Kurz-Protokoll 332. Verhandlungstag – 21. Dezember 2016

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An diesem Prozesstag geht es um Anträge der initialen Verteidigung von Beate Zschäpe, u.a. den psychiatrischen SV Saß zu entbinden oder ein methodenkritisches Sachverständigengutachten einzuholen. Diese werden abgelehnt. Daraufhin stellen Sturm, Stahl und Heer einen Befangenheitsantrag u.a. gegen den vorsitzenden Richter.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge von Heer, Stahl, Sturm, den psychiatrischen SV Saß wegen der „in dem vorläufigen Gutachten vom 20.10.2016 zum Ausdruck kommenden fachlichen Ungeeignetheit“ von seiner Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens zu entbinden, abgelehnt werden. Die hilfsweise gestellten Anträge auf Einholung eines methodenkritischen Sachverständigengutachtens bzw. Verlesung des von der Verteidigung eingeholten methodenkritischen Gutachtens von Prof. Dr. Faustmann werden ebenfalls abgelehnt. Den Anträgen, für den Fall, dass das Gericht dennoch beabsichtigen sollte, den SV Saß in der Hauptverhandlung zu hören, dessen Vernehmung zurückzustellen, einen methodenkritischen SV zu bestellen und zu laden, um diesem anhand der Teilnahme an der Vernehmung von Saß die Anknüpfungstatsachen für die Erstattung eines methodenkritischen Gutachtens zu vermitteln bzw. der Verteidigung die Möglichkeit zu eröffnen, zu der Anhörung von Saß selbst einen SV zu laden und einen entsprechenden Beweisantrag vorzubereiten und zu stellen, wird nicht nachgekommen.
Saß sei vom Gericht ernannt und zur Hauptverhandlung erschienen. In dieser Situation sei eine Entbindung nach § 76 Abs. 1 Satz 2 StPO nur dann noch möglich, wenn alle Prozessbeteiligten damit einverstanden sind. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da sich sowohl der GBA als auch einige NK-Vertreter gegen die Entbindung des SV ausgesprochen hätten.

Zschäpe-Verteidiger RA Heer beantragt für Sturm, Stahl und sich selbst erstens eine Abschrift und zweitens die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zunächst 10:40 Uhr zur internen Erörterung, ob ein Ablehnungsgesuch angebracht wird. Es folgt eine Unterbrechung, während der gehen die Zschäpe-Verteidiger Borchert und Grasel nach hinten in den Vorführbereich, vermutlich um mit Zschäpe zu reden. Heer, Stahl und Sturm beraten sich intensiv.

Um 10:54 Uhr geht es weiter. Götzl: „Dann setzen wir fort.“ Heer beantragt eine Unterbrechung bis 13:15 Uhr, um ein Ablehnungsgesuch gegen alle Senatsmitglieder zu formulieren. Götzl: „Dann unterbrechen wir bis 13:15 Uhr.“ Es folgt eine Pause, die einmal verlängert wird.

Um 14:20 Uhr geht es tatsächlich weiter. Götzl: „Dann setzen wir fort.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl verliest den Befangenheitsantrag gegen den Senat: „In der Strafsache
gegen Frau Beate Zschäpe lehnen wir im Interesse von Frau Zschäpe Herrn Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Götzl, Frau Richterin am Oberlandesgericht Odersky, Herrn Richter am Oberlandesgericht Dr. Lang, Herrn Richter am Oberlandesgericht Dr. Kuchenbauer und Herrn Richter am Oberlandesgericht Kramer wegen Besorgnis der Befangenheit ab.“
Zur Begründung heißt es u.a.: Soweit sich also der Senat mit der jetzt erfolgten Ablehnung der am gestrigen Hauptverhandlungstag gestellten Anträge einer Auseinandersetzung mit der Methodenkritik an dem Sachverständigen entschlägt, muss für jeden vernünftig denkenden Angeklagten der Eindruck entstehen, dass das Gericht betreffend diesen Teil der Beweisaufnahme kein ernsthaftes Interesse an einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung hat. Einem Angeklagten muss sich bei verständiger Sicht der Eindruck aufdrängen, dass die abgelehnten Richter eine schnelle Verhandlung und Verhandlungsführung einer sachgerechten Beweisaufklärung und angemessenen Würdigung des Beweisstoffes vorziehen. Wenn schließlich dann in der zügig vorgenommen Ablehnung der gestellten Anträge der Verteidigung ausgeführt wird, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das mündlich zu erstattende Gutachten von Prof. Dr. Saß die befürchteten Mängel haben werde, da das Gutachten vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung noch nicht erstattet sei, wird offenbar, dass der Senat nur nach einer Möglichkeit gesucht hat, die vorliegenden Anträge der Verteidigung ablehnen zu können, ohne sich inhaltlich mit deren Begründung befassen zu müssen. Stahl: „Es folgen die Unterschriften.“

RA Borchert beantragt eine Unterbrechung von 20 Minuten, um zu besprechen, ob die Mandantin „sich das zu eigen machen will“. Götzl: „Ich wollte gerade sagen, es wurde ja im Interesse gestellt. Haben Sie eine Kopie? Es sind 8 Seiten. Unterbrechen wir bis 15 Uhr, dann haben Sie auf jeden Fall ausreichend Zeit.“

Es folgt eine Pause bis 15 Uhr. Götzl: „Dann setzen wir fort. Herr Rechtsanwalt Borchert?“ Borchert: „Ich gebe für die Mandantin folgende Erklärung ab.“ Borchert verliest, dass Zschäpe nach Kenntnisnahme des Ablehnungsgesuchs und dessen Begründung und nach Rücksprache mit ihren Verteidigern Borchert und Grasel die an der Entscheidung beteiligten Richter aus den dargelegten Gründen wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehne. Der Verhandlungstag endet um 15:17 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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