Ein „gefestigtes antisemitisches und nationalsozialistisches Weltbild“– Der Prozess gegen Franco Albrecht – 8. Verhandlungstag, 24. Juni 2021

0

Am 8. Verhandlungstag im Prozess gegen Franco Albrecht sollen zwei Zeug*innen vernommen werden, die mit dem Fall beim Jobcenter in Erdingen vertraut waren, sowie die Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft zu den Sprachmemos, die Franco A. auf seinem Mobiltelefon eingesprochen hatte, verlesen werden.

Da beide Zeug*innen zu Beginn der Sitzung noch nicht anwesend sind, wird mit der Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft (GBA) begonnen. Albrecht hatte auf seinem Mobiltelefon 191 Sprach-Memos gespeichert. Die Diktierfunktion soll er für unterschiedliche Auseinandersetzungen mit sich Selbst verwendet haben, aber sie enthalten auch Gefühle, gesungene Lieder, Pläne, Unterhaltungen mit anderen und mit sich selbst.

Die GBA leitet die Stellungnahme mit aneinander gereihten Zeiten und Daten der Memos ein, deren Inhalte antisemitisches und völkisches Denken enthalten, und somit für den Prozess relevant seien. Darüber hinaus sollen die Memos sehr persönliche Informationen enthalten, die einem Tagebuch gleichen und aus diesem Grund nicht für den Prozess verwendet werden dürfen, da sie den „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ betreffen.

Als erstes relevantes Memo werden Teilauschnitte aus dem Memo mit der Nummer 38 verlesen, in dem Albrecht ein Gespräch mit einigen Personen auf einer Feier aufgenommen hat. Franco Albrecht hat in dem Memo scheinbar einen erheblichen Redeanteil und erklärt der Runde, dass „Juden und Deutsche nicht das selbe Volk seien“ und „sich gegenseitig abstoßen würden“. Im weiteren Verlauf des Memos erklärt Albrecht den Zuhörenden, dass Adolf Hitler „kein Maßstab sei“, sondern „über allen Dingen stehen würde“. Denn Adolf Hitler sei der „Schöpfer der ehrlichen Arbeit“ und „jegliche Kritik an seiner Person sei eine Lüge“, so Albrecht weiter.

Nachdem dieser Teil aus dem Memo verlesen wurde, unterbricht Albrechts Rechtsanwalt Hock die Verlesung und bittet um einen Auschluss der Öffentlichkeit. Er begründet den geforderten Ausschluss damit, dass noch nicht entschieden sei, dass die Memos überhauot als Beweis zugelassen werden. Deswegen dürfe in der Öffentlichkeit nicht umfassend aus ihnen zitiert werden. Daraufhin wird die Verlesung vorerst von Richter Dr. Koller unterbrochen und die erste Zeugin wird in den Gerichtssaal gerufen.

Bei der Zeugin handelt es sich um eine Mitarbeiterin des Jobcenters Erdingen, in dem sie für Gruppenveranstaltungen für Geflüchtete zuständig war, in denen Geflüchtete mit Hilfe eine*r Übersetzer*in Anträge ausfüllen könnten. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung habe sie Franco Albrecht am 14.02.2017 kennengelernt. Albrecht habe sich ihr als Benjamin David vorgestellt und in der Veranstaltung seinen Antrag als syrischer Flüchtling gestellt. Sie sei von Beginn an etwas irritiert gewesen, da er angegeben habe, dass er mit einem arabischen Dolmetscher nichts anfangen könne und nur Französisch und etwas Deutsch spreche. Ansonsten sei sein Verhalten aber nicht weiter auffällig gewesen und er hätte sich ihr gegenüber aufdringlich charmant gegeben. Zwar sei sie über sein gutes Deutsch verwundert gewesen, aber da seine Dokumente vollständig waren, habe sie sich darauf verlassen.

Im Anschluss wird ein zweiter Zeuge wird vernommen, der ebenfalls im Jobcenter in Erdingen gearbeitet hatte. Er sei mit dem Fall vertraut gewesen, nachdem Franco Albrecht die Gruppenveranstaltung besucht hatte. Ihm zufolge habe das BKA sich im Jobcenter Erdingen gemeldet, sich über den Fall „Benjamin David“ erkundigt und darum gebeten, ihn ganz normal weiter zu behandeln. Die Dokumente seien auch alle korrekt gewesen und daher wurde gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz die Zahlung an das Alias von Franco Albrecht bewilligt.

Im Anschluss an die Aussage des zweiten Zeugen entsteht eine Diskussion zwischen den Anwälten von Albrecht, dem Richter Dr. Koller und der Bundesanwaltschaft, da Dr. Koller und die Anwälte von Albrecht den Vorwurf des Betrugs gerne fallen lassen würden. Albrecht habe die Rückforderungern des Jobcenter Erdingen alle beglichen und daher würde er auch nicht mehr in der Schuld stehen. Richter Dr. Koller vertritt dabei die Annahme, dass es in dem Prozess um viel schwerere Vorwürfe gehe und der Betrugsfall nur aufhalten würde. Die Bundesanwaltschaft geht indes weiter von einem Betrug aus und möchte sich nicht darauf einlassen den Vorwurf eines „versuchten Betrugs“ von Franco Albrecht fallen zu lassen.

Nachdem beide Zeugen aus dem Zeugenstand entlassen wurden, kommen die unterschiedlichen Telefonnummern und E-Mail-Accounts zur Sprache, von denen Franco A. eine Vielzahl besessen haben soll. Franco Albrecht erklärt die große Menge damit, dass er sich stets auf einen „Zusammenbruch“ vorbereitet habe und in diesem Fall weiterhin die Möglichkeit haben wollte zu kommunizieren. Im weiteren erklärt er, dass ihm der Begriff des „preppens“ bis zu seinem Verfahren nicht bekannt gewesen sei, er sei aber stets gut vorbereitet gewesen, für denn Fall einer Ausnahmesituation.

Zum Abschluss geht es erneut um die Sprach-Memos von Albrecht. Um eine Revision zu vermeiden, sollen diese nicht weiter öffentlich verlesen werden, entscheidet das Gericht. Die Generalbundesanwaltschaft stimmt dem zu und beschränkt sich auf das Verlesen des rechtlichen Teils ihrer Ausführungen, in dem sie dafür plädieren, die Sprachmemos für den Prozess zu verwenden. Dies begründen sie damit, dass sich das „gefestigte antisemitische und nationalsozialistische Weltbild“ von Franco Albrecht durch die Sprachmemos nachvollziehen lasse.

Der Bericht zum 8. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen