Protokoll 325. Verhandlungstag – 29. November 2016

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Am heutigen Prozesstag ist erneut die Kriminaloberkommissarin Jeanette Pf. geladen. Sie hatte im Auftrag des Gerichts aufgrund von Anträgen mehrere Nachermittlungen angestellt. Dabei befasste sie sich zum Einen mit dem Lied „Türken raus“ der Band „“, das auf einer beschlagnahmten Festplatte gefunden wurde. Zum Anderen geht es erneut um den Wetteinsatz ‚200 Videoclips schneiden‘. Zschäpe hatte dazu angegeben, es sei um Werbeclips gegangen, die aus TV-Serien herausgeschnitten werden sollten nicht um das des NSU. Ein Antrag von Vertreter_innen der Nebenklage hatten diese Version aufgrund der technischen Voraussetzungen der gefundenen technischen Geräte in Zweifel gezogen.

Zeugin:

  • Jeanette Pf. (KK‚in, BKA Meckenheim zu einer Datei mit einem Lied der Band ‚Böhse Onkelz' und zu der möglichen Ausführung des Wetteinsatzes „200 Videoclips schneiden“)

Der heutige Verhandlungstag beginnt um 09:53 Uhr mit der Einvernahme der Zeugin Jeanette Pf. [siehe u.a. 281. Verhandlungstag]. Sie ist Kriminaloberkommissarin und wurde bereits mehrfach zu unterschiedlichen Ermittlungsergebnissen befragt. Götzl: „Es geht uns um zweierlei: Zum Einen um Dateien, aufgrund Beweisantrags Rechtsanwalt Reinecke und hier geht es um Dateien des Stücks ‚Türken raus', was sich auf diesen Dateien befindet. Das wäre der eine Punkt. Zum Anderen geht es um das Bearbeiten, Schneiden von Videoclips, anknüpfend an Ermittlungen, die aufgrund eines Beweisantrags von Rechtsanwalt Langer getätigt wurden. Kommen wir zu Ersterem, dass Sie erläutern, was Sie durchgeführt haben.“ Pf.: „Es geht um das Lied ‚Türken raus'. Sie hatten dann gebeten, dass ich Angaben zur Tonqualität mache. Ich habe das Lied auf DVD mitgebracht, denn es ist schwer, ein Lied zu beschreiben. Ich habe recherchiert, dass es von den ‚Böhsen Onkelz' war, ein nicht autorisiertes Bootleg von 1981. Die Tonqualität ist sehr schlecht. Man hört lediglich ‚Türken raus', die restlichen Worte sind unverständlich. Das Lied war recht skandalös und auf der Internetseite bezeichnen sie das als ‚Weidnerschen Wutausbruch‘. ist ein Mitglied der Band ‚Böhse Onkelz'. Es ist ein Gekreische. Wollen Sie es hören?“ Es folgt die Wiedergabe des kompletten Böhse-Onkelz-Liedes ‚Türken raus'. Nach 30 Sekunden sagt Pf.: „Es bleibt auch so“.

Götzl: „Sind zu diesem Punkt von Ihrer Seite noch Ergänzungen?“ Pf.: „Nein.“ Götzl: „Dann kommen wir zum weiteren Thema.“ Pf.: „Zu den Videomitschnitten: Die Ermittlungen hat ein Kollege, Falko Hu., getätigt. Der kommt am Donnerstag. Ich habe nur einen Korrekturvermerk geschrieben. Nach Aussage von Zschäpe im letztem Jahr, wir hatten den Wetteinsatz ‚200 Videoclips schneiden‘ ja gefunden. Und unsere Hypothese war, dass sich das auf Bekennervideos beziehen würde, Frau Zschäpe hat aber in der Aussage angegeben, sie und Uwe Böhnhardt hätten Werbung rausgeschnitten. Mein Kollege hat insgesamt fünf Asservate gefunden, auf die das zutrifft und die in einem zeitlichen Bezug zu dieser Wette standen. Er hat dann eine Hochrechnung gemacht und kommt zu dem Schluss, dass es möglich ist, dass sich die Wette tatsächlich auf dieses Werbung-Rausschneiden bezieht. Es handelt sich um DVD-Rs und Herr Rechtsanwalt Langer hatte die Angaben gemacht, dass man die nicht hätte mit dem Gerät schneiden können. Und es ist tatsächlich so. Das Gerät DVD Ram von Panasonic E55. DVD-Rs sind nur einmal beschreibbar und DVD-RAMs wiederholt. Die Werbung rauszuschneiden, das steht auf Seite 29 der Bedienungsanleitung, das geht nur mit einer DVD-RAM, das hätte man mit einer DVD-R nicht machen können.“

Pf. weiter: „Der Kollege hat dann weitere Ermittlungen bei der Firma Panasaonic gemacht. Wir hatten die Vermutung, dass der Brenner auch in anderen Serien von Panasonic verbaut werden konnte. Und so ist es auch. In fünf Serien wurde der auch eingebaut, bei zwei Serien handelt es sich um Festplattenrekorder, so wie Frau Zschäpe das auch angegeben hat, dass sie das mit einem Festplattenrekorder gemacht hätte. Wir haben die zwei Rekorder aus der Serie angefordert um zu gucken, ob die Signatur, wenn man da brennt, die gleiche ist. Die Manufacturer ID ist tatsächlich bei allen drei Geräten die Gleiche, aber die Modellnummer ist anders. Beim Videorekorder ist sie anders, aber identisch zu der Nummer, die auf den DVD-Rs ausgelesen wurde. Zusammenfassung: Wir haben DVD-Rs, bei denen Werbung rausgeschnitten ist, aber das konnte nicht mit dem Rekorder gemacht werden. Eine Möglichkeit ist, dass es über einen DVD-Rekorder mit RAM gemacht wurde oder über einen Festplattenrekorder. Mit einem SCART-Kabel hätte man einen anderen Rekorder anschließen können und dann DVD-R brennen.“

RA Klemke von der Verteidigung Wohlleben: „Nochmal zu dieser Videodatei, die wir anhören durften. Wo befand die sich genau? Pf.: „Ich habe den Pfad in den Vermerk geschrieben, kann es nicht auswendig sagen. Es waren ja zwei Festplatten im Rechner, nur eine konnten wir auslesen. Im Verzeichnis Musik und dann ‚Böhse Onkelz'. Ich habe mich da bei meinem Vermerk da sehr eng an den Beweisantrag gehalten, habe da nur die Fundstellen überprüft.“ Klemke: „Im Dateiordner ‚Böhse Onkelz': Waren da Unterdateien?“ Pf.: „Das sagte ich, da war das komplette Bootleg ‚Müllermilch' und da war ‚Türken raus' eine Datei.“ Klemke: „Waren noch andere Alben im Ordner ‚Böhse Onkelz'?“ Pf.: „Die Dateien rausgesucht hat der Kollege Andreas Di. Ich glaube, da wird das konkret erwähnt. Das sind die beiden Gutachten, die schon vorliegen. Das war viel Musik und ich habe mir nur die Dateien rausgesucht, die vom Rechtsanwalt Reinecke oder Langer genannt wurden. “Klemke: „Sagt Ihnen das was, dass sich 36 Alben in Unterordnern befanden?“ Pf.: „Das kann sein, das ist auch ein Lied von vielen.“ Klemke: „Wie viele Unterordner befanden sich im Ordner ‚Müllermilch'?“ Pf.: „Auswendig kann ich es nicht sagen. Aber da war auch die Rückseite der CD und ich bin mir sehr sicher, dass das identisch ist.“

Klemke: „Haben Sie es überprüft?“ Pf.: „Ich bin mir sehr sicher, von der Struktur sah das für mich so aus, da ist die Rückseite der CD und das passte grob. Das war auch nicht meine Aufgabe.“
Klemke: „Haben Sie Erhebungen gemacht, welche Zeitstempel die Dateien ‚Türken raus' und ‚Müllermilch' haben?“ Pf.: „Das hat der Kollege Di. gemacht. Der arbeitet bei uns ja in der Technik. Soweit ich weiß, ist das schon verlesen worden.“ Klemke: „Also sonst haben Sie weiter keinerlei Erhebungen gemacht?“ Pf.: „Ich habe mich sehr eng an den Beweisauftrag gehalten, weil das die Aufgabe war.“ RA Nahrath, ebenfalls von der Verteidigung Wohlleben: „Sie sprachen von Stefan Weidner, dass Stefan Weidner da ein Wutausbruch gehabt habe. Wann haben Sie das auf welcher Webseite gelesen?“ Pf.: „Kurz bevor ich den Vermerk abgegeben habe. Den Link habe ich in einer Fußnote angegeben.“ Nahrath: „War da eine offizielle Webseite der Band?“ Pf.: „Ja.“

Nebenklagevertreter RA Reinicke: „Sagt Ihnen der Begriff „Virtueller Videorekorder“ etwas?“ Pf.: „Nein. Ich habe eine Vorstellung, was das ist.“ Reinicke: „Die Möglichkeit, bei einem Bezahldienst im Internet Sendungen vorzubestellen, die man später runterlädt.“ Pf.: „Damit habe ich mich nicht befasst, ich weiß auch nicht ob das 2005 schon existierte.“ Reinicke: „Die CD sind ja Teil des Asservates EDV 4.“ Pf.: „Ja.“ Reinicke: „Ich habe jetzt mal hier in Band 268 Seite 89, da wird EDV4 pauschal beschrieben. Pro lesbarem Datenträger wurde eine Inhaltsübersicht als pdf-Report erstellt. Das sollen ja 65 DVDs gewesen sein. Verfügen Sie über 65 Reporte, welche Serie von welchem Sender auf diesen CDs gespeichert ist?“ Pf. sagt, diese Reporte seien ihres Wissens nach nicht vom BKA erstellt worden, sondern von den Thüringern. Pf.: „Das waren nur so Screenshots. Der Falko Hu. hat sich dann im Zuge seiner Ermittlungen die DVDs noch einmal so angeschaut. Also wir haben uns nicht nur auf diese Berichte bezogen.“ Reinicke: „Klar. Hier heißt es, ‚diese Maßnahme durch Kriminalpolizeiinspektion Südwestniedersachsen'. Ich bin davon ausgegangen, dass wenn die einen pdf-Report erstellt haben, das müsste bei Ihren Unterlagen sein.“

Pf.: „Das müsste so sein, aber ich guck mir lieber das Asservat selber an und der Kollege auch.“ Reinicke: „Wissen Sie, wann welche Serien ausgestrahlt wurden auf welchen Sendern?“ Pf.: „Veronika Maas, das lief auf ARD oder ZDF im Nachtprogramm und da wurde auch keine Werbung mitgesendet. Aber, ob das bei den normalen Serien von Pro 7 und so weiter war, ob da auch Recherchen angestellt wurden, das weiß ich nicht. Einen Nachtrag habe ich noch: Das Asservat EDV 4 wurde im Raum 2.5 festgestellt. Sonst kommt ja immer die Frage, ich glaube, Brandbereich E hieß das.“ Bei Verlassen des Gerichtssaals fragt die Zeugen Pf. noch, ob Götzl die CD behalten wolle. Götzl bejaht.

Klemke: „Wir behalten uns eine Erklärung zur Vernehmung von Frau Pf., insbesondere zur in Ohrenschein genommener Datei, vor.“ Nebenklagevertreter RA Langer und RA Reinicke sagen, sie hielten sich jeweils auch eine Erklärung vor. Götzl: „Herr Reinecke, Sie wollten einen Beweisantrag stellen?“ RA Reinicke: „Ja, ich habe ihn auch schon zu den Akten gereicht. Es wird beantragt, die Presseerklärung von Schneiders, Klemke und Nahrath zu verlesen. Es wird ergeben, dass die Verteidiger in ‚Der Wahrheit eine Gasse' ausführen: ‚Wohlleben ist seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben'.“ Zur Begründung sagt Reinicke, Wohlleben habe ansonsten geltend gemacht, dass sich aus den Jahren 2004 bis 2009 keine Rückschlüsse auf die Zeit zuvor ziehen ließen. RA Schneiders: „Wir werden später dazu Stellung nehmen.“ OStA Weingarten: „Wir würden ausnahmsweise sogleich Stellung nehmen. Wir beantragen, den Beweisantrag abzulehnen. Solange keine Erklärung des Angeklagten Wohllebens vorliegt, dass er sich das zu eigen macht, handelt es sich nur um eine Presseerklärung der Verteidiger. Im Übrigen kann man dem Antragssteller nur anraten, da Wohlleben ja für Fragen zur Verfügung steht, dass er das mit dem Angeklagten persönlich regelt.“

Götzl: „Soll zu dem am letzten Termin gestellten Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben Stellung genommen werden?“ OStA Weingarten: „Ich nehme Stellung zum Beweisantrag vom 23.11.2016. Ich beantrage die Einvernahme des als Sachverständigen bezeichneten Doktor Rose aus Pirna abzulehnen, weil die Beweiserhebung a) wegen Offenkundigkeit überflüssig ist. Soweit in dem Beweisantrag behauptet wird, dass Hess nach England flog und bis zu seinem Tode die Freiheit nicht wiedererlangte – b) im Übrigen wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen.“ Weingarten sagt in seiner Erklärung unter anderem, dass es keinerlei Bezug gebe zwischen der an sich schon völlig irrelevanten Mordthese und der Wertung der Asservate, die bei Wohlleben gefunden worden seien. Weingarten: „Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Frage, ob Hess mit oder ohne Entscheidungsmacht nach England geflogen ist, mit Schuld oder Unschuld des Angeklagten Wohlleben in einem Sachzusammenhang stehen sollte.“ Weiter sagt Weingarten: „In diesem Antrag ist erneut ein Verdachtsmoment für das Bestehen von Prozessverschleppungsabsichten zu sehen.“ Götzl beendet den Prozesstag um 10:34 Uhr.

Der Blog der NSU-Nebenklage kommentiert: „Mal wieder „kurzer Prozess“-Tag. […] Die Vernehmung der einzigen Zeugin, der BKA-Beamtin Pflug, die schon des Öfteren von ihren Ermittlungen berichtet hatte, ging schnell […] Sonderbarer Weise hatte die Beamtin [Pf.] ansonsten keinerlei Ermittlungen durchgeführt, sie wusste insbesondere nicht, wie der gesamte Text des (indizierten) Songs lautet – und das obwohl das BKA bereits 2007 in einem Vermerk festgestellt hatte: „Aus dem Text lässt sich schließen, dass mit dieser Parole eine konkludente Aufforderung an alle Deutschen verbunden ist, diejenigen Türken, die nicht freiwillig gehen, rauszuschmeißen: „[…] raus aus unserem Land.“ Es besteht der Verdacht der Strafbarkeit gemäß § 130 Abs.1 Nr.1, 2 StGB.“ So viel zur Aussage, der Angeklagte Wohlleben sei nicht ausländerfeindlich eingestellt (gewesen). Die Bundesanwaltschaft beantragte noch, den zweiten Nazi-Propaganda-Antrag der Verteidigung Wohlleben zum Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess abzulehnen, und schon war die Verhandlung vorbei.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/11/29/29-11-2016/

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