Kurz-Protokoll 185. Verhandlungstag – 11. Februar 2015

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Am 185. Verhandlungstag ist zunächst Berndt Tödter als Zeuge geladen. Er hatte während einer Haftstrafe Angaben bei der Polizei gemacht, er könne u.a. zu einem Treffen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr 2006, kurz vor dem Mord an Halit Yozgat in Kassel und ihrem Schlafplatz in Kassel aussagen. Von Anfang an der Vernehmung vor Gericht kündigt Tödter an, er werde keine Angaben machen, um sich selbst nicht der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen um dann zu sagen, er könne sich nicht erinnern. Auf zahlreiche Vorhalte Götzls aus der Vernehmung bleibt der Zeuge bei diesem Verhalten. Seine Vernehmung wird schließlich unterbrochen. Anschließend sagen zwei Sachverständige zu ihren Gutachten zur Wirkung der Nagelbombe in der Keupstraße aus.
Zeugen und Sachverständige:

  • Bernd Tödter (Erkenntnisse zu Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt u. deren Verbindungen u.a. nach Kassel)
  • Dr. Rüdiger Mölle (LKA Bayern, Gutachten zum Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße)
  • Prof. Dr. Oliver Peschel (Rechtsmedizinisches Gutachten zum Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße)

Erster Zeuge ist Bernd Tödter. Tödter tritt im Naziskin-Outfit der 90er Jahre auf, trägt Glatze, schwarze Bomberjacke, Armeehose und Springerstiefel. Götzl sagt, es gehe um Erkenntnisse und Kontakte zu Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt. Tödter sagt von Anfang an, er könne keine Angaben machen, es werde gegen ihn ermittelt. Götzl erwidert, davon sei ihm nichts bekannt. Tödter: „Dann kann ich mich an nichts erinnern.“ Götzl: „Wenn ich Ihnen die Frage stelle, kannten Sie Uwe Mundlos, dann können Sie dazu eine Aussage machen.“ Tödter: „Nein.“ Götzl: „Kannten Sie Uwe Böhnhardt?“ Tödter: „Nein.“ Götzl: „Frau Zschäpe?“ Tödter: „Nein.“
Es geht im Folgenden um einen Brief, den Tödter am 15.12.2011 an das LfV in Wiesbaden, Abteilung Rechtsextremismus aus der Haft geschrieben hat und um eine Vernehmung, die am 29.03.2012 darauf folgte. Zu dem Brief fragt Götzl: „Haben Sie sich an die Behörden gewandt, einen Brief geschrieben?“ Tödter: „Ja.“ Auf Frage, worum es ihm gegangen sei, sagt Tödter: „Ich wollte einfach mal gucken, was passiert.“ Es sei um Vollzugslockerung gegangen. Zur Vernehmung sagt Tödter: „Man hat versucht mich zu vernehmen und mir Angebote gemacht. Ich habe das nicht angenommen.“ Er habe gegenüber der Polizei keine Angaben gemacht. Vorhalt aus dem Brief: Ich möchte meine Hilfe anbieten; könnte Informationen über die Netzwerke, Namen, Adressen, Fluchtwohnungen, Geldgeber u. v. m. beschaffen; ich verfüge über viele bundesweite Kontakte. Tödter: „Ja, habe ich geschrieben.“
Götzl macht Vorhalte aus der Vernehmung, zu denen Tödter jeweils angibt, er habe das nicht gesagt. Inhaltlich geht es zunächst um ein Konzert 2006. Vorhalt: Geburtstagsfeier, bei der die Musikgruppe „Oidoxie“ spielte; Feier von Stanley Rö.; da waren auch Böhnhardt und Mundlos anwesend. Tödter sagt, da habe er in Haft gesessen. Zu Böhnhardt und Mundlos sagt er, er habe die Personen nie gesehen. Zu Vorhalten, die beiden seien am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe angekommen und er habe sie abgeholt, sagt Tödter, er erinnere sich nicht. Vorhalt: Anlässlich dieser Feier haben Mundlos und Böhnhardt auch in Kassel übernachtet, bei wem genau möchte ich heute nicht sagen. Tödter sagt, er wisse es nicht und er habe das auch nicht so angegeben.
Götzl befragt den Zeugen nach ‚Sturm 18 Cassel‘, Tödter verweigert hierzu die Aussage, weil ein Verbotsverfahren geführt werde. Er sei im Vereinsgericht als Präsident eingetragen.
Tödter bejaht, mal auf einer Feier in Zwickau bei seinem Bruder gewesen zu sein. Dieser habe dort vor zehn Jahren zwei bis drei Jahre gewohnt. Vorhalt aus dem Protokoll der Vernehmung Tödters: Ich selbst war auch einmal in Zwickau auf einer Feier in einer Garagenanlage am Stadtrand und habe dort auch Mundlos und Böhnhardt getroffen; Frauen waren keine anwesend. Tödter: „Da kann ich mich nicht dran erinnern, sowas gesagt zu haben.“
Tödter sei in seiner Vernehmung auf Taten des NSU eingegangen, Götzl macht dazu Vorhalte: Auch wurde über die Tat natürlich nachträglich in der Szene gesprochen, hier werde ich auch etwas zu sagen können, was Inhalt dieser Gespräche war. Tödter: „Ich habe dazu gar nichts gesagt. Und solche Gespräche hat es in Kassel nicht gegeben.“ Vorhalt: Ich kann Ihnen den Anlaufpunkt von Mundlos und Böhnhardt nennen, darüber hinaus auch den Anlaufpunkt in Nürnberg. Tödter: „Nein, ich kenne niemand in Nürnberg.“ Vorhalt: Diese Anlaufpunkte sind bekannt, sie können auch in Netzwerken nachvollzogen werden. Tödter sagt nichts. Götzl fragt, ob Tödter das Netzwerk „ATB“ etwas sage. Tödter verneint das. Götzl nennt „Arische Terror-Brigade“. Vorhalt: Hierbei handelt es sich um das Netzwerk ATB, bei diesem handelt es sich lediglich um einen kleineren Ableger von einem größeren Netzwerk, das vom Ausland betrieben wird, das Netzwerk ATB, Arische Terror-Brigade, das aus Österreich operiert. Tödter: „Kann ich mich nicht erinnern.“ Vorhalt: Hierbei handelt es sich um das ehemalige B&H-Netzwerk. Götzl fragt, ob das Tödters Äußerung sei. Tödter: „Nein.“
Vorhalt: Auf die Frage, ob Böhnhardt und Mundlos in der rechten Szene Kassels als Konzertbesucher 2004 und 2008 auftauchten, bestätigte Tödter die Konzerte, ließ die Anwesenheit der beiden jedoch offen; Tödter bemerkte jedoch, dass Böhnhardt und Mundlos in Kassel bekannt gewesen seien. Tödter verneint, das gesagt zu haben.
Vorhalt: Aryan Terror Brigade, von Tödter als Nachfolgeorganisation des NSU bezeichnet. Tödter: „Das ist dummes Zeug.“ Die Vernehmung wird unterbrochen.

Dann erstattet SV Mölle sein Gutachten. Es gehe um die Explosion in der Keupstraße, die Sprengwirkung, Aufbau der Vorrichtung, auch die Bewertung des Spurenbildes, die tatsächlichen Auswirkungen. Infolge der Explosion einer ferngezündeten Sprengvorrichtung vor der Keupstraße 29 seien zahlreiche Personen innerhalb und außerhalb des Geschäftes teilweise schwer verletzt worden. Zudem seien im Umkreis von 100 Metern zahlreiche Schäden an Gebäuden und Fahrzeugen entstanden. Die Sprengvorrichtung sei in einem Motorradkoffer bzw. einer Packtasche, am Rad fixiert, verborgen gewesen. Sie habe aus einer äußerst druckstabilen Gasflasche, 5 Liter, maximal 5,5 kg Schwarzpulver, umgeben von ca. 800 Metallnägeln, bestanden. Die Sprengversuche des BKA hätten ergeben, dass die Energie ausgereicht hätte für im Umkreis weniger Meter tödliche Verletzungen und im weiteren Bereich Trommelfellrupturen durch die Druckwelle herbeizuführen. Die zweite Gefahrenquelle sei die Gefahr durch Splitter und Stahlnägel mit Geschwindigkeiten über 200 m/s. Ergänzende ballistische Versuche hätten in 25 Metern Entfernung immer noch Splittergeschwindigkeiten festgestellt, die weit über dem Maß liegen würden, was für Eindringen in menschliche Haut erforderlich sei. Mölle: „Betrachtet man rückblickend Sprengvorrichtung und Ausmaß der Explosion musste zweifelsfrei mit tödlichen Verletzungen gerechnet werden.“

SV Peschel erstattet ebenfalls sein Gutachten. Er sagt, er wolle auf die medizinisch wesentlichen Fakten zusammenfassend eingehen. Im Nahbereich, den man auf die Größenordnung 20, 25 Meter eingrenzen könne, würden sich gehäuft Personen mit gravierenden und zum Teil gravierendsten Verletzungen finden. Zum Teil so gravierend, dass trotz Klinikbehandlung hier auch tödliche Konsequenzen denkbar gewesen wären. Im weiteren Verlauf müsse das Ergebnis abstrakt bleiben, abhängig von Postionen von Personen im Raum. Der Verhandlungstag endet um 16:15 Uhr.

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