Kurz-Protokoll 311. Verhandlungstag – 21. September 2016

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Am heutigen Verhandlungstag geht es zunächst um eine Funkzellenauswertung zum 04.11.2011 in Zwickau. Dies betrifft u.a. Beate Zschäpe, André und Susann Eminger. Danach geht es erneut um Anträge zur Beschlagnahmung des Briefes von Zschäpe an Robin Schmiemann. Die Verteidigung von Zschäpe beanstandet diese, während die BAW diese für zulässig hält.

Zeuge:

  • Christoph Schn. (KOK, BKA Meckenheim, Auswertung von Funkzellendaten Frühlingsstraße 26 in Zwickau)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung wird der Zeuge Christoph Schn. gehört. Götzl: „Es geht uns um die Auswertung von Verkehrsdaten von Funkzellen in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau. Mich würde interessieren, welche Ermittlungen von Ihrer Seite durchgeführt wurden und mit welchem Ergebnis.“ Schn.: „Ausgangssachverhalt: Nach dem Brand in der Frühlingsstraße 26 am 04.11.2011 wurden sämtliche Verkehrsdaten erhoben bezogen auf die Funkzellen, die den Standort versorgten, von morgens 8 Uhr bis 17 Uhr am späten Nachmittag. Aus den zugelieferten Daten der Netzbetreiber ist aus dem Datenbestand von Vodafone ersichtlich, dass am 04.11. von 09:41 bis 10:37 Uhr das Telefon mit der Nummer [nennt eine 0172-Nummer], das dem Angeklagten Eminger zuzuordnen ist, durchgängig in zwei Funkzellen eingebucht war, die die Frühlingsstraße versorgten.
Zu diesem Zeitpunkt wurde, das ist aus den Verbindungsdaten ersichtlich, das Internet genutzt, das mobile Internet. Kurz vor der Internetnutzung, um 09:39 Uhr, ging eine SMS von der Rufnummer des Herrn Eminger an die Rufnummer [nennt eine 0173-Nummer], als Nutzerin dieser Rufnummer ist seine Frau Susann Eminger verzeichnet. Standortdaten bzw. Inhalte zu dieser Verbindung liegen nicht vor.“
RAin Von der Behrens: „Wann haben Sie die Auswertung gemacht?“ Schn.:“ Jetzt kurz vor dem Vermerk.“ V. d. Behrens: „Haben Sie das auch für die Rufnummern von anderen Beschuldigten [phon.] gemacht?“ Schn.: „Ja.“ V. d. Behrens: „Wann?“ Schn.: „Da war ich nicht beteiligt, deswegen entzieht sich es meiner Kenntnis. Das wurde aber definitiv im Rahmen der Ermittlungen gemacht.“ V. d. Behrens: „Ist damals auch schon die Telefonnummer von André Eminger gefunden worden?“ Schn.: „Soviel ich weiß, nicht.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, warum nicht?“ Schn.: „Nein.“
V. d. Behrens: „Was war denn der Anlass, dass Sie die Daten jetzt kürzlich nochmal überprüft haben?“ Schn.: „Das war ein Auftrag der Bundesanwaltschaft.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, was der für einen Hintergrund hatte?“ Schn.: „Nein.“
Der Zeuge wird um 10:05 Uhr entlassen. V. d. Behrens: „Ich wollte nur sagen, dass auffällig ist, dass nach den bisherigen Auswertungen Zschäpe um 10:34 Uhr begonnen hat, das Internet zu benutzen und sich André Eminger um 10:37 Uhr wegbewegt hat. Ein Hinweis, dass sie sich vorher gemeinsam aufgehalten haben. Das andere: Wir haben kaum Funkzellenauswertungen. Ich verstehe es nicht, dass jetzt erst nach dieser Zeit, wo es nicht mehr rekonstruiert werden kann, diese Daten kommen. Es gibt einen einzigen Vermerk, den habe ich zitiert, da fehlen aber sämtliche Anlagen.“

Götzl: „Dann zum Thema Brief.“ OStAin Greger verliest die Stellungnahme der BAW. Es bestünden, so Greger, keine rechtlichen Bedenken, den Inhalt des Briefes als Beweismittel zu verwerten. Das Schreiben sei von der Angeklagten Zschäpe im März 2013 an den in der JVA Bielefeld in Strafhaft einsitzenden Robin Schmiemann gerichtet worden. Im Rahmen der Überwachung des Briefverkehrs von Schmiemann habe die Justizbehörde das LfV NRW informiert und der Behörde eine Ablichtung überlassen. Diese Ablichtung sei dann übersandt worden als Erkenntnismitteilung der VS-Behörde NRW. [phon.] Anhaltspunkte, dass Informationserhebung oder deren Weitergabe rechtsfehlerhaft erfolgten, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung gründe sich auf das Strafvollzugsgesetz. Nach der damals einschlägigen Vorschrift sei die Überwachung des Schriftverkehrs u.a. zulässig, wenn sie aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung erforderlich war. Schmiemann sei in der so genannten Neonaziszene in Dortmund aktiv gewesen, habe sich im offenen Vollzug befunden.
Dann gibt RA Stahl eine Stellungnahme für RA Heer, RAin Sturm und sich selbst ab. Entgegen der Auffassung des GBA sei die Ablichtung des Briefs nicht rechtsförmig zu den Akten des vorliegenden Strafverfahrens gelangt. Schon unter diesem Gesichtspunkt würden sich gegen die seitens des Senats erwogene förmliche Beschlagnahme der sich in den Akten befindlichen Kopie des Originalschreibens Bedenken ergeben. Die Verlesung und die Verwertung des Inhalts sei daher aus Sicht von Sturm, Stahl, Heer nicht zulässig. Hinsichtlich der sich in den Akten befindlichen Ablichtung des Briefs von Zschäpe an Robin Schmiemann gelte, dass der Inhalt des Schreibens an den sich seinerzeit in Strafhaft befindlichen Adressaten Schmiemann grundsätzlich unter das grundgesetzlich geschützte Briefgeheimnis falle. Im vorliegenden Fall sei das Originalschreiben zum Zeitpunkt seiner Versendung, und auf diesen Zeitpunkt komme es an, im Rahmen der angeordneten Überwachung des Schriftverkehrs gerichtlich kontrolliert worden. Das Schreiben sei vom Gericht damals aber nicht als relevant für das vorliegende Verfahren beschlagnahmt oder kopiert worden, sondern an den Adressaten weitergeleitet und damit der dem Gericht in diesem Verfahren eingeräumten Dispositionsbefugnis wieder entzogen worden.

Dann verliest Richterin Odersky ein Behördenzeugnis des TLfV. In dem Behördenzeugnis geht es um eine Anfrage des GBA vom 18.08.2016 zur Internetseite des THS vom Mai 2000. Ausweislich eines Lagebildes zum THS seien, so das Behördenzeugnis, die „von Ihnen übermittelten Texte“ am 31.05.2000 unter www.thueringerheimatschutz.de abrufbar gewesen. Daneben hätten sich im TLfV noch Ausdrucke dieser Texte vom 20.05.2000, 29.05.2000 und vom 10.07.2000 [phon.] gefunden. In dem genannten Lagebild zum THS sei in der Rubrik „Internetpräsenz“ die Rede von zwei Fotos, denen ein kämpferischer Charakter zugeschrieben werde, da auf ihnen vermummte und überwiegend militärisch gekleidete Aktivisten zu sehen seien. Es sei die Rede vom Stil einer Wehrsportgruppe: „Eines zeigt die ‚Kämpfer an einen militärfarbenen Geländewegen angelehnt.“ „Fotos stammen von Kapke. Brehme erklärt sich 2000 bereit, diese Fotos ins Internet stellen zu lassen.“
Tatsächlich finde sich dann auf den Ausdrucken der Internetseite des THS ein Foto, auf dem vermummte und militärisch gekleidete Personen an einem Geländewagen lehnen. Trotz geringer Qualität der Ausdrucke sei klar ein Geländewagen zu erkennen; es handele sich um sechs Personen. Auf dem Ausdruck finde sich zudem ein weiterer kurzer Text zum Selbstverständnis des THS. Danach verliest Richter Lang die Anlage zum Behördenzeugnis des TLfV. Es handelt sich um den Internetausdruck vom 31.05.2000, Selbstdarstellungstext des THS: „DER THÜRINGER HEIMATSCHUTZ – Wer wir sind und was wir wollen“. In dem Selbstdarstellungstext wird der THS als „eine Alternative zu verschiedenen patriotischen Parteien“ dargestellt. Es gehe, so der Text weiter, darum „kulturelle Identität zu pflegen, zu bewahren und zu schützen“, man sei „weder rechts noch links“, man sei „systemkritisch und -feindlich“ und bekenne sich zum „nationalen Sozialismus“, sowie zum „Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals und die menschlich-moralische Ausbeutung durch dieses“.
Götzl sagt, dass dann die den Behördenzeugnissen beigefügten Bilder in Augenschein genommen werden. Schneiders: „In diesem Zusammenhang möchte die Verteidigung von Herrn Wohlleben auf Seite 21616 [phon.] hinweisen, wo ein Ausdruck der Internetseite vom 06.04.2000 [phon.] abgedruckt sein soll. Die Bildunterschrift: ‚Dieses Bild stellt, wie könnte es anders sein, keine Wehrsportgruppe dar. Wie jedoch Journalisten, VSler und Linke auf diesen Trichter gekommen sind? Das wissen wir leider auch nicht! Mit Gewalt zur Erreichung politischer Ziele haben wir nichts am Hut!‘ Und weiter unten heißt es: ‚Der THS wendet zum Erreichen seiner politischen Ziele heute und auch in Zukunft niemals Gewalt an.'“

Dann verliest RAin Schneiders einen Beweisantrag. Sie beantragt, die Dezernatschefin des Dezernats Leib und Leben bei der Kantonspolizei Bern, Ursula Hi., als Zeugin zu vernehmen. Die Zeugin werde bekunden, dass es der Kantonspolizei Bern aufgrund der von ihr getätigten Ermittlungen nicht möglich gewesen sei, den Verkaufsweg der Ceska 83 mit der Waffen-Nummer 034678 nachzuvollziehen.

Dann verliest NK-Vertreter RA Langer einen Beweisantrag. Er beantragt zum Beweis der Tatsache, dass am 15.06.2000 in der Tageszeitung „Freie Presse“ auf der Regionalseite Sachsen und der Lokalseite Chemnitz über einen Bauarbeiter berichtet wurde, der am Vortag in Chemnitz in der Wolgograder Allee eine Schussverletzung erlitt, die dem Antrag anliegenden Kopien aus der „Freien Presse“ in Augenschein zu nehmen und zu verlesen. Außerdem beantragt er, den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, welche Ermittlungen die zuständige Polizei in Chemnitz nach dem Vorfall vom 14.06.2000 angestellt hat, ggf. deren Akten beizuziehen und die bei dem Vorfall verletzte Person zu ermitteln und zu vernehmen. Zur Begründung führt Langer aus: 1. Der Angeklagte Carsten Schultze hat u. a. am 8. Hauptverhandlungstag vom 11.6.2013 und in einer Vernehmung vom 2.7.2013 durch das BKA von einem Vorfall berichtet, wonach ihm der Angeklagte Ralf Wohlleben nach einem Telefonat mit den im Untergrund befindlichen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mitgeteilt habe: „Die haben jemanden angeschossen.“ – in dem Sinne: „Die Idioten haben jemanden angeschossen.“ Der Angeklagte Schultze berichtete, dass er sofort gedacht habe: „Hoffentlich nicht mit der Waffe.“ Der Verhandlungstag endet um 13:42 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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