von „Ordine Nuovo“ mit den Nachfolgestrukturen der Organisation in Kontakt traten. Sicherlich wurde die Gruppe vom spirituellen und politischen Weg der älteren Mitglieder beeinflusst – diese waren schließlich hierarchisch überlegen und in die größten Massaker der italienischen Geschichte verwickelt. Aber es bleibt unbekannt, inwieweit die „Gruppe Ludwig“ Teil einer breiteren Bewegung oder einer neuen Generation war. War die „Gruppe Ludwig“ unabhängig von den Älteren, war sie ihnen unterstellt oder ahmte sie die Älteren ohne deren Wissen und Führung nach?

Da Furlan und Abel nie gestanden und die sieben Bekennerschreiben die einzigen schriftlichen „Manifeste“ von „Ludwigs“ Ideologie sind, muss eine Einordnung der politischen Motivation bis zu einem gewissen Grade Mutmaßung bleiben. Doch Zeug*innenaussagen, die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen – beispielsweise die Anmerkungen und Unterstreichungen Abels in seinen Büchern von Friedrich Nietzsche, Søren Kierkegaard, Ignazio Silone – und das politische Milieu geben Hinweise auf das Weltbild der jungen Männer. Anscheinend verstanden sie sich als eine Art apokalyptische Reiter, die „mit Feuer und Eisen“ für den „wahren Gott“ kämpften: Die Gruppe beging Morde an Mönchen, die sie dem „Glaube an den falschen Gott“, nämlich dem Madonnenkult, zurechneten. Sie brannte die Orte der zeitgenössischen vermeintlichen Dekadenz und Sünde (Rastplätze, Diskotheken und Sexkinos) nieder, sie ermordeten Menschen, weil sie in ihren Augen „unrein“ waren: Sinti, Drogensüchtige, Wohnungslose, Homosexuelle, Sexarbeiterinnen und Pädophile. In ihrer Ideologie waren diese Menschen als Seelen ohne eine Chance auf Rettung zu betrachten. Sie zu ermorden diene der Wiederherstellung der übernatürlichen Ordnung und letztendlich diesen Menschen selbst. Unter diesen Gesichtspunkten ist deutlich zu erkennen, wie deren Ideologie durch Evola und seine Vorstellung vom Zerfall, dem Kali Yuga, geprägt war: Der Hass von Abel und Furlan auf Diskotheken, wo Drogen zirkulierten, und auf Sexclubs als Orte der zeitgenössischen Dekadenz, spiegelt sich in den Worten Evolas wider, wo „der Dämon des Sexus der Gegenwart, die sogenannte sexuelle Freiheit“ wie die Drogen eine Art „Entkommen von den sozialen und individuellen Ängsten“ sei.[37] Furlans und Abels Verteufelung von Diskos war dabei gar nicht heimlich: Daniela D., die zusammen mit Anita A. einige Jahre mit den beiden jungen Männern befreundet war, schildert in ihrer Aussage bei der Polizei das zwischenmenschliche Verhältnis der vier Jugendlichen, wo keiner der jungen Männer sich jemals zu zweit mit einem der jungen Frauen getroffen hatte: „Abel und Furlan waren immer zusammen, so sehr, dass ich manchmal den Eindruck hatte, dass sie homosexuell waren […] Ich erinnere mich, dass Abel in seinen Reden immer wieder Sex als Degradierung der heutigen Gesellschaft bezeichnete, […] im Sinne der Prostitution, auch von vielleicht bereits verheirateten Frauen. Ich erinnere mich, dass ich mit ihm nie in eine Diskothek, ein Kino, Theater oder feiern ging“.[38]

In der rechten bis nationalsozialistischen Ideologie galten und gelten Männer als Elite der Gesellschaft, männerbündische Strukturen und exklusive Männerfreundschaften, wie auch Abel und Furlan sie lebten, als Ideal einer Gemeinschaft, die zu etwas Höherem berufen sei. Diese höheren Ziele seien durch profane, lebensweltliche Dinge und die Moderne bedroht: Sexualität, freizügige Körperlichkeit und Dekadenz würden den Geist korrumpieren. Moralischer Verfall und Unreinheit hätten die Welt ergriffen und müssten nicht nur abstrakt bekämpft, sondern vernichtet werden. Dabei sind die Bedrohungen nicht nur ideell, sondern in anderen Menschen verkörpert: Die „Untermenschen“ und sogenannten Asoziale werden nicht nur aus der „Volksgemeinschaft“ hinausdefiniert, sondern auch als Gefahr für die angebliche natürliche Ordnung und das Streben der Mehrheit angesehen. Durch ihre Ermordung lasse sich die Gesellschaft reinigen und man sende gleichzeitig ein disziplinierendes Signal an die (Noch-)Nicht-Ausgeschlossenen, man erteilt ihnen eine Lehre.

Wie das Selbstverständnis der SS oder die Philosophie von Evola zielte auch der neofaschistische Anspruch auf eine „Neue Ordnung“ auf das gesamte Europa. Inwieweit der Anschlag in München durch die „Gruppe Ludwig“ – wie auch die wahrheitswidrige Bekennung durch „Ludwig“ zu einem Brandanschlag auf einen Sexklub in Amsterdam im Dezember 1983 – ein bewusstes Verfolgen einer internationalen Strategie und/oder durch tatsächliche internationale Unterstützung erfolgten, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, welche internationalen Netzwerke Marco Furlan auf seiner Flucht aus dem Hausarrest der Untersuchungshaft nach Kreta unterstützten, müssen aber vermuten, dass ihn Gleichgesinnte mit reichlich Geld in unterschiedlichen Währungen ausgestattet haben. Während nun aber generell sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Öffentlichkeit Neonazismus oder Neofaschismus nur im engen Korsett des Nationalismus denken konnten, vernetzten sich Neonazis länder- und sogar kontinenteübergreifend und verfolgten nicht nur nationalistische, sondern auch übergreifende, gemeinsame Ziele, vereint in Rassismus, männlichem Elitarismus, Antisemitismus und dem Streben nach einer neuen Ordnung, die Moderne, Dekadenz, Kapitalismus und Individualismus überwinde.

Mangelnde politische Einordnung und Aufarbeitung

Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den ideologischen Hintergründen der Taten, die auf eigene abwertende Moralvorstellungen schaute, fand weder in der italienischen noch deutschen Gesellschaft statt: Die Opfer waren ausschließlich als italienische Staatsbürger, die Opfer eines Verbrechens wurden, zu beklagen. Dabei waren sie von der Mehrheitsgesellschaft marginalisierte Menschen, die keine Lobby hatten. Ohne die Bekennerschreiben und die Festnahme während eines Tatversuchs wären Abel und Furlan als Täter vermutlich nicht ermittelt worden. Gerade bei den ersten Morden, aber auch bei dem Brandanschlag in München, standen Verdächtige aus dem jeweiligen „Milieu“, sprich „Rotlichtmilieu“, Drogenszene, Schwulenszene, im Fokus der Ermittlungen. Mindestens sechs Männer hatten unschuldig monate- oder sogar jahrelang für einzelne Taten im Gefängnis gesessen. Als die „Gruppe Ludwig“ sich bekannte und zwei Täter schließlich gefasst wurden, wurden sie pathologisiert: Während es in der Anfangszeit der „Gruppe Ludwig“ noch ein voyeuristisches Entsetzen ob der Brutalität der Taten und der angeblichen Skurrilität der Bekennerschreiben gegeben hatte, so setzte – so zumindest beschreibt es die Journalistin Monica Zornetta – spätestens mit dem Revisionsprozess ein eklatantes Desinteresse ein. Furlan und Abel wurden als zwei hochintelligente, aber leider „verrückte“ Oberschichtskids dargestellt. Die psychiatrischen Gutachten sowie das Rätselraten über die Herkunft des Namens „Gruppe Ludwig“ bestimmten die öffentliche Wahrnehmung.[39]

So passt es ins Bild, dass die italienische Staatsanwaltschaft 1986 in ihrer Anklageschrift gegen Furlan und Abel zwar etwas beschrieb, das sie durchaus als Nationalsozialismus erkannte – schließlich hatte sich „Ludwig“ explizit zu ihrem Glauben an den Nazismus bekannt. Aber sie gliederte dies aus dem italienischen Kontext aus: Zum einen sah sie den Deutschen Wolfgang Abel als den dominanten Part des Duos. Die mystische Reinheits- und Vernichtungsideologie identifizierte der Prüfungsrichter als germanisch, deutsch, arisch, heidnisch oder protestantisch, jedenfalls eindeutig nicht lateinischen Ursprungs. Außerdem schrieb er, dass die Ideologie der „Gruppe Ludwig“ von den verwendeten Symbolen und Selbstidentifikationen abgesehen, „nichts mit den Idealvorstellungen und Regeln des Nationalsozialismus gemein“ habe: „[der Nationalsozialismus]hat niemals Kreuzzüge gegen Homosexuelle, Prostituierte, Vagabunden, Drogenabhängige, Priester, Unwürdige, Stammgäste von ‚Orten des Verderbens‘ gepredigt; Ziel war jedoch immer die Vernichtung des Kommunismus und des Judentums, die Rückeroberung verlorener Gebiete und die Ausweitung des ‚Lebensraums‘ nach Osten, die Verteidigung der sogenannten arischen Rasse.“[40] Diese Fehlanalyse weist eine erschreckende, jedoch nicht überraschende Unkenntnis der Verfolgung von als „homosexuelle“ und jener als „asozial“ stigmatisierten Menschen durch den Nationalsozialismus auf.[41]

Die angebliche Unwissenheit der italienischen Staatsanwalts über diese Opfergruppen des Nationalsozialismus ebenso wie ihre versuchte Verschiebung der Ideologie Ludwigs auf den ‚gestörten‘ Deutschen Abel spiegelt wider, wie faschistische und nationalsozialistische Kontinuitäten ausgeblendet wurden und werden. Selbstverständlich war die Staatsanwaltschaft damit nicht alleine: Homo- und Trans*feindlichkeit, konservative Moralvorstellungen von Sexualität und Körperlichkeit, elitäre und antidemokratische Macht- und Reinheitsvorstellungen sowie die systematische Ausgrenzung von und Gewalt gegen Sinti und Roma, Wohnungslose und Arme waren und sind Teil unserer Gesellschaften. Dabei wird auch hier deutlich, dass dort, wo Geschlechtlichkeit und Sexualität ins Spiel kommen, es besonders nahe zu liegen scheint, dass Behörden und Gesellschaft den Beteiligten die Zurechnungsfähigkeit absprechen und die Taten entpolitisieren.
Handelt es sich um männliche Täter werden tendenziell bei Taten, die sich gegen Frauen oder sexuelle oder geschlechtliche Minderheiten richten, Motive angenommen, die in der Psyche, der Beziehungskonstellation oder Biografie der Täter liegen, nicht in der politischen Motivation, und nicht selten auch unter dem Vorzeichen der Täter-Opfer-Umkehr.
Hier schließt sich der Kreis, der eigentlich ein Dreieck ist: Gender, die Psychopathologisierung der Täter durch Gericht und Gesellschaft und eine Entpolitisierung der Taten bedingen einander, sie bilden einen Zirkelschluss. Durch diese Konstellation fällt der Rechtsterrorismus mit diesen Merkmalen besonders leicht aus dem Bild und wird sowohl in der breiteren Öffentlichkeit als auch in der Rechtsextremismusforschung nicht wahrgenommen. Diese Wechselwirkungen gilt es aufzudröseln: Die Kategorie Gender bestimmt sowohl darüber, ob die Opfer als politische wahrgenommen werden, als auch über die vermeintliche Rationalität der Täter und ihrer Taten. Die sexuelle Komponenten führt dazu, die Taten in den privaten und psychologischen Bereich einzuordnen, in dem zwischen „krank“ und „gesund“, zwischen „normal“ und „wahnhaft“ unterschieden wird. Gleichzeitig tendieren große Teile der Gesellschaft immer noch dazu, Politik, die sich mit Geschlechterverhältnissen und -normen auseinandersetzt, als unpolitische Angelegenheit zu betrachten und als „Gender-Unfug“ abzuqualifizieren. Das führt zu der Leerstelle, dass die Taten nicht als Rechtsterrorismus erkannt werden, historisch und gesellschaftspolitisch eingeordnet und die Opfer als Teil einer vermeintlich psychopathologischen Mordserie vergessen werden.

Fehlendes Gedenken

Antifaschistische Demonstration nach dem Mord an Walter Lübcke erinnert an die Taten der Gruppe Ludiwg (c) Robert Andreasch

Heute erinnert weder in München noch in Verona, Mailand oder den anderen betroffenen italienischen Städten ein Denkmal, eine Tafel oder ein Hinweisschild an die Opfer der „Gruppe Ludwig“. Allein im Kloster von Monte Berico wurde wenige Tage nach der Beisetzung der beiden Priester Lovato und Pigato eine Plakette angebracht, deren Inschrift lautet: „Vereint im Dienste an der Jungfrau Maria, vereint im Tod durch mörderische Hand. Ihrem Geiste ewiger Friede, ihren Mördern Buße und Umkehr.“[42] Die San Giorgio-Festung in Verona, in der 1981 der 18-jährige Schüler Luca Martinotti verbrannte, sollte vor ein paar Jahren restauriert und darin eine Weinbar eröffnet werden. Dies scheiterte mutmaßlich an Lizenzen und Finanzen, aber der Vater von Luca Martinotti, Giancarlo, problematisierte gegenüber der berichtenden italienischen Zeitung den Ort als jenen, wo vor Jahrzehnten ein furchtbares, politisches Verbrechen stattfand. Die Eltern kämpfen um das Andenken ihres Sohnes: Giancarlo Martinotti, der nach eigenem Bekunden nach dem Mord an Luca nach Australien auswanderte, schreibt Leserbriefe zur Berichterstattung über die Freilassung Abels und Furlans, um daran zu erinnern, was seinem Sohn passierte und dass weder Furlan noch Abel für den Mord an Luca verurteilt wurden, obwohl sie „Ludwig“ waren.[43]
Die „Antisexistische Aktion München“ kritisiert zurecht das mangelnde Wissen über die Opfer und den Fokus auf die Täterbiografien. „Von Corinna Tartarotti weiß man, dass sie die Tochter eines ZDF-Journalisten war und familiäre Wurzeln in Südtirol hat. Bekannt ist auch, dass rund 25 weitere Personen am Tag des Anschlags im „Liverpool“ waren, um sich einen Film anzusehen. Acht davon wurden bei dem Angriff verletzt. Wer sie sind, ihre Perspektive auf den Fall, was sie dazu zu sagen hätten … all das ist derzeit leider nicht bekannt. Alle Versuche, Angehörige oder Betroffene des Anschlags ausfindig zu machen, liefen bislang ins Leere.“[44] Es sind rund vierzig Jahre vergangen, dass die „Gruppe Ludwig“ in Norditalien und München mordete, doch es ist nicht zu spät, sich den rechten Terror und seine verheerenden Folgen für so viele Menschen ins Gedächtnis zu rufen und daran zu arbeiten, Leerstellen unseres Wissens und unseres Gedenkens zu füllen. „Es ist also an uns, die Erinnerung aufrechtzuerhalten, sich nicht auf den Staat zu verlassen, wenn es um Aufklärung geht und vor allem die Opfer nicht zu vergessen“[45], sagte 2019 die Gruppe bei einer Gedenkveranstaltung am Tatort in ihrem Redebeitrag. Die Aufklärung rechten Terrors bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe.

Thomas Porena ist Historiker und Bildungsreferent. Er forscht zu Faschismus und südosteuropäischer Geschichte. Eike Sanders (apabiz/NSU-Watch/AK Fe.In) recherchiert, schreibt und referiert vor allem zum Themenfeld Gender und extreme Rechte.

„Verona’s Socio-Political History Is Key to the Ludwig Story“
Interview with Monica Zornetta, author of „Ludwig: Storie di fuoco, sangue, follia „(2011). (Ludwig: Stories of Fire, Blood and Madness (2011)

Eike Sanders: Little is known about “Gruppe Ludwig” but it seems that we know even less about the 15 victims they murdered. Is there any commemoration of the victims, who mainly belonged to highly marginalized groups? What were the critical discussions that arose in mainstream society?

Monica Zornetta: No, there is no commemoration. The attacks vindicated by Ludwig and imputed to the two young men occurred during a deadly political season known in Italy as “Anni di piombo” (“the years of lead”). Following their arrest and the first hearing in Verona the Italian press hardly followed the case. The media only started talking about Ludwig again after the release of my book, in 2011. At the same time, a prosecutor coordinated a series of investigations in Northern Italy to shed light on the existence of an alleged “third man” – whom I mention several times in my book.

So far, „Gruppe Ludwig“ is considered to have consisted of only two men from Verona, Wolfgang Abel (born 1959 in Düsseldorf) and Marco Furlan (born 1960 in Padua). Who was Gruppe Ludwig?

It was a “milieu”, as Abel says in a statement he wrote for the book (“La mia verità” [My Truth]), describing irregularities in the investigations by the German Police and in the first instance process. In this text Abel tries to dismantle any evidence against him. When I interviewed Abel for my book he told me: “The band is there. It’s a gang of four or five people plus a couple of flankers.” Abel didn’t tell me anything else, no names or anything about the Ludwig Group. Yet, he confirmed, for the first time, the existence of a group.
Still, the court established that Ludwig consisted of Marco Furlan and Wolfgang Abel. The path taken by the judges to reach this “truth” was based mainly on psychiatric reports. In the first instance the psychiatrists examined only Abel and both were diagnosed with insanity: Abel, in particular, was identified – wrongly in my opinion – as the dominant personality; and in the second instance an expert speaks of “passing syndrome” – a controversial result that fails to explain many things. The topic of fascism and neonazis came up because the letters claiming the crimes displayed an eagle and swastika. At the procedural level the notion prevailed of a fanatical but not deliriant couple of serial killers.

How did the trial end?

The trial ended with the conviction of the two young men considered slightly mentally ill. The prosecution focused on the two of them because, firstly, Abel and Furlan had been caught trying to carry out an attack at a club (Melamara discoteca); secondly, print traces of letters claiming attacks were found in their homes.
By the end of the trial the two young men’s membership in a nazi organization had not been established.

How would you describe the ideology or political motivation of „Gruppe Ludwig“?

The ideology behind the actions of Gruppe Ludwig was religious bigotry and esotericism. I could say that Furlan and Abel were imbued with elitism and with a certain conservatism – this had also been testified by a former professor – as well as with a fascination with the symbolism of Nazism.

Did Furlan and Abel have contacts to other political and ideological groups?

Yes, testimonies and investigations showed that the two had been attending groups linked to the organization of the extreme right: Ordine Nuovo and Guerriglieri di Cristo Re. But they – as well as some other Veronese students with far-right sympathies – were also close to another group active in Bologna, namely Ronde Pirogene Antidemocratiche. In the book I explain who they are, as well as the spiritual sect Ananda Marga.

Your book was released in 2011. In 2015 new investigations about the 1974 terrorist attack in Brescia resulted in life sentences for two members of Ordine Nuovo.

Ordine Nuovo described itself as an order of fighters and believers, they were considered holders of elitist and esoteric knowledge. It is not easy to delve into this aspect, into all their involvements. But yes, more recent investigations have also highlighted the presence of a member of the Ludwig Group at the site of the Brescia massacre of 1974, where eight people died and 102 were injured. In fact a person from Ordine Nuovo who frequented the Ludwig Group might actually have been the one who placed the bomb in Brescia’s Piazza della Loggia. The investigations revealed links between the Ordine Nuovo and characters gravitating to Ludwig and other groups that were prominent at the time, such as Guerriglieri di Cristo Re and the Ronde Pirogene Antidemocratiche, formed by young people from Verona who moved to Bologna in the late 70s.
On the other hand, Furlan and Abel never admitted anything, they have not explained any of the criminal actions claimed by Ludwig and they never talked about the alleged organization Ludwig. I can only say that the most important organization of the radical right was Ordine Nuovo.

There is some confusion, at least in the scant literature available in German or English, about the numbers of victims and attacks that are proven to have been carried out by Abel and Furlan.

Yes, the Wikipedia articles for instance contain several inaccuracies about the number and places of the crimes, and about certain other details. Some people still believe that Ludwig carried out an attack in the Netherlands, which is most probably not the case. There was an arson attack in Amsterdam in December 1983, and in this case Gruppe Ludwig claimed a crime committed by somebody else. But I also want to point out that the first five crimes were not legally attributed to Ludwig – only those committed after 1982. Plus, copycats and sympathizers did exist. In various parts of Italy graffiti appeared after the arrest of the two, and far-right groups sent fake angry letters to the same newspapers.

Last year the fundamentalists Christian “World Congress of Families” took place in Verona. Forty years earlier „Gruppe Ludwig“ was “born” there. Is there anything specific to Verona or the region that makes Christian fundamentalist and far-right ideas more attractive or more violent there?

Yes, the place and its political and social history are fundamental in the Ludwig story: in 1943, the first congress of the Fascist Party took place in Verona, followed by the trial of six members of the Grand Council of Fascism in 1944; Verona is considered the black heart of Italy [referring to the Blackshirts of Italian Fascism]. Anti-communist paramilitary organizations have existed there for years; it was also the city of the Nato base Ftase. Verona was the crossroads for the drug trade between East and West, which also led to the disappearance of a whole generation of young people between the 70s and 80s. Here, during the “Years of Lead” unspeakable relationships were forged between military circles, coup groups (Nuclei di Difesa dello Stato), secret services, institutions, international political forces, criminal networks and fascist terrorists. The goal was to spread terror in Italian society and to provoke the establishment of a strong, authoritarian, anti-democratic government. So all together, in those years Verona was one of the hottest cities in Italy. And the story of Ludwig begins right there.

Thank you, Monica!

Monica Zornetta is a journalist and writer. Having graduated in Art, her career as a freelance journalist began in 1992 with an early attraction to crime news. She has written for newspapers such as Corriere della Sera and L’Espresso; she has also worked for State-TV channels such as Rai 3 and Rai storia. Zornetta has published numerous essays and anthologies on political, cultural and historical subjects. Today she writes mainly about civil rights and sustainable economy. https://monicazornetta.it/

Monica Zornetta: Ludwig. Storie di fuoco, sangue, follia, Milano: Baldini Castoldi Dalai, 2011.

The interview was held via email between September and November 2020 by Eike Sanders with the assistance of Thomas Porena and Tul’si (Tuesday) Bhambry.

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Fußnoten:

[1] So sagte es Spinelli selbst seiner Frau und Tochter, als er im Krankenhaus lag. Das berichtet die Witwe auch später in der Sendung Telefono Giallo „il terzo uomo“ (Sender rai 3, moderiert vom Journalisten Corrado Augias) vom 13.5.1988, Min. 15:50.
[2] Monica Zornetta: Ludwig. Storie di fuoco, sangue, follia, Milano: Baldini Castoldi Dalai, 2011, 34 ff.
[3] Zornetta 2011: 40 ff, hier: 42.
[4] Zornetta 2011: 49 ff.
[5] Zornetta 2011: 54 ff.
[6] Zornetta 2011: 65 ff.
[7] Zornetta 2011: 73 ff.
[8] Zornetta 2011: 297 ff.
[9] Zornetta 2011: 84 ff.
[10] Zornetta 2011: 24 ff. Zornetta schreibt „Corinne Tartarotti“, andere Quellen, darunter die Anklageschrift, nennen den Namen Corinna.
[11] Der Krimi-Autor Martin Maurer hat jüngst den Roman „Die Krieger. Ein Fall für Nick Marzek“ (DuMont 2020) veröffentlicht, der auf der historischen Vorlage der „Gruppe Ludwig“ beruht. Auf seiner Homepage dokumentiert Maurer Teile seines Recherchematerials, darunter die damalige Presseberichterstattung: https://martinmaurer.eu/die-krieger-recherchematerial/; zuletzt am 28.11.2020.
[12] Zornetta 2011: 234 ff.
[13] https://corrieredelveneto.corriere.it/veneto/notizie/cronaca/2010/12-ottobre-2010/furlan-la-liberta-definitiva-1703933158061.shtml; zuletzt am 9.11.2020.
[14] Vgl: ebd. Sowie Zornetta 2011: 264 und o.A. (2009): Deutscher Neofaschist Abel wird aus Haft entlassen, der Standard online am 5.6.2009: https://www.derstandard.at/story/1244117003955/deutscher-neofaschist-abel-wird-aus-haft-entlassen; zuletzt am 9.11.2020.
[15] Zornetta 2011: 138/139 und die Sendung Telefono Giallo (Sender rai 3, moderiert vom Journalisten Corrado Augias) vom 13.5.1988.
[16] Vgl. Telefono Giallo (Sender rai 3, moderiert vom Journalisten Corrado Augias) vom 13.5.1988.
[17] Zornetta 2011: 136. Die „Kämpfer des Christkönigs“ gehörten zu einem Netzwerk, das vor allem in Spanien, Portugal, Mexiko und Griechenland aktiv war.
[18] So das ehemalige „Ordine Nuovo“-Mitglied und Stay-behind-Akteur Giampaolo Stimamiglio in: Raggruppamento Operativo Speciale reparto eversione Procedimento penale nei confronti di ROGNONI Giancarlo et al. Roma, 8 Maggio 1996, online: https://www.pressreader.com/italy/corriere-di-verona/20160724/281698319104823; zuletzt am 9.11.2020, und Zornetta 2011: 140 ff. Stay-behind-Strukturen waren inoffizielle, durch die Geheimdienste geführte Soldateneinheiten, die vor allem in der Zeit zwischen 1947 und 1991 einen antikommunistischen Krieg „hinter den Linien“ führen sollten und oft nach dem Konzept der Strategie der Spannung linke Bewegungen zerschlagen oder unter Druck setzen sollten. Der Begriff wird auch Synonym für die Gladio-Strukturen benutzt. Essentiell ist das bis heute nicht vollständig aufgeklärte Zusammenspiel zwischen NATO, Geheimdiensten und Rechtsextremisten, die eine eigene Motivation in ihren Taten hatten. In Italien werden seit 2014 alle Verfahrens- und Untersuchungsunterlagen, die die Verwaltung zu den Anschlägen und Massakern von Ustica, Peteano, auf den Italicus-Zug, Piazza Fontana, Piazza della Loggia, Gioia Tauro, den Bahnhof Bologna und den Zug Nr. 904 hat, den Bürger*innen und Wissenschaftler*innen zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Sie unterlagen bisher der Geheimhaltungspflicht.
[19] Angiola Petronio: Gli incendi di Ludwig e i cattivi maestri. I misteri di «Tomaten» scappato in Svizzera, Corriere di Verona, 24 Jul 2016.
[20] o. A.: Ora è caccia all’esecutore: l’ultima pista porta al „minorenne veronese“, Corriere Brescia online vom 24.07.2015: https://brescia.corriere.it/notizie/cronaca/15_luglio_24/strage-di-piazza-loggia-marco-toffaloni-46d1d2b6-31f5-11e5-bd67-c2a2bc967818.shtml; zuletzt am 26.11.2020.
[21] Zur Ordine Nuovo s.u. Curzio Vivarelli aus Bozen arbeitete zunächst als Mathematiklehrer und machte als Künstler und Kunstkritiker des Futurismus Karriere. Er wird als Mitglied der Gruppe Ludwig in zwei verschiedenen Kontexten benannt: Zornetta 2011: 140-144 und Alessandro Farina: Ludwig, il mistero del “terzo uomo” Non solo Abel e Furlan, secondo i giudici: “C’era un altro nome, Curzio Vivarelli”, La Cronaca di Verona online vom 07.04.2020: https://www.cronacadiverona.com/ludwig-il-mistero-del-terzo-uomo/; zuletzt am 26.11.2020.
[22] Luigi Spezia: In cella le ‚Ronde Pirogene‘ incendiavano le utilitaire, La Repubblica vom 24.05.1989, online: https://ricerca.repubblica.it/repubblica/archivio/repubblica/1989/05/24/in-cella-le-ronde-pirogene-incendiavano-le.html; zuletzt am 9.11.2020, und zum Hintergrund https://www.sekten-sachsen.de/ananda-marga.htm; zuletzt am 9.11.2020.
[23] Hier ein Bericht über die neusten faschistischen Gruppierungen, die in Verona aktiv sind: https://movimentandociaverona.files.wordpress.com/2019/04/verona-cittc3a0-dellamore-dellodio-2019.pdf; zuletzt am 27.11.2020. Verona wird auch als „nera“, die schwarze genannt: https://www.globalist.it/news/2019/11/22/verona-nera-l-inchiesta-di-piazzapulita-fa-luce-sul-fascismo-nei-gangli-del-potere-2049383.html; zuletzt am 27.11.2020.
[24] Eine deutsche Übersetzung des Dokuments findet sich online unter https://www.endstation-rechts.de/news/das-manifest-von-verona-der-republik-von-salo.html; zuletzt am 27.11.2020.
[25] Ebd.
[26] Zur Vertiefung vgl.: Davide Conti, Gli uomini di Mussolini. Prefetti, questori e criminali di guerra dal fascismo alla Repubblica italiana, Torino, 2017.
[27] In der Umgebung von Verona sollen Teile der „Nuclei per la difesa dello Stato“ stationiert worden sein. Vgl. Commissione parlamentare d’inchiesta sul terrorismo in Italia e sulle cause della mancata individuazione dei responsabili delle stragi, Legislatura XIII, 1996-2001, Doc. XXIII, n. 64 (Volume I – Tomo II) Teil 8: 113-128.
http://leg13.camera.it/_dati/leg13/lavori/doc/xxiii/064v01t02_RS/pdfel.htm; zuletzt am 19.10.2020.
[28] Ebd. 273-288 sowie Aldo Giannuli e Elia Rosati, Storia di Ordine Nuovo, Milano-Udine, 2017: 23 und Davide Conti, L’anima nera della Repubblica. Storia del MSI, Bari, 2013: 52.
[29] Die Klingen der Doppelaxt symbolisieren „jeweils die innere und äußere realisierende Handlung und ihre untrennbare Verbindung […] Sollte die Verpflichtung zur Einheit scheitern oder die eine Seite über die andere dominieren, so würde die Seele unserer Bewegung verraten […] die die Physiognomie eines Ordens von Kämpfern und Gläubigen annimmt.“ Aus der Satzung vom CSON, in: Elia Rosati, la cultura politica del primo Ordine Nuovo (1955-1965) in Storia di Ordine Nuovo: 219-240, hier 219-220, ÜdV.
[30] Ebd.
[31] Evola begrüßte ausdrücklich die Gründung und Entwicklung der „Ordine Nuovo“, hoffte auch unter jungen neofaschistischen Intellektuellen missionieren zu können. Evola dazu: „Hier [in Italien]erwartete ich nur eine Welt der Ruinen, geistig, noch mehr als materiell. Ich war überrascht zu sehen, dass es Gruppen gab, vor allem junge Menschen, die sich nicht in den allgemeinen Zusammenbruch hineinziehen ließen. Vor allem in ihren Kreisen war mein Name gut bekannt, und meine Bücher wurden weithin gelesen.“ Storia di Ordine Nuovo: 223-225.
[32] Vgl. Evolas Aussage im Interview mit Dominique de Roux 1969-1971 https://www.youtube.com/watch?v=GDt7e_U6j08 Time: 1:01:36; zuletzt am 23.10.2020. „Diese Werte […] sind von kosmischer Bedeutung […] Sie umfassen das Klingen eines Alarms, eines Aufrufs zum Ekel, des Aufrufs zum Erwachen und einer Vorladung an dem großen Kampf teilzunehmen, in dem das Schicksal des Westens wird entschieden werden.[…] Der Faschismus muss hier beginnen: durch den Beginn des langsamen, zähen Aufbaus einer neuen und wundersamen Rasse.“ Julius Evola zitiert in: Hugh B. Urban, Magia Sexualis. Sex, Magic, and Liberation in Modern Western Esoterics, Berkeley/Los Angeles/London 2006: 146, sowie Julius Evola, Revolt Against the Modern World: Politics, Religion, and Social Order in the Kali Yuga, Rochester, 1995: 126. Demnach wäre es zu diesem Zeitpunkt unmöglich, einen radikalen und dauerhaften Wandel herbeizuführen, wodurch jedes politische Engagement nutzlos würde. Evola wollte – auch durch Praktiken wie Yoga und Tantra – die innere Spiritualität erwecken um mit „Transzendenz“ gegen die Dekadenz zu wirken, vgl. Julius Evola, lo yoga della potenza, zitiert in Urban, Magia Sexualis: 154.
[33] 1969 begann mit dem Anschlag in Mailand auf der Piazza Fontana mit 17 Toten die „stragi di stato“ („Staatsattentate“)-Serie, die den Rechtsterrorismus innerhalb der „Strategie der Spannung“ prägten. Obwohl schon damals eindeutige Spuren in die extreme Rechte führten, wurde der Verdacht immer wieder auf Linke gelenkt. Erst viel später sollten die Taten auch offiziell Rechten, auch Mitgliedern der Ordine Nuovo und Pino Rauti selbst als Planer, zugeordnet werden, aber die Verantwortung des italienischen Militärgeheimdienst wurde bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Vgl. auch den Beschluss gegen Azzi, Rognoni et al. vom 18.3.1995 abrufbar auf der Seite des Richters Guido Salvini, der die Untersuchungen geführt hat. https://guidosalvini.it/wp-content/uploads/2018/09/ordinanza-18-marzo-1995.pdf S. 111-113 und S.264-280; zuletzt am 24.10.2020.
[34] Raggruppamento Operativo Speciale reparto eversione Procedimento penale nei confronti di ROGNONI Giancarlo et al. Roma, 8 Maggio 1996, S. 38-45.
[35] Zornetta 2011: 138/139 und die Sendung Telefono Giallo (Sender rai 3, moderiert vom Journalisten Corrado Augias) vom 13.5.1988.
[36] Siehe das Transparent auf dem Foto in o.A. (2006): Spielabbruch!, in AIB 72, 3/2006, online: https://www.antifainfoblatt.de/artikel/spielabbruch; zuletzt 28.11.2020 und die Fotos auf der facebook-Seite der Movimento.Verona, beispielsweise vom 12.Juli 2014 und am 16. September 2019 sowie den Shop Black brain Alternative in Verona. Nichtsdestotrotz muss auch betont werden, dass es T-Shirts mit dem Spruch “Gott mit uns” in vielen weiteren europäischen und deutschen rechten und neonazistischen Versänden gibt.
[37] Evola im Interview mit Dominique de Roux 1969-1971 https://www.youtube.com/watch?v=GDt7e_U6j08 Time: 01:17:30; zuletzt am 23.10.2020.
[38] Zornetta 2011: 136, ÜdV.
[39] In Deutschland erschienen in der Zeit zwei große Artikel in überregionalen Zeitungen: o.A. (1984): „Einige schlug er mitten entzwei“. Die geheimnisvollen Verbrechen der deutsch-italienischen „Gruppe Ludwig“. In: Der Spiegel Nr. 26/1984, S. 62-69 und Erwin Brunner: Die Gnadenlosen, in: Die Zeit vom 5. Dezember 1986, S. 33-35.
[40] Anklageschrift des Prüfungsrichters Mario Sannite, 15. Juli 1986, Auszüge online: https://www.misteriditalia.it/altri-misteri/delitti-ludwig/processo/Ordinanza.pdf; zuletzt am 30.11.2020, hier: 21 f.
[41] Vgl. Ayaß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus, Stuttgart: Klett-Cotta, 1995 und Eschebach, Insa (Hg.): Homophobie und Devianz. Weibliche und männliche Homo­sexualität im Nationalsozialismus, Berlin: Metropol, 2012.
[42] «Uniti nel servizio alla Vergine per mano omicida sono uniti nella morte. Pace eterna al loro spirito, pentimento e conversione ai loro uccisori». Zornetta 2011: 71.
[43] https://corrieredelveneto.corriere.it/rovigo/notizie/cronaca/2010/12-ottobre-2010/furlan-la-liberta-definitiva-1703933158061.shtml
[44] „Gegen das Vergessen“ auf https://asam.noblogs.org/perspektiven/gegen-das-vergessen/; zuletzt am 9.11.2020. Der Redebeitrag der ASAM am 26. September 2020 ist nachzulesen auf: https://asam.noblogs.org/post/2020/09/26/redebeitrag_40-jahre-rechter-terror/, der vom Vorjahr auf http://antisexistischeaktionmuenchen.blogsport.eu/2019/06/23/redebeitrag-vom-22-6-2019-club-liverpool-in-der-schillerstrasse/; im Cache am 27.8.2020.
[45] Antisexistische Gruppe München: Redebeitrag vom 22.6.2019: Club „Liverpool“ in der Schillerstraße, veröffentlicht am 23. Juni 2019; online: http://antisexistischeaktionmuenchen.blogsport.eu/2019/06/23/redebeitrag-vom-22-6-2019-club-liverpool-in-der-schillerstrasse/; im Cache abgerufen am 27.8.2020.