Medienschau 15. bis 21. März

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Themen der Woche: 160 untergetauchte Neonazis | Keine Mordhelfer in den Städten | 35 erfolglose Ermittlungen gegen V-Mann | NSU beflügelt Nazis in Bayern | Keine Halit-Straße in Kassel | Unterstützer des NSU in Chemnitz | BAW prüft Camperlisten | Innenministerium M-V verweigert Auskunft

Die Woche beginnt mit Presseberichten über die mit Haftbefehl gesuchten Neonazis. Die Bundesregierung beantwortete die Kleine Anfrage der Linkspartei [link zum pdf]. Zum Stichtag am 4. Januar 2012 wurden „160 Personen mit (teilweise mehreren) offenen und noch nicht verjährten Haftbefehlen pro Person gesucht. Bei 50 dieser Personen lag dem Haftbefehl mindestens eine politisch rechts motivierte Straftat zugrunde.“ Die ausführliche Antwort der Bundesregierung enthält eine Liste der einzelnen Fälle mit einer kurzen Beschreibung des Sachverhalts, letzter Aufenthaltsort, ermittelnde Staatsanwaltschaft, Grund des Haftbefehls. 46 der mit Haftbefehl gesuchten Nazis seien seit Januar verhaftet worden.

Nach dem aktuellen Ermittlungsstand habe die NSU-Terrorzelle keine Unterstützer in anderen Städten gehabt, die bei der Vorbereitung der Morde geholfen hätten. Darüber berichtet unter Verweis auf die Bundesanwaltschaft am 15. März die Freie Presse:

„Wir haben im ausgebrannten Haus Kartenmaterial zahlreicher deutscher Städte, nicht nur der Tatorte, gefunden“, sagt der Sprecher der Behörde, Marcus Köhler, auf Anfrage der „Freien Presse“. Auf den Stadtplänen befanden sich Hinweise zu Örtlichkeiten, die die beiden Männer aus dem Terror-Trio, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, offenbar selbst notiert hatten.

„Das klingt nicht wie Anweisungen für Dritte, sondern wie Merkposten, die man für sich selbst festhält“, sagt Köhler. Während die Ermittler davon ausgehen, dass die Opfer nach Herkunft ausgewählt wurden, ist bisher unklar, welche Kriterien für die Tatorte galten, ob diese zufällig bei der Durchreise entdeckt oder schon vorm Ausspähen gezielt angesteuert wurden. „Hinweise auf Helfer in den jeweiligen Städten haben wir nicht“, sagt Köhler.

Gegen den früheren V-Mann des Thüringer Landesamtes sind insgesamt 35 erfolglose Ermittlungsverfahren geführt worden. Das ergab sich aus der Antwort der Thüringer Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei, wie die Thüringer Allgemeine am 16. März berichtet.

Am gleichen Tag erscheinen Presseberichte, nach denen die Bundesanwaltschaft vermutet, der NSU habe eine weitere Wohnung haben können. Zitat: „In der von Beate Zschäpe im November in die Luft gesprengten Zwickauer Wohnung sei der Wasserverbrauch niedriger gewesen als für drei Personen üblich, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, am Freitag bei einer Terrorismus-Fachtagung der Hanns-Seidel-Stiftung und des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland im bayerischen Wildbad Kreuth.“

Ebenfalls am 16. März publiziert die taz ein Interview mit dem Leiter der Antifaschistischen Informationsstelle a.i.d.a. aus München, Markus Buschmüller. Dieser berichtet u.a.: „Es scheint, als habe das Bekanntwerden der Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) die rechte Szene in Bayern beflügelt. Die Sprache und die Aktionen der Rechten sind aggressiver geworden.“

In Kassel soll es keine nach dem dortigen Mordopfer benannte Halit-Straße geben. So berichtete am 17. März die taz. Dies wird zwar von der Integrationsministerin der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), unterstützt. Doch die Kommunalpolitik in Kassel hält eine Straßenumbenennung für zu aufwendig. Norbert Wett, Chef der CDU-Fraktion im Stadtparlament fürchtet: „Das kann zu einem langen und unwürdigen Verfahren führen.“ [Inzwischen wird in einer bundesweiten Initiative versucht, in allen Orten, in denen es NSU-Morde gegeben hat, gleich lautende Gedenktafeln aufzustellen.]

Am 20. März berichtet das MDR-Magazin FAKT über weitere Unterstützer des NSU. Zitat:

„Danach sollen die Brüder Gunter und Armin F. aus Chemnitz für Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unmittelbar nach deren Abtauchen 1998 eine Unterkunft in Chemnitz gesucht haben. Wie FAKT berichtet, werden die beiden von Mandy S. belastet, die ebenfalls als Unterstützerin des Trios gilt. Mandy S. habe bei Vernehmungen ausgesagt, dass die Brüder F. sie damals in ihrer Chemnitzer Wohnung aufgesucht und gebeten hätten, Kameraden unterzubringen, die „Scheiße gebaut hätten“. Das Trio habe dann mehrere Monate in der Wohnung des damaligen Lebensgefährten von Mandy S. in Chemnitz-Altendorf gelebt.“

Hier der direkte Link zum Videobeitrag.

Am gleichen Tag berichten die Kieler Nachrichten online, dass die Bundesanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen bundesweit die Belegungslisten von Campingplätzen bis zurück ins Jahr 1998 angefordert habe. Ein Sprecher der BAW sagte, es solle geprüft werden, ob das NSU-Trio immer gemeinsam unterwegs und „ob sie vor oder nach der Tatzeit eines Anschlags auf einem Campingplatz in der Nähe waren.“

„Herausfinden wollen die Fahnder auch, ob während der Zeit der Fehmarn-Ferien des Neonazi-Trios Personen auf dem Campingplatz waren, die zu anderen Zeiten oder Zusammenhängen mit Zschäpe und Co. in Verbindung standen oder gebracht werden können. „Wir suchen nach neuen Ermittlungsansätzen und wollen gucken, ob einer aus diesem Umfeld Unterstützer der Zwickauer Zelle war“, sagte der Sprecher.“

Bedenken kamen von dem Datenschutzbeauftragten in Schleswig-Holstein.

Der Nordkurier aus Mecklenburg-Vorpommern wehrt sich gegen die Behinderung seiner Arbeit durch das Innenministerium. Recherchen der Zeitung hätten ergeben, dass das NSU-Mitglied Beate Zschäpe Kontakte zur NPD im nordöstlichen Bundesland gehabt habe. „Eine Auskunft der Pressestelle des Schweriner Innenministeriums auf Fragen nach diesbezüglichen Erkenntnissen des Verfassungsschutzes, nach der Gesamthöhe von Geldzahlungen an V-Leute in der rechtsextremen Szene des Landes sowie danach, wofür es verwendet worden ist, wurde verweigert.“, schreibt der Chefredakteur des Nordkurier, Michael Seidel, in einer Pressemitteilung vom 20. März.
Michael Seidel: “Für uns ist dieser Vorgang eine prinzipielle Frage. Wir wollen ausloten, wie weit das Geheimschutzbedürfnis von Behörden gehen darf, wenn Journalisten allgemeine Fragen zu einem Thema stellen, das von brennender Wichtigkeit ist.”
Die Zeitung hat zur Erzwingung der Auskunft weitere juristische Schritte angekündigt.