Protokoll 58. Verhandlungstag – 20. November 2013

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An diesem langen Verhandlungstag wurde die Befragung von , der Mutter von Uwe , fortgesetzt. Diese hatte bereits am Vortag begonnen [vgl. Protokoll 57]. Es ging um den Kontakt mit ihrem Sohn nach dem Untertauchen, die Verbindungsmänner und die Übergaben von Geld und persönlichen Gegenständen an ihren Sohn. Sie berichtete über das Verhältnis ihres Sohnes zu Uwe und , beide beschrieb sie als „nett“ und „höflich“. Zschäpe sprach sie einen positiven Einfluss auf die Entwicklung ihres Sohnes zu.

Zeugin: Brigitte Böhnhardt

Der Verhandlungstag beginnt um 9.46 Uhr. Im Saal sitzen vier Personen, die der neonazistischen Szene in Thüringen zuzurechnen sind, darunter David Buresch und Niko M.

Es geht nach der Präsenzfeststellung weiter mit der am Vortag unterbrochenen Einvernahme der Zeugin Brigitte Böhnhardt. Götzl befragt die Zeugin zur familiären Situation. Ihr Mann sei Ingenieur gewesen, so Böhnhardt, ihr Sohn Uwe sei am 1. Oktober 1977 geboren worden. Götzl kommt auf die drei Geschwister zu sprechen, von denen einer tödlich verunglückt sei. Auch wenn Brigitte Böhnhardt sich dazu zunächst nicht äußern will, verweist Götzl auf die mögliche Bedeutung des Ereignisses für Uwe. Ihr zweitältester Sohn sei, so Böhnhardt, 1988 im Alter von 17 Jahren tödlich verunglückt. Auf die Bedeutung für die Familie wolle sich nicht eingehen, das sei zu belastend für sie. Sie habe danach aber ganz besonders auf Uwe aufgepasst. Die beiden älteren Geschwister seien ungefähr gleich alt, Uwe der Kleine gewesen. Der Bitte Götzls, diesbezüglich weiter auszuholen, will Böhnhardt nicht nachkommen, da ihr nicht klar sei, was das mit dem Prozess zu tun habe und sie die Familiengeschichte nicht durch die Medien „gehetzt“ sehen wolle. Es folgt eine Auseinandersetzung zwischen Götzl und RAin Sturm, der Verteidigerin von Zschäpe, um den Ausschluss der Öffentlichkeit. Schließlich sagt Brigitte Böhnhardt, sie werde aussagen, „was auch immer dadurch auf mich zukommt“.

Sie berichtet, dass sie mit zwei Jahren Abstand zwei Söhne bekommen hätten. Es sei ihnen gut gegangen. Beide Eltern hätten Arbeit gehabt und irgendwann hätten sie eine Vier-Raum-Wohnung bekommen. Nach einer Weile hätten sie den Wunsch gehabt, ein drittes Kind zu bekommen. Sie habe sich eigentlich ein Mädchen gewünscht. Die Älteren hätten sich darüber sehr gefreut. Der kleine Bruder sei ihr „liebstes, bestes Spielzeug“ gewesen. Sie hätten sich sehr bemüht, ihren Bruder auch mal von der Krippe geholt. Uwe habe ein inniges Verhältnis gehabt, besonders zum Zweitältesten. Es habe auch mal Ärger und Stress gegeben, sie seien aber eine normale Familie gewesen. Gewalt hätten sie in der Erziehung abgelehnt. In der Familie habe ein höflicher Umgangston geherrscht. Das habe sich gehalten, auch bei Uwe. Er habe immer korrekt von ihnen, den Eltern, gesprochen. Die Brüder hätten Uwe in der Schule auch geschützt. Sie seien eine ganz normale Familie gewesen. Der Mann sei „natürlich“ stolz auf die drei Söhne gewesen und habe geholfen, wo er konnte. Zweimal im Jahr hätten sie Urlaub gemacht, u.a. Autocamping in Tschechien, die Kinder seien außerdem in ein vom Betrieb organisiertes Ferienlager gefahren. Es habe zwischen den Geschwistern keinen richtigen Streit gegeben. Es könne aber sein, dass die Älteren gedacht haben, Uwe werde bevorzugt. Dann sei der Zweitälteste tödlich verunglückt, was für sie alle ein traumatisches Ereignis war. Sie hätten versucht, Uwe zu schützen. Er sei in der Schule abgesackt, den Kummer habe er durch Disziplinverstöße zum Ausdruck gebracht. Sie hätten gelitten. Der große Bruder habe sie oft besucht und Uwe habe auch zu ihm gedurft. Uwe habe trauern dürfen. „Wir mussten die Starken sein.“ Der Verlust habe sie näher zusammengebracht.

Sie hätten gehofft, dass Uwe in der Schule das Schlimmste überstanden habe. Es seien viele Sachen zusammen gekommen, die Schulreform und die Pubertät, das habe Uwe aus der Bahn geworfen. Götzl fragt, ob es richtig sei, dass ihr zweiter Sohn abgestürzt sei. Böhnhardt sagt, es sei nie geklärt worden, dazu habe die Polizei in Jena keine Zeit und Lust gehabt. Sie seien nicht einmal informiert worden: „Vielleicht rührt mein etwas gestörtes Verhältnis zur Polizei auch daher.“ Götzl sagt, sie solle Uwe beschreiben. Er sei, so Böhnhardt, aufgeweckt und sportlich gewesen, habe viele Sportarten ausprobiert. Uwe sei kontaktfreudig gewesen und habe immer Freunde gehabt, die auch zu ihnen hätten kommen dürfen. Für Verwandte sei er „der liebe Uwe“ gewesen. Manchmal sei er ein wenig wild gewesen, aber das sei normal. Die Schule habe er nicht so sehr geliebt, sondern als notwendiges Übel genommen. Außer, dass er „schulfaul“ gewesen sei, fielen ihr nicht wirklich schlechte Eigenschaften Uwes ein. Gewalt sei kein Thema gewesen, er habe sich nicht einmal über Lehrer beschwert. Letzteres könne auch damit zu tun haben, dass sie selbst Lehrerin sei. Ihr Mann behaupte manchmal, sie habe den „Lehrerton“ auch zu Hause drauf. Ihr Mann sei ein ruhiger Typ.
Auf Götzls Frage, ob Uwes Freunde auch zu Hause bei ihnen gewesen seien, verneint Böhnhardt das für André K.

Dann bittet Götzl sie, das Verhältnis ihres Sohnes zu Uwe Mundlos darzulegen. Sie könne die Zeit, in der diese Freunde aufgetaucht seien, nicht genau eingrenzen. Das könne im Berufsvorbereitungsjahr gewesen sein oder erst 1994-96 in der Lehre. Die Freunde habe sie immer freundlich empfangen, und auch die Freunde seien immer höflich gewesen, auch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Holger G. [Angeklagter] kenne sie weniger, nur als Jugendlichen. Sie könne nicht mehr sagen, welcher der Freunde zuerst da gewesen sei. Es sei sicherlich ein fließender Übergang gewesen. Vor diesen Freunden sei zunächst die Gruppe der älteren Freunde gekommen, „die mochte ich nun wieder nicht so“. Sie habe gedacht, die nutzten ihn aus. Die hätten auch nicht den Kontakt zu ihnen als Eltern gesucht „wie Uwe, Ralf und Beate“. Sie könne nicht einordnen, wann sie Mundlos das erste Mal wahrgenommen habe, vielleicht Mitte der 90er. Die beiden Uwes seien meist schnell im Zimmer verschwunden, sie habe nicht an der Tür gelauscht. Sie habe Mundlos sicherlich auch mal gefragt, was er macht, was dessen behinderter Bruder macht. Sie habe Hoffnung geschöpft, als Mundlos gesagt habe, dass er das Abitur nachmache in Ilmenau. Sie habe vielleicht gedacht, dass das auch ihrem Sohn hilft. Sie habe auch mal mit Mundlos über Politik gesprochen, wie häufig wisse sie nicht. Mundlos habe aber vermieden, nach oben zu kommen, nachdem er gemerkt habe, dass sie seine Überzeugungen nicht teile. Mundlos habe eine eigene Wohnung gehabt, wo sie häufiger gewesen seien.

Es folgt eine Unterbrechung, in der einer aus der Gruppe um David Buresch zuwinkt.

Götzl geht dann noch einmal auf die politischen Diskussionen mit Mundlos ein. Sie habe sicherlich gefragt, so Böhnhardt, wie er zu den Überzeugungen gekommen sei, da sei er in die Geschichte abgeschweift. Mundlos sei intelligenter und älter gewesen, habe eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto gehabt. Ihr Uwe habe zu ihm aufgeschaut. Das solle nicht heißen, dass sie Mundlos die Schuld gebe, ihr Sohn sei auch ein junger Erwachsener gewesen, der immer auch habe Nein sagen können. Mundlos sei sehr belesen gewesen und habe die „vergangene deutsche Geschichte“ im Kopf gehabt. Und weiter: „Ich weiß, dass, dächte ich, sein Großvater im Krieg war und, jetzt muss ich aber überlegen, weiß nicht, ob im Offiziersstand.“ Uwe Mundlos habe mit dem Großvater über die Geschichte gesprochen und die Sache vielleicht glorifiziert. Das sei nicht von Mundlos‘ Vater gekommen. Sie, Böhnhardt, hätte dazu nichts sagen können, ihr Vater sei nicht im Krieg gewesen und der Vater ihres Mannes habe nicht darüber gesprochen. Mundlos sei der erste gewesen, der eine Tendenz nach rechts gezeigt habe bei der Kleidung: „Naja, und unser Uwe zog dann nach.“ Zum Thema Bekleidung sagt sie, Abzeichen habe sie gar nicht erkannt, sie wisse nicht, „welcher Wimpel an der Jacke was bedeutet“.

Anfang, Mitte der 90er seien Namen von Altnazis aufgetaucht, die in der BRD gelebt und zum Teil gearbeitet hätten. Uwe Mundlos habe es toll gefunden, „dass die sich nicht unterkriegen lassen haben“, dass eine „gewisse Ehre im Offiziersstand“ geherrscht habe. Man sei dann genervt von solchen Dingen und frage sich, wie man so etwas denken könne. Kinder aus der DDR hätten so etwas nicht gekannt. Sie denke, dass sie Mundlos darauf mit der Frage erwidert habe, ob er wisse, wie schlimm Krieg ist und dass es nur Verlierer auf beiden Seiten gebe.

Götzl will wissen, welche Rolle allgemein politische Themen bei Böhnhardts gespielt hätten. Böhnhardt antwortet mit der Gegenfrage, ob es bekannt sei, dass sie in „einem anderen deutschen Staat“ gelebt hätten. Dann sagt sie, sie hätten in der Familie immer offen über politische Themen gesprochen: „Wie zum Beispiel, dass irgendwelche Altkader unsere orientierungslosen und desillusionierten Jugendlichen abgegriffen haben, und ihnen was vor gequasselt haben, was die dann nach gequasselt haben.“ Möglicherweise gehöre der Punkt, an dem sie sich Sorgen über die politische Entwicklung ihres Sohnes gemacht habe, mit dem Kennenlernen von Uwe Mundlos zusammen, als Eltern wisse man oft nicht, wann die Kinder einen Freund kennengelernt haben. Auf die Frage, warum sie das Zimmer ihres Sohnes durchsucht habe, sagt Böhnhardt, sie hätten Uwe wegen Einbruchs in einen Kiosk von der Polizei abholen müssen. Danach habe es eine Hausdurchsuchung gegeben, die Polizei habe alles Verdächtige mitgenommen, auch wenn es nicht Uwe gehört habe. Da habe sie angefangen, nach Dingen zu suchen, die Uwe sich nicht von seinem Taschengeld hätte gekauft haben können.

Sie habe, als es um „diese CDs“ oder um Waffen gegangen sei, häufiger geschaut, daher wisse sie auch, dass er „nie im Leben“ eine Armbrust auf dem Zimmer gehabt habe. Ihre Überlegung sei gewesen, ob vielleicht bei heimlichen Durchsuchungen in der Wohnung etwas versteckt worden sei. Sie könne sich nicht wirklich erinnern, dass ihr Sohn ein Waffennarr gewesen sei. Sie berichtet von einer Zwille, um im Garten auf Elstern zu schießen, und zwei Schnitzmessern. Zur Einstellung gegenüber Waffen habe Uwe nichts erzählt. Er habe sich wahrscheinlich auch gehütet, etwas zu sagen, weil es sie noch misstrauischer gemacht hätte. Einmal sei eine Pistole aufgetaucht mit kleinen Kugeln, die er habe verschenken müssen, weil sie absolut gegen Waffen im Haus sei.

Es falle ihr schwer, zu sagen, wann ihr Sohn Beate Zschäpe kennengelernt hat, das könne sicherlich Zschäpe selbst eher beantworten. Es könne 1994 oder 1995 gewesen sein, sie denke 1996 sei sie ihnen als Freundin vorgestellt worden, da habe sie selbst Zschäpe erst kennengelernt. Sie wisse, dass Zschäpe vorher mit Uwe Mundlos befreundet war. Eines Tages habe ihr Sohn gefragt, ob er seine Freundin mitbringen könne. Sie habe sich gefreut, eine Freundin könne ganz viel bewirken bei Jungen in dem Alter. Zschäpe sei höflich und nett gewesen. Sie habe ihre Probleme gehabt. Die Lehrstelle, die sie gewollt habe, habe sie nicht bekommen. Sie habe dann eine Lehre als Gärtnerin gemacht, aber keine Arbeit gefunden. Uwe sei freundlich und nett mit ihr umgegangen, sie seien verliebt gewesen. Uwe habe das gut getan. Sie habe das Gefühl gehabt, dass Zschäpe gern zu ihnen gekommen sei. Ihr ganzes Auftreten sei so gewesen, „wie man sich eine junge Frau vorstellt“. Zschäpe habe eine eigene Wohnung bekommen und sie hätten mit alten Geräten bei der Einrichtung der Küche geholfen. Sie habe die Daumen gedrückt, dass die beiden Arbeit finden, vielleicht zusammen ziehen und vielleicht auch eine Familie gründen. Solche Träume habe sie gehabt, so Böhnhardt. „Beate“ sei nie in rechter Kleidung aufgetreten. Ihr Mann, ihr älterer Sohn und die Schwiegertochter hätten Zschäpe auch gemocht. Sie sei bei Familienfeiern dabei gewesen, 1996 sei sie mal über die Weihnachtsfeiertage bei ihnen geblieben. Uwe sei in der Beziehung ein bisschen ernster und verantwortungsvoller geworden; sie habe nie erlebt, dass er barsch oder unhöflich zu Zschäpe war. Die beiden seien „kuschelig“ miteinander gewesen.

Uwe Mundlos sei in dieser Zeit weiterhin zu Böhnhardts nach Hause gekommen, sie habe nie erlebt, dass er eifersüchtig war, auch nicht bei einer Gartenparty, bei der alle drei da gewesen seien. Ihr Uwe sei viel bei Zschäpe gewesen, als die ihre Wohnung gehabt habe. Eigentlich habe sie, die Zeugin, gedacht, da sei er in guten Händen. Bei den Treffen nach dem Untertauchen habe sie keine Veränderungen festgestellt. Sie hätten sich mit allen dreien „über Gott und alle Welt“ unterhalten. Sie seien immer zu fünft gewesen, Uwe Böhnhardt und Zschäpe hätten sich nie abgesetzt. Sie habe keine Anzeichen gehabt, dass das Verhältnis beendet wäre, sie sei bis zum Schluss der Meinung gewesen, dass die beiden noch ein Paar sind.

Von Zschäpe habe sie nach 2002 erst wieder am Morgen des 5. November 2011 gegen 7 Uhr gehört, als sie angerufen habe. Sie sei ans Telefon gegangen und sei Zschäpe heute noch dankbar, dass sie diesen furchtbaren Anruf getätigt habe. Sie seien dann zumindest vorbereitet gewesen und bis zum Abend einigermaßen gefasst. Sie sei sicherlich verschlafen gewesen als sie ans Telefon gegangen sei. Es habe sich eine Frauenstimme gemeldet und gesagt: „Hier ist Beate.“ Sie habe zuerst nicht begriffen, welche Beate es sei. Als die Frau gesagt habe, sie sei „Uwes Beate“, habe sie das erstmal verarbeiten müssen. Sie habe dann gefragt, ob die drei zurück kommen, sich stellen wollten. Das habe sie verneint. Dann habe die Anruferin gesagt, Uwe komme nicht mehr. Sie, Böhnhardt, habe das nicht gleich begriffen, und die Anruferin habe es wiederholt. Sie habe sich zuerst nicht getraut, die Frage zu stellen, aber dann habe sie gefragt, ob Uwe tot sei, was bejaht worden sei. Die Anruferin habe gefragt, ob sie Nachrichten geschaut habe, was sie verneint habe. Weiter habe es geheißen, in Eisenach sei etwas passiert, das seien „die beiden Jungs“. Sie habe dann unter Schock auf dem Sofa gesessen, hinterher seien ihr tausend Fragen eingefallen. Sie, die Anruferin, habe gesagt, sie habe noch so ein furchtbares Telefongespräch vor sich, müsse auch noch Familie Mundlos informieren.

Sie wisse, dass das Telefon erst nach dem Anruf am späteren Vormittag abgehört worden sei. Die Stimme am Telefon sei recht dünn und zittrig gewesen. Ihr Mann sei aus dem Schlafzimmer gekommen und sie habe auf dem Sofa gesessen wie eine Salzsäule, den Hörer noch in der Hand. Sie wisse nicht einmal, ob sie das Gespräch beendet habe. Die Polizei habe sie später gefragt, ob sie die Stimme erkannt habe. Das habe sie nicht, aber sie könne sich auch nicht vorstellen, dass jemand auf die „bitterböse Idee“ kommt, einen solchen Anruf zu tätigen. Die Anruferin habe nicht gesagt, woher sie die Information hat, alles andere hätten sie aus der Zeitung und den Nachrichten erfahren. Zschäpes habe auch nicht erwähnt, ob sie selbst vorher Kontakt zu Mundlos und Böhnhardt hatte. Näheres zu Eisenach sei auch nicht gefallen, sie wisse nicht mehr, ob vielleicht von den beiden Toten im Wohnwagen oder vielleicht nur vom Wohnwagen die Rede gewesen sei. Dann wendet sich Brigitte Böhnhardt an Beate Zschäpe und sagt: „Danke, dass du es trotzdem gemacht hast.“

Götzl fragt, ob die Rede davon gewesen sei, dass ihr Sohn Zschäpe gebeten hatte, anzurufen. Sie habe, so die Zeugin, bei einer früheren Befragung Ähnliches geäußert, sei sich hinterher aber nicht mehr sicher gewesen. Sie habe bei der Vernehmung darum gebeten, ein Fragezeichen dahinter zu setzen, und hoffe, das stehe im Protokoll. Götzl hält aus dem Vernehmungsprotokoll Brigitte Böhnhardts Aussage vom 24. Januar 2012 vor, wonach die beiden Männer Zschäpe den Auftrag gegeben hätten, die Eltern jeweils anzurufen. Das sei möglich, so Böhnhardt, aber sie würde sich nicht dafür verbürgen. Auf Frage von Götzl sagt Böhnhardt, es sei nicht die Rede davon gewesen, dass Zschäpe ihr etwas von ihrem Sohn ausrichten solle. Götzl macht den Vorhalt, sie habe ausgesagt, Beate solle ihr von Uwe sagen, dass er seine Eltern sehr geliebt habe und dass er an jedem Geburtstag und jedem Fest an die Eltern gedacht habe. Böhnhardt möchte dies zunächst nicht bestätigen mit der Begründung, das sei zu privat: „das sind die letzten Erinnerungen an ihn, das wollten wir für uns alleine behalten.“ Auf mehrmaliges Nachhaken von Götzl sagt Böhnhardt schließlich, Zschäpe habe das gesagt. Zur Frage, ob Zschäpe etwas dazu gesagt habe, wie der Sohn zu Tode gekommen ist, sagt Böhnhardt, sie sei sich nicht sicher: „Ja, was hab ich damals im Januar unter Schock ausgesagt? Hat sie gesagt, sie haben sich erschossen?“ Es sei schade, wenn man das Protokoll nicht selber bekomme. Sie hätten unter Stress gestanden, unter Schock. Götzl zitiert ihre Aussage, wonach Zschäpe gesagt habe, dass sich die beiden erschossen hätten, weil sie keinen anderen Ausweg gesehen hätten. Böhnhardt: „Gut, dann bestätige ich das so.“ Wieder hakt Götzl nach. Böhnhardt bestätigt ihre Aussage noch einmal. Auf Frage von Götzl sagt Böhnhardt, zum Schluss sei ihr eingefallen zu fragen, ob sich Zschäpe wieder melden würde. Darauf habe Zschäpe wohl gesagt, dass sie weggehe.

Es folgt die Mittagspause bis 13.18 Uhr.

Es geht zunächst weiter mit dem Anruf am 5. November 2011. Götzl hält vor, Böhnhardt habe bei der Polizei angegeben, dass Zschäpe erklärt habe, die zwei Toten im Wohnmobil in Eisenach seien die beiden Uwes. Das könne so gewesen sein, sagt Böhnhardt. Am gleichen Sonnabend seien zwei LKA-Beamte vorbei gekommen, einer habe Wunderlich geheißen, der sei auch vor dem Abtauchen der drei schon mal da gewesen. Sie hätten zuerst nicht zugeben wollen, dass sie schon Bescheid wussten, dann hätten sie beschlossen, offen mit ihm zu reden. Er habe einen ziemlich barschen Ton gehabt. Er habe verlangt, zu sagen, was „Beate“ gesagt habe. Es könne sein, so Böhnhardt, dass sie die letzten Worte ihres Sohnes weggelassen habe. Wunderlich habe gesagt, er sei sicher, dass einer der Toten ihr Sohn sei, der andere Mundlos. Er habe gefragt, ob sie nicht wissen wollten, wer ihren Sohn erschossen hat. Sie seien davon ausgegangen, dass er sich selbst erschossen hat. Das habe Wunderlich verneint. Der Beamte habe gesagt, er könne nicht sagen, wer ihn erschossen hat. Erst beim Gehen habe er ihnen sein Beileid ausgedrückt. Sie hätten mitbekommen, dass ihr Telefon ab vormittags abgehört worden sei, denn Wunderlich habe von dem Telefonat ihres Mannes mit seinem Bruder und ihrem Sohn bzw. der Schwiegertochter gewusst.

Die erste Vernehmung habe dann am Sonntag, den 6. November, stattgefunden. Da seien zwei Beamte von der Kriminalpolizei Gotha gekommen. Die Beamten hätten sie über den Vorfall in Eisenach informiert, einer der Toten sei sicher Mundlos, bei dem zweiten könne es sich um ihren Sohn handeln. Die Beamten hätten sie um eine DNA-Probe gebeten. In dem Protokoll, das sie nie zu Gesicht bekommen hätten, stünden zwei Unwahrheiten, so Böhnhardt. Sie habe nicht geäußert, sie habe gehofft, die drei machten sich im Ausland ein schönes Leben. „Ich kann mir vorstellen, wie das auf die Opferfamilien gewirkt haben muss, obwohl wir schon im November gesagt haben, dass wir mit denen mitfühlen, dass uns die ganze Sache unendlich leid tut.“ Die zweite Unwahrheit sei, dass sie gesagt haben soll, sie hätten ihren Sohn bei der Hausdurchsuchung im Januar 1998 das letzte Mal gesehen. Götzl fragt, ob sie bei der Vernehmung alles zu dem Telefonat mit Beate geschildert habe, was gesprochen wurde. Sie könne nicht mehr genau sagen, ob sie die gleichen Worte gewählt habe wie bei den Bundesbeamten. Götzl hält das Protokoll der Vernehmung vor, demzufolge sie gesagt habe, sie könne sich lediglich erinnern, Zschäpe habe gesagt, sie sollten Nachrichten schauen, in Eisenach sei etwas passiert und es würde sich um „die beiden Jungs“ handeln.“ Es sei möglich, dass sie das so gesagt habe, erwidert Böhnhardt. Am 24. Januar habe sie sich aber ausführlicher geäußert, so Götzl. Böhnhardt sagt, sie habe vor der Vernehmung im Januar Zeit gehabt, sich zu erholen. An diesem Sonntag hätten sie völlig neben sich gestanden. Es könne sein, „dass man da was weg lässt, wenn man denkt, das ist nicht so wichtig“. Götzl fragt, ob es noch etwas gebe, was sie weiterhin dem privaten Bereich zuordne. Böhnhardt verneint das. Auf Frage Götzls sagt Böhnhardt, ihr Sohne sei vorwiegend Linkshänder gewesen, habe aber beidhändig arbeiten können, geschrieben habe er mit links.

Dann geht es bei den Vorhalten um zeitliche Einordnungen. Sie habe angegeben, dass sie denke, das Kennenlernen der Leute aus Winzerla sei 1993/94 im Berufsvorbereitungsjahr [BVJ] gewesen, sie gehe davon aus, dass hier die Zeit begann, als Uwe rechts wurde. Die Bezeichnung sei wohl nicht glücklich gewählt, heute würde sie sagen, dass er sich rechtsorientierten Jugendlichen zuwendete. Sei seien damals froh gewesen, dass er sich von den anderen älteren Freunden getrennt habe. Dann geht es um die Bomberjacke, die Uwe sich laut Vorhalt 1994 gekauft habe, und um Demonstrationen. Sie habe ausgesagt, so Götzl, ihr Sohn habe ein „Doppelleben“ geführt und sich seinen Eltern gegenüber in dieser Zeit immer völlig unauffällig verhalten. Das sei wohl so gewesen, antwortet Böhnhardt. Sie habe aber auch, so Götzl, angegeben, „endlose Diskussionen“ mit Uwe geführt zu haben, das stehe im Widerspruch zum „Doppelleben“. Böhnhardt sagt, Eltern hätten „ein gewisses Gespür“ und merkten Dinge, auch wenn die Kinder nichts sagen. Sie bestätigt, dass Zschäpe von Herbst bis Weihnachten 1996 bei ihnen gewohnt habe. Zschäpe habe Schwierigkeiten mit ihrer Mutter gehabt, weil diese die Wohnung wegen finanzieller Probleme verloren habe. Ihre Großeltern habe Zschäpe geliebt. Die Mutter von Zschäpe habe sie einmal kennengelernt, bevor Beate Zschäpe bei ihnen gewohnt habe, weil die nach ihrer Tochter gesucht habe. Böhnhardt bestätigt, dass sie Uwe Mundlos und Ralf Wohlleben sympathisch gefunden habe, André K. aber nicht. Sie bezweifle, dass ihr Sohn André K. als Freund bezeichnet hätte. K. sei bewusst provokant und aggressiv aufgetreten, Haarschnitt und Schrittstil seien ihr „albern“ und „aufgesetzt“ vorgekommen, so Böhnhardt heute. Auf Frage von Götzl sagt sie, sie habe André K. darum gebeten, ihren Sohn von der Drückerkolonne abzuholen, weil der am nächsten dran gewohnt habe. Wo Wohlleben und Mundlos gewohnt hätten, habe sie gar nicht gewusst.

Götzl hält vor, sie habe angegeben: „Wir fanden einige Zeit nach dem Verschwinden von Uwe einen Zettel im Briefkasten. Darauf Stand ‚Telefonzelle am Arbeitsamt‘, ein Datum und eine Uhrzeit.“ Weiter habe eine Telefonnummer darauf gestanden, wo sie anrufen sollten, so Götzl weiter. Manchmal seien sie angerufen worden, manchmal hätten sie einen Zettel mit einer Nummer bekommen, die sie anrufen sollten, so Böhnhardt. Das erste Treffen sei laut ihrer Vernehmung im Herbst gewesen, so Götzl. Das könne sein, jedenfalls hätten sie alle Jacken getragen, bestätigen Böhnhardt. Böhnhardt habe ausgesagt, so Götzl weiter, Zschäpe habe beim dritten Treffen die Haare schwarz gefärbt und glatt gehabt, zu den anderen Treffen habe sie die Haare als Pferdeschwanz gebunden; „die Jungs“ hätten sich äußerlich nicht verändert. Götzl fragt, ob ihr Sohn eine Brille getragen habe. Böhnhardt verneint das, sie wisse auch nichts von einer Sehschwäche. Götzl hält vor, sie habe angegeben, dass sich ihr Sohn „eher erschießen“ würde, als ins Gefängnis zu gehen. Böhnhardt sagt, ihnen sei ja auch mit der Äußerung, dass die Polizei schießen würde, eine Falle gestellt worden. Auf den Vorhalt, sie habe angegeben, dass sie ab dem ersten Treffen vermutet hätten, die drei seien in Sachsen, erwidert Böhnhardt, sie habe wohl ein Gespräch mit gehört, in dem sich Mundlos dahingehend geäußert habe, er wisse nicht, ob sie es in Thüringen ähnlich wie die Leute in Sachsen geschafft hätten, drei Leute unterzubringen. Bei der Frage nach Unterstützern sei, so Götzl, laut ihrer Aussage entweder von Freunden oder von „ihrer Gruppe“ die Rede gewesen. Das sei möglich, die drei hätten keine Namen genannt.

Götzl hält Böhnhardt vor, sie habe bei der Polizei ausgesagt, entweder 2000 oder 2001 habe Uwe in einem Telefonat gesagt, Zschäpe bräuchte unbedingt einen Anwalt, weil sie sich stellen wolle. Freunde würden den Anwalt besorgen, aber Beate könne ihn nicht bezahlen. Irgendwann, so der Vorhalt weiter, sei dann ein Anschreiben von einem Rechtsanwalt namens Dr. Eisenecker gekommen, der  800 DM für die Bearbeitung gefordert habe, was die Böhnhardts dann bezahlt hätten; sie hätten aber nie wieder etwas gehört. Das habe sie damals falsch ausgesagt, so Böhnhardt. Sie habe vergessen, dass sie schon einmal einen RA für Zschäpe besorgen sollten, 1998 oder 1999, als sie in Verhandlungen gewesen seien, dass die drei sich stellen. Das mit Eisenecker sei später gewesen. Dann macht Götzl den Vorhalt, sie habe angegeben, dass ihr auch die Familien der Opfer sehr leid täten. Deswegen, so Böhnhardt, habe sie sich so geärgert, dass dieser Satz mit dem „schönen Leben“ im Protokoll gestanden habe, weil doch vorstellbar sei, wie verheerend das wirke: „Ich bin wohl in der Position, leider, wo ich diese Familien am besten verstehen kann, die Sorge, die Ungewissheit, das traumatische Erlebnis, einen Angehörigen verloren zu haben.“ Ihr seien auch Videobilder aus der Kölner Keupstraße gezeigt worden, so Böhnhardt, darauf habe sie aber niemanden erkannt.
Götzl teilt mit, dass der geladene Zeuge André K. morgen gehört werde und sein Bruder Christian, der für Donnerstag vorgesehen war, abgeladen sei.

Es folgte eine Pause bis 14.25 Uhr.

Dann hält Nebenklagevertreterin RAin Basay der Zeugin eine Aussage ihres älteren Sohnes vor, derzufolge Uwe Böhnhardt eine Luftdruckpistole, zwei Luftgewehre und eine Armbrust besessen habe. Mit der Armbrust habe er einmal in einen Baum geschossen und den Pfeil wieder heraus gepult, weil der so teuer gewesen sei. Sie als Eltern hätten davon nichts gewusst, sagt Brigitte Böhnhardt. Basay bezieht sich auf ein Fernsehinterview, das die Zeugin dem MDR gegeben habe. Böhnhardt sagt auf Frage nach der Beziehung ihres Sohnes zu Zschäpe, es könne sein, dass Zschäpe gesagt habe, sie sei mit beiden [Mundlos und Böhnhardt] befreundet, wobei sie von ihrem Uwe wisse, dass sie noch zusammen gewesen seien. Dann geht es um die Wohnverhältnisse der drei. Zschäpe, so Böhnhardt, habe gesagt, jeder habe ein Zimmer, sie hätten zwei Katzen und sie selbst koche, kümmere sich um die Wäsche und backe.

Nebenklagevertreter RA Narin bittet darum, der Zeugin TV-Material vom BR zu zeigen [Aufnahmen von -Mitgliedern, darunter Tino Brandt, aus den 1990ern]. Auf einem Standbild ist [Führungsaktivist des THS] zu sehen. Narin fragt, ob es sich hierbei um den anderen Mann handeln könne, dem sie Geld übergeben habe, was Böhnhardt verneint. Die Person auf zwei gezeigten schwarz-weißen Fotos kenne sie ebenfalls nicht, so Böhnhardt. Narin fragt zu der Äußerung des Vaters von Uwe Mundlos, die drei seien in Mecklenburg-Vorpommern untergekommen. Böhnhardt wiederholt, dass sie das nicht geäußert habe. Ihre Nichte habe „das böse Pech“ in Rostock ausgerechnet in dem Stadtteil zu wohnen, wo der Mord an „dem jungen Mann“ [Mehmet Turgut] stattgefunden habe. Die Nichte sei auch vernommen worden. RA Narin fragt, ob der Charakter ihres Sohnes eher „dominant-aggressiv“ oder „zurückhaltend-passiv“ gewesen sei. Böhnhardt sagt, sie könne nur von dem Uwe sprechen, den sie kenne, und der sei nicht dominant und aggressiv gewesen. Sie denke, dass er ihnen einiges verschwiegen habe. Auf RA Narins Frage, ob es sich bei der Gruppe mit den älteren Freunden, in der sich ihr Sohn zeitweise befunden habe, vielleicht um die „Jü.-Be.-Clique“ handele, antwortet Böhnhardt, der Name Jü. sage ihr etwas, der Name Be. nicht. RA Narin fragt weitere Namen ab. Sie kenne diese Namen nicht, so Böhnhardt. Dann zitiert RA Narin aus einer Vernehmung eines Angehörigen dieser Clique, derzufolge ein Sch. das Sagen gehabt habe, wenn aber Uwe Böhnhardt da gewesen sei, habe der den Ton angegeben. Uwe Böhnhardt sei aggressiv gewesen, habe sich in den Vordergrund gedrängt und habe zusammen mit Sch. auch die Kontakte zur „Automafia“ gehabt. Weiter hält RA Narin aus einer Aussage eines Cliquenmitglieds zu Enrico Th. vor, derzufolge dieser wie auch alle anderen Respekt vor Uwe Böhnhardt gehabt hätten. Uwe Böhnhardt sei, so die Aussage weiter, „wie eine Bombe“ gewesen, im einen Moment habe er gelacht, im anderen sei er aggressiv geworden. Sie wisse von Autodiebstählen, so Brigitte Böhnhardt, sie gehe aber davon aus, dass „man den Schuldigen bei denen sucht, die nicht mehr antworten können“. Zum Gefängnisaufenthalt befragt, sagt Böhnhardt, ihr Sohn habe ein Tattoo aus dem Gefängnis mitgebracht, das sei ein Schutz gewesen. RA Narin hält aus dem Abschlussbericht des Bundestags-Untersuchungsausschusses vor, Uwe Böhnhardt habe mit Zellengenossen, u.a. , einem Aktivisten des THS, in der JVA wiederholt Knallkörper gebaut. Mit Sven Ro. habe er sich an der Misshandlung eines Mitgefangenen beteiligt, u.a. habe er heißes Plastik auf den Rücken des jungen Mannes gedrückt. Als Disziplinarmaßnahme sei Uwe Böhnhardt nicht mehr mit Jugendlichen, sondern mit Erwachsenen untergebracht worden. Sie wisse davon nichts, so die Zeugin, sie kenne auch Sven Ro. nicht. Sie meine, man hätte sie als Eltern informieren müssen. Dann lässt RA Narin ein Bild aus der Zeit vom 24. November 1997 bis zum 1. Dezember 1997 aus einem Observationsbericht zeigen, auf dem Uwe Böhnhardt mit seinem Bruder zu sehen ist. In der Zeit sei es durchaus möglich, dass sich die beiden getroffen hätten, nach dem Abtauchen habe ihr älterer Sohn aber keinen Kontakt mehr zu Uwe gehabt, so die Zeugin.

Nebenklageanwalt RA Daimagüler sagt, ob sie das Abdriften ihres Sohnes nach rechts mit Namen verbunden habe. Das verneint Böhnhardt, sie habe erst später in der Zeitung Namen gelesen. Böhnhardt: „Auch dass sie zu einem Prozess gegen irgendjemand gefahren sind, wusste ich nicht.“ [gemeint ist vermutlich ein Prozess gegen 1996 in Erfurt]. Wenn sie gefragt habe, habe ihr Sohn gesagt, dass sie die Leute eh nicht kenne. Uwe Mundlos sei auch ein „Nachplapperer“ gewesen. Dass Wohlleben Funktionen in der übernommen hat, habe sie gelesen, sie sei „ein wenig enttäuscht“ über diese Entwicklung gewesen. Wohlleben habe nach dem Untertauchen der drei auch nicht den Kontakt zu ihr und ihrem Mann gesucht. Auf Frage von RA Daimagüler sagt Böhnhardt, sie habe nicht nur Mitleid, sondern Mitgefühl mit den Opferfamilien. Sie könne die Opferfamilien wohl am allerbesten verstehen. Böhnhardt: „Ich fühle mit ihnen. Ich bin ihnen unendlich dankbar, dass sie sich an uns nicht gerächt haben, am Bruder, an der Familie, an den Enkelkindern. Aber ich glaube, diese Familien haben begriffen, dass wir nicht die Schuldigen waren. Wir haben nie einen Brief mit Drohungen bekommen, niemals einen Anruf.“ Sie habe angeboten, mit den Opferfamilien zu reden. Eine Tochter habe zugesagt, habe aber nur mit Anwalt und der Zeitung kommen wollen, da hätten sie abgesagt. RA Daimagüler möchte wissen, was das gestern von Böhnhardt geäußerte Mitleid mit den Angeklagten bedeute. Böhnhardt sagt, das sei ein ganz anderes Gefühl als das gegenüber den Opferfamilien. Sie habe gesagt, es tue ihr leid um diese Personen, wären die drei nicht abgetaucht, müssten die jungen Leute hier nicht sitzen.

RA Langer zitiert eine Aussage von Brigitte Böhnhardt vor dem thüringischen Untersuchungsausschuss, wonach ihr ein Beamter vom LKA gesagt habe, das LKA wüsste von dem Waffenbesitz der drei. Dann habe der Beamte gesagt, wenn sie die drei aufspürten und sie zuckten, würde geschossen. Böhnhardt versteht zunächst nicht, dass es sich um ihre eigene Aussage handelt, dann sagt sie: „Dann hat also das LKA gewusst, dass sie eine Waffe haben. Aber wir nicht.“ RA Langer fragt Böhnhardt, wie sich ihr Sohn denn ohne Waffe habe erschießen wollen, wie er es bei einem Treffen geäußert habe. Gefragt habe sie ihn nicht, sagt Böhnhardt, aber sie gehe davon aus, dass man sich nur mit einer Waffe erschießen könne. Auf die Frage, ob diese Äußerung beim dritten Treffen gefallen sei, entgegnet Böhnhardt, das könne später auch nochmal Thema gewesen sein, aber sie denke, dass es schon gefallen sei, als die Absprachen geplatzt seien. Auf Frage von RA Langer sagt Böhnhardt, ein paar Tage nach dem 26. Januar 1998 hätten Uwes Autoschlüssel und Autopapiere bei ihnen im Briefkasten gelegen, der Wohnungsschlüssel ihres Sohnes sei nicht zurückgekommen. Dann geht es noch einmal um Urlaube der Familie, insbesondere in Bezug auf Mecklenburg-Vorpommern. Böhnhardt sagt, als die Kinder klein gewesen sein, hätten sie mal bei ihrer Schwester in Rostock übernachtet und vielleicht seien sie auf dem Weg in den Urlaub auch mal bei ihrer Nichte vorbei gefahren. Als Uwe später ohne sie Urlaub gemacht habe, habe er immer von Camping mit Freunden gesprochen, aber nicht gesagt, wohin und mit wem.

Auf Frage von RA Scharmer sagt Böhnhardt, ihr Sohn sei im Erwachsenenvollzug untergebracht worden, weil im Jugendgefängnis kein Platz mehr gewesen sei. Dann fragt RA Scharmer zum Kontakt mit Anwalt Ta.. Der erste Kontakt könne im Oktober 1998 gewesen sei. Es könne sein, dass Ta. oder der VS davon ausgegangen seien, dass sie, Böhnhardts, Kontakt zu den dreien hätten. Es könne auch sein, dass sie Ta. gefragt hätten, wie er darauf komme. Die damalige Freundin von Wohlleben, Juliane Wa., kenne sie nicht. Die Information, dass sich Zschäpe und ihr Sohn stellen würden, Mundlos aber nicht, habe sie aus einem Telefongespräch mit ihrem Sohn; sie habe immer nur mit ihrem Sohn telefoniert. Sie wisse nicht, ob es für den Anwalt für Zschäpe eine Vollmacht gegeben habe. Das Geld für RA Ta. habe der VS bezahlt. Sie habe, als sie das Schreiben über die Einstellung eines Verfahrens wegen Verjährung bekommen habe, nicht versucht, Kontakt zu ihrem Sohn aufzunehmen, so Böhnhardt auf Frage von RA Scharmer. Wohlleben habe sie im Telefonbuch gefunden und angerufen. Sie habe gehofft, dass ihr Sohn über Freunde oder „wen auch immer“ von der Einstellung erfährt.

RAin Clemm hält vor, laut Bericht einer VS-Quelle, habe Wohlleben gesagt, die Quelle solle einen Termin für sich oder eine Kontaktperson bei RA Eisenecker zu vereinbaren. Er, Wohlleben, sei bereit, zu Eisenecker zu fahren und auch die Vollmacht von Zschäpe zu besorgen. Die Familie Böhnhardt, so der Vorhalt weiter, habe zugesagt, die Kosten zu übernehmen, könne die Untergetauchten aber nicht mehr weiter finanziell unterstützen. Sie könne sich nicht erinnern, so Brigitte Böhnhardt, dass Wohlleben den Kontakt zu Eisenecker hergestellt habe. Auch an ein Gespräch mit Wohlleben darüber könne sie sich nicht erinnern. Dann geht es um den Besuch von Holger G.. G. habe, so RAin Clemm, angegeben, von Wohlleben gebeten worden zu sein, die Böhnhardts aufzusuchen, um ihnen Grüße von Uwe Böhnhardt auszurichten. Die Zeugin fragt Holger G.: „Und, hast du das gemacht?“ Holger G. nickt. Dann werde es so gewesen sein, sagt Böhnhardt, sie wolle „nicht in Abrede“ stellen, dass Grüße ausgerichtet worden seien. RAin Clemm hält vor, laut Bericht des VS habe G. den Böhnhardts mitgeteilt, die drei hätten eher vor, sich zu erschießen, als sich zu stellen. Sie könne sich daran nicht erinnern, so die Zeugin.

Auf Frage von RAin Lunnebach sagt Böhnhardt, sie könne wohl nachvollziehen, wohin sie die 800 DM für den Anwalt von Zschäpe überwiesen habe. RA Kuhn fragt zu einer Gruppe im Gefängnis, zu der Uwe Böhnhardt laut Zeugenvernehmung von Brigitte Böhnhardt gehört habe. Unter einer Gruppe habe sie verstanden, dass man sich gegenseitig helfe und unterstütze, es sei nicht um „rechts- oder linksgerichtete Gruppen oder Ausländergruppen“ gegangen. Dann fragt RAin Wierig zur Konstellation, dass Uwe Böhnhardt mit dem Ex-Freund von Zschäpe zusammen gelebt habe. Böhnhardt sagt, ihr gefalle die Frage nicht, sie habe kein Problem damit gehabt, dass Zschäpe zuerst mit Mundlos und dann mit ihrem Sohn zusammen gewesen sei. RAinWierig erläutert, es gehe darum, zu verstehen, wie die Gruppe zueinander gestanden habe. Böhnhardt sagt, sie wüsste auch zu gerne, was die drei dazu verleitet haben solle, diese Taten zu begehen. Die Staatsanwaltschaft suche nach jedem Beweis, dass die das begangen haben: „Ich als Mutter suche nach jedem Strohhalm, zu sagen, das kann so nicht gewesen sein.“ Sie könne ihren Sohn so nicht sehen. Sie könne sich auch nicht erinnern, dass einer von den dreien eine dominante Rolle gehabt habe. Es sei einfach eine Gruppe junger Menschen gewesen, die nicht den Mut gefunden habe, zurückzukommen. Ihr stelle sich immer die Frage, warum nicht. Sie könne nur sagen, dass die drei gleichberechtigt gewesen seien. Keiner der beiden Uwes hätte sich, so Brigitte Böhnhardt, von Zschäpe dominieren lassen. RAin Wolf fragt noch einmal zum Angebot des VS. Sie habe, antwortet Böhnhardt, den Wunsch nach einer schriftlichen Bestätigung an Anwalt Ta. gerichtet, bevor da etwas gekommen sei, sei das Angebot schon zurückgezogen worden.

Es folgt eine Pause.

Um 16.40 Uhr fragt Nebenklagevertreterin RAin Lex zunächst zum Thema Verjährung und dann zu den Geldübergaben. Böhnhardt sagt, sowohl André K. als auch der unbekannte junge Mann seien unten in den Vorraum gekommen, sie könne sich vorstellen, dass sie nach ihrem Sohn gefragt hat, und dass K. bzw. der andere Mann gesagt hätten, sie wüssten von nichts. Auf Frage von RAin Lex berichtet Böhnhardt dann von einer weiteren Übergabe, bei der Uwes „persönliche Sachen“  (Wäsche, Schuhe, Bücher, Spiele,Videorekorder) übergeben worden seien. Sie hätten das bei einem Telefonat mit Uwe abgesprochen. Sie habe einfach nur zwei Müllsäcke in den Vorraum tun sollen und ein Bekannter würde dann die Säcke abholen. Sie habe die Säcke in den Vorraum gestellt. Sie habe sich nicht verkneifen können, vom Balkon zu schauen und habe einen Mann gesehen, der die Säcke in sein Auto getan habe; Autotyp und Kennzeichen habe sie nicht erkannt. Sie habe keinen persönlichen Kontakt gehabt, sie wisse nicht, ob noch jemand im Auto gesessen sei und habe den Mann auch nicht erkannt. Mit Sicherheit sei es aber keiner der hier anwesenden Männer gewesen. Böhnhardt denkt länger nach, dann sagt sie auf Frage von Lex, sie könne sich an keine weiteren Übergaben erinnern. Richter Götzl erinnert die Zeugin an ihre Wahrheitspflicht, sie dürfe auch nichts verschweigen. Die Zeugin sagt, diese Übergabe habe sie bis eben vergessen, ihr falle jetzt weiter nichts mehr ein.

Auf Frage von Götzl sagt Böhnhardt, ihr Sohn habe sich mal beschwert, dass nicht alle Spenden angekommen seien, ob das die 500 DM, die sie an André K. gegeben habe, gewesen seien oder andere Spenden, wisse sie nicht: „Ich möchte den Herrn K. auch um Gottes willen nicht ungerechtfertigt beschuldigen.“ Die Übergabe mit K. sei die erste oder zweite gewesen. Sie könne sich, so Böhnhardt, nicht mehr genau erinnern, wie die Übergaben abgesprochen worden seien. Sie habe das mit ihrem Sohn am Telefon besprochen. Sie wisse nicht mehr, ob K. vorher angekündigt wurde oder vorher mal bei ihnen geklingelt habe. Was zwischen der Äußerung ihres Sohnes und dieser Übergabe gewesen sei, wisse sie nicht. Vermutlich habe ihr Sohn einen Mittelsmann gesucht, denn nach ihrem Wissen sei K. nicht direkt von ihrem Sohn gekommen, sondern über einen Mittelsmann. Sie, die Eltern, hätten jedenfalls nie 500 DM in der Wohnung gehabt, deswegen gehe sie davon aus, dass sich K. vorher angekündigt hat, damit sie das Geld parat haben. Götzl möchte wissen, wie viel Zeit zwischen Telefonat und Übergabe vergangen sei. Das habe schon länger gedauert, so Böhnhardt. Das Telefonat sei im März [1998] gewesen, sie könne sich vorstellen, dass es im April vielleicht geschehen sei. Wie die Übergabe genau abgelaufen sei, wisse sie nicht mehr, sie wisse nicht, ob sie ein bestimmtes Wort ausgemacht hätten. Götzl sagt, sie rudere jetzt ganz schön zurück, gestern habe sie angegeben, dass eine Parole ausgemacht worden sei. Das sei eine andere Angelegenheit, so Böhnhardt. Götzl fragt, welche. Dann sagt sie, sie hätten nur ein einziges Mal eine Parole ausgemacht, dann müsse es die Parole bei der Geldübergabe gewesen sein. Götzl sagt, sie habe aber von einer anderen Gelegenheit gesprochen. Das habe sie zurückgenommen, so Böhnhardt, sie habe sich durch Götzls Frage nach einer anderen Gelegenheit verwirren lassen. Die andere Gelegenheit habe aber sie selbst eingeführt, erwidert Götzl. Böhnhardt sagt, das sei ein Irrtum gewesen, die Parole habe es nur bei den Geldübergaben gegeben. Götzl fragt weiter zu den Übergaben. RA Stahl, Verteidiger von Zschäpe, beanstandet, die Zeugin werde in die Spekulation getrieben. Götzl fragt weiter und will wissen, wer denn angerufen habe. Beim ersten Mal könne es K. gewesen sein oder der unbekannte junge Mann, „der sagte, er kommt morgen, übermorgen oder in ein paar Tagen, um das Geld abzuholen“. Das sei das Signal gewesen, das Geld zu holen. K. habe sie gekannt, die Parole sei für den Unbekannten vereinbart worden beim ersten Telefonat nach dem Abtauchen. Es seien maximal vier Übergaben gewesen, die Beträge seien immer identisch gewesen, so Böhnhardt auf Frage Götzls. Es folgt eine Auseinandersetzung zwischen RA Stahl und Götzl darum, ob Böhnhardt gestern angegeben habe, die 500 DM, die an K. gegangen seien, seien nicht angekommen.

Nach einer Unterbrechung geht es um 17.41 Uhr weiter.

Auf Frage von Götzl sagt Böhnhardt, die Geldübergaben seien durch sie erfolgt, ihr Mann habe aber davon gewusst. Dann fragt Nebenklagevertreter RA Lucas zum Verhältnis zwischen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Er will wissen, wie die beiden Entscheidungen getroffen haben. Sie seien nett und lieb miteinander umgegangen, so Böhnhardt, wie die beiden miteinander gesprochen hätten, wisse sie nicht. Zschäpe sei schüchtern gewesen, sagt Böhnhardt, und man habe gesprochen, wie man das in Familien unter Erwachsenen tue. RA Lucas fragt, wie er sich das vorzustellen habe. Böhnhardt: „Also Sie als Rechtsanwalt verstehen nicht, was es heißt, wenn man vernünftig miteinander umgeht?“ Böhnhardt spricht dann von ganz normalen Gesprächen, die sie „sicher“ geführt hätten über „Garten, Einkaufen, Kopfschmerzen“. Auf erneute Nachfrage sagt Böhnhardt, Zschäpe habe als Erwachsene „sicherlich“ auch eine eigene Meinung vertreten. Sie seien in der Zeit, als Zschäpe bei ihnen gewohnt habe, eine „kleine Gemeinschaft“ gewesen.

Nebenklagevertreter RA Rabe fragt erneut zu dem Fragenkomplex, den RA Lucas angesprochen hat. Die Zeugin sagt, sie verstehe nicht, was diese Fragen mit dem Prozess zu tun hätten. Rabe erwidert, Zschäpe spreche nicht, also müsse man Menschen fragen, die Zschäpe kennen. Böhnhardt sagt wieder, sie hätten „jedes Pärchen für sich“ gelebt. Rabe fragt, ob ihr eine Situation erinnerlich sei, wo Zschäpe eine Idee gehabt und dann verwirklicht habe. Böhnhardt: „Dann hat sie die verwirklicht.“ Dann fragt Rabe in Bezug auf das Telefonat am 5. November 2011, ob sie wisse, wann ihr Sohn Zschäpe gebeten habe, die letzten Worte zu übermitteln. Das wisse sie nicht, so Böhnhardt.

Sie habe sich nicht anwaltlich auf die heutige Vernehmung vorbereitet, sagt Böhnhardt auf Frage von RA Kaplan. RA Kaplan will wissen, ob sie gefragt habe, warum die drei Spenden bekämen. Sie habe sich „nicht wirklich“ gewundert, in diesem Freundeskreis sei Unterstützung sicher ein Freundschaftsbeweis gewesen. Der Freundeskreis aus Jena könne es nicht gewesen sein, sie hätten von Sachsen gehört, aber die hätten sie alle nicht gekannt. Von einem politischen Hintergrund hätten sie nichts erfahren. Durch die Beziehung mit Zschäpe sei ihr Sohn erwachsener geworden, weil seine Partnerin älter gewesen sei und er nicht unreif habe erscheinen wollen, so Brigitte Böhnhardt auf Frage von RA Kaplan. Auf Frage aus der Nebenklage sagt Böhnhardt, der Anrufer bei dem Telefonat zur Abholung der persönlichen Sachen von Uwe, sei ein Mann gewesen, er habe sich nicht vorgestellt, sie habe aber sofort kapiert, um was es geht. Ob eine Parole vereinbart gewesen sei, wisse sie nicht, so Böhnhardt weiter. Die Stimme sei ihr nicht bekannt vorgekommen. Sie nehme an, dass sie nicht noch einmal mit dem Mann telefoniert habe.

RA Martinek fragt, ob es seitens ihres Sohnes auch Äußerungen zu seinem Verhältnis zum Staat, zu Behörden, insbesondere zur „Polizeimacht“ gegeben habe. „Polizeimacht“ sei ein gutes Stichwort, erwidert Böhnhardt, die Polizei Jena habe sich manchmal als Macht präsentiert. Sie berichtet von Vorfällen, bei denen ihr Sohn von der Polizei verprügelt worden sei. Ihr Sohn habe sicher provoziert, „aber sie wurden auch provoziert“. Einmal habe sie ihn nicht sofort bei der Polizei abholen dürfen, da hätten sie ihm ins Gesicht geschlagen. Ihr Sohn habe gesagt, normalerweise würden die Polizisten versuchen den Körper zu treffen. Zur allgemeinen Einschätzung Uwe Böhnhardts gegenüber Polizei oder Staat sagt Brigitte Böhnhardt, die sei sicherlich kritisch gewesen, das sei aber auch bei ihr so und vielleicht habe das abgefärbt: „Er fühlte sich manchmal zu Unrecht beschuldigt. Ich kenne mehrere Vorfälle wo ich sagen muss, so geht das auch nicht.“ Auf Frage von RA Prosotowitz sagt Böhnhardt, sie sei damals davon ausgegangen, dass Zschäpe nicht zur rechten Szene gehört, sie gehe davon aus, dass sie auch mal mit Zschäpe gesprochen habe, damit diese ihren Sohn woanders hinbringe. RA Tikbas bezieht sich auf Böhnhardts Aussage vom Vortag, wonach sie nicht wissen wolle, wer die Zettel zur Kontaktaufnahme in ihren Briefkasten gelegt habe. Er will wissen, warum. Böhnhardt: „Was man nicht weiß, kann man nicht verraten. Das gilt auch jetzt noch. Wenn schon jemand meinem Sohn hilft, will ich ihn nicht in die Pfanne hauen.“ RA Tikbas: „Ist das heute auch so?“ Böhnhardt sagt, das sei die „berühmte Fangfrage“. Sie wisse es nicht, habe es nicht wissen wollen und Uwe habe auch nichts gesagt. Auf Frage von RA Tikbas sagt Böhnhardt, ihr Sohn habe bei ihren Diskussionen mit ihm nicht zwischen Türken, Griechen, Italienern oder sonstigen Ausländern unterschieden, sondern nur allgemein von „den Ausländern“ gesprochen.

RA Schön fragt, ob die Zeugin vom „Kofferbombenattentat“ gehört habe. Böhnhardt sagt, sie habe das im Fernsehen gesehen und nie von Uwe gehört. RA Schön hält ihr die Aussage der Ex-Frau ihres älteren Sohnes vor, derzufolge der ältere Sohn im Gespräch bestätigt habe, dass Uwe dabei gewesen sei. Brigitte Böhnhardt sagt, das glaube sie ihr nicht, ihr Sohn und seine Ex-Frau hätten kein gutes Verhältnis. Sie selbst habe von niemandem konkret gehört, dass Uwe dabei gewesen sei. Sie habe davon in der Zeitung gelesen und Uwe gefragt, ob er dabei gewesen sei, das habe er verneint. Auf Frage von RA Schön sagt Böhnhardt, sie müsse überlegen, ob der Rohrbombenfund [in der von Zschäpe angemieteten Garage]in den Gesprächen mit Anwalt Ta. Thema gewesen sei. Es habe die Strafe ihres Sohnes im Raum gestanden und dann sei auch davon gesprochen worden, dass den drei für das „Bombenbasteln“ und Aufbewahren von Sprengstoff der Prozess gemacht werde. RA Schön fragt, ob Ta. mitgeteilt habe, dass es keine schriftliche Zusage der Staatsanwaltschaft über ein Strafmaß geben könne. Das verneint Böhnhardt.

RAin Pinar fragt, ob Böhnhardt heute etwas nicht gesagt habe, um jemanden zu schützen, der ihrem Sohn geholfen habe. Auch das verneint Böhnhardt. RA Reinecke fragt, ob sie sich bemüht habe, Gewissheit zu bekommen, ob nun ihr Sohn ein Mörder geworden ist oder nicht. Sie hätten viele Gespräche mit VS, Kripo und BKA-Beamten geführt und gefragt, ob es tatsächlich Beweise gibt, dass ihr Sohn beteiligt war, so Böhnhardt. Sie habe klargemacht, dass sie mit der Täterschaft von Uwe nicht klarkomme, weil sie sich ihren Sohn nicht als eiskalten Mörder vorstellen könne. Die Opferfamilien seien wenigstens in der Lage, öffentlich zu trauern. Jedes Mal, wenn sie trauern wolle, komme das Entsetzen in ihr hoch, was ihr Sohn getan haben soll. Sie habe überlegt, Zschäpe zu schreiben, aber nachdem sie davon gehört habe, dass Zschäpes Briefe veröffentlicht wurden, habe sie davon Abstand genommen, vielleicht habe sie irgendwann mal die Gelegenheit, sie zu besuchen.

Zschäpes Verteidiger, RA Stahl, fragt noch einmal zum Angebot, das über den Anwalt Ta. gekommen sei. Böhnhardt gibt an, Ta. sei als „Verbindungsmann“ zwischen VS und den Eltern aufgetreten, weil der VS davon ausgegangen sei, dass die Eltern Ta. vertrauten. Ta. habe angeboten, Uwe im Anschluss zu vertreten. RA Stahl fragt, ob ihr Sohn, Mundlos oder Zschäpe bei einem der Treffen von einer Prozesseinschätzung durch einen Anwalt berichtet hätten. Daran könne sie sich nicht erinnern, so Böhnhardt. Dann fragt RA Stahl, ob sie in irgendeiner Weise ihre Erinnerung an Zschäpe beschönigt oder zu Gunsten von Zschäpe ausgesagt habe, was Böhnhardt verneint. RA Hachmeister, Verteidiger von Holger G., möchte von Böhnhardt wissen, ob sie ihren Sohn bei den Treffen mit „Uwe“ angeredet habe, was die Zeugin bejaht. Dann fragt er, ob man sich bei den Treffen um Unauffälligkeit bemüht, z. B. verkleidet, habe. Verkleidet habe man sich nicht, so Böhnhardt, aber die drei seien vorsichtig gewesen und hätten sich vergewissert, dass sie nicht verfolgt würden. RAin Sturm, Verteidigerin von Zschäpe, sagt, sie habe in den Akten verschiedene Termine von Vernehmungen mit Brigitte Böhnhardt stehen. Böhnhardt schaut in ihren Kalendern nach und sagt, sie sei am 24. Januar 2012 bei der Polizei zur Vernehmung gewesen. RA Sturm hält vor, sie habe in dieser Vernehmung davon gesprochen, Holger G. habe sie bei seinem Besuch nach Uwe gefragt. Es könne also doch sein, dass G. sie nicht von Uwe gegrüßt habe, sagt Böhnhardt. Nach erneuten Nachfragen sagt sie, sie könne sich nicht genau erinnern, ob sie G. oder G. sie nach ihrem Sohn gefragt habe.

RA Pausch, der Verteidiger von Carsten S., will wissen, ob Wohlleben bei dem ersten Treffen mit den dreien dabei gewesen sei. Er hält einen VS-Quellenbericht von Tino Brandt vor, demzufolge Wohlleben gesagt habe, er habe guten Kontakt zu Familie Böhnhardt und habe die drei mal mit Frau Böhnhardt besucht. Böhnhardt sagt, ihr Mann sei immer bei den Treffen dabei gewesen, Wohlleben sei nie dabei gewesen, sie wisse nicht, ob Wohlleben die drei vielleicht mal alleine getroffen habe. Auf Frage von RA Pausch sagt Böhnhardt, sie habe den Anwalt von Zschäpe nicht gekannt und wisse auch nicht, wer den Anwalt benannt habe. Ob Wohlleben bei einem zufälligen Treffen einen Anwalt von Zschäpe erwähnt habe, wisse sie nicht mehr. Es könne auch sein, dass sie die Nummer von Wohlleben nicht aus dem Telefonbuch, sondern aus einem Schreiben oder ihrem Kalender gehabt habe, so Böhnhardt auf Frage von RA Pausch.

Dann fragt der psychiatrische Sachverständige Saß. Ihrem Sohn habe an Mundlos dessen Intelligenz und Selbständigkeit gefallen, was Mundlos an ihrem Sohn gefallen habe, wisse sie nicht, sagt Böhnhardt. Die Frage von Saß, wer von beiden der Stärkere gewesen sei, wird von RA Klemke, dem Verteidiger von Wohlleben, beanstandet. Nach einer Pause formuliert der Sachverständige die Frage um. Böhnhardt sagt, körperlich sei ihr Sohn stärker gewesen, Mundlos aber cleverer. Streit habe es nicht gegeben, sie habe die beiden als Kumpels wahrgenommen. Bevor die drei untergetaucht sind, habe sie sie nicht als Trio gekannt; sie habe Mundlos als Uwes Freund, und Zschäpe als Uwes Freundin kennengelernt. Zschäpe habe eigentlich Erzieherin werden wollen, das habe nicht geklappt. Die Großeltern habe Zschäpe geliebt, sie habe auch gesagt, dass sie mehr von der Oma erzogen worden sei. Saß fragt nach den Vorwürfen Zschäpes gegen ihre Mutter. Ihre Mutter habe sich geschämt, dass sie ihre Arbeit verloren hat, so Böhnhardt, sie habe es versäumt, sich Hilfe zu holen und die Wohnung sei geräumt worden. Zschäpe sei sehr frustriert gewesen. Vom Verlust der Wohnung habe sie, Böhnhardt, nur durch ihren Sohn erfahren. Zschäpe sei zwar ihnen gegenüber scheu gewesen, habe aber sonst ein „normales, gesundes Selbstbewusstsein“ gehabt.

Dann fragt OStA Weingarten von der Bundesanwaltschaft. Er hält Böhnhardt vor, der Thüringer Verfassungsschutz (TLfV) habe RA Ta. bescheinigt, bis zum Abschluss der Verhandlungen um ein Stellen der drei würden keine Überwachungsmaßnahmen gegen die Familie Böhnhardt und Ta. durch das TLfV stattfinden. Sie habe kein solches Schreiben bekommen, so Böhnhardt, sie wisse nicht genau, ob Ta. ihnen das mitgeteilt habe. Dann hält Weingarten einen Vermerk des VS vor, demzufolge die Eltern Böhnhardt informiert worden seien, dass das TLfV die Bedingungen im Rahmen des ‚Aussteiger-Programms‘ akzeptiere und sie, die Böhnhardts, dies auch schriftlich vom Präsidenten des TLfV bekommen könnten. Die Zusage gelte allerdings nur für das TLfV, nicht für die Strafverfolgungsbehörden; dies habe die Person ihres Vertrauens mit dem zuständigen Staatsanwalt zu klären. Daran habe sie keine Erinnerung, so Böhnhardt. Dann hält Weingarten vor, mit Ta. sei abgesprochen worden, dass „die Drillinge“ [Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe] nach dem Stellen zunächst für zwei Wochen in U-Haft zu nehmen seien, um die Geständnisse und Aussagen aufzunehmen; Ta. habe versichert, mit Böhnhardts zu sprechen, weil zunächst die Rede davon gewesen sei, die Haftbefehle direkt nach dem Stellen aufzuheben. Auch daran könne sie sich nicht erinnern, so Böhnhardt. Auf die Frage Weingartens, ob sich ihr Sohn geäußert habe, mit welcher Strafe er denn einverstanden sei, sagt Böhnhardt, Uwe habe sich nicht mehr stellen wollen, nachdem das Angebot gescheitert sei. Dann möchte Weingarten wissen, ob der Staatsanwalt denn gesagt habe, dass er wieder an zehn Jahre Strafe denke und ob sich die Zurücknahme nicht vielleicht nur auf die Einstellung der Fahndung beziehe. Böhnhardt sagt, ihnen sei klar gemacht worden, dass es sich auf das gesamte Angebot beziehe. Weingarten hält einen Vermerk des VS vor, demzufolge die Rücknahme der Zusage des VS, nicht zu überwachen, keine Auswirkungen auf das Vorhaben der Staatsanwaltschaft habe. Zunächst versteht Böhnhardt den Hintergrund der Frage nicht, dann sagt sie, es sei mal von zwei Wochen U-Haft die Rede gewesen. Sie habe keine Erinnerung, ob dieses Angebot jemals ausdrücklich zurückgezogen worden sei, sie hätten sich immer auf Herrn Ta. verlassen. Richter Götzl fragt zu den Strafvorstellungen ihres Sohnes. Die kenne sie nicht, sagt Böhnhardt, er habe sich aber sicherlich gewünscht, dass alles auf Bewährung ausgesetzt werde. Ihre Einschätzung, dass auch Mundlos Mitläufer gewesen sei, gründe sich, so Böhnhardt, darauf, dass sie gar keine Strukturen mitbekommen habe, in denen Mundlos eine größere Rolle hätte haben sollen. Dann fragt Götzl, was ihr Mann von den Telefonaten und Übergaben mitbekommen habe. Böhnhardt sagt, das meiste habe sie erledigt, ihr Mann habe aber Bescheid gewusst. Auf Frage eines Richters sagt sie, sie habe nach dem Abtauchen niemals wieder an ihrem Privattelefon mit ihrem Sohn gesprochen. RA Kaplan fragt, ob Zschäpe über ihren Vater gesprochen habe, was Böhnhardt verneint. Böhnhardt verneint die Frage RA Narins, ob die Übergabe von Kleidung Gesprächsthema mit dem VS gewesen sei. Dann fragt RA Narin nach weiteren Zusammenstößen mit der Polizei. Böhnhardt berichtet, Mundlos sei einmal zusammengeschlagen worden, weil die Polizei ihn für Uwe Böhnhardt gehalten habe. Zschäpe sei einmal von der Polizei im Bahnhof in Kahla [?] abgesetzt worden, wo kein Zug mehr gefahren sei. Sie, Böhnhardt, habe Zschäpe dann abgeholt und sei dabei von Fahrzeugen verfolgt worden. Dann will RA Narin wissen, warum sie ihren Sohn gefragt habe, ob er etwas mit den Sprengstoffdelikten zu tun habe. Böhnhardt sagt, die Namen der Verdächtigen seien in der Zeitung unabgekürzt genannt worden. Sie seien bei allen mündlichen Verhandlungen ihres Sohnes gewesen, so Böhnhardt auf Frage von RA Narin. Einmal sei sie zusammen mit Mundlos und André K. im Auto zu einer Verhandlung nach Gera gefahren. Auf Frage von RA Langer sagt sie, die Übergabe der Kleidung sei Monate nach dem Abtauchen gewesen.

Der Verhandlungstag endet um 20.43 Uhr.

Auf dem Blog NSU-Nebenklage heißt es zum Verhandlungstag:

„Die Intention ihrer Aussage wurde in einem Satz am frühen Nachmittag sehr deutlich: „Wissen Sie, die Staatsanwaltschaft sucht nach jedem Beweis, dass die drei diese Taten begangen haben und ich als Mutter suche nach jedem Strohhalm, dass es nicht so gewesen sein kann.“ Für die Beurteilung der Persönlichkeit ihres Sohnes kann diese Aussage seiner Mutter nicht verwendet werden.
Gegen Ende der Aussage kam es noch einmal zu kritischen Nachfragen des Vorsitzenden, als klar wurde, dass die Zeugin wichtige Details zu einer Übergabe von Sachen ihres Sohnes bis zuletzt zurück gehalten hatte. Es bleibt auch nach längeren Nachfragen der Verdacht, dass es weitere Treffen mit UnterstützerInnen „der Drei“ gab, von denen sie nicht berichten will.“

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