Protokoll 11. Verhandlungstag – 18. Juni 2013

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Der Angeklagte Carsten S. wird weiter von den Anwält_innen der Nebenklage befragt. Viel Neues kommt an diesem Tag nicht ans Licht. Doch einige seiner Aussagen werfen erneut die große Frage auf, inwieweit der Verfassungsschutz über V-Leute wie und andere (ausgestiegene) Neonazis informiert gewesen sein müsste.

[Türkçe]

Der 11. Verhandlungstag beginnt um 9.50 Uhr. Wie schon in der ganzen letzten Woche sind wieder keine Nebenkläger_innen persönlich anwesend. Vorsitzender Richter Manfred Götzl möchte die Vernehmung von Carsten S. durch die Nebenklage-Vertreter_innen der Angehörigen des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşık fortsetzen. Er wird aber zunächst von Rechtsanwalt Johannes Pausch, Verteidiger von S., unterbrochen. Pausch teilt mit, sein Mandant habe zunächst noch eigenständig etwas anzufügen. S. berichtet, dass er nach seinem Ausstieg aus der Szene von auf die drei Untergetauchten angesprochen worden sei. Daniel S. sei ebenfalls aus der Szene ausgestiegen und habe damals Kontakt zum Bundesamt für Verfassungsschutz gehabt. Außerdem habe er auch mit über die Drei gesprochen. Dies müsse recht spät im Jahr 2000 gewesen sein. T. habe ihn gefragt, ob er Kontakt zu den Dreien gehabt habe und er habe dies bejaht. T. sei dann entrüstet gewesen und habe gefragt, ob Tino Brandt davon wisse, was er ebenfalls bejaht habe. T. habe darauf wiederum entrüstet reagiert. Richter Götzl fragt hierzu nach. Ob S. denn weiter mit T. über das Thema gesprochen habe, will er wissen. S. verneint das. Woran er die Entrüstung von T. erkannt habe, kann er nicht mehr genau sagen. Er erklärt sie sich so, dass T. damals vielleicht schon gewusst habe, dass Tino Brandt V-Person des Verfassungsschutzes gewesen ist. T.s. Nachfragen seien ihm komisch vorgekommen, er habe aber nicht weiter darüber nachgedacht, weil es ja in Ordnung gewesen sei, dass Brandt das weiß.

Es folgt die Befragung durch Rechtsanwältin Antonia von der Behrens. Diese fragt S. zunächst zu seinen neuen Aussagen. Das Gespräch mit Daniel S. müsse nach dessen Ausstieg gewesen sein, 2000 oder 2001, so S. Er sei sich nicht sicher, ob Daniel S. im Aussteigerprogramm des VS gewesen sei, jedenfalls sei er nach Berlin gezogen und der Umzug sei ihm bezahlt worden. Er habe S. gesagt, dass er keinen Kontakt zu den Dreien gehabt habe, weil er nichts verraten wollte. Es sei ja sowieso komisch gewesen, dass Daniel S. ihn darauf anspricht.

Von der Behrens möchte dann wissen, ab wann sich S. zur Szene gehörig rechnete. S. sagt, dass er ab der Demonstration in Saalfeld 1997, zu der es auch Aufkleber des Thüringer Heimatschutzes () gegeben habe, zum THS gehörte. Zum Kern des THS in Jena zählt er Ralf , André und Christian K. Auf Nachfrage rechnet er auch sich selbst zum Kern des Jenaer THS. Es habe aber keine Aufnahmerituale gegeben, er habe sich einfach zugehörig gefühlt. Von einer Kameradschaft Jena habe er erst nach Diebstahl der Fahne in Beate Zschäpes Wohnung gehört. Einen „Nationalen Widerstand Jena“ kann er nicht genauer einordnen, auch als ihm vorgehalten wird, dass er ein T-Shirt mit der entsprechenden Aufschrift getragen habe. Als Nationaler Widerstand habe sich in Jena jeder aus der rechten Szene bezeichnet. Das sei außerdem schon zum Ende seiner aktiven Zeit gewesen, wo er nur noch zwei Veranstaltungen absolviert habe aus „Verantwortungsgefühl“ gegenüber den Jüngeren bei den Jungen Nationaldemokraten (JN). Von der Behrens hält ihm eine Aussage aus einer früheren Vernehmung vor, wonach es bei der NPD schnell politisch geworden sei  und sie zweimal mit dem SPD-Oberbürgermeister zusammen gesessen hätten und ganz normal mit diesem diskutiert hätten. S. antwortet: „Das mit den Veranstaltungen, das war erstmal interessant, aber das war immer dasselbe und dahingehend wurde das langweilig.“ Von der Behrens: „Überlegen sie nochmal: Welche Rolle spielten Politik und Ideologie für Sie? Dieses Runterreden hilft nicht viel.“ S. sagt, er könne das „schlecht festmachen“. Auf den Vorhalt, habe ausgesagt, S. habe ihn und andere im Bus nach Saalfeld zur Ordnung gerufen, als sie Quatsch gemacht hätten, sagt S., es sei dabei um eine Flasche Schnaps gegangen und es habe die Order gegeben, dass Alkohol verboten ist. Von der Behrens fragt nach weiteren NPD-Veranstaltungen, zu denen S. jedoch meist angibt, sich nicht erinnern zu können. An die Störung einer Veranstaltung des DGB am 30. Januar 1998 in Saalfeld, bei der er dabei gewesen sei, könne er sich nicht erinnern. Auch, dass er als Versammlungsleiter eines „Trauermarschs“ in Bad Berka 2000 vorgesehen gewesen sein soll, könne er sich nicht erinnern. Ebenso könne er sich nicht erklären, dass er noch im September 2000 zusammen mit Ronny A. für eine Fernsehdiskussion mit den thüringischen Innenminister vorgesehen gewesen sein soll.

Im Folgenden geht es darum, wie der Verfassungsschutz in der rechten Szene wahrgenommen worden ist. S. sagt, er habe eine Zeit lang angenommen, dass Steve H. V-Person sein könne, dies habe sich aber verlaufen. Aktionen wie das Raushängen der schwarz-weiß-roten Fahne aus Zschäpes Wohnung habe man dem Verfassungsschutz offenbar zugetraut, fragt von der Behrens. S. darauf: „Irgendwie Polizei, VS, LKA, da haben wir nicht differenziert. Das fiel mir wieder ein, dass die da lag und dann hab ich die mitgenommen, so ein bisschen aus Provokation.“ Ob er denn nicht Sorgen gehabt habe, nachdem er erfahren habe, dass Tino Brandt V-Person war, immerhin habe der ja gewusst, dass S. Kontakt zu den dreien hatte. S. antwortet, er habe sich darüber keine Gedanken gemacht. Die Informationen in der Szene über anstehende Aktionen der Polizei bei den Rudolf-Hess-Aktionswochen oder zu einem möglichen Verbot des THS seien wohl von André K. oder von Brandt gekommen.

An rassistische Positionen von Wohlleben kann sich S. nicht erinnern. Von der Behrens hält S. eine Zeugenaussage von Christina H. vor, wonach André K. und Wohlleben „die krankesten Hirne“ gewesen seien. Döner-Essen sei mit zehn Liegestützen, bei denen die Person ausgepeitscht worden sei, bestraft worden. S. sagt, das habe er auch erst gelesen. Er habe davon nie etwas mitbekommen.  Ob er die rechte Hand Wohlebens gewesen sei, wie der Mitangeklagte G. behauptet, könne er nicht sagen, so S. Kontakte Wohllebens oder der Jenaer Szene nach Sachsen seien ihm nicht bekannt. Die Band „“ von Christian K. kenne er, er sei auch mal mit Christian K. auf ein Konzert gefahren, wohl in Hoyerswerda. Den Song von „Eichenlaub“ über das Trio käme ihm zwar bekannt vor, aber er kenne ihn eigentlich aus dem Akten. [thüringischer Neonazi, verurteilt wegen Anstiftung zu einem Anschlag auf einen türkischen Imbiss] kenne er, aber die ihm vorgeworfene Tat kenne er nur aus der Berichterstattung.

Dann geht es um den Abbruch des Kontaktes zu den Drei. Einordnen kann er das letzte Telefonat nicht. Er habe nach dem Unterbindungsgewahrsam die Karte in Absprache mit Wohlleben vernichtet. Wann er davor mit den Untergetauchten gesprochen habe, kann er nicht sagen. Auf Nachfrage sagt er, dass er davon ausgegangen sei, er habe sich keine Gedanken gemacht, ob das der endgültige Kontaktabbruch sei. Von der Behrens: „Über einen langen Zeitraum unterhalten sie konspirativ Kontakt zu drei Untergetauchten und der wird abgebrochen und man spricht nicht darüber, wie der Kontakt weitergeht. Das halte ich für lebensfremd.“ S. sagt, das sei für ihn erledigt gewesen, weil die Karte zurückgetan worden sei bei der Durchsuchung im Rahmen des Unterbindungsgewahrsams. Von der Behrens: „Also gezielt nicht beschlagnahmt wurde?“ S.: „Die Möglichkeit bestand.“ Seinen Ausstieg kann S. nicht genau datieren, aber es sei wohl drei, vier Wochen nach dem Unterbindungsgewahrsam gewesen. Er habe auch noch einmal mit Wohlleben darüber gesprochen. Schließlich hält ihm RAin von der Behrens einen Vermerk aus der Erkenntniszusammenstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor, nach der S. ein Ausstiegsangebot abgelehnt und sich beim Staatsschutz in Jena beschwert habe. Ob ihm ein Ausstiegsprogramm angeboten wurde, fragt von der Behrens. S. verneint dies.

Nach kurzer Pause geht es weiter mit RA Sebastian Scharmer. Dieser fragt zunächst danach, warum S. nicht in die Bundeswehr aufgenommen wurde. S. sagt, das sei offiziell aus organisatorischen Gründen gewesen, es sei aber in der Szene bekannt gewesen, dass die Bundeswehr so Personen aus der rechten Szene daran hindern wolle, Soldaten zu werden. Er habe auch Einspruch eingelegt. Zu seinen politischen Ansichten sei er bei der Musterung nicht gefragt worden. Sandro T. und Ronny A. seien aber zur Bundeswehr gegangen. Scharmer hält ihm dann einen Vermerk des Militärischen Abschirmdienstes vor, nach dem dienstlich bekannt geworden sei, dass  S. 2001 ein Aussteigerprogramm angeboten worden sei, dass dieser abgelehnt habe, weil er sich der  nationalen Bewegung noch zugehörig fühle. S. habe sich bei Herrn K. vom Jenaer Staatsschutz beschwert. Scharmer: „Haben sie darüber Informationen, wer diese Informationen weiter gegeben haben kann?“ S. verneint. Das gehe ja weiter als der Vermerk des VS, so Scharmer. S.: „Nein, bei dem Gespäch mit dem K. oder K. [Namen zweier Beamter], hat der mir auch gesagt, dass ich 2001 noch bei einer Veranstaltung Ordner war. Da sagte ich, das kann nicht sein. Und er sagte, ich sei als Ordner gemeldet worden.“ Er habe sich das so erklärt, dass die NPD Ordner brauchte, die nicht vorbestraft sind.

Woher er denn als er bei der Jenaer Polizei vorgesprochen habe, die Namen der Staatsschützer gekannt habe, will Scharmer von S. wissen. S.: „Die waren in der Szene bekannt, einer ist Staatsschutz, einer ist Verfassungsschutz.“ Er habe einen auch kennengelernt im Zuge der Durchsuchung und bei einer Befragung. Ob er wisse, wer von welcher Stelle, VS oder Polizei, war, will Scharmer wissen. S.: „Das hab ich bis heute nicht rausbekommen.“ Dass einer für den VS arbeitet, müsse er aus der Szene wissen.

Scharmer fragt dann zu den Angriffen auf Döner-Imbisse. S. habe gesagt, sie hätten „denen“ damit eins auswischen wollen. Wieder gestaltet sich die Frage nach den Motiven für den Angriff schwierig. Wen er konkret mit „denen“ gemeint habe, will Scharmer wissen. S.: „Na, den Betreibern. Ich weiß nicht, ob das deutsche oder türkische Betreiber waren.“ S. sagt, er habe selber auch nie abwertende Begriffe für Migrant_innen benutzt. Scharmer fragt außerdem danach, dass S. meint, beim Waffenverkäufer Andreas S. von „den Drei“ gesprochen zu haben. S. antwortet: „Ob ich das erwähnt habe, ich habe am Wochenende stundenlang versucht, ich krieg’s nicht hin.“ Scharmer: „Gab es in der rechten Szene damals weitere Ausfüllungen dieses Begriffs ‚Die drei‘, gab es eine Legendierung?“ S.: „Nicht, dass ich wüsste.“

Als nächstes fragt Rechtsanwalt Peer Stolle. Stolle fragt unter anderem zur Rolle von Jürgen H., von dem S. letzte Woche berichtet hatte, dass dieser zuerst den Kontakt zu den Dreien gehalten habe. S. sagt, das erschließe sich ihm heute aus den Akten so. Warum ihm denn H. als Helfer für den Einbruch vorgeschlagen worden sei, fragt Stolle. S. interveniert: „Nicht vorgeschlagen, sondern gesagt.“ Er wisse, dass H. ein guter Freund Wohllebens gewesen sei. Er erschließe sich das heute so, dass für H. klar gewesen sein muss, in welche Wohnung eingebrochen werden soll.
Abgesehen von einem Treffen mit Hans Günter Eisenecker sei er nur anlässlich eines Aufmarschs in Rostock in Mecklenburg-Vorpommern gewesen, kenne er nicht, das Heft „Weißer Wolf“ [Fanzine mit Gruß an den NSU] nur aus den Akten. Stolle fragt, ob S. je unter Druck gesetzt wurde, keine Informationen über seine Unterstützungstätigkeiten an Dritte weiter zu geben. S. verneint das.

Um 12 Uhr folgt die Mittagspause, um 13:30 geht es weiter.

RA Ünlücay fragt zu S. Rolle in der JN und zu seiner ideologischen Einbindung. S. sagt, er habe sich schon mit den Themen bei der JN identifiziert. Ünlücay fragt dann: „Wollten sie damals, dass insbesondere die türkische Bevölkerung auswandert?“ RAin Nicole Schneiders, Verteidigerin von Wohlleben, beanstandet diese Frage als suggestiv, Götzl lässt sie jedoch zu. S.: „Also das Thema gab es.“ Turan Ünlücay „Dass die ausländischen Menschen zum Wegzug bewegt werden sollten?“ S.: „Ja.“ Ob die fremdenfeindliche Gesinnung der Drei der Grund für S. gewesen sei, zu helfen, will Ünlücay wissen.

S. verneint das, er habe den Untergetauchten helfen wollen. Ünlücay fragt dann, ob S. den Kaufpreis für Waffe gleich passend dabei hatte. S. verneint das, er habe die Summe erfahren und sei zu Wohlleben gegangen und dann habe da das Geld bekommen. Er habe mit Andreas S. auch nicht über einen Aufpreis für den Schalldämpfer gesprochen.

RA Sidiropoulos fragt, ob die Information, dass jemand angeschossen worden sei, vielleicht auch ein Auslöser für S.‘ Ausstieg gewesen sei. S. sagt, er habe das so nicht in Erinnerung, er habe sich darauf zurückgezogen, dass es ein Versehen gewesen sei.

RA Sfatkidis hält S. eine Aussage von Christian K. vor, nach der offensichtlich gewesen sei, dass S. zuverlässig und später auch gefestigt war und sicher nicht als Mitläufer bezeichnet werden kann. Sfatkidis: „Finden Sie sich in dieser Antwort wieder?“ S.: „In gewisser Weise schon.“

Dann fragt Sfatkidis unter anderem zu Tino Brandt. S. sagt, am Anfang sei Brandt immer mit André K. gekommen. Brandt sei Organisator gewesen. In Gotha bei einer Rudolf-Hess-Demo hätten sie gewartet bis Brandt anruft. „Und frühmorgens haben wir auf das Kamerateam gewartet, auf den Rainer Fromm, und dann hieß es, wir können los gehen. Das lief immer über den Tino Brandt auch.“ Hinter Brandts Rücken sei aber auch über ihn gelästert worden, weil er „schwul oder bi“ sei.

RA Bogazkaya fragt zur Waffenübergabe in Chemnitz und ob dort darüber gesprochen wurde, vom die Waffe stammt. S. verneint.

Nach der Nebenklage Kubaşık folgen die Vertreter_innen der Angehörigen des am 6. April 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat. RAin Dierbach möchte wissen, ob S., gewusst habe, warum Böhnhardt ins Gefängnis musste. S. verneint dies, er sei davon ausgegangen, wegen der Bombenwerkstatt, die gefunden wurde, habe aber weder mit Wohlleben noch mit den Uwes darüber gesprochen. Auch über Pläne der Drei ins Ausland zu gehen, habe er nicht gesprochen. Ob er sich denn keine Gedanken gemacht habe, dass er selbst überwacht werde, wenn schon Wohlleben überwacht wird. Auch solche Gedanken sein ihm nicht gekommen, so S.

RA Bliwier legt S. eine Aussage von Andreas S. vor. Dieser habe gesagt, der Schalldämpfer der Waffe sei bestellt gewesen. Ob Carsten S. denn angesichts dieser Aussage bei seiner Aussage bleibe, dass der Schalldämpfer nicht bestellt war. S. bejaht das. Bliwier zitiert einen Bericht des Verfassungsschutzes wonach der Jenaer Kamerad S. während des Besuchs des JN-Kongresses 1999 in Mitterskirchen in Bayern laut Auskunftsperson aufgefordert habe, sein Handy auszuschalten und ihr dann mitgeteilt, dass er jetzt für den Kontakt zu den drei verantwortlich sei, denn der Wohlleben sei überwacht. S. sagt, er könne sich nicht erinnern. Tino Brandt müsse das so weiter gegeben haben, nur dem habe er gegenüber berichtet, eine andere Person käme nicht in Betracht. Weiter gehe es in dem Bericht, so Bliwier, dass S. auf seinem Handy eine Kurznachricht von Wohlleben erhalten habe, sein Handy ausschaltete und dann zum Telefonieren ging. S.: „Ich habe das nicht in Erinnerung, dass wir das über unsere Handys gemacht haben.“ Zum Thema Auslandsaufenthalt, das in dem Bericht ebenfalls erwähnt werde, sagt S., dass er die Sachverhalte nur aus den Akten kenne. Er habe nie mit Thorsten Heise gesprochen. Er habe wohl auch den Auftrag bekommen, bezüglich Manfred Roeder Auslandskontakte abzuklären: „Da muss ich den Auftrag bekommen haben, das abzuklären. Und dann hab ich ein Nein bekommen und dann hab ich das Nein zurückgetragen.“ Bliwier fragt weiter: „Im Dezember 2011 sind diese Informationen zusammengestellt worden, umfassende Erkenntnisse aus 1999. Haben Sie sich mal die Frage gestellt, wenn das alles so weiter gegeben worden ist, wieso dann eigentlich niemand eingeschritten ist? Wenn man das liest, wie nah der VS an ihrer Kontaktaufnahme dran war über ihr Handy, haben Sie sich damals nicht die Frage gestellt warum eigentlich niemand was übernommen hat? S.: „Am Anfang hab ich mich gefühlt, als wäre ich der einzige gewesen, der gewusst hat von Chemnitz und so. Und dann das zu lesen, dass bevor ich angesprochen werde, das schon Chemnitz klar ist, das war schon bitter, klar.“

Nach einer weiteren Pause folgt RA Kienzle. Er fragt unter anderem nach dem vor dem Unterbindungsgewahrsam geplanten Tschechien-Aufenthalt von S. S. gibt an, den genauen Zielort der geplanten Reise vor seiner Gewahrsamnahme noch nicht gekannt zu haben. Er wisse auch nicht, dass Tschechien für die rechte Szene einen Anlaufpunkt dargestellt habe. Er sei, wie schon berichtet, einmal zusammen mit Wohlleben in Cheb gewesen, um mit den Untergetauchten zu telefonieren, dort habe er sich auf einem „Vietnamesenmarkt“ eine Landser-CD und einen Schlagring gekauft. An ein Gespräch über Berlin im Zusammenhang mit den Dreien kann er sich nicht erinnern.
Dann folgen die Vertreterinnen der Geschädigten des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse und ihrer Eltern, bei dem am 19. Januar 2001 eine Neunzehnjährige schwer verletzt wurde. RAin Lunnebach fragt zum Waffenkauf: „Als der [Andreas S.] ihnen den Preis nannte, hatten sie da schon Geld dabei?“ S. verneint. Lunnebach: „Dann sind sie also nochmal zu Wohlleben. Hatte der das Geld schon parat?“ S.: „Ich weiß nicht ob ich einen Tag später da hingegangen bin. Ich meine, der hat das Geld schon da gehabt.“ Es folgt eine längere Auseinandersetzung zwischen Lunnebach, RA Klemke, RAin Sturm und Götzl um die angemessene Formulierung einer Frage. Schließlich verlässt Götzl den Saal, um Lunnebach Zeit zu geben, ihre Frage neu zu formulieren. Lunnebach geht es darum, wie die Tatsache des Untertauchens in der Szene bewertet wurde, ob Bewunderung oder Respekt geäußert wurde und mit wem S. in der Szene solche Gespräche geführt hat. S. antwortet, das Untertauchen sei „hingenommen“ worden. Kontakte der rechten Szene in Jena nach Köln kennt er nicht. Lunnebach spricht S. auf die Rechtsschulungen, die er erwähnt hatte, an. Er habe an mehreren teilgenommen, so S., am Anfang habe Christian K. etwas erzählt und er habe in den Akten etwas von einer Schulung bei Mario Ralf B. gelesen, an die er sich aber nicht mehr erinnern könne. Lunnebach: „Aus den Kreisen der NPD kämen möglicherweise noch andere in Frage, Frau Schneiders lacht schon. Von Frau RA Schneiders sind sie nicht geschult worden?“ S.: „Habe ich nicht in Erinnerung.“

RAin Clemm fragt S. zu seinem Ausstieg. Sein Aussteigen sei ja ein Aufhören gewesen, einfach nichts mehr zu tun in der Szene. Was S. denn darunter verstehe, auszusteigen: „Den Kreis in dem ich bin zu verlassen, in gewisser Weise allein dazustehen, die Ängste, in Jena, wo ich sonst unterwegs war, auf jeder Veranstaltung, Parties, Kneipen hat man immer jemand getroffen, den man kannte, aus der rechten Szene, Hooligans, und da auf die Leute zu treffen, das fiel mir am Anfang schwer.“ Ob er jemals darüber nachgedacht habe, dass er Schutz benötigen könnte, will Clemm wissen. Nein, er sei zwei Mal von ehemaligen Kameraden umringt worden, dann habe er geschaut, dass er vermeidet auf ehemalige Kameraden zu treffen, so S. Mit Wohlleben habe er über den Ausstieg gesprochen und gesagt, dass er nichts erzählen werde. S.: „Ich weiß nicht, ob ich es allgemein gesagt habe oder auf die Drei bezogen. Aber es war schon klar, dass ich, wenn ich aussteige, nix sage.“ Zu Tino Brandt sei er von Wohlleben geschickt worden, aber an die genauen Gründe für die Gespräche über die Untergetauchten könne er sich nicht mehr erinnern. Er habe Wohlleben nichts von der Taschenlampe, von der in Chemnitz die Rede war, erzählt und auch mit sonst niemandem darüber gesprochen. Clemm fragt dann zu einem Überfall auf den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König 1997. S. will nicht beteiligt gewesen sein und sich auch nicht erinnern, dass darüber geredet wurde. König sei aber für die Szene ein Gegner gewesen. Dass in Saalfeld 1997 ein junges Mädchen [Jana G.] von Rechten ermordet wurde, erinnere er nicht. Clemm fragt dann unter anderem zu Waffen in der Szene. Bis zum Kauf der Ceska habe er nichts von scharfen Waffen gehört, so S. Zu paramilitärischen Übungen wisse er nichts, lediglich an den schon erwähnten Wanderungen habe er teilgenommen. Wenn in einer anderen Stadt ein Ausländer ermordet wurde, dann hätten sie das abgebucht, dass die Presse unseren Ruf in den Dreck zieht.

Ob er einen Tom T. kenne, fragt Clemm. S.: „Das sagt mir was. Ich würde jetzt sagen, aus den Akten.“ Clemm: „Im Zusammenhang mit der Band Vergeltung?“ S.: „Der muss einen Sptznamen gehabt habe.“ Getroffen habe er ihn nie. Ob Christian K. Kontakt zu den Dreien hatte, will S. wissen. K. sei überrascht gewesen, als er auf die drei angesprochen wurde und dann sei Wohlleben dazwischen gegangen, so S.

Auf Nachfrage sagt S., er habe Jürgen H. nie selbst um Unterstützung gebeten beim Kontakt zu den Untergetauchten. Clemm hält S. eine Aussage von H. vor, nach der er H. gefragt haben soll, ob dieser bei einer Übergabe helfen könne. Das könne er sich nicht erklären, so S. Clemm fragt dann zu einem Überfall durch André K. auf zwei Frauen. S. sagt, er sei bei dieser Sache dabei gewesen. Sie seien mehrere gewesen. Christian K. sei ein Auto abgebrannt worden, ebenso Tino Brandt. Christian K. sei irgendwie in Kontakt gekommen zu einem „linken Mädel“, die gesagt habe: „Schöne Autobezüge hattest du drauf.“ Christian K. habe daraus geschlossen, dass sie etwas mit dem Brand zu tun hatte und habe sich mit ihr verabredet. Sie hätten für den Fall, das Linke auftauchen, abseits gelegen. Aber dazu sei es nicht gekommen. Da sei, so S. auf Nachfrage, die Rede davon gewesen, dass André K. eine der beiden jungen Frauen danach bedroht hat. S.: „Irgendwas gegen den Zaun gedrückt und die sollen erzählen wer das Auto abgebrannt hat und die sind dann was trinken gegangen und haben wieder normal gesprochen.“ Clemm weist darauf hin, dass es ein Gerichtsverfahren gab. S.: „Ja, und in dem Kontext hab ich das mit dem Überfall gehört. Weiß nicht, ob ich das 2000, 2001 mitbekommen habe, mir fällt gerade ein, es gab 2001 eine Broschüre über die rechte Szene Jena, und da hab ich das gelesen, dass das ein Überfall gewesen ist.“ Clemm fragt dann noch einige Namen aus der Jenaer Szene ab.

Um 16.38 beendet Richter Götzl die Sitzung.

Nebenklage-Vertreter Rechtsanwalt Dr. Björn Elberling

„Carsten S.‘ immer wieder vorgetragene Behauptung, er habe keine Vorurteile gegenüber Türken gehabt, wird vollends absurd, wenn er über die Zerstörung einer Dönerbude berichtet und meint, er wisse nicht, welche Herkunft der Eigentümer gehabt habe. Seine gesamten politischen Aktivitäten im , der NPD und den Jungen Nationaldemokraten spielt er herunter. Spannend ist alleine, dass er berichtet, bereits im Jahr 2000 habe er einerseits dem Chef des Thüringer Heimatschutzes, Tino Brandt, von seinem Kontakt zu den drei Untergetauchten erzählt. Dieser sei also jedenfalls ab diesem Zeitpunkt unterrichtet gewesen. Tino Brandt war die gesamte Zeit über V-Mann des Verfassungsschutzes. Außerdem habe ihn ein weiterer angeblicher Aussteiger, der zu diesem Zeitpunkt Kontakt zum Verfassungsschutz hatte, im Jahr 2000 gezielt nach „den Drei“ gefragt. Deutlich wird also, dass schon zu diesem frühen Zeitpunkt die Abgetauchten und ihre Unterstützer im Blickfeld des Verfassungsschutzes standen.“

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