Protokoll 54. Verhandlungstag – 12. November 2013

2

Zur Klärung der Frage nach den Anmietung von Fahrzeugen durch oder auf die Namen von Holger G. (oder auf den Namen von André E. bzw. eventuell selbst durch Holger G.) wurden Mitarbeiter_innen zweier Wohnmobilvermietungen angehört. Es folgte dann die sehr zähe Befragung von , Ehefrau eines Freundes von Holger G. aus der rechten Szene. Sie hatte für 300€ ihre Krankenkassenkarte dem Angeklagten Holger G. und damit Zschäpe überlassen. Ein Vorfall, der bei der Befragung herauskam, wirft indes erneut Fragen über das Verhalten der Behörden auf: Beamte des Zeugenschutzes haben Holger G. zu einem Treffen mit Alexander und der weiterhin beschuldigten Silvia S. im Sommer 2012 begleitet, in dem über den Anklagevorwurf gesprochen wurde.

Zeug_innen:

  • Marco K. (Wohnmobilanmietung im Oktober/ November 2011)
  • Bianca K.  (Wohnmobilanmietung im Oktober/ November 2011)
  • Alexander H. (Anmietung von Wohnmobilen 2000 bis 2007)
  • Silvia Sch., geb. Ro. (Weitergabe einer Krankenkassenkarte, die nutzte)

Die Sitzung beginnt um 9.45 Uhr. Erster Zeuge ist Marco K. K. sagt, die Anmietung des Wohnmobils [Ende Oktober bis Anfang November 2011 in Schreiersgrün] sei ganz normal gewesen. Die Anmietung und Kautionshinterlegung habe seine Kollegin vorgenommen, er habe das Fahrzeug an einen jungen Mann übergeben. Er habe gefragt, ob der sich auskenne, das sei bejaht worden. Nach einer Viertelstunde seien sie mit den technischen Modalitäten durch gewesen. Es sei für zehn Tage gemietet worden. Ein Tag vor Rücknahme sei ein Anruf gekommen, dass um zwei Tage verlängert werden solle. Das nächste sei ein Anruf der Kripo Zwickau gewesen, ob das Kennzeichen von ihnen sei. Dann sei die Polizei gekommen und habe Kaution, Belege und Verträge beschlagnahmt und sie vernommen. Nach Aussage seiner Kollegin habe es sich beim Mieter um einen Holger G. gehandelt. Zur Schlüsselübergabe sei der Mann alleine gewesen, so K. Die Übergabe sei am frühen Nachmittag gewesen. K. bestätigt den Vorhalt von Götzl, das Wohnmobil sei am 25. Oktober 2011 abgeholt und am 14. Oktober 2011 geordert worden. Auch den Vorhalt, dass die Mietdauer auf 11 Tage zurück datiert worden sei bis zum 4. November, bestätigt K.; die erste Befragung durch die Polizei sei noch mit Unterlagen gewesen. Die Bezahlung und Kautionshinterlegung sei bar erfolgt. Er sagt, er habe auch eine Frau gesehen mit langen schwarzen Haaren, habe aber nicht ins Detail gehen können. Zwischen Büro und Werkstatt sei ein kleiner Gang mit Sichtfenster in den Verkaufsbereich, von da sehe man die Leute im Verkaufsraum. Götzl hält zur Beschreibung vor, die Frau habe relativ wenig dazu gesagt, aber das in „hiesigem Dialekt“, sie sei ca. 30 Jahre alt gewesen und habe schwarzes Haar bis über die Schultern gehabt. Daran könne er sich jetzt nicht mehr erinnern, das sei damals aber erst zwei Wochen her gewesen. Auch, dass die Kollegin angegeben habe, es sei ein kleines Kind, maximal erste Schulklasse, dabei gewesen, erinnere er nicht mehr. Die Kundschaft sei telefonisch zu ihnen gekommen, weil wohl bei anderen Vermietern nichts mehr frei gewesen sei. Ein Fahrzeug sei ihm damals nicht aufgefallen, sagt K. auf Vorhalt Götzls, dass seine Kollegin ein dunkles Fahrzeug mit auswärtigem Kennzeichen gesehen habe. Es könne sein, dass der Kunde erwähnt habe, dass es um eine Kurzreise in Deutschland gehe. Das Wohnmobil sei fast neu gewesen, der Zeitwert habe fast 40.000 Euro betragen, so K. auf Frage von Götzl. Götzl hält eine Beschreibung der männlichen Person vor, derzufolge K. diese als sportlich, muskulös, ca. 180 bis 185 cm groß und ca. 35 bis 40 Jahre alt mit dunklen sehr kurzen Haaren beschreiben habe. Anhand seiner Sprache habe K. ihn eher dem nördlichen Bereich Deutschlands zugeordnet. Er habe normale Jeans und ein langärmliges Oberteil getragen. Dann werden Lichtbilder in Augenschein genommen. Mit der Nummer 7 ist der Angeklagte Holger G. zu sehen. K. sagt, er erkenne das Bild 7, könne aber nicht mehr hundertprozentig sagen, dass die Übergabe mit ihm erfolgte. Nach weiteren Lichtbildern werden Bilder von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gezeigt. Die Bilder kenne er aus dem Fernsehen, so K. Im Folgenden hält Götzl Aussagen vor, denen zufolge K. die Nummer 7 an Kopfform, Kurzhaarschnitt und Gestalt erkannt habe, die Person sei aber ungepflegt und bärtig, das sei beim Mieter nicht so gewesen. Weiter hält Götzl vor, dass K. zunächst von 60 Prozent Sicherheit gesprochen habe, dann von 80 Prozent und schließlich 100 Prozent, wenn die Person rasiert sei und freundlicher schaue. K. sagt, es gehe darum, dass die Beamten die Bilder immer wieder vorgelegt hätten, die 7 komme wohl der Sache am nächsten. Zur Frau sagt K., sie sei 30 bis 35 Jahre alt gewesen, an eine Brille könne er sich nicht erinnern. Götzl hält aus einer Vernehmung vor, die Frau sei etwa 30, ein „dunklerer Typ“, schlank und 165 bis 170 cm groß gewesen, sie habe nicht Sächsisch, sondern Hochdeutsch „zu unserer Region passend“, vielleicht Thüringisch gesprochen. Das könne er nicht mehr sagen, so K. Sie habe eine dickere Jacke getragen. Götzl hält vor, die Jacke habe laut K.s früherer Aussage etwas Rotes am Kragen gehabt, K. habe aber angegeben, die Frau nur am 14. Oktober gesehen zu haben. Nebenklagevertreterin RAin Basay fragt, ob K. die Firma „Sportboote Zi.“ bekannt sei. K. sagt, das sei ein Geschäftspartner, sie würden sich gegenseitig Kunden vermitteln, er habe aber auf keinen Fall die Kunden, um die es hier geht, an Zi. vermittelt. RA Behnke will wissen ob sich K. anwaltlich habe beraten lassen. K. sagt, er habe immer noch ein abgebranntes Wohnmobil da stehen. Deswegen habe er einen Anwalt. Er habe sich aber nicht speziell auf seine Aussage hier vorbereitet. Er habe mit dem Anwalt darüber gesprochen, ob er hierhin müsse, es sei auch ein Brief ans Gericht gegangen. Den Namen des Anwalts will K. nicht nennen. Auf Frage von RA Reinecke sagt K., sie würden bei Vermietungen Führerschein und Ausweis einsehen und die Daten abschreiben. Die Fotos würden per kurzen Blickkontakt gecheckt, man vergleiche, ob das passe. Das habe aber die Kollegin gemacht. Reinecke hält vor, laut Handyauswertung habe es am 26. August um 10.58 Uhr bereits einen Kontakt des Trios zu K.s Firma gegeben. Er habe daran persönlich keine Erinnerung, so H., vielleicht sei das eine Frage nach einem freiem Fahrzeug gewesen. Sie hätten ständig Anrufe nach freien Terminen, die würden als solches nicht registriert. RA Behnke nennt aus den Akten den Namen des Anwalts von K. K. sagt auf Frage, er habe bisher keine Leistungen für das zerstörte Wohnmobil erhalten. Er gibt an, zu seinem Anwalt zunächst einmal keine Fragen mehr zu beantworten. RA Hoffmann bitte darum, dem Zeugen ein Lichtbild vorzulegen. Nach einer kurzen Pause werden dem Zeugen Bilder von Susann E., der Ehefrau des Angeklagten André E., vorgelegt. Das seien hier geflochtene Haare, so der Zeuge, das würde er jetzt so nicht wiedererkennen. Wenn er das mit dem Geflochten weglasse, dann könne er jetzt auch keine Aussage dazu treffen. Die Vernehmung endet um 10.49 Uhr.

Götzl teilt mit, dass die Zeug_innen Mandy St., Torsten Wa. [beide rechte Szene]und Ra. [Beamter] zu einem späteren Zeitpunkt gehört werden.
Es folgt die Zeugin Bianca K. Sie berichtet, dass sie bei der Abholung des Fahrzeugs zwar im Geschäft, aber mit anderen Kunden beschäftigt gewesen sei, daher habe sie nicht viel mitgekriegt. Sie habe einmal Telefonkontakt mit jemandem gehabt, der sich als Herr G. vorgestellt habe. Da sei es um die Verlängerung der Mietdauer gegangen. Von einem Kind wisse sie von ihrer Kollegin, sie selbst habe das Kind nur gehört. Die Frau habe lange dunkle Haare gehabt und sei schlank gewesen, Der Mann habe eine Brille getragen, habe einen kurzen Haarschnitt gehabt, etwas Rotes getragen und sei 30 bis 40 Jahre alt gewesen. Der Mann habe sein Gesicht ihrer Kollegin zugewendet, die Frau habe am Regal gestanden und in Campingführern geblättert. Götzl hält aus K.s polizeilicher Vernehmung vor, sie habe angegeben, das Kind sei ein Mädchen von 7 oder 8 Jahren und ca. 120 cm groß gewesen. Das habe ihr vielleicht ihre Kollegin vorab gesagt, heute wisse sie dazu nichts mehr. Zur Beschreibung des Mannes stehe in der Vernehmung, so Götzl, er sei etwa 190 cm groß gewesen, habe eine sportliche Gestalt gehabt und sei oben etwas breiter gewesen; er habe eine rotes T-Shirt und darüber eine Jacke getragen. Die Frau sei etwa 170-175 cm groß gewesen, sei zwischen 30 und 35 Jahren und schlank gewesen und habe lange dunkle Haare gehabt. K. sagt, bei den Haaren sei sich sicher, die habe die Frau offen getragen. Dann geht es um die telefonische Verlängerung der Anmietung bis zum 7. November 2011. Weiter hält Götzl vor, der Kunde habe schon einmal mit K. telefoniert, weil er das Wohnmobil eigentlich am 21. Oktober habe entgegen nehmen wollen, es aber erst am 25. Oktober habe abholen können. K.: „Es war schon die ganze Zeit so ein Hin und Her.“

Nächster Zeuge ist Alexander H., Wohnmobilvermieter aus , der von 2000 bis 2007  Fahrzeuge an das Trio vermietet hat. H. berichtet, die Fahrzeuge seien immer auf den Namen G. angemietet worden. Der Name André E. sage ihm nichts. Bei der Person, die die Fahrzeuge angemietet habe, handle es sich um die Person, die „aus den Medien bekannt“ sei. Sie habe hin und wieder Wohnmobile gemietet. Die Person sei relativ unauffällig gewesen und habe kurze Haare gehabt. Sie sei „grundsätzlich immer allein“ gewesen. Es sei, so H., möglich, dass seine Mutter telefoniert oder Mietverträge gemacht habe: „Aber die Übergabe oblag uns beim Werkstattbereich.“
Dann wird H. ein Bogen mit Lichtbildern vorgelegt, als Nummer 2 ist der Angeklagte Holger G. mit Brille und veränderter Frisur zu sehen. H. sagt, dieser Herr sei bei ihm gewesen. Auf vorgelegten Bildern von Frauen, darunter Zschäpe, erkennt er niemanden. Auf einem weiteren Bogen, auf dem Uwe Mundlos, Holger G. und André E. zu sehen sind, erkennt er ebenfalls niemanden. Zu einem vorgelegten Mietvertrag, in dem ein Mieter „André E.“ eingetragen ist, sagt H., der sei von seiner Mutter ausgefüllt worden. Die Bezahlung erfolge bar oder per EC-Karte, die Kaution müsse immer bar erfolgen. Auf Frage von Götzl sagt H., es sei mal ein Heft liegen geblieben, das habe er in einen Karton für liegen gebliebene Sachen gelegt. Götzl hält vor, es habe sich um einen „Spiderman“-Comic gehandelt. Nach ca. zwei Jahren habe „G.“ angerufen und danach gefragt. Diese Nachfrage könne laut H.s Aussage bei der Polizei sogar erst 2010 gewesen sein. H. bestätigt das. Weiter hält Götzl vor, H. habe angegeben, er könne fast ausschließen, dass es nach 2007 noch Anmietungen gegeben habe. Auf Frage aus dem Senat, sagt H., sie würden teilweise auch im Winter vermieten, Winter sei für sie auch jetzt schon die Zeit. Ab 2008 hätten sie das eine Zeit lang nicht gemacht. Auf Frage von Nebenklagevertreterin RAin Lunnebach sagt H., er kenne den Namen André E. in Verbindung mit dem Prozess. Er könne aber auf der Anklagebank niemanden zuordnen außer Zschäpe, die er aus den Medien kenne. RA Narin hält vor, dass es von 2000 bis 2007 14 Anmietungen gegeben habe, die ersten drei Anmietungen 2000 bis 2003 seien unter der Aliaspersonalie „André E.“ erfolgt. H. sagt, er könne nicht sagen, ob es sich um die gleiche Person gehandelt habe. Sie hätten gewusst, so H., dass „G.“ aus Hannover kommt. Der Name Thomas Gerlach [bekannter Neonazi aus Thäringen]sage ihm nichts, so H. Seine politische Gesinnung sei nicht rechts oder „national“, so H. auf Frage von Narin. Narin fragt nach Kennzeichen von Fahrzeugen, die H. besessen haben. Er habe Fahrzeuge mit den Buchstaben A und H, das seien seine Initialen. Mit der auf einem Kennzeichen verwendeten Zahl 28 bringe er nichts in Verbindung, so H. Vom Mordanschlag auf Michèle Kiesewetter habe er das erste Mal bei der Befragung durch die Polizei erfahren. Am 25. April 2007 sei er unterwegs gewesen, um sich ein gebrauchtes Wohnmobil anzuschauen, es könne sein, dass das „in der Ecke“ Heilbronn gewesen sei. Normalerweise sei er eher in der Gegend von Würzburg unterwegs, so H. An Polizei sei ihm damals nichts aufgefallen, das sei er schon bei der Polizei gefragt worden. RA Langer fragt, ob es Mietverträge und Rechnungen gebe. H. sagt, die Mietverträge seien die Rechnungen. Langer sagt, das eben gezeigte Exemplar sehe ganz anders aus. Dann sagt H., es brauche schon einen Mietvertrag, nur mit Rechnung werde nichts vermietet. Sie würden die Unterlagen zehn Jahre aufheben. Es wird unterbrochen, um eine Rechnung zur Vorlage herauszusuchen. Danach wird eine Rechnung vorgelegt. H. sagt, das sei eine Rechnung seiner Firma, ob noch ein Mietvertrag vorliege, müsse er nachschauen. Wenn es einen gebe, habe die Staatsanwaltschaft den zwar sicher schon gefunden, aber er könne gerne nochmal nachschauen. Kilometerangaben seinen nicht eingetragen worden, so H. auf Frage von Langer, weil die Kilometer frei seien. Sie müssten sonst den Kilometerzähler eichen und verplomben lassen, da seien die Kosten zu hoch. Dass Personen von außerhalb Fahrzeuge anmieten, sei nichts Außergewöhnliches, so H. Auf Frage von RA Behnke sagt H., nur seine Privatfahrzeuge hätten Kennzeichen mit „AH“ gehabt: „Ich habe mir damals keine Gedanken gemacht und ich weiß nicht, ob jeder verdächtig ist, der AH in den Kennzeichen hat.“ Ein Fahrtenbuch habe er bei der Fahrt nach Heilbronn nicht geführt, der VW-Transporter sei ausschließlich betrieblich genutzt worden. Das Fahrzeug sei 2009 oder 2010 verunfallt, die Unterlagen dazu könne er übergeben. Auf Frage von RA Reinecke sagt H., sie würden bei Anmietungen Ausweis und Führerschein kontrollieren. Reinecke sagt, er habe in den Akten einen Vertrag auf André E., in dem nur die Ausweisnummer stehe. Normalerweise würden sie immer den Führerschein kontrollieren, aber das könne schon mal vorgekommen sein. Die Bilder im Führerschein würden sie flüchtig kontrollieren. Es folgt die Mittagspause. Um 13.06 Uhr geht es weiter. Dann wird ein Führerschein auf den Namen und mit dem Bild von Holger G. in Augenschein genommen. H. sagt, er können schon einen Unterschied erkennen, aber ob ihm das damals aufgefallen wäre, könne er nicht sagen. Auf Frage von RA Behnke sagt H., sein Vater sei bei der Fahrt nach Heilbronn dabei gewesen. Er habe möglicherweise schon am selben Tag im Radio vom Mord an der Polizistin erfahren, er wisse es nicht mehr, so H. Behnke fragt, wie man so etwas vergessen könne, er glaube H. das nicht. RA beanstandet, daraufhin sagt Behnke zu Klemke, er wolle ihn an seine Pflichten als Organ der Rechtspflege erinnern, Klemke verstoße häufiger gegen seine Pflichten. Klemke erwidert, er verwahre sich gegen diesen Vorwurf.
H. sagt, er sei damals beim Verkäufer des Wohnmobils gewesen, er könne den Namen nicht mehr erinnern. Das Fahrzeug sei, so H. weiter, bei „mobile.de“ inseriert gewesen. Das sei auch alles überprüft worden von der Polizei. Er habe mit niemandem über seine heutige Aussage gesprochen, so H.

Es folgt die Vernehmung der Zeugin Silvia Sch. geborene Ro., bei deren Vernehmung es um eine von Beate Zschäpe verwendete AOK-Karte geht (siehe Protokoll zum 23. Verhandlungstag). Die Vernehmung der Zeugin Sch. gestaltet sich überaus zäh. Sch. sagt sagt immer wieder, sie wisse oder erinnere Dinge nicht, sie habe Probleme Sätze zu finden. Auch widerspricht sich die Zeugin immer wieder. Sie gibt auf die Frage Götzls zur Karte an, sich nicht mehr genau zu erinnern. Sie und ihr Mann seien „bei Holger“ [gemeint ist der Angeklagte Holger G.]zu Hause gewesen, hätten etwas getrunken, „was Freunde halt so machen“: Dann habe G. in die Runde gefragt, ob jemand eine Karte habe. Sie habe das nie hinterfragt, für was G. das braucht: G. habe ihr dann gleich die 300 Euro angeboten: Sie habe die Karte eine Woche, genau wisse sie es nicht mehr, sperren lassen, daraufhin habe sie gleich eine neue bekommen. Richter Götzl: „Wann war das ungefähr?“ Sch.: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Aber eine gewisse zeitliche Vorstellung werden sie doch haben.“ Sch.: „Da kann ich mich wirklich nicht dran erinnern, das ist ja schon ein bisschen her.“ Götzl: „Wieviele Jahre zurück?“ Sch. schweigt. Götzl sagt, Sch. solle dann schätzen. Sch.: „2006, 2007, keine Ahnung, ich weiß es halt nicht mehr.“ Götzl: „Wie war denn die Situation, wie kam man auf die Thematik AOK-Karte?“ Sch.: „Wie das dazu gekommen ist? Es war einfach nur so ein Gerede, wer so eine Karte hat und ja. Ich habe in dem Moment nur das Geld gesehen, ich bin eine arme Friseurin und ja. Punkt.“ Sie habe sich nichts vorgestellt, sie habe nicht gedacht, dass „damit etwas passiert“, so Sch. weiter. Bei dem Gespräch seien sie in der alten Wohnung von Holger G. gewesen, außer ihrem Mann und G. sei niemand sonst dabei gewesen. Sie hätten sich über „belanglose Sachen“ – Arbeit, Urlaub – unterhalten. Mit G. hätten sie sich zwei-, dreimal im Monat am Wochenende zum Feiern getroffen. Götzl sagt: „Versuchen Sie mir mal die Situation detailgetreu zu schildern.“ Sch. antwortet: „Wir saßen in der Runde und irgendwann fragte Holger mich, ob ich nicht eine Krankenkassenkarte hätte. Ich habe das nicht hinterfragt.“ Sch. sagt, sie habe G. nicht gefragt, wofür er die Karte brauche. Götzl: „Sie fragen nicht, Sie denken nichts dazu. Ich habe Schwierigkeiten mir das vorzustellen.“ Sch. sagt, sie könne sich schlecht erinnern: „Ich kenne diese Beate auch nicht, ich habe sie noch nie gesehen, ich hätte meine Karte auch nicht gegeben, hätte ich das gewusst, da kann ich ja gleich ins Gefängnis.“ Auf die Sperrung der Karte angesprochen, sagt Sch., sie habe sich gedacht, die Karte sei sowieso gleich abgelaufen und dann habe sie sie eine Woche später als verloren gemeldet. Das Geld habe G. an besagtem Abend gleich dabei gehabt und sie habe ihm auch gleich ihre Karte, die sie im Portemonnaie gehabt habe, gegeben. Weitere Karten habe sie ihm nicht gegeben. Götzl sagt, sie werde sich doch Gedanken gemacht haben, warum G. ihr 300 Euro für so eine Karte gibt. Sch. erwidert, sie habe nur das Geld gesehen. Mit ihrem Mann habe sie nicht darüber gesprochen. Götzl fragt wieder zur Situation. Sch.: „Wir haben Alkohol getrunken, vielleicht einen geraucht, wie gesagt, ich hab nur die 300 Euro gesehen.“ Sie verneint, weiter Unterlagen oder Karten an G. oder andere weiter gegeben zu haben.

Holger G. habe sie 2005 im „Soap Club“ in Hannover kennengelernt, als sie ihren Mann kennen gelernt habe. Über politische Themen hätten sie nicht gesprochen, sie interessiere sich nicht für Politik. Zur politischen Einstellung von G. damals könne sie nichts sagen. Götzl hält der Zeugin aus der Vernehmung ihres Mannes Alexander Sch. vor. Dieser habe angegeben, dass die Übergabe in seiner Wohnung in Hannover erfolgt sei. Er habe außerdem Kenntnis davon erlangt, dass diese Karte etwa im Jahr 2005 von einer unberechtigten Person benutzt worden sei. Weiter habe Alexander Sch. ausgesagt, von wem er erfahren habe, dass die Karte unberechtigt benutzt wurde, wolle er nicht sagen, die Information sei von einem Juristen gekommen, mit dem er sich angesichts seiner Vorladung unterhalten habe. Silvia Sch. sagt, davon wisse sie nichts. Dann sagt sie, sie habe mit ihrem Mann darüber gesprochen, aber sie habe doch nicht gewusst, wo die Karte hingeht. Götzl weist darauf hin, dass sie eben gesagt habe, sie habe nicht mit ihrem Mann gesprochen. Sie hätten beide nicht gewusst, an wen die Karte gelangt ist, so Sch. Das sei ihr erst bei der Vernehmung bewusst geworden: „Erst nachdem mir der Polizist den Focus hingeworfen hat. Frau Sch., Sie sind jetzt berühmt, mit voller Adresse.“ Richter Götzl hält Sch. die Kopie der AOK-Karte vor. Sch. bestätigt, dass die Karte im Jahr 2008 abgelaufen wäre. Götzl sagt, die Übergabe sei 2005 gewesen, aus der Karte ergebe sich nicht, dass das Ablaufdatum bald gewesen wäre, wie Sch. angegeben hat. Sch. sagt, sie verliere immer wieder den Faden, sie habe die Karte als gestohlen gemeldet. Götzl erwidert, das sei eine neue Variante, eben habe sie davon gesprochen, dass sie „verloren“ gemeldet habe. Dann habe sie sich falsch ausgedrückt, so Sch. Dann hält Richter Götzl Sch. der Reihe nach Lichtbilder vor. Gezeigt werden zunächst Zettel. Sch. sagt, da stehe ihre alte Adresse drauf, das sei aber nicht ihre Schrift. Dann ein Bibliotheksausweis mit dem Bild Zschäpes (siehe Protokoll zum 23. und 38. Verhandlungstag). Sch. sagt, sie habe nie einen Bibliotheksausweis besessen. Das sei ihr Name und ihre Adresse, aber nicht ihre Unterschrift. Es folgen ein Brillenpass der Firma Fielmann, ein Radpass von „Radmaxx“, eine Paybackkarte von „Praktiker“, ein zahnärztlicher Behandlungsvermerk, eine Quittung über die Zahlung der Krankenkassengebühr und Bonusheft. Jeweils sagt Sch., die Unterlagen seien nicht von ihr.
Am Tag der Vernehmung habe sie mit ihrem Mann gesprochen, dass sie da in etwas „rein gerutscht“ sei, mit dem sie nichts zu tun habe. Götzl sagt, sie sei bei der polizeilichen Vernehmung mit den Unterlagen konfrontiert worden, sie müsse sich doch Gedanken gemacht haben darüber, dass ihre Adresse und ihre sonstigen Lebensumstände benutzt wurden. Sch. sagt, ihr Kopf sei ganz leer. Götzl erwidert, sie mache eher den Eindruck, dass sie nichts sagen „wolle“. Götzl sagt, Sch. könne sich sicher sein, dass er sie nicht entlasse, bevor er nicht ihren Mann gehört habe. Götzl fragt, was sich Sch. selber überlegt habe, wie es zu diesen Unterlagen komme, dass da ihr Name und Adresse verwendet wurde. Sch. sagt, sie habe mit ihrem Mann gesprochen, der habe es auch nicht so gut gefunden. Auf erneute Nachfrage sagt Sch., sie habe nicht mit ihrem Mann über die AOK-Karte geredet. Auf den Widerspruch angesprochen, sagt Sch., sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen, sie und ihr Mann seien heute erst gegen drei Uhr nachts angekommen. Götzl unterbricht die Sitzung, sagt aber Sch., dass sie keinen Kontakt zu ihrem Mann aufnehmen sollen.
Nach der Pause sagt Götzl, dass die Vernehmung unterbrochen werde. RA Hoffmann [Nebenklage-Vertreter Keupstraße] erwidert, er halte das für ungut, man solle eher zunächst den offenbar ebenfalls anwesenden Ehemann hören. Die Verteidigung von André E. sagt, sie wisse nicht, welche Bedeutung die Zeugin für die Nebenklage Keupstraße habe. Hoffmann erwidert, die Frage wie und mit welchen Papieren der NSU versorgt worden sei, treffe das gesamte Verfahren und alle Anklagepunkte. RA Behnke sagt, Götzl gehe wesentlich zurückhaltender mit den Zeugen um als es erforderlich wäre. Götzl sagt, er verhandle hier nach der StPO. RAin Lunnebach sagt, der Vorsitzende habe eine Geduld bewiesen, die in der Sache sehr sinnvoll sei: „Das war völlig sachgerecht was der Vorsitzende gemacht hat.“ Es folgt eine weitere Unterbrechung, danach verkündet Götzl die Vernehmung werde unterbrochen.
RAin Pinar stellt den Antrag, zunächst Alexander Sch. zu hören, sonst drohe Beweismittelverlust, das Ermessen des Gerichts sei auf Null reduziert. Weitere Nebenklagevertreter_innen schleißen sich an. Die Bundesanwaltschaft sagt, das Ermessen sie zwar nicht auf Null reduziert, aber es sei sinnvoll, zunächst Alexander Sch. und dann noch einmal Silvia Sch. zu hören. Wohllebens Verteidiger Klemke tritt dem Antrag entgegen. Nach einer weitere Pause wird um 15.50 Uhr verkündet, dass die Zeugin Brigitte Böhnhardt umgeladen sei und es mit der Vernehmung von Silvia Sch. weiter gehe. Sch. berichtet, dass sie Holger G. vor dessen Festnahme zuletzt etwa im Oktober 2011 getroffen habe, da sei ein Mittelaltermarkt in Münster gewesen, danach seien sie „bei denen zu Hause“ gewesen. Der allerletzte Kontakt sei im Sommer im „Seehaus“ in Isernhagen gewesen, den genauen Zeitpunkt wisse sie nicht, es sei jedenfalls warm gewesen. Sch. bestätigt, dass das während des laufenden Verfahrens gewesen sei. Bei dem Gespräch habe G. gesagt, es tue ihm leid, dass er Sch. da mit rein gebracht habe. Über die anderen Ausweise sei nicht gesprochen worden, so Sch., es sei um die Krankenkarte gegangen. Holger G. habe, so Sch. weiter, gesagt, dass er sich das „nicht hätte erträumen können, dass die zu sowas fähig sind“. Sch. antwortet auf Frage von Götzl, dass G. nie etwas von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe berichtet habe, sie habe auch nie über Waffen mit G. gesprochen, so etwas nehme sie auch gar nicht in den Mund. kenne sie nicht, in ihrer Gegenwart habe G. auch nie von Wohlleben gesprochen. Bei dem Gespräch mit G., nachdem sei selbst vernommen worden war, sei nicht konkret über die Verwendung der Karte gesprochen worden. Sie habe das durch die Medien und die Polizei gehört und G. habe auch nicht mehr gesagt. G. habe sich „tausendmal“ entschuldigt. Sch. verneint, dass ihr Mann Kenntnis davon gehabt habe, von wem die Karte eingesetzt worden ist. Mit ihrem Mann seien die Namen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und Wohlleben nie Thema gewesen. Auf die Frage von Götzl, ob sich ihr Mann in der Skinhead-Szene bewegt habe, sagt Sch.: „Das muss vor meiner Zeit gewesen sein.“ Nach weiteren Nachfragen sagt Sch., ihr Mann sei früher in der Skinhead-Szene aktiv gewesen, jetzt aber nicht mehr. Götzl hält aus der Vernehmung von Alexander Sch. vor, der habe angegeben, sich schon bevor er Holger G. kennengelernt habe, offen als Rechtsradikaler zu erkennen gegeben zu haben. Sch. wiederholt, das sie vor ihrer Zeit gewesen, auch von G.s politischen Ansichten wisse sie nichts. Götzl fragt, ob es in der ganzen Zeit nie Gespräche über Politik gegeben habe. Sch.: „Nicht in meiner Anwesenheit.“ Dann sagt Sch. aus, der Kontakt zu G. sei weniger geworden, als G. nach Lauenau umgezogen sei. Auf Frage von Richter Lang sagt Sch., die Übergabe der Karte sei vor dem Umzug gewesen. Sie habe die Karte ein oder zwei Wochen später verloren gemeldet. Lang fragt, ob sie nicht habe nachfragen müssen, weil sie gewusst habe, was G. mit der Karte macht. Sch. erwidert, sie habe das nicht gewusst. Lang fragt, ob Sch. sie für dumm verkaufen wolle. Er fragt, was Sch. denn mit so einer Karte mache. Sie gehe damit zum Arzt, so Sch., ein Fremder gehe dann wohl auch damit zum Arzt. Sie habe da aber nicht drüber nachgedacht. Vorsitzender Richter Götzl wiederholt, sie bekomme 300 Euro für die Karte und dann warte sie, bis sie die Karte als verloren melde. Er sagt Sch., sie solle mal überlegen, ob das plausibel klingt. Sch. sagt, sie habe sich zu dem Zeitpunkt keine Gedanken gemacht: „Das ist wirklich meine Wahrheit, was ich hier erzähle.“ Richter Kramer sagt, es sei für einen Menschen unglaublich schwierig, sich gar nichts zu denken. Auf Frage von Kramer sagt Sch., sie habe sich von dem Geld Essen gekauft. Auf Frage von Bundesanwalt Diemer sagt Sch., sie habe auch nicht nachgefragt angesichts dessen, dass mit Holger G. ein Mann sie nach der Karte gefragt habe, auf der ein weiblicher Vorname stehe. Dann fragt OStA Weingarten. Er sagt, Sch. habe eingangs davon gesprochen, dass G. gefragt habe, ob „einer“ eine Karte habe. Damit seien sie und ihr Mann gemeint gewesen, nicht sie persönlich, so Sch. G. habe das „so in den Raum geschmissen“. Sch. sagt auf mehrfache Nachfrage, sie habe auf der Fahrt zur Vernehmung nicht mit ihrem Mann über die Vernehmung gesprochen. Nach mehrfacher Nachfrage durch Weingarten sagt Sch. sie sei sich nicht mehr sicher, ob sie gesprochen oder geschwiegen hätten. Dann fragt Weingarten, ob Sch. eine Erklärung dafür habe, woher ihr Mann gewusst habe, dass die Karte von einer unberechtigten Person benutzt worden sei. Sch. verneint das. Weingarten sagt, Sch. habe eben davon gesprochen, sie kenne „die Beate“ nicht und will wissen, ob es üblich sei, bei fremden Erwachsenen den Vornamen zu benutzen. Sch. sagt, sie habe nicht nachgedacht, sie kenne Zschäpe trotzdem nicht und fühle sich ihr auch nicht verbunden. Es folgt eine Unterbrechung bis 16.58 Uhr. Staatsanwalt Schmidt hält Sch. dann die Aussage von Holger G. vor, derzufolge er Sch. die Karte „abgequatscht“ habe und ihr gesagt habe, dass damit „kein Scheiß“ passiere. Sch. sagt, an diese Äußerung könne sie sich erinnern, sie habe sich aber vorher keine Gedanken darüber gemacht, ob damit „Scheiß“ passiert. Richter Götzl hält Sch. vor, ihr Mann habe angegeben, dass G. auf Nachfrage nicht gesagt habe, für welche Zwecke er die Karte benötige; demnach sei also doch nachgefragt worden. Sch. sagt, sie habe definitiv nicht nachgefragt, sie könne sich nicht erinnern, ob ihr Mann nachgefragt habe.
Auf Frage von Nebenklagevertreter RA Tikbas sagt Sch., vor dem letzten Gespräch in Isernhagen habe G. angerufen, ob sie sich mit ihm, seiner Mutter und seiner Freundin treffen wollen auf ein „Bierchen“, er dürfe raus. RA Scharmer fragt, ob die Vernehmung durch das LKA eine besondere oder alltägliche Situation für sie gewesen sei. Sch.: “ Also besonders ist es ja nun nicht.“ Scharmer fragt nach der Rückfahrt von der Vernehmung. Sch. sagt, sie und ihr Mann hätten sich über die Vernehmung unterhalten, sie sei am Heulen gewesen, sie hätten kurz angehalten und er habe sie in den Arm genommen. RA Hachmeister, Verteidiger von Holger G., beanstandet, die Frage sei schon gestellt. Götzl sagt, es sei schwierig von der Zeugin Antworten zu bekommen. Auch Hachmeister und sein Mandant hätten sich zurück gelehnt und gelacht. Vielleicht solle Hachmeister mal mit seinem Mandanten sprechen, ob es nicht an ihm sei, hier mal etwas beizutragen. Hachmeister sagt, er habe nicht über die Zeugin gelacht. Scharmer sagt, es sei bisher nur um die Hinfahrt gegangen, ihm gehe es um die Rückfahrt. Sch. sagt, sie könne sich nicht im Einzelnen an das Gespräch erinnern, es sei darum gegangen sei, dass es „scheiße“ sei. Scharmer: „Bevor man zu der Bewertung kommt ‚etwas ist Scheiße‘, muss man es erst bezeichnen.“ Sch. : „Ich weiß es nicht mehr.“ Dann fragt Scharmer nach dem letzten Treffen mit G. Sch. sagt, sie habe gesehen, dass G. im Zeugenschutz sei, es seien zwei Polizisten in Zivil dabei gewesen. RA Bliwier fragt, ob die beiden Polizisten bei dem Treffen die ganze Zeit im Raum gewesen sei, was Sch. verneint. Sie habe zuerst nicht gewusst, wer die Begleiter sind, erst als G. das erzählt habe, so Sch. Bliwier fragt noch einmal zum Tag der Vernehmung. Er will wissen, wieviel Zeit zwischen der telefonischen Ladung und der Fahrt zur Polizei gelegen hab. Das wisse sie nicht, so Sch., sie sei noch auf der Arbeit gewesen. Sie bleibe dabei, dass sie nicht gewusst habe, warum sie zur Vernehmung muss. Dann fragt Bliwier zum Gespräch mit einem Juristen, mit dem Alexander Sch. gesprochen habe. Bliwier: „Sie haben nie von Ihrem Mann erfahren, dass er mit einem Juristen gesprochen hat, wie man sich in einer Vernehmung verhält.“ Sch.: „Wenn ich es doch nicht mehr genau weiß.“ Es könne sein, dass er es erzählt habe und sie es heute nicht mehr wisse. Sch. sagt, sie erinnere sich nicht, ob darüber gesprochen worden sei, dass sie und ihr Mann bei der Polizei unterschiedliche Angaben gemacht hätten. Auf Frage von RA Hoffmann sagt Sch., sie wisse nicht, ob ihr Mann auch angerufen worden sei, sie habe ihm erst zu Hause Bescheid gesagt. Ihr Mann sei die ganze Zeit bei ihr gewesen. Hoffmann möchte wissen, was für Vermutungen ihr Mann gehabt habe, um was es bei der Vernehmung gehen könne. Sch. sagt: „Dass es wahrscheinlich um meine Karte geht.“ Auf Frage von Hoffmann sagt Sch., sie sei im Jahr 2010 einmal von ihrem Mann getrennt gewesen, sie seinen in der Zeit in verschiedene Wohnungen gezogen, seien aber im selben Jahr wieder zusammen gekommen. Nach der Fahrt nach München befragt, sagt Sch., sie seien um acht Uhr los gefahren und gegen drei Uhr morgens in München angekommen. Auf der Fahrt hätten sie sich über „Belangloses“ unterhalten, unter anderem über House- und Techno-Musik. Ihr Mann habe ihr geschildert, wie der Raum im Gericht aufgebaut sei. Er habe nicht gesagt, dass sie bestimmte Sachen über ihn nicht sagen solle. Er habe gesagt, sie solle ruhig bleiben: „Was soll er dazu sagen?“ Hoffmann fragt nach Namen von Freunden von Alexander Sch. Silvia Sch. sagt, sie kenne nur Bekannte, außer Holger G. keine engen Freunden. Hoffmann nennt mehrere Namen: Johannes Kn., Hannes Fr., Dorin Da., Thomas Dü., Marc Bo. Bei allen sagt Sch., sie kenne die Personen nicht. Dann fragt Hoffmann nach dem Aussehen ihres Mannes, als sie sich kennengelernt haben. Sch. sagt, er sei tätowiert, habe einen auf 3 mm rasierten Kopf gehabt wie immer und habe Jeans und T-Shirt getragen. An Tätowierungen trage ihr Mann eher „Old School“ oder „Psychobilly“. Tattoos aus dem rechten Spektrum habe er nicht. Dann sagt sie aber, er habe ein „Skinhead“-Tattoo auf dem Bauch. Holger G. habe „normal“ ausgesehen, sie hätten ihn „Holgi“ oder „Ossi“ genannt. Sie selbst stamme aus Leipzig, daher habe sie gehört, dass G. aus Jena kommt, darüber sei man auch ins Gespräch gekommen. Sie hätten sich immer am Wochenende zum Feiern getroffen, überwiegend in Discos, aber auch mal zu Hause. Zu Hause hätten sie nur elektronische Musik. Hoffmann fragt, ob es sein könne, dass ihr Mann die Karte an G. gegeben habe und sie nur eine Teil des Geldes bekommen habe. Das verneint Sch. Strafverfahren wegen Körperverletzung habe ihr Mann in der Zeit ihrer Ehe nicht gehabt, so Sch. Hoffmann hält einen Vermerk des Verfassungsschutzes vor, demzufolge Silvia Sch. Zeugin zu einer gefährlichen Körperverletzung ihres Ehemanns im Jahr 2008 gewesen zu sein. Das bestreitet Sch.
Sch. Sagt auch, sie könne ausschließen, dass ihr Mann in den letzten Jahren Kontakte zu Rockern gehabt habe.

RA Langer fragt noch einmal zur Übergabe der Karte. Sie habe von „jemand“ und „Runde“ gesprochen, er will wissen, wie sich das letztlich auf ihre Karte konkretisiert habe. Da sei nicht drüber gesprochen worden, so Sch. Langer: „Also Sie haben wortlos die Karten aus der Tasche gezogen.“ Das bestätigt Sch. Es sei nicht Gegenstand der Absprache gewesen, dass sie die Karte erst ein bis zwei Wochen später abmelde, sie habe am Montag früh die Kasse anrufen und die Sperrung machen können. Langer hält vor, die Karte sei am 2.5.2006 bei einer Notbehandlung benutzt worden und es gebe eine Eintragung im Bonusheft am 8.5.2006, also der Folgewoche. Die Karte sei 2008 abgelaufen. Langer will wissen, was sich Sch. für Gedanken gemacht habe, welchen Nutzwert die Karte für G. habe, wenn sie schon am nächsten Tag die Karte hätte sperren lassen können. Sie habe sich erstmal keine Gedanken gemacht, so Sch. RA Sidiropoulos fragt, ob Sch. schon mal mitbekommen habe, dass irgendwer seine Krankenkassenkarte verkauft hat. Das verneint Sch. Ihr Mann habe seine Karte nicht zur Verfügung stellen wollen. Sie habe das Geld gemeinsam mit ihrem Mann ausgegeben, „um leben zu können“. RA Kuhn fragt, ob sich ihr Mann für Politik interessiere, was Sch. verneint. Er gehe auch nicht wählen , sie seien schon mal gemeinsam wählen gewesen, da habe er CDU gewählt. Sie wisse, dass ihr Mann einmal in einer Kameradschaft gewesen sei, sie wisse aber nicht wie die geheißen habe oder wann das gewesen sei. Sie habe im Rahmen ihres gemeinsamen Hausstandes keine rechtsradikale Musik gesehen. Dann fragt RA Kuhn nach Namen von Freunden ihres Mannes. Es entspinnt sich eine längere Diskussion, ob die Frage zulässig ist.
In Abwesenheit der Zeugin erläutert Kuhn, man kenne aus den Akten zu Holger G. eine ganze Reihe von Freunden, wo G. sage, dass sie rechts eingestellt seien, er aber nur noch private Kontakte habe. Ihn interessiere, ob das bei Alexander Sch. auch so ist. Die Rolle von Alexander Sch. könne möglicherweise eine andere sein, das könne an seiner Zugehörigkeit zur rechten Szene liegen und die Übergabe der Karten motiviert haben. Nach weiteren Stellungnahmen sagt Götzl, wenn es um den engsten Freundeskreis gehe, sei die Frage zulässig.
Auf Frage von RA Kuhn nennt die wieder anwesende Zeugin den Namen Sascha als eine engen Freund: „Das ist unser Tätowierer.“ Sie habe ihren Mann nie auf dessen Nazivergangenheit angesprochen, so Sch. auf Frage von Kuhn. RAin Lunnebach möchte wissen, wie Sch. von der Verhaftung von G. erfahren habe. Sch. sagt, sie habe aus dem Fernsehen davon erfahren. Da sei aber nicht der volle Name genannt worden, so Lunnebach. Es sei von Holger G. die Rede gewesen, so Sch. Sch. sagt auf Nachfrage, sie habe erst nach der Vernehmung von der Verhaftung G.s erfahren. RAin Clemm fragt, ob es nur ein Treffen mit G. seit der Verhaftung gegeben habe, was Sch. bestätigt. Sie habe aber eben angegeben, G. zwei- oder dreimal pro Monat oder sogar zwei oder dreimal die Woche getroffen zu haben, dann habe es zwei oder drei Monate gar kein Treffen gegeben. Clemm will wissen, ob das nicht aufgefallen sei, ob man da nachgefragt habe. Schließlich sagt Sch., sie habe vor ihrer Vernehmung von der Verhaftung G.s erfahren. Sie hätten auch Kontakt zur Lebensgefährtin von G. aufgenommen, auch schon vor der Vernehmung. Mit der Lebensgefährtin gesprochen habe aber vor allem ihr Mann. RA Daimagüler fragt, ob ihr Mann oder G. mal über Ausländer oder Türken gesprochen habe, was Sch. verneint. Daimagüler fragt, ob ihr im Vorfeld der Aussage jemand Tipps gegeben habe, was sie sagen solle. Sch.: „Nein, ich bin unvorbereitet hierher gekommen, wie man sieht.“ Aus der Nebenklage wird die Zeugin gefragt, ob sie Vorbehalte gegen Türken habe. Sch. sagt: „Ich habe nichts gegen Rechte, ich bin nicht links, ich bin nicht gegen Ausländer, ich bin neutral.“ Auf Frage von RAin Pinar sagt Sch., sie habe sich kein Ziel gesetzt, wann sie die Karte als verloren meldet. In Bezug auf den Zeugenschutz von G. sagt Sch., ihr Mann habe das schon komisch gefunden, dass G. im Zeugenschutz ist. Danach hätten sie sich aber „nicht mehr groß“ darüber unterhalten. Dann fragt RAin Pinar mehrere Antworten ab, die Sch. im Verlaufe ihrer Vernehmung gegeben hat, „was sie alles nicht wissen oder wissen wollen“, und lässt sie sich von der Zeugin noch einmal bestätigen. RA Kolloge fragt zu unterschiedlichen Adressen von Alexander und Silvia Sch., die bei der Vernehmung bei der Polizei angegeben worden seien. Das habe sich wohl „verschnitten“, so Sch. RA Reinecke sagt, auf der Karte stünde weder Geburtsdatum noch Adresse, es kämen zwei Anschriften bei den anderen Dokumenten vor. Reinecke will wissen, ob sich Sch. Gedanken gemacht habe, wie diese Daten zu der dritten Person gekommen seien, die Ausweise gefälscht habe. Sch. verneint das. Reinecke sagt, es seien neun Ausweise mit ihren Daten versehen, ob sie denn ihren Mann oder G. dazu befragt habe. Sch. verneint das. Weingarten sagt, Sch. sie habe hier immer wieder gesagt, sie habe zwischen der Ladung zur Vernehmung und der Vernehmung über die Frage, um was es gehen könne, nicht mit ihrem Mann unterhalten. Nur bei RA Hoffmann habe sie gesagt, ihr Mann habe vermutet, dass es bei der Vernehmung um ihre Karte gehen könnte. Weingarten fragt sie noch einmal, was mit ihrem besprochen worden sei. Sch.: „Dass es vermutlich um diese Karte geht.“ Die Vernehmung wird um 19.24 Uhr unterbrochen und soll am 28. November fortgesetzt werden.

RA Bliwier sagt , die Zeugin habe ausgesagt, es habe nach Holger G.s Haftentlassung ein Treffen mit diesem gegeben, bei dem ihn Zivilbeamte gebracht, am Gespräch nicht teilgenommen und dann Holger G. wieder mitgenommen hätten. Der Zeugenschutz ermögliche also ein Treffen zwischen einem Angeklagten mit Zeugen, die ihn überführen sollen. Er beantrage, den Vorgang aufzuklären durch Aufzeichnungen, Vermerke, dienstliche Äußerungen und zeugenschaftliche Vernehmungen der Beamten. Es widerspreche jeder Regelung zum Zeugenschutz, außer wenn man eine Absprache ermöglichen oder darauf hinwirken wolle. OStA Weingarten erwidert, ein in Freiheit befindlicher Angeklagter könne sich mit anderen in Freiheit befindlichen Personen treffen so lang er wolle. Dass das Treffen unter Polizeischutz begleitet worden sei, sei eine, sich aus dem Umstand des Zeugenschutzes von alleine ergebende Tatsache. Da gebe es überhaupt nichts aufzuklären. RA Scharmer sagt, die Vorgaben des Zeugenschutzprogramms würden normalerweise Kontakte in die Szene unterbinden. Es sei die eine Frage, was der Angeklagte darf, und die andere, was der Zeugenschutz macht. RA Hachmeister sagt, sein Mandant habe nicht den Zeugenschutz instrumentalisiert um Absprachen zu treffen. Man solle ggf. die anderen Gesprächsbeteiligten hören, dann sei der „Hexenverfolgungswahn“ beendet. RA Bliwier erwidert, solange Holger G. sich nicht äußere, würden Anträge gestellt.

Dann verliest RA Klemke einen Antrag, den er schon vor Stunden habe stellen wolle. Er beantragt, eine in der Hauptverhandlung vollzogene Straftat festzustellen. „Prof. Dr. Behnke“ habe gesagt, dass er, Klemke, schon des öfteren seine anwaltlichen Berufspflichten verletzt habe. Das sei nur so zu verstehen, dass er hier in der Hauptverhandlung seine anwaltlichen Berufspflichten verletzt habe und sei eine üble Nachrede. Behnke habe eine ehrenrührige Behauptung aufgestellt, der Vorsitzende habe bisher keinen Anlass gehabt, seine Verteidigertätigkeit zu rügen mit Ausnahme von zwei Fragen, die gerügt worden seien. RA Behnke sagt, Klemke solle doch bitte den Doktortitel streichen, nicht, dass er, Behnke, noch in den Verdacht des Titelmissbrauchs gerate.

Der Verhandlungstag endet um 19.39 Uhr.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt zum Treffen zwischen Alexander und Silvia Sch. und Holger G.:

“Holger G. trifft sich während des laufenden Ermittlungsverfahrens, während er im Zeugenschutz ist, mit einer weiteren Beschuldigten und ihrem Mann, der als organisierter Neonazi bekannt war. Das allein ist eine Tatsache, die ein neues Licht auf das Verhalten von Holger G. und seine Aussage in diesem Prozess wirft. Dass Holger G. dabei aber auch noch von Beamten des Zeugenschutzes begleitet wird, ist skandalös. Holger G. soll vermeintlich vor der rechten Szene geschützt werden. In der Regel geht Zeugenschutz mit der Auflage einher, den Kontakt zum vorherigen Umfeld abzubrechen. Erst recht gilt dies für den Kontakt zu weiteren Beschuldigten. In jedem Fall darf es keine Absprachen über mögliche Aussagen mit weiteren Beschuldigten oder Zeugen geben.Wir werden ergründen müssen, was die Beamten des Zeugenschutzes des BKA dazu bewogen hat, Holger G. zu einem derartigen Treffen auch noch zu begleiten.“

    » «