Protokoll 44. Verhandlungstag – 9. Oktober 2013

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Für den Mord an İsmail Yaşar in Nürnberg gibt es einen Zeugen, der zwei Männer vor dem Imbiss beobachtete und auch mehrere Schüsse hörte und später zuordnete. Mutasam Z. wurde als erster Zeuge des Tages gehört. Dann folgte eine Polizistin, die eine Auswertung von 68 Zeitungsartikeln vornahm, die in der Frühlingsstraße gefunden wurden. Alle Zeitungsartikel bezogen sich auf Taten des NSU, an zwei Artikeln wurden Fingerabdrücke von festgestellt, sowie ein weiterer einer unbekannten Person. Am Nachmittag berichtete ein Kriminalbeamter ausführlich über die Ermittlungsergebnisse der Autoanmietungen. Diese liefen teilweise auch auf den Namen des Angeklagten André E. und lassen sich auf einzelne Taten zeitlich zuordnen.

Zeug_innen:

  • Mutasam Z. (Zeuge, der zwei Radfahrer in der Nähe des Tatortes beim Mord an İsmail Yaşar gesehen hat)
  • Christina Lo. (Polizeibeamtin; Auswertung von in Zwickau gefunden Zeitungsausschnitten)
  • Nazif Sö. (Arbeitskollege von Habil Kılıç)
  • Udo Vo. (Kriminalbeamter; Auswertung von Fahrzeuganmietungen des NSU)

Der Verhandlungstag beginnt um 9.50 Uhr. Erster Zeuge ist Mutasam Z. aus Nürnberg, der beim Mord an İsmail Yaşar in Nürnberg Beobachtungen machte. Götzl fragt den Zeugen, ob er einen Dolmetscher benötigt, was Z. verneint. Z. berichtet, er sei am 9. Juni 2005 im OBI einkaufen gewesen. Er sei dann mit dem Auto in Richtung seines Ladens unterwegs gewesen und in die Scharrerstraße gefahren. Dort sei Zone 30, man müsse langsam fahren. Nach der Sparkasse gebe es einen Fußgängerüberweg, genau neben dem Imbiss. Er habe dann zwei Radfahrer gesehen, die die Fahrbahn überquert hätten. Von der anderen Seite sei eine Dame gekommen. Dann habe er Schüsse gehört. Er habe sich aber nicht darum gekümmert und sei weiter zu seinem Laden gefahren, das sei so gegen Mittag gewesen. Nun fragt der Vorsitzende Richter Götzl. Z. antwortet, die Radfahrer seien von links nach rechts gefahren. Sie hätten ihn genervt, weil sie sehr langsam gefahren seien. Die alte Dame sei von rechts nach links gegangen. Sie sei gerade am ersten Radfahrer vorbei gewesen, da habe der auf der rechten Seite angehalten und nach dem anderen Radfahrer geschaut. Dann geht es um die Größen der Radfahrer. Z. sagt die Männer seien größer als 1,70, aber kleiner als 1,80 m gewesen. Der erste Radfahrer sei größer als er selbst (1,73 oder 1,74 m) gewesen, der andere so groß wie er selbst, aber kräftiger. An die Kleidung beim ersten Radfahrer könne er sich nicht erinnern, sagt Z. Auf die Frage von Götzl berschreibt der Zeuge den Weg, den er genommen habe: er sei die Scharrerstraße von der Regensburger Straße kommend entlang gefahren und dann Richtung Stephanstraße abgebogen, so Z. Da habe er einen Laden gehabt für Haushaltsgeräte. Er habe in seinem Fahrzeug hinten die Tür offen gehabt, weil die gekaufte Arbeitsplatte 2,50 m lang gewesen sei. Götzl fragt nach den Schüssen. Z. sagt, er habe einen Schuss gehört, dann zwei und dann mehrere hintereinander. Er habe die Schüsse nicht gezählt. Götzl fragt, ob das für ihn eindeutig Schüsse gewesen seien, was Z. bestätigt, er kenne das Geräusch aus dem Irak, dort hätten sie M16, M18, Bruni und Kalaschnikow. Götzl fragt, ob Z. die Geräusche näher beschreiben könne. Z. sagt, die hätten wie Bruni geklungen, es seien normale Schüsse gewesen. Er habe überhaupt nicht überlegt, sich an die Polizei zu wenden, so Z. auf Frage von Götzl. Götzl sagt, Schüsse seien „bei uns“ nicht so gewöhnlich, woraufhin Z. entgegnet, in Nürnberg gebe es so etwas, in Richtung Tiergarten gebe es immer solche Geräusche. Dort sei ein Polizeitrainingscenter oder so. Z. sagt, er sei in seinen Laden gefahren, dann habe er den Hubschrauber gesehen, der lange gegenüber seinem Laden gestanden habe. Seine Nachbarin habe gesagt, der Hubschrauber sei da weil der Besitzer des Imbisses erschossen wurde und er habe gesagt, er habe Schüsse gehört. Den Imbissbesitzer habe er einmal gesehen, als er dessen Fernseher repariert habe. Die Frau des Opfers habe ihn dann gefragt, ob er bei der Polizei aussagen würde, was er dann getan habe. Einen Zusammenhang zwischen den Radfahrern und den Schüssen habe er nicht hergestellt. Bei der Polizei seien ihm hunderte Fotos vorgelegt worden, wiedererkannt habe er nur die große Person, die kräftige nicht. Außer ein paar Kindern habe er keine weiteren Personen auf der Straße gesehen. Götzl fragt nach der Situation mit den Radfahrern. Der zweite Radfahrer sei sehr langsam gewesen und und mit dem Rad stehen geblieben, dabei habe er nicht auf dem Sitz gesessen. Er selbst sei nervös gewesen und habe den Radfahrer angeschaut, der habe zurück geschaut. Z. macht eine winkende Geste, die er gemacht habe. Daraufhin habe der Radfahrer den „schlimmen Finger“ gemacht. Aber der Radfahrer habe mit einem Fuß auf dem Boden auf den zweiten gewartet. Der zweite sei sehr langsam und ruhig gefahren, wie im Urlaub. Er erinnere nicht mehr, ob er gesehen habe, was die Radfahrer dann gemacht hätten. Dann werden Bilder in Augenschein genommen. Zunächst erläutert Z. anhand eines Kartenausschnittes, wo er entlang gefahren sei. Auf den Lichtbildern habe er den ersten Radfahrer „hundertprozentig“ erkannt, den zweiten nicht. Auf der ersten Wahllichtbildvorlage erkennt Z. Mundlos, das sei der erste Radfahrer. Auf der zweiten ist abgebildet, den er nicht identifiziert.  Auf die Frage von Götzl, ob Z. die Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe etwas sagen, antwortet Z., er schaue keine Nachrichten er sei Musikant und spiele Keyboard und Bassgitarre. Nachrichten hasse er, so Z., das sei „alles Lüge“. Götzl hat scheinbar das Gefühl, dass es Verständigungsprobleme gibt und sagt, es sei an dieser Stelle vielleicht sinnvoll, einen Dolmetscher hinzu zu ziehen, und fragt, ob Z. türkisch oder kurdisch sprechen wolle. Z. antwortet: „Türkisch, kurdisch, arabisch, persisch, wie sie wollen.“ Der Dolmetscher nimmt bei Z. Platz. Dann hält Götzl vor, Z. habe angegeben, auf dem Fahndungsplakat seinen die zwei zu sehen, die zum Dönerladen sind. Z. sagt, das sei richtig. Er habe zur Aufklärung beitragen wollen, seine Nachbarn und Kunden hätten darüber gesprochen, dass viele Menschen mit derselben Waffe getötet worden seien. Götzl zeigt das Plakat. Z. sagt, das sei so ähnlich, es seien gezeichnete Bilder gewesen. Der erster Radfahrer sei derjenige, den er vorhin gezeigt habe und nicht, was auf dem Plakat abgebildet sei. Z. nimmt am Richtertisch nochmal das Fahndungsplakat in Augenschein. Dann liest Götzl aus Z.s Vernehmung vom 28.12.2011 vor: Z. habe bei der ersten Lichtbildvorlage spontan die Nummer 2 [Mundlos] erkannt. Und weiter habe Z. gesagt, die Phantombilder auf dem Fahndungsplakat seien seines Erachtens nach die gleiche Person, dabei habe er auf das rechte Person gezeigt, das einen Mann mit Mütze zeigt. Z. sagt, die Person sehe ähnlich aus, sei aber nicht dieselbe, es könne sein, dass er das gesagt habe. Götzl fragt zum Alter der Radfahrer. Z. sagt, er erinnere sich nicht richtig, aber sie seien 28, 29 Jahre alt gewesen. Das deckt sich mit der dann von Götzl vorgehaltenen Altersangabe aus einer früheren Vernehmung Z.s, wo er von 25 bis 30 Jahren gesprochen habe. An die Hose der ersten Person erinnere er sich nicht, so Z. Die zweite Person habe eine Sporthose getragen, die Tasche der Hose sei mit etwas befüllt gewesen, das habe schwer aus gesehen, deswegen sei es ihm aufgefallen. Die Räder seien nicht die abgebildeten gewesen, sie hätten Federn, Stoßdämpfer gehabt, er selber habe auch ein solches Rad. Götzl sagt, Z. habe angegeben, der zweite Radfahrer habe dunkel kurz rasierte oder geschnittene Haare gehabt. Z. sagt, er könne sich nicht erinnern, aber beide Männer hätten kurze Haare gehabt. Götzl sagt, Z. habe damals angegeben, dass er denke, dass das Rad schwarz mit orangefarbenen Streifen gewesen sei. An so etwas erinnere er sich, so Z. Das Rad habe Schutzbleche gehabt, wie Z. sie selbst habe, hält Götzl vor. Z. sagt, es seien kleine Schutzbleche gewesen, keine langen wie auf dem Plakat.

RAin Sturm, Verteidigerin von Zschäpe, bittet um eine Unterbrechung von 15 Minuten. Götzl fragt, ob das nicht warten könne bis er seine Befragung abgeschlossen habe. Sturm sagt, es gehe um eine Verteidigungsbesprechung, das könne warten, aber es gehe auch um die Konzentrationsfähigkeit der Mandantin. Götzl sagt, für eine gute Stunde müsse die Konzentration schon reichen und Zschäpe mache optisch nicht den Eindruck, sich nicht konzentrieren zu können. Sturm sagt, sie habe keine solche Diskussion vom Zaun brechen wollen. Götzl sagt, es gebe üblicherweise eine Unterbrechung um diese Zeit. Er habe aber ein Befragungskonzept und für eine Unterbrechung brauche es gute Gründe.

Es wird noch einmal die zweite Wahllichtbildvorlage, auf der Böhnhardt zu sehen ist, in Augenschein genommen. Der Zeuge kann jedoch keine Person eindeutig identifizieren. Es folgt eine Pause bis 11.37 Uhr. Dann geht es zunächst mit einer Frage von Richter Kramer weiter, die sich auf den Waffentyp bezieht, von dem Z. gesprochen habe. Nach einigen Nachfragen stellt Z. fest, dass die Waffe eine Pistole sei und kein Gewehr, und dass sie die Waffe im Irak „Bronika“ [phon.] nennen würde. Auf eine spätere Nachfrage der Nebenklagevertreterin RAin Pinar wird Z. sagen, dass er nicht sagen wolle, dass es sich um eine solche Waffe gehandelt habe, aber das Geräusch sei ähnlich. Ein Nebenklagevertreter fragt, woran Z. den Eindruck festmache, dass die Radfahrer im Urlaub gewesen seien. Leute im Urlaub seien ruhig und relaxt und müssten nicht zur Arbeit eilen. Der eine Radfahrer habe aber nach links und rechts gelenkt und geschaut, als ob er die Straße gekauft habe. RA Hösl, Verteidiger von Carsten S., fragt, ob das Geräusch, das Z. gehört habe, wie eine Waffe mit oder ohne Schalldämpfer geklungen habe. Z. sagt, das sei ohne Schalldämpfer gewesen. Z. beschreibt das Geräusch, es habe sich nicht angehört wie eine Kalaschnikow, im Irak hätten sie keinen Schalldämpfer. Die Geräusche der Waffen seien ihm immer noch in den Ohren.

Dann folgt die Zeugin Lo., Polizeibeamtin aus Merseburg, die zum BKA abgeordnet war. Götzl fragt nach Asservatenauswertungen, die Lo. vorgenommen habe. Das seien sehr viele Zeitungsartikel gewesen, die in der in der Zwickauer Frühlingsstraße sichergestellt worden seien. Diesen befassten sich mit der Česká-Mordserie und den beiden Kölner Bombenattentaten. Auf zwei Asservaten seien Fingerabdrücke von Beate Zschäpe gefunden worden und auf zwei weiteren handschriftliche Vermerke: einmal das Datum „19.1.2001“ auf einem Zeitungsartikel zum Bombenattentat in Köln und einmal in Großbuchstaben „TERN“. Das könne eine Fahrradmarke sein oder ein Hinweis auf den Ternschen See. Die Asservate seien zum Teil auch im NSU-Bekennervideo kurz eingespielt worden. Götzl sagt, Lo. habe auf einen Artikel aus dem Kölner „Express“ zur Keupstraße verwiesen, er will wissen, ob dort Fingerabdrücke gefunden worden seien. Lo. sagt, auf welchen Artikeln genau Abdrücke gefunden worden seien, wisse sie nicht aus dem Kopf, dazu müsse sie auf ihren Bericht verweisen. Götzl fragt nach einem Artikel aus der tz vom 30. August 2001, ob es da einen Fingerabdruck gebe. Lo. sagt, eine Fingerspur sei auf einer Zeitung aus Dortmund gefunden worden. Die kriminaltechnischen Protokolle hätten ihr vorlegen, es sei möglich, dass auch hier eine Spur gefunden worden, das wisse sie aber nicht aus dem Kopf. Götzl hält aus Lo.s Vermerk vor, am oberen Rand mittig habe eine Spur gesichert werden können, die der Beschuldigten Zschäpe zugeordnet werden könne. Das sei zutreffend, so Lo. Sie haben Anfang Januar im BKA zu arbeiten begonnen und dann habe sie die Gutachten bekommt. Dann wird ein Artikel aus der Dortmunder Zeitung in Augenschein genommen. Das sei der Artikel, auf dem eine Fingerabdruckspur durch die Kriminaltechnik gesichert worden sei, so Lo. Götzl sagt, es finde sich in dem Vermerk kein Hinweis auf Fingerspur von Zschäpe. Lo. sagt, vielleicht trüge sie ihre Erinnerung. Götzl sagt, bei ihnen sei die daktyloskopische Spur auf einem Artikel aus dem Kölner Express. Das seien 68 Artikel gewesen, sie wisse es nicht mehr genau, erwidert Lo. Götzl macht eine Pause bis 12:16 Uhr. Danach hält Götzl vor, auf einem Artikel des Kölner Express vom 11. Juni 2006 sei am unteren Rand rechts eine daktyloskopische Spur zugeordnet worden. Wenn das da so stehe, dann habe sie sich vorhin vertan in Bezug auf den Dortmund-Artikel, sagt Lo. Götzl zitiert ein Behördengutachten vom BKA, wo es heiße, dass Zschäpe Spurenverursacherin sei, es gebe eine Identität der Spurennummer mit dem Abdruck des linken Daumens und linkem Zeigefinger. Nebenklagevertreter RA Stolle fragt, ob Untersuchungen zum Verbreitungsgebiet der Zeitungen gemacht worden seien. Lo. bejaht die Frage, das sei aber nicht so genau zu begrenzen, weil man die Zeitungen an Bahnhöfen und Flughäfen finden könne. Die Auflagezahlen seien aber ermittelt worden. Ob die Zeitung bspw. in Kassel am Bahnhof erhältlich gewesen sei, wisse sie nicht. RA Daimagüler will wissen, ob auch Gratiszeitungen dabei gewesen seien, was Lo. nicht ausschließen kann. Artikel zum Mord an Michèle Kiesewetter habe es im Haus Frühlingsstraße nicht gegeben. Auf Frage von Zschäpes Verteidiger RA Stahl sagt Lo., sie hätten Bilder von den Zeitungen bekommen und geschaut, ob etwas herausgerissen oder unterstrichen gewesen sei. Dann sei durch die Kriminaltechnik geschaut worden, ob daktyloskopische Spuren hinterlassen wurden. Es habe auch sieben Notizzettel mit Zahlen von 2 bis 9 gegeben, die Nummer 5 habe gefehlt. Diese Nummern hätten sich auf einige Artikel durchgedrückt. Sie hätten sich zuerst nur digitalisierte Fotos angeschaut und wenn sie ihn nicht komplett hätten lesen können, hätten sie den Originalartikel angefordert. Die Artikel befassten sich alle mit verfahrensrelevanten Sachen, so Lo. weiter. Stahl will wissen, ob Lo. alle Artikel zur Verfügung gestellt worden seien. Eigentlich hätten sie alles ausgewertet, es sei denn es sei so beschädigt gewesen, dass es nicht ausgewertet werden konnte. Sie habe sich nicht sämtliche Originalasservate schicken lassen, aber z.B. wenn Probleme bei der Lesbarkeit entstanden seien. Auf Frage von Stahl sagt Lo., alle 68 Artikel seien auf daktyloskopische Spuren untersucht worden. Gefunden worden seien Spuren von Zschäpe auf zwei Asservaten, sie gehe davon aus, dass es keine weiteren Spuren gegeben habe, weil sie sonst die Gutachten bekommen hätte. Stahl fasst zusammen, es seien also auf den 68 Zeitungsteilen lediglich an zwei Asservaten Spuren festgestellt worden und diese seien dann Zschäpe. was Lo. bestätigt. Sie wisse nicht, ob die Artikel auch molekulargenetisch untersucht worden seien. Stahl fragt, welche kriminalistischen Schlüsse Lo. aus den beiden daktyloskopischen Spuren gezogen habe. Lo.: „Dass Frau Zschäpe diese Artikel mit ihren Fingern zumindest berührt hat.“ RA Klemke, Verteidiger von , will wissen, wie viele Originalasservate sie insgesamt angefordert habe. Das wisse sie nicht mehr, aber es stehe immer dabei. Nebenklagevertreterin RAin Pinar fragt nach den Ziffern, die sich sich auf den Artikeln abgedrückt hätten. Lo. sagt, es habe mit den Morden zusammen gepasst, 1 sei der erste Mord gewesen, 4 mehrfach der vierte Mord, 6 mehrfach der sechste Mord. Ein Handschriftenvergleich sei nicht durchgeführt worden, weil ein Gutachter gesagt habe, das sei zu wenig Material. Dann fragt noch einmal Richter Götzl, ob nur Fingerspuren von Zschäpe gefunden wurden oder vielleicht auch Spuren, die niemanden zugeordnet werden konnten. Lo. sagt, alle 68 Asservate seien untersucht worden und sie habe nur zwei Gutachten erhalten. Götzl sagt, ihm liege aber ein Tatortspurenverzeichnis vor, in dem viel mehr Spuren aufgeführt würden. Oberstaatsanwalt Weingarten fragt, ob Lo. auch Gutachten gebracht worden wären, wenn Spuren gefunden worden wären ohne personale Zuordnung. Davon gehe sie aus, so Lo. Weingarten fragt, ob Lo. ein Gutachten bekannt sei, in dem es eine Aufzählung gebe über festgestellte daktyloskopische Spuren: Lo. sagt, sie kenne nur die zwei Spuren von Zschäpe. Götzl hält dann vor, es seien acht für daktyloskopische Zwecke nicht geeignete Spuren und drei für Vergleichszwecke geeignete Spuren gefunden worden, zwei seien identifiziert worden, eine sei nicht zugeordnet worden. Lo.: „Das ist mir nicht bekannt.“ Die Vernehmung endet um 12.41 Uhr.

RA Stahl gibt eine Erklärung ab. Der Generalbundesanwalt stütze einen nicht unwesentlichen Teil seiner Vorwürfe gegen Zschäpe auf die These, dass ein umfangreiches Zeitungsarchiv bestanden habe und werfe Zschäpe vor, dass sie an der Erstellung dieses Archivs mitgewirkt habe, was sich dadurch ergebe, dass Fingerspuren festgestellt werden konnten, so Stahl. Es seien aber 68 Zeitungsartikel aufgefunden worden, davon nur eine unbestimmte Anzahl Zeitungsausschnitte und lediglich auf zweien habe es daktyloskopische Spuren gegeben. Wenn man unterstelle, so Stahl, es handele es sich dabei um ein Archiv, sei das Sicht der Verteidigung Zschäpe nicht der Beweis dafür, dass Zschäpe an der Erstellung mitgewirkt hat, sondern ein lediglich seltener Kontakt bestanden haben könne zu den Artikeln. Sonst sei es deutlich lebensnäher, dass eine Vielzahl von Spuren von Zschäpe aufgefunden worden wäre. Der Beweiswert sei daher nicht gegeben.

Es folgt der Zeuge Sö. Er berichtet, er hätte mit dem Mordopfer Habil Kılıç in der Münchner Großmarkthalle sechs Monate zusammen gearbeitet. Eigentlich sei Kılıç ein super Mensch gewesen. Kılıç sei Standbursche gewesen, er selber Verkäufer. Kılıç habe den Kunden die gekaufte Ware nach draußen gebracht. Gegen Mittag habe es ihm immer „pressiert“, weil er in das Lebensmittelgeschäft gewollt habe. Sö. sagt, Kılıç sei sehr intelligent gewesen. In der Zeit des Mordes habe Kılıç Urlaub gehabt, sie hätten aber auch währenddessen Kontakt gehabt. Götzl hält aus einer Vernehmung vom August 2001 vor. Sö. habe angegeben, seit drei Monaten bei der Firma gearbeitet zu haben und selten so schnell und so einen guten Kontakt gehabt zu haben wie zu Herrn Kılıç. Innerhalb der letzten Wochen sei der Kontakt perfekt gewesen. Sö. bestätigt das. Weiter hält Götzl vor, das Geschäft habe durchweg Kılıçs Ehefrau geführt, am 17. August 2001 sei sie mit ihrer Tochter in die Türkei gefahren, Kılıç habe deswegen Urlaub bei seinem Chef beantragt. Er habe sich trotzdem blicken lassen, um Obst zu kaufen und sei fast täglich in der Großmarkthalle gewesen, nur am 29. August 2001 nicht. Sö. sagt, das sei richtig. Götzl fragt, wann Sö. den letzten Kontakt mit Kılıç gehabt habe. Sö. sagt, persönlich sei wohl zwei, drei Tage vorher gewesen und telefonisch einen Tag vorher. Götzl hält vor, sie hätten sich am 29. August gewundert, dass Kılıç nicht gekommen sei, gegen 9:30 Uhr habe Sö. vom Geschäftstelefon angerufen. Kılıç habe sich gemeldet und Sö. habe ihn gefragt, warum er nicht einkaufen gekommen sei, Kılıç habe aber nicht gleich geantwortet und sie seien gleich in ihre „gaudihafte Stimmung“ hinein gekommen hält Götzl weiter vor. Sö. sagt, das sei so gewesen. Die Vernehmung endet um 12:54 Uhr.

Nach der Mittagspause geht es um 14:21 Uhr weiter mit dem Zeugen Vo., Kriminalbeamter aus Borken, der von April bis Juni 2012 zum BKA abgeordnet war, um die Fahrzeuganmietungen des NSU zu bearbeiten. Ihm hätten dazu Mietverträge vorgelegen, die zur Verfügung gestellt worden oder im Brandschutt in Zwickau gefunden worden seien, und Zeugenaussagen. Er habe den zusammenfassenden Vermerk geschrieben, selbst aber keine „Außenermittlungen“ durchgeführt. Es seien insgesamt 65 Anmietungen festgestellt worden, so Vo. 13 davon seien bei der Chemnitzer Vermietung „Caravanvertrieb H.“ angemietet worden, 49 bei der Zwickauer Autovermietung des Zeugen Maik S., zwei bei der Firma „Caravan Service B.“ und die letzte 2011 bei der Firma K. aus Schreiersgrün. Die ersten drei Anmietungen aus den Jahren 2000 und 2003 seien auf den Namen des Angeklagten André E. erfolgt. Zur Anmietung aus 2003 gebe es eine handschriftliche Notiz auf der eine auf den Vater von André E. zugelassene, aber von E. vermutlich selbst benutzte, Nummer angegeben sei. Ab Februar 2004 seien die Anmietungen auf den Namen des Angeklagten Holger G. erfolgt. Anfangs sei hier ein Führerschein vorgelegt worden, in der Folge zwei verschiedene Reisepässe. Bei den Anmietungen auf Holger G. seien drei Handynummern angegeben worden, es handele sich um Prepaidkarten, die auf verschiedene andere Personen zugelassen gewesen seien. Bis zu seinem Weggang vom BKA habe nicht festgestellt werden können, ob die ersten drei Anmietungen tatsächlich von André E. vorgenommen worden seien oder von einer anderen Person unter dem Namen André E. Lichtbilder von E. seien beim „Caravanvertrieb H.“ vorgelegt worden, es sei aber keine Identifizierung erfolgt. Erkannt worden sei bei Lichtbildvorlagen , dabei sei auffällig gewesen, dass das Aussehen auf den Bildern auch eine Ähnlichkeit aufweise zu Holger G., die beiden hätten auch eine nahezu identische Brille getragen. Zschäpe sei bei der Autovermietung aus Zwickau wiedererkannt worden, dass sie zumindest bei einigen Autoanmietungen dabei gewesen sei, speziell bei einer Anmietung eines VW T5, er meine 2011, da sei es um einen geplanten Urlaub gegangen. Bei der Anmietung des letzten Wohnmobils bei der Firma K. sei nach Aussage der Zeugin Ar. Zschäpe ebenfalls bei der Vorbesprechung im Oktober dabei gewesen. Im Rahmen einer Fahndung habe sich ein Herr Go. von der Firma B. aus Glauchau gemeldet, der sich erinnert habe, dass Zschäpe zwischen 2007 und 2008 über eine Vermietung verhandelt habe, die nicht zustande gekommen sei. Götzl hält vor, bei der letzten Anmietung habe Herr K. von der Vermietungsfirma Holger G. und Zschäpe vage erkannt. Das bestätigt Vo., auch bei Frau K. sei das so gewesen. Zu Holger G. seien drei Adressen ermittelt worden, in Hannover und Lauenau. Eine der bei den Anmietungen auf G. angegebenen Mobilfunknummern mit der Vorwahl 0160 sei auf einen Herrn Mo. [phon.] zugelassen gewesen, diese Person sei in Hannover nicht existent. Eine weitere 0160-Nummer sei auf den Namen Janine Sp. angemeldet gewesen, dazu seien im Brandschutt Unterlagen ermittelt worden, auch die Personen habe ermittelt werden können. RA Stahl fragt Götzl, worüber der Zeuge berichte, er habe ja selbst keine Ermittlungen angestellt. Götzl erwidert, wie Stahl Aussagen werte, sei seine Sache, er könne ja ggf. beantragen Zeugen zu laden. Lachend sagt Götzl: „Ich kann auch bei jedem Satz den Zeugen fragen, ob er sich erinnert. Ich habe da viel Energie.“ Götzl hält vor, Janine Sp. aus Mülsen sei am 2. Juli 2003 von einer weiblichen Person, möglicherweise von Zschäpe, angesprochen worden, ob sie ihre Personalien für eine Prepaidkarte zur Verfügung stelle. Dann fragt Götzl nach der letzten Nummer mit der Vorwahl mit der Vorwahl 0151. Diese habe eine Sandy N. zur Finanzierung ihrer damaligen Drogensucht verkauft, hält Götzl vor. Sie sei von einer nicht identifizierten Frau angesprochen worden und habe als Entlohnung 20 Euro erhalten. Vo. bestätigt das. Dann fragt Götzl, ob Böhnhardt als Böhnhardt erkannt worden sei. Vo. sagt, Frau H. habe zunächst gemeint, dass G. und Böhnhardt ein und dieselbe Person seien, dann habe sie aber Böhnhardt als ausschließlichen Anmieter unter dem Namen Holger G. erkannt. Im Wohnmobil am 4. November 2011 seien Dokumente von Holger G. gefunden worden, so Vo. auf die Frage Götzls. G. habe drei Führerscheine mit den Endnummern 51, 52, und 53 gehabt, der Führerschein Nummer 52 sei den Untergetauchten zur Verfügung gestellt worden. Dieser und ein 2011 ausgestellter Reisepass seien im Wohnmobil gefunden worden. Böhnhardt und Mundlos seinen im Besitz eines Führerscheins gewesen, Zschäpe nicht. Dann sagt Götzl, sie müssten nun alle Anmietungen von Fahrzeugen detailliert durchgehen. Nach einer Pause beginnt er damit. Zunächst führt aber Vo. aus, es seien 65 Anmietungen von Wohnmobilen und sonstigen Fahrzeugen erfolgt, von diesen stünden 15 Fahrzeuge in Zusammenhang mit 17 in Rede stehenden Straftaten, 6 Tötungsdelikte, 2 Sprengstoffanschläge und 9 Raubüberfälle. Der Rest stehe entweder mit bekannten Urlauben im Zusammenhang oder es sei unklar, was damit erfolgt sei. Es seien bundesweit auch alle großen Autovermietungen angefragt worden, weitere Vermietungen seien aber nicht festgestellt worden. Götzl beginnt die Daten in der von Vo. angelegten Liste zu verlesen. In der Liste sind die Anmietezeiträume, der Fahrzeugtyp, die Autovermietung, das Kennzeichen und ggf. bekannte Verwendungszwecke angegeben, sowie Besonderheiten, wie mögliche Verlängerungen der Anmietung, außerdem bei einigen die gefahrenen Kilometer. Vo. erläutert dazu später, dass bei der Firma H. keine Kilometerangaben auf den Verträgen vermerkt seien, wohl aber bei der Zwickauer Autovermietung. Vo. äußert sich meist nicht zu den einzelnen von Götzl verlesenen Daten, er nennt aber bekannte Verwendungszwecke. Eine Anmietung eines Wohnmobils im Dezember 2000 auf André E. stehe im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Kölner Probsteigasse. Im Zeitraum der ersten Anmietung auf Holger G., eines Fiat-Wohnmobils im Februar 2004, sei der Mord an Mehmet Turgut in Rostock passiert. Der Anmietezeitraum eines VW Touran im Juni 2004 korrespondiere mit dem Nagelbombenanschlag in Köln. In der Zeit der Anmietung eines Skoda Octavia im Juni 2005 habe der Mord an İsmail Yaşar in Nürnberg stattgefunden. Im Anmietezeitraum eines Fiat-Wohnmobils im Juni 2005 sei in München Theodoros Boulgarides ermordet worden. Einige Daten könnten laut Vo. bestimmten Urlauben zugeordnet werden. Meistens handele es sich dabei Campingplatz-Aufenthalte, etwa am „Wulfener Hals“ auf Fehmarn, oder an der Talsperre Pöhl im Vogtland. Bei den jeweiligen Buchungen auf den Campingplätzen, nennt Vo., sofern bekannt, die benutzten Namen „Susann Eminger“, „Holger G.“, „Max Burkhardt“ oder „Jens Burkhardt“. Einige Daten seien auch Besuchen bei Urlaubsbekanntschaften zuzuordnen.

Bei der 32. von Götzl verlesenen Anmietung unterbricht RA Stahl. Er habe Schwierigkeiten das prozessual einzuordnen, so Stahl. Götzl lese seitenweise vor und der Zeuge nicke still. Götzl erwidert, der Zeuge bestätige, was er niedergelegt habe, aber Stahl könne auch „das volle Programm“ haben, er könne auch jede einzelne Angabe abfragen, er könne auch die Verträge vorlesen. Stahl sagt, es gehe lediglich darum, was es prozessual bringe, wenn Götzl dem Zeugen die Tabelle vorhalte.

Bei den folgenden Anmietungen fragt Götzl dann tatsächlich bei den einzelnen Daten jeweils die Erinnerung des Zeugen ab. Dieser bittet meist um weitere Vorhalte zur Erinnerungsstütze und bestätigt dann das Verlesene. Dadurch verlangsamt sich der Prozess deutlich. Die Anmietung eines Fiat-Wohnmobils im April 2004 korrespondiere mit den Morden an Mehmet Kubaşık in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel, so Vo. Die Anmietung eines Fiat-Wohnmobils im April 2007 decke sich mit dem Mord an Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Anmietungen beim „Caravanvertrieb H.“ habe es bis 2007 gegeben, so Vo. Die 65. Anmietung, der einzigen bei der Firma K., decke sich dann mit dem Raubüberfall in Eisenach am 4. November 2011, bei denen Uwe Böhnhardt und ums Leben kamen. Vo. berichtet, sie hätten, wenn die Anmietung in möglicher Verbindung mit Straftaten gestanden habe, mit „Nokia Maps“ die Distanzen zwischen den Vermietungsfirmen und den bekannten Tatorten sowie Urlaubsorten abgemessen. Sie hätten keine Vermietung gehabt, wo die Kilometerangaben der Autovermietungen unter den errechneten gewesen seien. Es habe entweder gepasst oder es seien mehr Kilometer gefahren worden. Ordnungswidrigkeiten oder Verkehrsverstöße seien bei den Anmietungen nicht festgestellt worden. Das decke sich mit Zeugenaussagen, die besagten, dass Böhnhardt, der Fahrer der Gruppe, sich akribisch an die Straßenverkehrsordnung gehalten habe. Die Gesamtsumme der Kosten für die Fahrten inklusive Benzinkosten sei auf 27.622,62 Euro errechnet worden, so Vo. Auf Frage von Oberstaatsanwältin Greger sagt Vo., die Anmietungen seien in bar bezahlt worden. Ein angemietetes Fahrzeug sei im Rahmen der Ringfahndung beim Mord Kiesewetter erfasst worden. Beim letzten angemieteten Wohnmobil sei am Heck des Fahrzeugs eine Videokamera angebracht worden, an weitere Manipulationen könne er sich nicht erinnern. Nebenklagevertreter RA Narin möchte wissen, ob Ermittlungen zu einer Brigitte Ke. durchgeführt worden seien, deren Anschrift auf einer Rechnung der Firma H. angegeben sei. Vo. sagt, er könne sich nicht erinnern. Bei der Wegstreckenermittlung sei es so gewesen, sagt Vo. auf Frage Stahls, dass er mit dem Kollegen im Büro gesessen habe, der Kollege habe die Wegstrecken ermittelt und er selbst habe die Daten in den Bericht geschrieben. Götzl sagt zu Stahl, dass gerne der Kollege geladen werden könne, wenn Stahl die Angaben anzweifele.
Götzl fragt nach dem Namen des Kollegen von Vo. und lässt sich noch einmal erläutern, wie die Wegstreckenermittlung abgelaufen ist. Die Vernehmung endet um 16.47 Uhr.

Götzl verkündet, dass der Antrag der RAin Pinar, das Notizbuch des Zeugen P., als Beweismittel heranzuziehen [s. Protokoll 17. Verhandlungstag], abgelehnt ist.

Die Sitzung endet um 16.51 Uhr.

Nach dem Ende des Verhandlungstages erklärt Rechtsanwalt Hoffmann:
„Obwohl Fingerabdrücke naturgemäß auf Papier sehr schlecht zu sichern sind, wurden zwei Fingerabdrücke Zschäpes gefunden. […] bei einer Anmietung [wurde]auf den Namen Eminger die Telefonnummer eines tatsächlich von diesem genutzten Mobilanschlusses angegeben, was dafür spricht, dass nicht nur dessen Ausweispapiere benutzt wurden, sondern er auch in direktem Kontakt stand.“

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