„Wir haben dann widersprochen, wenn Landesbehörden zur eigenen Szene arbeiten wollten.“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 04. Dezember 2023

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Am 04. Dezember 2023 sind im 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern zwei Zeugen geladen. Zunächst sagt Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Jochen Weingarten aus. Er leitete die Ermittlungen im NSU-Komplex. Er macht im Ausschuss relativ allgemeine Ausführungen, da Mecklenburg-Vorpommern nicht zu den Schwerpunkten seiner Ermittlungen gehörte. Er spricht zunächst davon, dass es keine Engführung der Ermittlungen und keine Festlegung auf ein Trio gegeben habe. Allerdings wird in der Befragung deutlich, dass die Ermittlungen von innen nach außen geführt wurden, also beispielsweise lokale Behörden nicht nach ihren allgemeineren Erkenntnissen zur rechten Szene gefragt wurden. Sie seien nach strafrechtlichen Gesichtspunkten vorgegangen, führt Weingarten aus. Sie hätten die Ermittlungen geführt, die lokalen Behörden waren dem GBA und dem BKA gegenüber weisungsgebunden. Als zweiter Zeuge sagt „VS 7“ aus, der 1999 die Observation des Grundstücks des NPD-Anwalts Hans Günter Eisenecker leitete, bei der die NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und Carsten Schultze festgestellt wurden. Auch „VS 7“ macht im öffentlichen Teil der Sitzung eher allgemeinere Ausführungen.

Der erste Zeuge ist Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Jochen Weingarten. Die Vorsitzende des 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschusses, Martina Tegtmeier (SPD), sagt zur Ladung des Zeugen, die Bundesanwaltschaft habe am 11. November 2011 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Weingarten war an den Ermittlungen beteiligt, habe die Anklage im NSU-Prozess verfasst und dort auch die Bundesanwaltschaft (BAW) vertreten. Zu seiner Vorbereitung sagt Weingarten, er habe keine Akteneinsicht genommen, sondern eigene Unterlagen angesehen und rekapituliert. Er kündigt ein 30-minütiges Eingangsstatement an. Weingarten bedankt sich für die Gelegenheit, „die schöne Landeshauptstadt in Augenschein zu nehmen“ und für die Gelegenheit, Zweifel am Vorgehen der BAW auszuräumen und ihr Vorgehen zu erläutern, die er gern wahrnehme. Er habe überlegt, dass es vielleicht sinnvoll sei, das Ermittlungskonzept und die Struktur darzulegen, was sie gemacht hätten „warum so und nicht anders“.

Weingarten sagt zu seinem Hintergrund, dass er vom Tag des brennenden Wohnmobils bis zur Rechtskraft der Urteile insgesamt eine knappe Dekade „nachgerade hauptberuflich beschäftigt“ mit dem Thema gewesen sei. Er sei Hauptermittler zum NSU und daher mit allen wesentlichen Fragen des NSU befasst gewesen. Er habe Ermittlungen gesteuert oder selbst durchgeführt. Er erinnere sich aber bei weitem nicht mehr an Einzelheiten, insbesondere auch zu Mecklenburg-Vorpommern. Das Verfahren sein ein Indizienverfahren gewesen, es sei um sehr viele Einzelheiten gegangen, auch so etwas wie: ein Boden knarzt oder knarzt nicht. Er habe an der Hauptverhandlung teilgenommen, danach das Revisionsverfahren geführt. Er sei seit 2021 im Bereich Islamismus tätig.

Weingarten fährt fort, die Situation habe sie alle persönlich aber auch beruflich völlig überrascht, „um das neutral zu formulieren“. Er könne sich erinnern, wie er erfahren habe, dass die Ceska im Brandschutt gefunden worden sei. Zu dem Zeitpunkt habe das Bekennervideo vorgelegen, sie hätten gewusst, dass die Waffen von Michèle Kiesewetter und Martin A. im Wohnmobil gewesen seien. „Ich wusste in dem Moment, mein Leben wird sich ändern.“ Die Ausgangslage sei „von dem Blick in eine dunkle Schlucht, deren Ende nebelverhangen war“, geprägt gewesen. Sie hätten überhaupt keine Idee gehabt, was die Hintergründe der Morde und der Überfälle gewesen sei. Es sei unklar gewesen, wie der NSU zusammengesetzt gewesen sei, inwiefern Neonazis und Behörden von den Taten gewusst hätten. Die Ermittlungen seien immer ergebnisoffen und mit der gebotenen Tiefe geführt worden, dabei gehe es auch um seine „persönliche Ehre“. Am Anfang sei niemand, auch er nicht, von einer isolierten Gruppe ausgegangen, weil auch das Video von einem Netzwerk spricht. „Man wollte also alle beteiligten Helfer und Helfershelfer finden, das hätten auch Beamte wegen Unterlassung sein können“. Es habe keine Engführung gegeben, das hätten schon die ersten Wochen gezeigt. Weingarten trägt dann eine kleine Chronik vor, wann welches Verfahren gegen wen eingeleitet wurde. Er sagt dazu, das objektiviere das Anwachsen von Erkenntnissen auf der einen Seite und ihre Ergebnisoffenheit deutlich. Wenn ihnen noch andere 36 Personen mit Tatverdacht untergekommen wären, hätte er die Namen auch vorgelesen. „Es hat nie eine Engführung gegeben und es gab nie eine Festlegung auf ein Trio.“ Es habe sicher keine manipulierte Beweislage im Wohnmobil und der Frühlingsstraße gegeben. Sie hätten Asservate gefunden, mit denen man das Leben des NSU habe rekonstruieren können.

Der Thüringer Verfassungsschutz habe viele Materialien gehabt. Es habe dort einen exzellenten Quellenzugang gegeben. Daher hätten sie intensive Einblicke in das Vorfeld des Untertauchens und in das Umfeld gehabt. Man sei da nah dran gewesen, Tino Brandt habe intensive Einblicke in die Szene geliefert, nur deswegen hätten sie gezielt ermitteln können. Die Szene sei am Anfang der Ermittlungen ausgesprochen auskunftsbereit gewesen, auch aus dem Kreis der Angeklagten habe es zwei Kronzeugen gegeben. Diese hätten gern aus dem Innenleben der Kameradschaft Jena und zu den Jahren nach dem Untertauchen berichtet. Carsten Schultze habe intensiv aus den Jahren der Unterstützung berichtet.

Sie hätten in der Folge von innen nach außen, also ausgehend von der Tat, gearbeitet. Sie hätten über 7000 Asservate, über 3000 elektronische Asservate gehabt. Einige seien von Brand betroffen gewesen. Die breiten Ermittlungshandlungen hätten die gesamten Instrumentarien umfasst. Alles was sinnvoll und richtig gewesen sei, hätten sei gemacht. Das Hauptaugenmerk hätte auf der Feststellung relevanter Personenkontakte gelegen. Ziel sei ein vollständiges Verdachtsbild gewesen. Sie hätten die Fahndungsakten aus den 1990ern ausgewertet und intensive Vernehmungen durchgeführt. „Es hat niemanden gegeben, der mehr als einmal guten Tag gesagt hat, den wir nicht befragt haben.“

Über das Bekannte hinaus habe es keine Hinweise auf konspirative Auftritte von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in der Szene gegeben. Nach allen Ermittlungen zu den Zeiträumen vor und nach dem Untertauchen habe es keine tragfähigen, über das Spekulative hinausgehende Ergebnisse gegeben, sondern nur die bekannten Kontakte. „Wir führen weiter Verfahren, auch Personenverfahren.“

Tino Brandt sei 2001 enttarnt worden und damit hätten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe das Risiko realisiert, dass die rechte Szene von Quellen durchsetzt sei. Sie hätten ein höchst konspiratives und abgesichertes Kommunikationsverfahren mit Wohlleben entwickelt und hätten Schultze rekrutiert, weil sie angenommen hätten, dass dieser noch nicht polizeilich überwacht werde. Es sei plausibel, dass keine Szenekontakte mehr gepflegt wurden, sondern man sich extrem abgeschottet habe.

Weingarten sagt, sie hätten während der Ermittlungen Auskünfte von allen Geheimdiensten eingeholt, auch vom MAD. Immer wenn sie den Eindruck gehabt hätten, dass jemand mehr weiß als in den Akten steht, dann hätten sie auch Vernehmungen durchgeführt. Sie hätten zu Unterkünften ermittelt und die Fahrzeuganmietungen rekonstruiert, es habe die Zusammenführung aller Massendaten gegeben. Die Schriftproben zu handschriftlichen Anmerkungen belegen, dass Böhnhardt und Mundlos gleichsam hauptberuflich mit Ausspähen möglicher Ziele befasst gewesen seien. Die Ermittlungen hätten den Schluss zugelassen, dass die Opferauswahl nach völkisch-rassistischen Gesichtspunkten erfolgt sei. Es habe keine persönlichen Beziehungen zu ihnen gegeben, auch nicht mittelbar. Man habe keine Hinweise, dass der NSU Hinweise von Dritten, von anderen Neonazis bekommen habe. Man habe Finanzermittlungen gemacht, das Videomaterial geprüft und sei Hinweisen nachgegangen. Es habe eine ständige Asservaten-Revision gegeben, es sei also darauf geachtet worden, dass nicht etwa ein Kassenbon im Dezember 2011 einfach weggelegt werde und der später wichtig geworden wäre. „Allen war klar: Es dürfen keine Fehler mehr passieren.“ Das sei die Maßgabe allen Handelns gewesen.

Sie hätten sich bei der Beweislage von innen nach außen orientiert. Es sei nicht geboten gewesen, den Sachverhalt von außen über lokale rechten Szenen zu ermitteln. Jede Zeugenvernehmung brauche eine strafrechtliche Begründung. Dieser Eingriff in die Grundrechte sei nur zu rechtfertigen, wenn der Zeuge zum Tatvorwurf was sagen könnte. Sie hätten das also nicht gemacht, wenn sie keine Kontakt zwischen Täter und Zeuge hätten nachweisen können. Sie seien also grundlegend erst einmal nicht von Kontakten ausgegangen, wenn sich dies nicht durch vorliegende Unterlagen ergeben habe. Unterstützung sei strafrechtlich nur relevant, wenn sie vorsätzlich erfolge. Es gebe einen Unterschied zwischen einem Gesinnungsgenossen oder ob man wisse, es komme Mord. Es habe kleine Unterstützungsleister gegeben aber keinen Wissenstransfer: ‚wir begehen Morde‘. „Die wenigsten von uns, die was böses vorhaben, kommunizieren das in ihrem Freundeskreis.“ Wenn Nebenklagevertreter von hunderten Unterstützern sprächen, dann sei das die „Ursuppe der Unterstützer-Diskussion“, da gehe es um den Nährboden und politische Unterstützung, sie hätten nur den strafrechtlichen Mittäter- und Unterstützerbegriff zugrunde gelegt. Das zeige die Beschränkung des Rechtsstaats, dem sie unterworfen seien, es brauche individuelle Schuld.

Die Vorsitzende fragt nach den Banküberfällen in Stralsund und Weingarten antwortet, damit sei er persönlich nicht befasst gewesen. Er habe zwar der Beweisaufnahme dazu beigewohnt, habe aber keine Details mehr dazu in Erinnerung.

René Domke (FDP) fragt zur Zusammenarbeit mit den Behörden in Mecklenburg-Vorpommern. Weingarten sagt, nach dem 11. November 2011 seien die wesentlichen Ermittlungen von ihnen (GBA) und dem BKA durchgeführt worden. Sie hätten das gesamte Verfahren übernommen. Er habe keine konkrete Erinnerung, dass er mit Mecklenburg-Vorpommern zu tun gehabt habe, sein Bereich sei das BKA gewesen. Auf Nachfrage sagt Weingarten, eigene Ermittlungen eines LKAs habe es gar nicht geben können, da sie die Ermittlungen durchgeführt hätten. Alles, was ermittelt worden sei, sei im Auftrag des GBA ermittelt worden. Das schließe natürlich nicht aus, das vor Ort engagiert oder kreativ gearbeitet werden konnte. Domke fragt zur rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 1998 und 2011. Der Zeuge antwortet, da sei sicher was zusammengetragen worden. Tatsächlich hätten sie nicht Aufträge erteilt wie: ein Tatort ist Rostock, „deswegen hätten wir gern was zur rechtsextremen Szene gewusst“. Das wären Informationserhebungen gewesen, das hätte den Rahmen gesprengt. Das sei nicht unerheblich, sie hätten aber einen strafprozessualen Ansatz gebraucht. Sie hätten die bekannten Bezüge der drei und Wohlleben nach Mecklenburg-Vorpommern nachvollzogen, aber kein Konnex zu den in Mecklenburg-Vorpommern begangenen Straftaten gefunden. Das gelte auch für alle anderen Bundesländer, obwohl die Beziehungen dorthin enger gewesen seien. Es habe einen Übergang von einem Jahr gegeben, in dem die drei noch in Chemnitz offen durch die Szene diffundiert seien. Dann habe es keine Kontakte mehr gegeben. Die Bezüge nach Rostock und Stralsund stammten aus den 1990ern, es gebe keinen konkreteren Anlass, anzunehmen, dass es da Tatverstrickung gegeben habe. „Insofern nein“, sie hätten keine verdachtsunabhängige Szene-Aufklärung in diesem Kontext betrieben. Domke fragt, was sie zur Ausgabe 18 des Neonazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“ veranlasst hätten. Weingarten antwortet, da müsse man sagen, das sei eine Information, die sei ihnen durchgerutscht. Den ersten Hinweis habe das apabiz gegeben, die hätten das schneller präsent gehabt, als die Verfassungsschutz-Behörden, die das dann bestätigt hätten. Das sei von hoher Brisanz gewesen, sie hätten sich gefragt, ob es entgegen der vorherigen Annahmen doch Wissenstransfer gegeben haben könnte. Sie hätten vorher schon den Spenderbrief gefunden, hätten aber keine Belege gehabt, dass dieser verschickt worden war. Sie hätten aber überlegt, ob das passiert sei. Sie kämen auf vier Spenden, die rekonstruierbar seien. Sie seien sich in ihrer Bewertung aber sicher, dass die Empfänger mit NSU nicht mehr hätten anfangen können, als dass es einen anonymen Spender gebe. „Daher war die Eigenart des NSU in der Szene nicht bekannt.“ Er könne sich gut an die Durchsuchung bei Petereit erinnern, so Weingarten. Das sei die erste Durchsuchung im parlamentarischen Raum gewesen, die er verantwortet habe, da seien Dinge zu beachten.

Bernd Lange (SPD) fragt nach dem Satz des Zeugen „jetzt dürfen keine Fehler mehr passieren“ und welche Fehler er gemeint habe. Weingarten entgegnet, es sei nicht seine Aufgabe gewesen, Fehler in den Altermittlungen zu finden. Er persönlich habe nicht den einen oder die zwei Fehler in den Ermittlungen gesehen, aber im Nachhinein könne man viele Stellschrauben sehen. „Aber ob das Fehler gewesen sind, kann ich nicht beurteilen.“

Auf die Frage, ob man Kenntnisse dazu habe, dass Waffen mit in den Urlaub genommen worden seien, antwortet Weingarten, man könne über die Zwecke der Waffen nur spekulieren. Ob Waffen mit im Urlaub waren, könne er nicht sagen. Beim Überfall in Eisenach habe man viele Waffen mitgehabt, aber das sei ja auch ein operativer Einsatz gewesen, wo man mit Polizei habe rechnen müssen. Wenn man spekulieren wolle, dann eher in die Richtung, dass es für die drei unter den Bedingungen des Untertauchens keinen Anlass gegeben habe, Risiken einzugehen, wie etwa, polizeilich aufzufallen. Daher habe man sich im Verkehr beispielsweise sehr regelkonform verhalten. Auf die Frage, zur Bedeutung von Mecklenburg-Vorpommern als Rückzugsgebiet, sagt der Zeuge, „genau dass es das war“. Darum ergebe sich aber für den GBA keine besondere Beziehung zu Mecklenburg-Vorpommern. Es gebe ja ein Augenmerk auf Mecklenburg-Vorpommern, weil es der einzige Tatort in Ostdeutschland sei, „so das manche da eine Fragwürdigkeit ableiten“. Er könne „interpretatorischen Ansätzen“ wenig abgewinnen. Beide Männer hätten sich akribisch dem Kampf verschrieben. Dazu habe auch kleinteiliges Ausspähen gehört.

Ann Christin von Allwörden (CDU) fragt zum Fanzine „Der Weisse Wolf“, zu Petereit, Erkenntnissen zu ihm und was die Durchsuchung gezeigt habe. Weingarten sagt zunächst grundsätzlich, dass man nur bei nachgewiesenem Kontakt die Biografie und die politische Biografie geprüft habe. Bei nachgewiesenem Kontakt sei die Verortung und Gewaltbereitschaft von hohem Interesse gewesen, weil dann jemand als möglicher Unterstützer gelten könne. Daher gehe er davon aus, dass sie sich bezüglich Petereit damit nicht beschäftigt hätten. Er sei auch Zeuge in München gewesen, aber an die Einzelheiten seiner Aussage könne er sich nicht erinnern, so der Zeuge. Er habe jedenfalls nicht mitgeteilt, dass der NSU ihm was gesagt habe. Er habe sicher nicht eingeräumt, dass er gewusst habe, von wem die Spende kommt.

Michael Noetzel (Linksfraktion) fragt, ob Weingarten schon vor 2011 mit der Ceska-Mordserie befasst gewesen sei. Weingarten antwortet, er habe die Serie als Zeitungsleser wahrgenommen und darauf auch großes Interesse gerichtet, da es um Mord gegangen sei. Weingarten sagt erneut auf die Frage nach den Ermittlungen nach November 2011 und zum Hinweis, dass die BAO Trio MV kein Teil der BAO Trio des BKA gewesen sei, dass sie großen Wert auf zentrale Steuerung gelegt hätten. Es habe keinen Spielraum für lokale Ermittlungen gegeben. Sie hätten nicht hingenommen, wenn Landesbehörden selbstständig ermittelt hätten. Noetzel entgegnet, die Sorge könne er dem Zeugen nehmen, es seien Aufträge des GBA und BKA hier angekommen, als Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern eigene Ideen geäußert hätten, sei vom BKA der Hinweis gekommen, man betreibe keine Historienforschung. Weingarten sagt, es sei vorgekommen, dass es Ermittlungsanregungen in unterschiedlichen Bereichen gegeben habe, denen sie im Einzelfall nicht nachgekommen seien, da sie ein eigenes Ermittlungskonzept gehabt hätten. Das sei dynamisch gewesen, müsse aber auch stringent diskutiert werden. „Wir haben dann widersprochen, wenn Landesbehörden zur eigenen Szene arbeiten wollten.“

Oehlrich fragt, warum die Zeugen zu Beginn der Ermittlungen auskunftsbereit gewesen seien. Weingarten antwortet, dazu könne er nur spekulieren. Sie hätten im früheren Umfeld des NSU in Jena klar gemacht, dass sie in diesem Verfahren nicht locker lassen würden. Sie hätten deutlich gemacht, dass es auch zu Strafermittlungen führen könne, wenn man jetzt die Auskunft verweigere, „was Angesichts der Monstrosität gut überlegt sein will“. Er habe außerdem den Eindruck gehabt, dass viele Zeugen auch geschockt gewesen seien, sie waren selbst nun zehn Jahre älter. Carsten Schultze sei erschüttert gewesen, er habe rückhaltlos berichtet. Oehlrich fragt, inwiefern das Ziel, ein vollständiges Kontaktbild zu ermitteln, gelungen sei. Der Zeuge sagt, Stand 2018 würde er meinen, dass sie ein relativ vollständiges Kontaktbild hätten. Sie würden ermitteln, wenn etwas neu sei, aber er könne keine offenen Flanken erkennen. Oehlrich fragt, wem die Taten des NSU bekannt gewesen seien. Weingarten antwortet, ein Kennverhältnis sei kein Beleg, dass geheimes Wissen transferiert wurde. Es gäbe eine Reihe an bekannten Unterstützern, bei denen aber unklar sei, ob sie das wissentlich taten.

Domke bittet den Zeugen, die Figur David Petereit einzuordnen. Weingarten antwortet, das könne er aus der Erinnerung nicht mehr sagen. Petereit habe als Herausgeber des „Weissen Wolfs“ von der Spende des NSU profitiert, „darin erschöpft sich die Rolle des Zeugen in dem Verfahren“. Es folgen einige allgemeine Fragen zum NSU und zu rechtem Terror, die der Zeuge allgemein beantwortet.

Auf Frage, wieviele Leute man als Unterstützer in Mecklenburg-Vorpommern im Blick gehabt habe, sagt Weingarten, hier habe man sich nur mit Eisenecker befasst.

Noetzel fragt, ob es zur NSU/NSDAP-CD/DVD noch Ermittlungen gebe. Weingarten sagt, diese sei Teil im Unbekannt-Verfahren gewesen. Er meine, dass die Spur abschließend bearbeitet gewesen sei, als er die Ermittlungen 2018 übergeben habe. Noetzel fragt zu Verbindungen zwischen der Unterstützerszene des NSU in Chemnitz und Mecklenburg-Vorpommern. Der Zeuge antwortet, das sei ihm nicht erinnerlich, aber die Szene sei vernetzt. Bezüge lägen eher nah als fern. Gefragt nach Ingolf We. sagt er, das sage ihm was, aber er verbinde damit nichts. Noetzel fragt nach Ausspähnotizen zum Mord an Mehmet Turgut. Weingarten sagt, er meine, dass es zu dem Tatort keine konkretisierenden Notizen gegeben habe. Er glaube vielmehr, dass die Abgelegenheit zu Fragezeichen geführt habe, zu der Frage, ob es denkbar sei, dass das Trio von allein auf den Tatort komme. Das gelte auch für andere Tatorte. Auch da fange seine Erinnerung an, sich zu trüben. Er meine sowieso, dass sie bei weitem nicht für alle Tatorte Ausspähnotizen gehabt hätten. Außer bei Halit Yozgat, da habe es eine Skizze gegeben, die man einem der beiden Männer zugeordnet habe. Noetzel fragt weiter zu Ausspähnotizen zu Greifswald. Der Zeuge sagt, Ausspähnotizen seien für sie lange ein ganz wichtiger und undurchdringlicher Ansatzpunkt gewesen. Noch während der Hauptverhandlung hätten sie noch einmal BKA-Beamte gebeten, sich nochmal mit nicht interpretierbaren Notizen zu beschäftigen. Bei manchen sei es schnell gegangen, bei anderen hätten sie versucht, das zu lokalisieren und zu interpretieren und es sei nicht gelungen. Sie wüssten aber dadurch, mit welcher Akribie die beiden Männer dieses Geschäft betrieben hätten. Weingarten bejaht, dass es dazu noch offene Fragen gäbe.

Oehlrich fragt nach Konzerten bei Parchim, von denen bekannt sei, dass Thomas Starke und André Kapke dabei gewesen seien. Sie hätten nicht gesehen, dass die Bundesbehörden das zusammengetragen hätten. Weingarten antwortet, wenn sie sage, dass sie Konzerte nicht im Blick gehabt hätten, dann glaube er das. „Aber die Frage, wer mit wem wann auf einem Konzert war, das stand nicht prioritär im Fokus.“ Starke und Kapke seien bekannt gewesen, er wisse aber nicht, ob sie den Hinweis auf das Konzert gehabt hätten. Aber es stelle sich die Frage: „Welchen Benefit soll das bringen?“ Ihm wäre auf den ersten Blick der Beweiswert nicht ohne weitere nahezubringen. Die Abgeordnete fragt, was das Ziel bei der Überprüfung der Campingplätze gewesen sei. Weingarten sagt, sie seien von innen nach außen vorgegangen, ausgehend von dem, was sie gewusst hätten. Man habe feststellen wollen, wann der NSU sich wo aufgehalten habe. Daraus könnten sich auch Kommunikationspartner ergeben oder es könne mit einem Tatbild in Zusammenhang stehen. Das seien nicht im strafrechtlichen Sinne relevante Ermittlungen gewesen, außer bezüglich des Urlaubs mit Holger Gerlach auf Fehmarn. Sie wüssten aber durch die Urlaubsbekanntschaften etwas über das Innenleben der drei und daraus könne man Rückschlüsse auf Frau Zschäpe ziehen. Aus den Bemühungen des GBA könne man entnehmen, dass sie versucht hätten, Aufenthaltsorte aufzuklären. Eine Massendatenabfrage habe ergeben, dass Zschäpe das Aktionshandy kurz vor dem Mord an Theodoros Boulgarides angerufen habe. Oehlrich fragt, welche Bedeutung der Campingplatzaufenthalt mit Holger Gerlach gehabt habe. Weingarten sagt, der Aufenthalt als solcher habe keine Bedeutung, aber man könne daraus folgern, dass man Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise als Urlaubsregion gesehen habe.

Domke fragt nach der NSU/NSDAP-CD/DVD. Weingarten sagt, er sei damit nicht im Detail befasst gewesen. Es sei darum gegangen, ob die Vereinigung NSU in der Szene bekannt gewesen sei und wenn ja, welche Folgerungen man daraus ziehe. Er wisse auch, dass die Kollegen zu der Auffassung gekommen seien, dass eher wenig bis nichts dafür spräche, dass die Urheberschaft beim NSU liege. Man halte die Benennung bis auf Weiteres für Zufall und gehe davon aus, dass der Name nichts mit der Terrorvereinigung zu tun habe.

Noetzel fragt, ob Lutz Gi. eine offene Flanke im Kontaktbild sei. Auf dem Rechner, der in Frühlingsstraße gefunden wurde, sei eine Rede Gi. unter der Bezeichnung „rede lutz salem“ gespeichert gewesen. Weingarten antwortet, der Name sage ihm auf Vorhalt nichts – er könne es weder bestätigen noch dementieren, dass sie sich mit ihm beschäftigt haben. Der Abgeordnete fragt weiter nach der Rolle von V-Personen im NSU-Komplex. Weingarten sagt, es sei ihnen völlig egal gewesen, ob jemand Quelle sei oder nicht, das habe keine Rolle beim Ermittlungs- oder Denkansatz gespielt. Es habe nur eine Rolle gespielt, weil dann bei den Behörden Wissen vorgelegen hätte. Sie hätten aus der Quantität der V-Leute keine sinnvollen Ableitungen treffen können.

Oehlrich fragt danach, dass man 2012 von der Spende des NSU an den „Weissen Wolf“ und den „Gruß an den NSU“ erfahren habe. Weingarten antwortet, sie hätten sehr früh, am 8. Dezember 2011 an alle Behörden Auskunftsersuchen gestellt, vor allem zu Personen. Insgesamt sei die Zusammenarbeit ausgesprochen produktiv gewesen. Der Umstand, dass das von einem „privaten Antiquariat“ gekommen sei, „hat aufmerken lassen“. Auf die Frage von Oehlrich, wie man den „Weissen Wolf“ in das Umfeld des NSU einordnen könne, sagt Weingarten, man habe sich dann damit beschäftigt, ob dieses Kürzel ein anderes Verständnis des NSU nahelege, ob in die Szene kommuniziert worden sei. Er gehe davon aus, dass man diese Frage beantwortet habe. Es sei weniger um die Frage gegangen, was es sonst so mit dem „Weissen Wolf“ auf sich habe. Oehlrich sagt, der die Ermittler seien zu den Verfassungsschutzämtern in Hessen und Thüringen gefahren, um sich auszutauschen und fragt, wie das bei Mecklenburg-Vorpommern gewesen sei. Weingarten: „Für Hessen und Thüringen gab es konkrete Anlässe, die gab es für Mecklenburg-Vorpommern nicht.“

Noetzel fragt, ob Weingarten der These zustimme, dass ein Strafprozess ein untaugliches Mittel für eine umfassende Aufklärung des NSU-Komplexes sei. Das bejaht Weingarten: „Ich hätte nicht prognostizieren können, dass ich Ihnen so zustimme.“ Der Strafprozess habe eine Aufgabe und die habe Beschränkungen zur Folge. Wenn man einen gesellschaftlichen Anspruch an Aufarbeitung habe, dann denke er, müsse die im politisch-gesellschaftlichen Raum stattfinden.

Der zweite Zeuge des Tages, VS 7“, ist für die Öffentlichkeit nur akustisch wahrzunehmen. Er erscheint mit Butz Peters. Es geht um die Observation von RA Hans Günter Eisenecker 1999 in Goldenbow. Der Zeuge sagt in seinem Eingangsstatement, er sei mit dem Hinweis geladen worden, dass er Einsatzleiter in Goldenbow gewesen sein solle und dass die Observation in unmittelbaren Zusammenhang mit NSU-Unterstützern gestanden habe. Er sei damals im LfV Truppführer gewesen und sei ab 2002 in ein anderes Bundesland gegangen. Er habe bis zum Beweisbeschluss keine Erinnerung mehr daran gehabt. Die Aktenlage habe bei der Vorbereitung ergeben, dass er der Einsatzleiter gewesen sei. Sie seien einen Tag vor der Observation von einem Kollegen vom LfV Thüringen eingewiesen worden. Wie und wo das passiert sei, wisse er heute nicht mehr. Er entnehme den Akten, dass zwei bekannte Personen aus Thüringen einreisen wollten. Sie hätten am 5. Februar 1999 um 13 Uhr die Observation in Goldenbow begonnen, um 18 Uhr beendet. Er habe drei Anmerkungen. Von einem NSU-Kerntrio sei bei der Observation keine Rede gewesen. Das sei kein besonderer Einsatz gewesen, sondern einer, wie er ihn jedes Jahr dutzendfach erlebt habe. Er habe nach seinem Observationsbericht nicht erfahren, wer die Männer gewesen seien. Der Thüringer Kollege habe gesagt, er kenne sie. Dass es das Grundstück von Eisenecker gewesen sei, sei ihm nicht bekannt gewesen, auch wenn ihm der Name was sagte.

Auf Frage der Vorsitzenden bestätigt der Zeuge, Observationen seien sein Alltagsgeschäft gewesen. Noetzel und Lange haben keine Fragen. Oehlrich fragt, wie groß die Gruppe gewesen sei. Der Zeuge sagt, es seien fünf Mitarbeiter gewesen. Die Abgeordnete hält aus der „Akte Drilling“ vor, dass dort von fünf Personen die Rede sei, die mit vier Fahrzeugen observiert hätten. Das bestätigt der Zeuge. Ihm wird das Dokument mit der Frage vorgelegt, ob er sich dadurch besser an den Ablauf erinnern könne. Dieser sagt, er habe die Seite noch nie gesehen. Oehlrich sagt, dann werde sie wahrscheinlich aus Thüringen kommen. Der Zeuge sagt, das könne sein, aber es gäbe auch Unterlagen aus Mecklenburg-Vorpommern, die sie als Observationsteam nicht zu sehen bekämen.

Auf Frage Domkes sagt der Zeuge, es sei an dem Tag ein Observationsteam und nicht zwei gewesen. Domke hakt nach, ob der Aufklärungsgegenstand die Personen oder Fahrzeuge gewesen seien. Der Zeuge sagt, es sollten ja zwei Personen aus Thüringen nach Mecklenburg-Vorpommern einreisen und das sei ja offensichtlich geschehen. Domke fragt, ob man vorher Namen gewusst oder Lichtbilder gesehen habe. „VS 7“ sagt, Lichtbilder seien ja bei der Observation gemacht worden. Domke fragt, worauf sie dann gewartet hätten, woher sie gewusst hätten, dass es die beiden seien. „VS 7“ sagt, ihre Aufgabe sei gewesen, festzustellen, ob zwei Personen nach Goldenbow einreisen „und mehr wussten wir nicht“. Sie hätten das dann am Jenaer Kennzeichen an einem Kleinwagen, der zu der Adresse gekommen sei festgestellt. Domke fragt, ob Thüringen noch einmal Kontakt aufgenommen und Fragen gestellt habe. Der Zeuge antwortet, er erinnere sich an ein Dankesschreiben, der Einsatz sei gut gelaufen.

Auf die Frage, was es für eine Dienstanweisung gebe, wenn man während einer Observation Straftäter ausfindig mache, sagt der Zeuge, so eine Dienstanweisung sei ihm nicht bekannt. Er könne bestätigen, dass nie ein Observationsteam aufgeflogen sei, sagt er auf weitere Frage. Dankesschreiben seien üblich.

Oehlrich sagt, Norbert Wießner habe vorm Ausschuss ausgesagt, er habe dem Observationsteam Bilder gezeigt. Der Zeuge sagt, daran könne er sich nicht erinnern. Die Abgeordnete fragt weiter, ob es noch weitere Adressen von Eisenecker gegeben habe, zum Beispiel die seines Zweitwohnsitzes in Hamburg. „VS 7“ sagt, das könne er nicht beantworten, weil er es nicht wisse.