Kurz-Protokoll 315. Verhandlungstag – 12. Oktober 2016

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An diesem Verhandlungstag geht es erneut um den Überfall durch Neonazis an der Wendeschleife in Jena-Winzerla, den der Angeklagte Carsten Schultze schilderte. Dazu ist der ehemalige Ortsbürgermeister von Winzerla geladen, der die Örtlichkeit beschreiben soll, insbesondere was ein Holzhaus in der Mitte der Wendeschleife angeht. Außerdem geht es um verschiedene Anträge und Stellungnahmen.

Zeuge:

  • Mario Sch. (Ehemaliger Ortsbürgermeister Jena-Winzerla, Örtliche Verhältnisse an der Straßenbahnendhaltestelle Jena-Winzerla, Erkenntnisse zu Ralf Wohlleben)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Heute ist Ralf Wohllebens Frau Jacqueline anwesend, sie sitzt neben ihrem Mann. Anwesend ist außerdem als Nebenkläger ein Betroffener des Anschlags in der Kölner Keupstraße. Der Zeuge Mario Sch. betritt den Saal. Nach Belehrung und Personalienfeststellung sagt Götzl: „Es geht uns um die örtlichen Verhältnisse an einer ganz bestimmten Stelle und zwar an der Wendeschleife Straßenbahnendhaltestelle in der Rudolstädter Straße in Jena-Winzerla. Und zwar im Zeitraum 1998 bis 2000. Und zusätzlich um die Frage, welche Baulichkeiten sich dort befanden und die Frage insbesondere, ob ein Holzhäuschen sich dort befunden hat. Ich würde Sie bitten, uns das zu berichten, was Sie uns dazu sagen können.“ Sch.: „Das einzige, was da hinten holzmäßig [phon.] steht, ist eine Gartenbude aus dem Baumarkt, eine Imbissbude, Grand Canyon. War mal eine Bikerkneipe.“ Götzl: „Inwiefern waren Sie damit befasst und inwieweit kennen Sie sich dort aus?“ Sch.: „Ich wohne in Winzerla und dadurch, dass man ab und zu mit der Straßenbahn fährt, kennt man diese Hütte, sage ich mal. Aber mehr weiß ich jetzt auch nicht. Es ist wie gesagt sehr lange her. Man geht daran vorbei.“
Götzl: „Ich würde Sie bitten, dass Sie uns das kurz wie Sie es in Erinnerung haben, soweit Sie es mit Straßennamen, Ortsnamen bezeichnen können, uns das schildern. Und wo sich die Gebäude befinden.“ Sch.: „Das Grand Canyon speziell?“ Götzl: „Zum Beispiel.“ Sch.: „Das ist an der Rudolstädter Straße. Wenn man aus der Stadtmitte kommt Richtung stadtauswärts, kommt erst eine Tankstelle, dann ein Autohaus, da oberhalb ein Stück hoch dann die Endhaltestelle der Straßenbahn [phon.] und da steht das Grand Canyon. Gegenüber sind die Stadtwerke oder das Galaxsea, also ein Freizeitbad. Mehr ist da nicht.“ Götzl: „Wie groß ist diese Imbissbude?“ Sch.: „Quadratmeter weiß ich jetzt nicht. Aber das ist nicht größer als ein Gartenhaus, was man aus dem Baumarkt kriegt, so Blockhaustyp. Weiß nicht, so 30, 40 Quadratmeter. Ich will mich aber nicht festlegen. Da war noch ein Außenbereich, wo man sich hinsetzen konnte, relativ klein.“
Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Sagt Ihnen die Firma Ri. etwas, Gartenbau usw., Gartengestaltung?“ Sch. „Nee, wüsste ich jetzt nicht.“ Hösl: „Die soll, soweit unsere Information, in der Mitte dieser Wendeschleife entweder ihren Sitz haben oder Gegenstände lagern oder so ähnlich.“ Sch.: „Wie gesagt, das einzige, was ich weiß, dass die Bahn da ein Häuschen hat, die haben auch Material da. Aber Gartenbaufirma? Da weiß ich nichts.“ [phon.] Hösl: „Unser Mandant hat auf dieser Endhaltestelle der Straßenbahn einen Vorfall beschrieben, wo es darum ging, dass Personen misshandelt worden sind und geschlagen worden sind und da hat er unter anderem in einer Vernehmung gesagt, das will ich Ihnen vorlesen, SAO 615 Blatt 6905: „’In der Mitte des Platzes ist so ein Holzhaus und auf dem Weg dahin bin ich einem in den Rücken gesprungen und da sagte der Schmaler, dass man das nicht macht. Der den Schmaler dahin gezogen hat, wurde in das Holzhäuschen gesteckt. Und alle haben in Richtung des Eingangs geschlagen und getreten, ich auch ein- oder zweimal.Das Häuschen wurde dann noch rumgerollt.'“ [phon.] Sch.: „Wie gesagt, ich überlege die ganzen letzten Tage, ob da ein Holzhäuschen gestanden haben könnte. Ich habe da auch unseren Streetworker gefragt und der sagte auch: Nee, tut mir leid.“

Götzl: „Dann hätte ich an Sie, Frau Zschäpe, noch eine Frage. Und zwar wäre meine Frage, ob Sie sich am 07.05.2000 in Berlin aufgehalten haben und ggf. ob Sie in Begleitung weiterer Personen gewesen sind. Und wo Sie sich aufgehalten hätten ggf. Und ggf. auch wie dann die näheren Umstände des Aufenthalts gewesen wären. Sollen dazu Angaben erfolgen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Die Antworten werden zu gegebener Zeit erfolgen. Wir werden das in Ruhe besprechen und nach der bewährten Methode hier verlesen.“

Götzl verliest dann einen Beschluss zum Beweisantrag zu einem in der Frühlingsstraße 26 gefundenen Benzinkanister von RA Reinecke. Er verkündet, dass die darin enthaltenen Anträge abgelehnt werden bzw. ihnen nicht nachgekommen wird.

Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Herr Vorsitzender, zu dem Verfahrenskomplex Beschlagnahme eines Briefes der Mandantin an Robin Schmiemann bzw. einer Briefkopie: Da fällt mir bei Durchsicht der Nachlieferung des Senats, die wir heute erhalten haben, auf, dass obgleich dem Senat bekannt war, dass wir anlässlich des Beweisantrags, den Herr Hoffmann zu stellen beabsichtigt hatte, erneut der Verlesung des Briefes widersprochen hatten und uns damit befasst haben dass der Brief nicht zur Akte gehört, sehe ich jetzt zu meinem Befremden, dass am 22.09.2016 [phon.], Herr Vorsitzender, Sie ein Schreiben von Herrn Schmiemann erhalten haben, auf eine Anfrage [phon.], die Sie an Schmiemann gestellt haben. Und dieses Schreiben haben Sie an Rechtsanwalt Grasel, der sich noch gar nicht dazu geäußert hat, weitergeleitet, an uns aber nicht. Das befremdet uns. Das hätte die Sachlage verändern können, wir sind im Blindflug unterwegs. [phon.] Da bitte ich mitzuteilen, warum das nicht geschehen ist.“
Götzl: „Wenn Sie die weiteren Schriftstücke sich ansehen, dann sehen Sie, dass Rechtsanwalt Grasel uns angeschrieben und unmittelbar um Übersendung gebeten hat.“ Stahl: „Naja, ist aber nicht der einzige Verteidiger von Frau Zschäpe. Auf den ersten Blick sehe ich mich in der Verteidigertätigkeit im Hinblick auf den Brief behindert.“ Götzl: „Sind sonst noch Stellungnahmen, Anträge?“ Heer: „Wir hätten schon gerne einen Äußerung von Ihnen.“ Götzl: „Sie haben doch gehört, wie der Ablauf war.“ Heer: „Dann beantragen wir förmlich eine dienstliche Erklärung dazu.“ Götzl: „Sonst noch Stellungnahmen für heute? Dann wird unterbrochen und wir setzen fort morgen um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 11:09 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.