Kurz-Protokoll 244. Verhandlungstag – 19. November 2015

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An diesem Verhandlungstag sind drei Ermittler_innen geladen, die Auskunft geben sollen zu Kartenmaterial und Spuren von Asservaten, die im Brandschutt der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurden. Die Befragung des dritten Zeugen, der sich mit Fingerabdrücken von Beate Zschäpe auf zwei Zeitungsausschnitten beschäftigt hatte, gestaltet sich aufgrund der Uneinigkeit der Zschäpe-Verteidigung dabei zunächst schwierig.

Zeug_innen:

  • Jürgen Kl. (POL-Beamter München zu Kartenmaterial Nürnberg) Niedersachsen und NRW)
  • Maria Us. (KKin, BKA zur Auswertung von Kartenmaterial Niedersachsen und NRW)
  • Christian Ca. (KHK, BKA Wiesbaden zur Auswertung von Asservaten)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:54 Uhr. Als erster Zeuge wird Jürgen Kl. befragt zur Auswertung von Kartenmaterial. Jürgen Kl. gibt an, er habe ein Asservat aus der Frühlingsstraße auswerten müssen, eine DVD, die als Backupkopie zur Auswertung gekommen und aus dem Schuttgut in Zwickau gesichert worden sei. Er habe eine Kopie der Daten ausgewertet. Es sei dabei hauptsächlich um abgelegte Datenbanktabellen gegangen.
Einer der Ordner habe den Namen „Killer“ getragen. Darin sei u.a. ein Stadtplanauszug von Nürnberg enthalten gewesen, der mit zehn blauen Punkte und drei Smileys markiert gewesen sei. Er habe die Punkte überprüft und festgestellt, dass es dort in der Nähe potenzielle Ziele gegeben habe, wie zum Beispiel das Nachbarschaftshaus oder die DKP-Niederlassung von Nürnberg. Der Rathausplatz mit dem SPD-Stammhaus sei ebenso dabei gewesen wie Institutionen, die mit Flüchtlingen arbeiten. Es sei auch ein Objekt für Flüchtlingskinder markiert gewesen. Die  Auswertung der Smileys habe ergeben, dass einer einen Waffenhändler markiere. Der Zeuge wird um 10:13 Uhr entlassen.

Als nächstes wird die KKin des BKA, Maria Us., in den Zeugenstand gerufen. Auch sie wird zur Auswertung des Kartenmaterials befragt. Ihre Asservate, so die Zeugin, seien Kartenausschnitte und Adresslisten der Städte Paderborn, Osnabrück, Braunschweig, Göttingen und Hamm gewesen. Diese seien im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden worden. Es habe sich um Adressen von Politiker_innen, öffentlichen, islamischen und türkischen Einrichtungen gehandelt. Adressen, die in der 10.000er Liste nicht vorgekommen seien, seien hinzugefügt worden. Dann sei ein Vergleich mit den Tatorten der zehn Morde angestellt worden. Ein Bezug zu diesen Tatorten sei nicht erkannt worden, da es sich ja um andere Städte gehandelt habe.
Es folgt die Inaugenscheinnahme der Adressliste aus Göttingen. Auf Nachfrage erklärt die Zeugin, um welche Adressen es sich handelt: kirchliche und türkische Einrichtungen, die Adresse eines Mitglieds des Bundes- bzw. Landtags, ein Beratungszentrum für Flüchtlinge. Auf die Frage, ob es Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehungsdaten gebe bzw. ein Datum notiert worden sei, erklärt die Zeugin, auf der Adressliste könne man als Datum den 03.04.2006 erkennen, auf dieser Karte sei allerdings nichts vermerkt. Bei einer anderen Göttinger Karte sei als Datum der 02.04.2006 zu erkennen.
Es folgen Inaugenscheinnahmen der einzelnen Kartenausschnitte aus Hamm, Osnabrück und Paderborn. Alle sind datiert vom 03.04.2006 und gekennzeichnet mit roten und weißen Sternen, die türkische, islamische oder jüdische Einrichtungen markieren, aber auch Bundeswehrstandorte, Parteibüros der SPD oder von Bundestagsabgeordneten. Die verzeichneten Nummern stimmen mit denen auf den Adresslisten überein. Die Frage, ob die Zeugin diesbezüglich ermittelt hätte, verneint diese.
Nebenklagevertreter RA Scharmer kommt noch einmal auf die Daten aus Braunschweig zu sprechen. Sie habe in diesem Zusammenhang nichts zum Datum gesagt, er habe den 01.04.2006 gelesen. RA Scharmer will wissen, ob die markierten Orte auf der Route von Zwickau nach Dortmund, wo Mehmet Kubaşık am 04.04.2006 ermordet wurde, oder nach Kassel, wo Halit Yozgat am 06.04.2006 ermordet wurde, liegen könnten. Daran könne sie sich nicht erinnern, antwortet die Zeugin. Sie wird um 10:47 entlassen. Götzl macht eine Pause bis 11:05.

Um 11:12 Uhr wird die Sitzung fortgesetzt. Auf der Tagesordnung steht die Befragung des Zeugen KHK Christian Ca. Doch bevor die Befragung beginnen kann, beantragt Zschäpe-Verteidiger RA Lickleder, der als Vertreter von RAin Sturm anwesend ist, die Vernehmung des Zeugen erst nach der Erklärung der Angeklagten zum Thema durchzuführen. Eine ordnungsgemäße Verteidigung seiner Mandantin während der Vernehmung sei mit Bezug auf den Antrag zur Aufhebung der Verteidigerbestellung nicht möglich. Es handele sich um einen wesentlichen Zeugen, der Auskunft geben könne, inwieweit Zschäpe Kenntnisse von den Taten gehabt habe. Diese Befragung könne mit anderen Verteidigungsstrategien kollidieren.
Götzl bittet den Zeugen noch einmal nach draußen und unterbricht die Verhandlung bis 11:45 Uhr.
Um 11:52 wird die Verhandlung fortgesetzt. Götzl informiert, der Senat habe die Verfügung des Vorsitzenden, die Vernehmung des Zeugen zum jetzigen Zeitpunkt anzuordnen, bestätigt. Der Zeuge solle Auskunft darüber geben, an welcher Position der Zeitungsartikel sich Fingerabdrücke befänden. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern eine eventuelle Erklärung der Angeklagten sich auf das Verhalten der Verteidigung bei der Vernehmung auswirken könne. Gegebenenfalls sei der Entlassung des Zeugen zu widersprechen. Götzl lässt den Zeugen aufrufen.

Der Zeuge ist Christian Ca., KHK des BKA Wiesbaden. Es geht um zwei Asservate, Zeitungsartikel. Götzl fragt nach der Lage von Fingerspuren. Er sei, so Christian Ca., hauptverantwortlich bei der Spurenbearbeitung dieser Asservate eingesetzt gewesen. Nach dem dritten Sicherungsverfahren seien die Spuren gefunden worden. Es folgt die Inaugenscheinnahme der beiden Asservate. Zunächst ein Artikel des Kölner Express. Der Zeuge verweist auf die unten eingezeichnete Spur. Hier handele es sich um Seite 47 des Express vom Freitag, 11. Juni 2004, und die Spur liege unten rechts. Götzl will wissen, ob der Zeuge auch damit befasst war, worum es in dem Artikel gehe. Christian Ca. bestätigt das. Sie hätten grob geschaut, worum es gehe. Das hier sei ein Bericht über den Nagelbombenanschlag in Köln-Mühlheim.
Es folgt die Inaugenscheinnahme des zweiten Asservats, eines Artikels der Münchner tz mit der Überschrift „Sie wollten Lutscher kaufen“. Christian Ca. beschreibt das Asservat. Auf der Rückseite ist als Datum Donnerstag, 30.08.2001, zu sehen. Die Spur liege aber auf der Vorderseite. Auch hier sei die Spur wieder mit Kürzel und Orientierungspfeil eingezeichnet. Im Artikel selbst sei es um die Tötung eines türkischen Ladenbesitzers gegangen, antwortet der Zeuge auf Nachfrage.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/11/19/19-11-2015/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.