Protokoll 353. Verhandlungstag – 09. März 2017

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Zu Beginn des Verhandlungstages verliest RA Heer von der sog. „Altverteidigung“ Beate Zschäpes einen Befangenheitsantrag gegen Richter Götzl. Im Anschluss daran stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Beweisantrag zum Mord an Michèle Kiesewetter. NKRA Daimagüler bezeichnet diesen als „Unfugsantrag“ und wird daraufhin von Richter Götzl zur Ordnung gerufen.

Der Beginn des Verhandlungstages ist heute für 11 Uhr geplant, um 11:11 Uhr geht es tatsächlich los. Bundesanwalt Diemer ist heute nicht anwesend, er sagt heute im Bundestags-UA aus. Nach der Präsenzfeststellung sagt Richter Götzl: „Ja, Herr Rechtsanwalt Heer, bitte schön!“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer verliest den gestern bereits angekündigten Befangenheitsantrag gegen Götzl und beanstandet außerdem die am 351. Verhandlung verkündeten Verfügungen des Vorsitzenden als unzulässig. Zunächst gibt Heer ausführlich den prozessualen Sachverhalt aus Sicht der Verteidigung Zschäpe wieder. Dabei geht er auf den Verlauf des 351. Verhandlungstags ein. Im Unterschied zum 351. Verhandlungstag habe der abgelehnte Vorsitzende früheren Anträgen bzw. Bitten von Verteidigern, die Hauptverhandlung zur internen Erörterung, ob auf eine bestimmte Zwischenentscheidung des Senats oder auf eine Verhaltensweise eines Richters ein Befangenheitsgesuch angebracht werden soll, zu unterbrechen, im gesamten bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung stets sofort entsprochen und nicht etwa die Unterbrechung unter Zusicherung, ein Rechtsverlust werde nicht eintreten, zurückgestellt. Heer geht auf u.a. die Verfügungen zur Fristsetzung ein. Unmittelbar im Anschluss an diese Verfügungen habe er, Heer, auch im Namen von RAin Sturm beantragt, vorsorglich die Hauptverhandlung für 30 Minuten zur internen Beratung zu unterbrechen; auch Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders habe einen entsprechenden Antrag gestellt und auf Frage des abgelehnten Vorsitzenden mitgeteilt, die Verteidigung Wohlleben benötige insgesamt eine dreistündige Unterbrechung zur internen Beratung.

Sodann sei die Hauptverhandlung zwischen 12:22 Uhr und 15:34 Uhr unterbrochen worden. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke habe den Antrag gestellt, die Hauptverhandlung bis zum folgenden Tag um 13 Uhr zu unterbrechen. RA Heer habe mitgeteilt, die Verteidigung Zschäpe benötige eine erhebliche weitere Zeit zur internen Beratung, jedenfalls bis zu dem von Klemke genannten Zeitpunkt. Nach Einholung einer Stellungnahme des GBA habe Klemke auf Aufforderung des abgelehnten Vorsitzenden seinen Unterbrechungsantrag begründet. Weitere Stellungnahmen seien nicht abgegeben worden. Der Vorsitzende habe geäußert, NK-Vertreter RA Fresenius könne den von ihm zuvor angekündigten Beweisantrag stellen, ohne dass ein Rechtsverlust entstehe. Fresenius habe den Antrag gestellt, der GBA habe dazu eine Stellungnahme abgegeben, mehrere NK-Vertreter_innen hätten sich dem Antrag angeschlossen, teils mit einer Erwiderung auf den GBA. Dann habe NK-Vertreter RA Reinecke einen Beweisantrag gestellt, zu dem sofort keine Stellungnahmen abgegeben worden seien. Nach einer weiteren Unterbrechung habe der Vorsitzende die Verfahrensbeteiligten gefragt, ob für diesen Tag irgendwelche Anträge oder Erklärungen zu stellen bzw. abzugeben seien und dann die Verhandlung bis zum darauf folgenden Tag, 13 Uhr unterbrochen.

Nach dieser Schilderung geht Heer dann auf den Verlauf des 352. Verhandlungstages ein. Hier habe der Vorsitzende mitgeteilt, dass die mitgeteilte Verfügung geändert werden würde, ohne die angekündigte Modifizierung zu benennen. Der Vorsitzende habe gefragt, ob Anträge abgegeben werden sollen. Heer und Schneiders hätten gleichzeitig die jeweilige Taste am Mikrofon betätigt. Der Vorsitzende habe gefragt: „Wer möchte?“ Heer habe dann sinngemäß gesagt, er wolle sich zu Wort melden, wolle jedoch RAin Schneiders den Vortritt geben. Diese habe dann das Ablehnungsgesuch von Wohlleben verlesen. Unmittelbar im Anschluss daran
habe sich Heer zu Wort gemeldet und auf Frage des Vorsitzenden mitgeteilt, er wolle eine kurze Erklärung abgeben. Nach einer kurzen Erörterung mit dem Vorsitzenden habe dieser die erbetene Worterteilung zurückgewiesen und die Hauptverhandlung unterbrochen, um das Befangenheitsgesuch vervielfältigen zu lassen. Unmittelbar nach Wiedereintritt habe Heer erklärt, er beabsichtige eine Erklärung abzugeben, die sich zu einem Ablehnungsgesuch von Zschäpe verhalte und wolle eine etwaige Präklusion vermeiden. Der Vorsitzende habe wörtlich geäußert: „Ja, ja“ und dem GBA die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben. Der GBA habe eine schriftliche Stellungnahme angekündigt und beantragt, die Hauptverhandlung fortzusetzen.

Der Vorsitzende habe sich an Heer gewandt, der angeregt habe, die angekündigte Erklärung zu diesem Zeitpunkt abzugeben, um allen Verfahrensbeteiligten Klarheit über deren Inhalt zu verschaffen. Der Vorsitzenden habe die Fortsetzung verfügt und Heer habe die Erklärung abgegeben. Heer verliest dann seine Erklärung vom gestrigen Verhandlungstag. Heer gibt dann wieder, dass der GBA seinem Ansinnen nicht entgegengetreten sei, es sonst keine Stellungnahmen gegeben habe und der Vorsitzende dann geäußert habe, über die Frage der Zulässigkeit könne er zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung treffen, weil er dazu nicht berufen sei. Dazu habe Heer klargestellt, er habe eine solche Einschätzung auch nicht begehrt, sondern einen Antrag gestellt. Der Vorsitzende habe mitgeteilt, er verstehe den Antrag als Unterbrechungsantrag, Heer habe zugestimmt. Der GBA habe dann Stellung zu den Beweisanträgen der NK genommen, Schneiders habe die beiden Verfügungen des Vorsitzenden vom 351. Verhandlungstag als unzulässig beanstandet, der GBA habe seine Rechtsauffassung geäußert und eine Stellungnahme angekündigt, RA Reinecke eine Erwiderung auf eine Stellungnahme des GBA abgegeben und der Vorsitzende habe schließlich verfügt, die Verhandlung bis heute 11 Uhr zu unterbrechen.

Nach der Darstellung des gestrigen Hauptverhandlungstages geht Heer sehr ausführlich auf das Thema Fristen zur Stellung von Beweisanträgen ein, dort zunächst darauf, dass Götzl am 01.12.2016 gesagt habe, die Verfahrensbeteiligten sollten Beweisanträge „gesammelt und zügig“ stellen. Entgegen der entsprechenden Darlegung des Vorsitzenden in der beanstandeten Verfügung seien die Verfahrensbeteiligten nicht „aufgefordert“ worden, etwaige weitere Beweisanträge gesammelt und zügig zu stellen, so Heer. Am 01.12.16 habe Stahl den Vorsitzenden sinngemäß in Bezug auf diese „Bitte“ gefragt, ob das Beweisprogramm des Senats beendet sei. Diese Frage habe der Vorsitzende nicht beantwortet, sondern die Hauptverhandlung unterbrochen. Götzl sei darauf auch nicht an den sich anschließenden Verhandlungstagen zurückgekommen. Die Verfahrensbeteiligten hätten fortlaufend Beweisanträge gestellt. Es habe sich anlässlich der Verbescheidung von Beweisanträgen kein Hinweis darauf ergeben, dass der Senat sachfremde Erwägungen der Antragsteller im Sinne einer Prozessverschleppungsabsicht annehmen oder zumindest nicht ausschließen würde. Nachdem der Vorsitzende am 25.01.2017 höchst vorsorglich erwogen habe, weitere Verhandlungstermine zu bestimmen, sei am 20.02.2017 die Ladung für 33 Fortsetzungstermine zwischen dem 12.09.2017 und dem 11.01.2018 erfolgt. Am 22.07.2016 habe der Vorsitzende bereits für 52 weitere Verhandlungstage nach dem 08.03.2017 geladen, so dass die Verfahrensbeteiligten am Tag der Bekanntgabe der fristsetzenden Verfügung für insgesamt weitere 85 Hauptverhandlungstage geladen gewesen seien.

Heer geht dann auf die Ankündigung von Klemke ein, zwischen dem 07.09.2017 und dem 02.08.2018 an allen Donnerstagen verhindert zu sein, sowie auf die entsprechende Erwiderung Götzls. Dann sagt Heer, dass Sturm, Stahl und er selbst bereits am 29.01.2017 mitgeteilt hätten, am 09.11.2017 nur bis 12:30 Uhr an der Verhandlung teilnehmen zu können. Der Vorsitzende habe daraufhin angeregt, die Verhinderungsgründe substantiiert darzulegen, weil ohne einen derartigen Vortrag die Verhinderung aller drei Pflichtverteidiger keiner Bewertung unterzogen werden könne.

Dann führt Heer sehr ausführlich abgesetzte Verhandlungstermine aus 2016 und 2017 sowie die Begründung bzw. fehlende Begründung der jeweiligen Absetzung auf. Heer fährt danach fort, dass Götzl die Verfahrensbeteiligten schon zu einem frühen Zeitpunkt des jeweiligen Hauptverhandlungstages frage, ob Anträge oder Erklärungen vorgesehen seien. In seiner Stellungnahme vom 07.12.2016 auf den Haftantrag der Verteidigung Wohlleben habe der GBA darauf hingewiesen, die Anzahl der für einen Verhandlungstag geladenen Zeugen sei zumeist dem Umstand geschuldet, dass die Beweisaufnahme seit geraumer Zeit v.a. beweisantragsgesteuert sei.
Zschäpe-Verteidiger RA Grasel habe am 15.02.2017 gegenüber dem Vorsitzenden die Erteilung eines Dauersprechscheins für Herrn Prof. Dr. Joachim Bauer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zur Ermöglichung eines ärztlichen Gesprächs mit Zschäpe beantragt und auf Nachfrage des Vorsitzenden am 16.02.2017 mitgeteilt, Zschäpe wolle sich von Prof. Bauer ggf. explorieren lassen. In seiner Stellungnahme vom 17.02.2017 habe der GBA keine Bedenken geäußert und mitgeteilt, im Falle einer verfahrensbezogenen Exploration durch Prof. Bauer sollten die Besuchsmöglichkeiten in zeitlicher Hinsicht deutlich ausgeweitet werden, da es nicht ersichtlich sei, inwieweit eine offenbar angedachte Exploration der Angeklagten innerhalb der regulären Besuchszeiten angesichts des sehr fortgeschrittenen Stadiums der Hauptverhandlung noch verfahrenskompatibel durchgeführt werden könnte.

NK-Vertreterin RAin Dierbach habe den Vorsitzenden in ihrer Stellungnahme vom 20.01.2017 zutreffend darauf hingewiesen, die Verteidigung habe die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens bislang nicht beantragt und auch für die Notwendigkeit der Erstattung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens keine Gründe vorgetragen. Am 20.02.2017 habe der Vorsitzende dem Antrag entsprochen und mitgeteilt, die Besuche könnten an sitzungsfreien Werktagen, in der Regel montags und freitags, von 8 Uhr bis 15:30 Uhr mit je einer Stunde Mittagspause erfolgen, in der sitzungsfreien Woche vom 27.02. bis 03.03.2017 an vier Werktagen, ggf. nach Absprache auch am Besuchersamstag; jeweils ohne Anrechnung auf die allgemeine Besuchszeit. Auf der Internetseite der JVA München (Frauenanstalt) seien für RAe folgende Besuchszeiten angegeben: Montag bis Freitag 8 Uhr bis 11 Uhr, Montag bis Donnerstag 12:30 Uhr bis 16 Uhr und Freitag 12:30 Uhr bis 15 Uhr.

Heer macht dann die üblichen Angaben zur Glaubhaftmachung und geht dann über zur rechtlichen Würdigung:
Der abgelehnte Vorsitzende Richter hat mittels der beiden am 351. Hauptverhandlungstag mitgeteilten Verfügungen verdeutlicht, dass er die Verhandlungsleitung grob rechtsfehlerhaft und zudem willkürlich auszuüben gedenkt. Bereits das Setzen einer Frist für den Fall, dass noch weitere Beweisanträge gestellt werden sollen, ist rechtsfehlerhaft, da die dafür von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien nicht vorliegen. Die Beanstandung der Sachleitungsanordnung des Vorsitzenden als unzulässig ist geboten, da die Verfügung derzeit noch Bestand hat und lediglich eine unbekannte Modifikation angekündigt wurde. Die Verteidigung von Frau Zschäpe geht mit der vornehmlich im Schrifttum verbreiteten Auffassung davon aus, dass eine Fristsetzung zur Anbringung von Beweisanträgen contra legem ist, denn ihr steht der in § 246 Absatz 1 StPO vom Gesetzgeber formulierte und insoweit eindeutige Wortlaut entgegen. Danach darf eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei. Aber auch Krehl, der dem 2. Strafsenat des
BGH angehört, hält – wie auch der Vorsitzende des 2. Strafsenats Fischer – die hierzu ergangene Rechtsprechung für einen insgesamt bedenklichen Akt „richterlicher Rechtsschöpfung“, der in nicht
zu rechtfertigender Überbetonung des Beschleunigungsgrundsatzes und als „mögliche“ Korrektur desselben dem Gesetzgeber hätte vorbehalten bleiben müssen, worauf auch Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 68. Auflage, § 244 Randnummer 69b hinweist.

Heer zitiert dann weiter aus Literatur zur StPO, dass die auch mit Blick auf den Fristablauf auf Verschleppungsabsicht gestützte Ablehnung der Beweiserhebung jedenfalls auch deshalb erfolge, weil ein entsprechender Antrag „zu spät vorgebracht“ worden ist; gerade dies aber verbiete der Wortlaut des Absatz 1, es widerstreite – auch wenn nach der Rechtsprechung die Amtsaufklärungspflicht unberührt bleibt – zudem dem Zweck, den Absatz 1 mit der Verwirklichung materieller Wahrheit im Auge habe. Heer fährt fort:
Insgesamt stellt die Befristung des Beweisantragsrechts einen schwerwiegenden Eingriff in das durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch verfassungsrechtlich abgesicherte Beweisantragsrecht dar. Dessen ungeachtet ist die von dem abgelehnten Vorsitzenden verkündete Verfügung aber auch nach Maßgabe der hierzu ergangenen Rechtsprechung unzulässig. Gemein ist sämtlichen hierzu ergangenen Entscheidungen, dass sie das Ziel haben, dysfunktionale Verteidigungsaktivität zu verhindern bzw. zumindest einzuschränken, um dem – nicht etwa im Sinne des Art. 6 Absatz 1 Satz 1 EMRK den Beschuldigten schützenden, sondern dem öffentlichen Interesse an einer effektiven und ressourcenschonenden Strafverfolgung dienenden – Beschleunigungsgebot zur Durchsetzung zu verhelfen.

Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus: „Das Setzen einer Frist zur Stellung von Beweisanträgen im Strafverfahren ist verfassungsrechtlich dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Eine solche Fristsetzung wird jedoch nur in gewissen Prozesskonstellationen ernsthaft in Betracht zu ziehen sein. Der BGH spricht von einer ‚vorsichtigen und zurückhaltenden‘ Handhabung und konkretisiert die Voraussetzungen vorliegend dahingehend, dass regelmäßig zehn Verhandlungstage verstrichen sein müssen, das gerichtliche Beweisprogramm erledigt ist und bestimmte Anzeichen für Verschleppungsabsicht im bisherigen Verteidigungsverhalten gegeben sein müssen.“ Die Verfügung des Vorsitzenden erfüllt danach nicht einmal formal sämtliche der zuvor genannten Kriterien. Zwar sind vorliegend mit nunmehr 352 Hauptverhandlungstagen deutlich mehr als die in der Rechtsprechung geforderten zehn Hauptverhandlungstage verstrichen. Der Senat hat gemäß der Verfügung des abgelehnten Vorsitzenden vom 351. Hauptverhandlungstag zudem festgestellt, dass „keine Anträge der Prozessbeteiligten – also Beweisanträge, Beweisermittlungsanträge oder Anträge im Sinne von Beweisanregungen – mehr zu bescheiden sind“. Dieser Feststellung mag man die Erklärung entnehmen können, dass der Senat damit zugleich auch das gerichtliche Beweisprogramm als abgeschlossen erachtet.

Indes hat der abgelehnte Vorsitzende weder im Einzelnen dargetan, woraus er im bisherigen Verteidigungsverhalten bzw. im Verhalten der Prozessbeteiligten überhaupt bestimmte Anzeichen für eine Verschleppungsabsicht ableitet; er behauptet eine solche auch nicht. Vielmehr sprechen die in der Verfügung erwähnten Antragstellungen gerade gegen eine Verschleppungsabsicht. Dessen ungeachtet lassen die in der Verfügung des abgelehnten Vorsitzenden aufgeführten Feststellungen aber auch eine konkrete, der Schwere des Eingriffs in das den Angeklagten schützende Beweisantragsrecht entsprechende Auseinandersetzung vermissen. Denn die dort unter Ziffer 1 und Ziffer 2 aufgeführten Gründe, wonach zum einen im Verlauf der 350 Hauptverhandlungstage zahlreiche Beweisanträge gestellt worden seien, zum anderen aber auch nach der Bitte des abgelehnten Vorsitzenden vom 01.12.16, etwaig beabsichtigte weitere Beweisanträge „gesammelt und zügig“ zu stellen, wären für sich nur dann geeignet, zur Begründung eines solchen Eingriffs herangezogen zu werden, wollte man diese dahingehend verstehen, dass die zahlreichen bis zum 01.12.16 und die sodann noch weiter angebrachten Anträge zur Beweiserhebung aus Sicht des Senats bereits eine Tendenz zur Prozessverschleppung aufwiesen.

Hiervon kann allerdings gerade auch angesichts des Umstandes, dass einzelne Beweisanträge erst nach vielen Wochen oder gar Monaten beschieden wurden, keine Rede sein. Insbesondere deutete der abgelehnte Vorsitzende derartiges nicht einmal an. Die Verfügung des abgelehnten Vorsitzenden ist indes nicht nur unzulässig, sondern auch – insbesondere unter Berücksichtigung des übrigen Verfahrensverlaufs – völlig abwegig und den Anschein von Willkür erweckend. Es kann unterstellt werden, dass dem sehr erfahrenen abgelehnten Vorsitzenden die gesamte Rechtsprechung sowie auch die einschlägige Kommentarliteratur zu der Frage der Zulässigkeit und nach der eine solche bejahende Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen bekannt sind. Selbstverständlich ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den den Entscheidungen jeweils zugrunde liegenden Sachverhalten letztlich um Einzelfälle mit besonderer Ausprägung handelte – hierauf wird noch einzugehen sein. Vor diesem Hintergrund verkennt die Verteidigung nicht, dass es dem abgelehnten Vorsitzenden im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis und unter Ausschöpfung strafprozessual zulässiger Maßnahmen ggf. gestattet sein wird und muss, den unterschiedlichen, teilweise einander widerstreitenden Prozessmaximen im Falle eines, wie die Praxis und die entschiedenen Fälle zeigen, Missbrauchs des Beweisantragsrechts zu ihrer Durchsetzung zu verhelfen.

Heer zitiert dann aus einem Vortrag von Knauer auf dem „Frühjahrssymposium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht 2012“, demzufolge, die „die prozesspraktische Erfahrung“ zeige, dass „ein das Instrumentarium der StPO beherrschender Richter im Regelfälle noch mit jedem Beweisantrag fertig geworden ist“. Dass der abgelehnte Vorsitzende bzw. der Senat insgesamt mit der StPO umzugehen vermögen, unterliege keinem vernünftigen Zweifel, so Heer weiter. Tatsächlich lägen, so Heer, den bisher im Zusammenhang mit § 338 Nr. 3 StPO ergangenen Entscheidungen, die eine Befristung des Beweisantragsrechts zum Gegenstand hatten, Sachverhalte zugrunde, die nicht einmal ansatzweise mit der hier vorliegenden Konstellation und dem Beweisantragsverhalten der Prozessbeteiligten vergleichbar sind. Der zuletzt dem Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang vorgelegte Sachverhalt sei von folgenden Umständen geprägt: Die Fristsetzung sei erfolgt, nachdem bereits zuvor darauf hingewiesen worden war, dass ggf. damit zu rechnen sei, dass die Schlussanträge zu halten sein würden; sie sei nach neun Hauptverhandlungstagen erfolgt; die Frist habe weniger als 24 Stunden beinhaltet.

Der BGH habe daher auch insoweit die Unzulässigkeit der Fristsetzung festgestellt. Heer zitiert dann den Teil zur Fristsetzung aus dem entsprechenden Beschluss des BGH. Dann sagt er, dass der BGH im zitierten Beschluss die auf die Befristung hin erfolgte Richterablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit gleichwohl noch nicht gerechtfertigt gesehen habe, weil, so zitiert Heer wieder, dem Ablehnungsgesuch Äußerungen der Verteidigung im Vorfeld der Hauptverhandlung vorausgegangen seien, die als Ankündigung einer „überschießend offensiven Verteidigung“. Der BGH geht in dem Zitat außerdem u.a. darauf ein, dass die kurze Frist die Verteidigung nicht gänzlich unvorbereitet getroffen habe und angesichts der bevorstehenden Ferienzeit beträchtliche Verfahrensunterbrechungen konkret gedroht hätten; daher sei „ein Streben des Vorsitzenden nach alsbaldigem Verfahrensabschluss erklärlich“. Die beanstandete Verfahrensweise habe sich, zitiert Heer weiter, auf eine „neue, prinzipiell berechtigte, indes noch nicht näher ausgestaltete Rechtsprechung“ bezogen. In der Gesamtschau habe der BGH in Bezug auf die Bewertung dieser Entscheidung als abwegig oder den Anschein der Willkür erweckend festgestellt: „So weit geht das die Richterablehnung veranlassende Vorgehen des Strafkammervorsitzenden letztlich doch nicht.“

Dann fährt Heer mit der eigenen Argumentation fort:
Dass die Verfahrenskonstellation im vorliegenden Verfahren eine gänzlich andere ist, ist offensichtlich. Zu keinem Zeitpunkt gab das Antragsverhalten Prozessbeteiligter Anlass, auch nur im Entferntesten eine Verschleppungsabsicht anzunehmen, geschweige denn eine überschießend offensive Verteidigung zu vermuten. Ungeachtet des Umstandes, dass die Verteidigung von Frau Zschäpe eine Befristung des Beweisantragsrechts grundsätzlich für unzulässig erachtet, hat sich dieses als sogenannte Fristenlösung bezeichnete Modell inzwischen etabliert. Im Gegensatz zu der dem 5. Strafsenat [des BGH]zur Entscheidung seinerzeit angetragenen Revision kann vorliegend auch keine Rede mehr von einer „neuen, prinzipiell berechtigten, indes noch nicht näher ausgestalteten Rechtsprechung“ sein. Vielmehr kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass dem abgelehnten Vorsitzenden sämtliche hierzu ergangenen Entscheidungen bekannt sind. Nicht zuletzt verkündete er die Verfügung erst nach einer einwöchigen Verhandlungspause am Ende des 351. Hauptverhandlungstages anstatt das zulässig verfolgbare Ziel, die Verfahrensbeteiligten auf das aus Sicht des Senats absehbare Ende der Beweiserhebung und die sodann vorzubereitenden
Schlussvorträge hinzuweisen, an dem ebenfalls erst mit Verfügung vom 22.02.2017 abgesetzten Hauptverhandlungstag vom 23.02.2017 den Verfahrensbeteiligten, vorab per Telefax, zur Kenntnis zu bringen. Frau Zschäpe kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass mit der Befristung an sich die Entgegennahme weiterer Beweisanträge nicht grundsätzlich abgelehnt werde, sondern diesen bei entsprechend substantiierter Darlegung der Verspätungsgründe, welche der Senat zudem
für nachvollziehbar erachten muss, nachgekommen bzw. diese gemäß § 244 Absatz 3 bis 5 StPO, jedenfalls aber unter Berücksichtigung der allgemeinen Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Absatz 2 StPO behandelt würden. Das Beweisantragsrecht als Recht des Angeklagten auf aktive Beweisteilhabe stellt einen unverzichtbaren Kernbestandteil des rechtsstaatlichen Verfahrens dar.

Der BGH, so Heer, habe bereits in einer Entscheidung festgestellt, dass das Beweisantragsrecht gerade dazu bestimmt sei, das Gericht zu nötigen, über das von ihm zur Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich Gehaltene hinauszugehen. Heer fährt fort:
Neben dieser Funktion der Beweisteilhabe stellt die Diskursfunktion des Beweisantragsrechts einen wesentlichen Bestandteil der Verteidigungsmöglichkeiten eines Angeklagten dar. Schon vor diesem Hintergrund vermag der Verweis auf die allgemeine Amtsaufklärungspflicht gerade nicht zu verfangen. Insbesondere wird das ausschließlich gem. § 244 Absatz 3 bis 5 StPO beschränkbare Beweisantragsrecht durch die Forderung einer substantiierten Darlegung der Verspätungsgründe, die zudem nach der Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar sein müssen, elementar aufgeweicht, da durch die zahlreiche Bewertungsspielräume eröffnenden Kriterien der substantiierten Darlegung, der Überzeugung des Gerichts sowie der Nachvollziehbarkeit die weitere Beweiserhebung faktisch in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sich mithin lediglich als ein aliud zu dem Amtsermittlungsgrundsatz verhält. Dass dies nicht nur als ein denktheoretisches düsteres Szenario zu bezeichnen ist, hat der Vorsitzende auch in der Vergangenheit bereits deutlich werden lassen.

Verwiesen sei insofern beispielhaft auf die Verfahrensweise des abgelehnten Vorsitzenden anlässlich der zuletzt erfolgten Terminierung und Ladung. So hatte er noch mit Verfügung vom 25.01.2017 „höchstvorsorglich zur Meidung von Terminkollisionen“ mitgeteilt, dass die Anberaumung weiterer Termine erwogen würde. Nachdem Rechtsanwalt Heer, Rechtsanwalt Stahl und Rechtsanwältin Sturm hierzu bereits am 29.01.2017 mitgeteilt hatten, am 09.11.2017 nur bis 12.30 Uhr an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können, maßte sich der abgelehnte Vorsitzende mit Schreiben vom 30.01.2017 an, über die bislang nicht für das Verfahren im Wege der Ladung reservierte Verfügbarkeit der Verteidiger verfügen zu wollen und forderte diese zu einer substantiierten Darlegung des Verhinderungsgrundes auf. Nach dem bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung muss ein vernünftiger Angeklagter auch davon ausgehen, dass sämtliche der zuvor aufgeführten Aspekte, welche in der Rechtsprechung wie auch der Literatur im Zusammenhang mit dem sogenannten Fristenmodell erörtert werden, dem abgelehnten Vorsitzenden bei seiner offenkundig auch reiflich überlegten Verfügung bewusst waren. Frau Zschäpe muss daher schon deshalb die Besorgnis hegen, dass der abgelehnte Vorsitzende ihr gegenüber nicht mehr unparteilich und neutral sein wird. Vor allem ergibt sich dies aber aus der Fristsetzung von lediglich einer Woche, für die ein sachlicher Grund nicht besteht, so dass diese folglich nicht nur fehlerhaft, sondern unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht.

Das Bundesverfassungsgericht stellt im Zusammenhang mit dem Beschleunigungsgebot u.a. auf eine mathematische Betrachtung ab. Setzt man vorliegend die Verfahrensumstände in dem dortigen Verfahren – Fristsetzung von 24 Stunden nach neun Hauptverhandlungstagen – welche bekanntermaßen als unzureichend betrachtet wurde, so ergibt sich für das vorliegende Verfahren eine Frist von mindestens 40 Tagen. Insoweit kann auch die vorhergehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.10.2009 herangezogen werden. Dort wurde den Verfahrensbeteiligten vom Vorsitzenden am zehnten Hauptverhandlungstag eine einwöchige Frist gesetzt. Im Verhältnis zu dem offensichtlichen Willen des Vorsitzenden, die Beweisaufnahme in Kürze zu schließen, was dem Grunde nach nicht zu kritisieren ist, ist die Fristsetzung mit ihren äußerst weitreichenden prozessualen Konsequenzen tatsächlich und eindeutig unangemessen. Angesichts seines herausgehobenen statusrechtlichen Ranges und seiner besonderen Erfahrung muss dies dem abgelehnten Vorsitzenden zweifelsohne auch bewusst gewesen sein. Daher ist für die aktuelle Einschätzung von Frau Zschäpe hinsichtlich der inneren Haltung des Vorsitzenden ihr und den Angeklagten insgesamt gegenüber auch nicht von Relevanz, dass der Vorsitzende ankündigte, die betreffende Verfügung zu ändern.

Hätte der Vorsitzende, gerade angesichts des zum Ende des 351. Hauptverhandlungstages von der Verteidigung des Herrn Wohlleben in Bezug auf die Fristsetzung angekündigten und von uns als im Beratungsstadium qualifizierten Ablehnungsgesuches, ernsthaft erwogen, eine wesentlich längere Frist zu setzen – das Ob der Fristsetzung soll offensichtlich aber auch nicht revidiert werden – hätte er eine solche Änderungsverfügung nicht nur angekündigt, sondern bereits mitgeteilt. Frau Zschäpe muss daher zwangsläufig besorgen, dass der Vorsitzende ihre grund- und einfachgesetzlichen Verfahrensrechte missachtet und auch bei der Urteilsfindung nicht neutral und unparteilich agieren wird. Bzgl. der angeblichen Aufforderung an die Verfahrensbeteiligten vom 01.12.2016 trägt der Vorsitzende einerseits unwahr vor, was einen eigenständigen Ablehnungsgrund darstellt. Andererseits unterschlägt er in der Verfügung den Kontext, in dem die „Bitte“ erfolgt ist. Es handelte sich gerade nicht um eine förmliche Ankündigung einer demnächst beabsichtigten Fristsetzung, sondern um eine Äußerung en passant anlässlich einer Diskussion über den Zeitpunkt der Anhörung des Sachverständigen Professor Dr. Saß.

Unter Berücksichtigung dessen, dass der Vorsitzende in der fristsetzenden Verfügung in Aussicht stellte, die Hauptverhandlungstermine vom 08.03. und 09.03.2017 abzusetzen, sowie der für Rechtsanwälte bestehenden Besuchsmöglichkeiten in der Frauenanstalt der Justizvollzugsanstalt München, sollten nach der Vorstellung des abgelehnten Vorsitzenden für die Erörterung zwischen Frau Zschäpe und ihren Verteidigern, ob weitere Beweisanträge innerhalb der gesetzten Frist zu stellen sind, lediglich vier Tage mit maximal 22 Stunden verbleiben. Unter Zugrundelegung einer werktäglichen Arbeitszeit von jeweils acht Stunden sollten sämtliche Beweisanträge nach dem Willen des Vorsitzenden innerhalb von 32 Stunden fertig gestellt werden, wobei dem Vorsitzenden bekannt ist, dass ein selbständiger Rechtsanwalt neben der Betreuung anderer Verfahren auch zahlreiche sonstige Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb seiner Kanzlei wahrzunehmen hat. Angesichts des dem Vorsitzenden bekannten Kommunikationsdefizits innerhalb der Verteidigung könnte er auf eine Arbeitsaufteilung zwischen den insgesamt fünf Verteidigern von Frau Zschäpe nicht nennenswert verweisen. Da die Verfahrensbeteiligten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen innerhalb der gleichen Frist zudem die Feststellung des Senats, dass aus seiner Sicht keine Anträge mehr zu entscheiden sind, einer Überprüfung zu unterziehen haben, ist die Einhaltung der gesetzten Frist objektiv nicht möglich.

Der Hinweis des abgelehnten Vorsitzenden, die Fristsetzung sei zur Erreichung einer beschleunigten und stringenten weiteren Beweisaufnahme geboten, verfängt auch deshalb nicht, weil dies maßgeblich auf ihn zurückzuführen ist. Er führt die Beweisaufnahme bereits seit langem nicht mehr mit der erforderlichen Beschleunigung. Zudem wurden zahlreiche Hauptverhandlungstermine aufgrund seiner unzureichenden Verhandlungsplanung und sonstiger, nicht unmittelbar verfahrensbezogener Umstände abgesetzt. Von einer vorausschauenden Verhandlungsplanung kann in weiten Teilen der Hauptverhandlung keine Rede sein. Einerseits rechtfertigt der Vorsitzende die Absetzung von Hauptverhandlungsterminen, sofern überhaupt eine Begründung abgegeben wurde, mit justizinternen Belangen, der Erkrankung bzw. Verhinderung von Zeugen, wobei für diesen Fall offensichtlich nicht einmal ein Ersatzprogramm, etwa Verlesungen von Urkunden, vorbereitet worden war, Erkrankungen und Arztterminen von Richtern, einem Todesfall und sogar vorzunehmenden Annehmlichkeiten für einen Zeugen, nicht die Reise nach München antreten zu müssen. Andererseits legt er Frau Zschäpe auf, die Erhebung entlastender Beweise binnen eines gerade angesichts der bisherigen Dauer der Hauptverhandlung völlig unverhältnismäßig kurzen Zeitraums zu erörtern, entsprechende Anträge von ihren Verteidigern verfassen zu lassen und sodann abzustimmen.

Frau Zschäpe muss daher davon ausgehen, dass der abgelehnte Vorsitzende seine mängelbehaftete Verhandlungsplanung mittels der Fristsetzung zu kaschieren versucht. Die Fristsetzung war für Frau Zschäpe zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten, denn der Vorsitzende hatte am 01.12.16 lediglich sein Interesse bekundet, ob weitere Beweisanträge gestellt werden sollen und bat auch lediglich darum, diese konzentriert anzubringen. Das Antragsverhalten der Verfahrensbeteiligten ließ auch keine größeren Lücken erkennen. Aus dem Schreiben an Rechtsanwalt Klemke vom 09.02.17 ergibt sich, dass der Vorsitzende das Erfordernis von über den September 2017 hinausgehenden Fortsetzungsterminen ernsthaft in Betracht zog und er folglich nicht davon ausging, die Hauptverhandlung werde zeitnah einem Ende zugeführt werden können.

Dass der Vorsitzende für letzte Beweiserhebungen, die Schlussvorträge und die Urteilsverkündung 85 Hauptverhandlungstage von Nöten hält, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Umso weniger bestand für die für Frau Zschäpe mit weitreichenden Konsequenzen verbundene Fristsetzung zu diesem Zeitpunkt ein nachvollziehbares Bedürfnis. Der abgelehnte Vorsitzende verdeutlichte, dass er eine effektive Verteidigung mittels der Selbstladung von Sachverständigen unmöglich machen oder jedenfalls wesentlich erschweren will. Ihm ist bewusst, dass die Beweisaufnahme gemäß § 245 Absatz 2 StPO nur dann auf die vom Angeklagten vorgeladenen und auch erschienenen Sachverständigen zu erstrecken ist, wenn ein Beweisantrag gestellt wird, der den allgemeinen Anforderungen genügt, also substantiiert Beweistatsachen enthält und ferner, dass – falls der Sachverständige erklärt, zur Vorbereitung des Gutachtens eine weitere Vorbereitungszeit zu benötigen – grundsätzlich kein Recht auf Beweiserhebung durch Vernehmung des Sachverständigen besteht. Dem Vorsitzenden war die von Rechtsanwalt Grasel auf sein Verlangen hin erfolgte Mitteilung bekannt, dass Frau Zschäpe danach eine Exploration in Erwägung zöge und dass hierfür, vor allem aber auch, um dem Sachverständigen die zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen weiteren Anknüpfungstatsachen zu vermitteln, eine erhebliche Zeit erforderlich sein würde. Dies wäre innerhalb der gesetzten Frist nicht zu bewerkstelligen.

Schließlich lehnte der Senat erst am 351. Hauptverhandlungstag den die fehlende Erlebnisfundiertheit bestimmter Angaben des Herrn Schultze unter Beweis stellenden Beweisantrag des Herrn Wohlleben ab. Dieser war bereits vor Wochen gestellt worden, so dass der Verteidigung des Herrn Wohlleben nunmehr, entsprechend der Diskursfunktion des Beweisantragsrechts, Gelegenheit zu geben ist, hierauf in angemessener Zeit ihre weitere Verteidigung, namentlich die Erwägung weiterer oder anderer Beweismittel, einzurichten, was angesichts eines Zeitraumes zwischen der Verkündung des ablehnenden Beschlusses und dem Fristende von einer Woche faktisch unmöglich ist. Dies betrifft zwar inhaltlich ausschließlich Herrn Wohlleben, offenbart aber insgesamt eine Haltung, den Kernbereich der einem Angeklagten zu garantierenden Verteidigungsmöglichkeiten aus nicht mehr ansatzweise zu vertretenen Gründen zu beschneiden, so dass auch Frau Zschäpe keine Anhaltspunkte dafür hat, dass der abgelehnte Vorsitzende ihr noch mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gegenübersteht.

Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass auch das von dem abgelehnten Vorsitzenden am 351. Hauptverhandlungstag gezeigte Verhalten, den Unterbrechungsantrag der Verteidigung des Herrn Wohlleben ohne Rechtsverlust zurückzustellen, ein Novum darstellte. Bisher trug er in einer solchen Konstellation immer dem Anspruch eines Angeklagten durch sofortige Unterbrechung Rechnung seinen Anspruch auf den gesetzlichen Richter jederzeit wahren zu wollen, indem er dem Angeklagten zumindest die Möglichkeit einräumte, die seine Sorge der Voreingenommenheit des abgelehnten Richters tragenden Gründe unverzüglich vorzutragen. Der Vorsitzende verdeutlichte mit seinen Verfügungen, die Verteidigungsinteressen aller Angeklagten in willkürlicher Weise seinen eigenen Zielen unterzuordnen und dadurch die grundgesetzlich und einfach gesetzlich verankerten Prozessmaximen zu verletzen. Das Ankündigen eines „Durchpeitschens par excellence“ lässt ihn aus der Sicht von Frau Zschäpe befangen erscheinen.
Dann verliest Heer die üblichen Anträge am Ende eines Ablehnungsgesuchs. Götzl: „Wir wollen den Schriftsatz kopieren.“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Herr Wohlleben macht sich die Begründung dieses Antrags von Frau Zschäpe zu eigen für sein eigenes Ablehnungsgesuch.“ Götzl: „Dann legen wir die Mittagspause ein und setzen fort um 13:10 Uhr.“

Um 13:17 Uhr geht es weiter. Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Der Angeklagte Eminger schließt sich dem Ablehnungsgesuch an.“ Götzl: „Können Sie es nochmal wiederholen?“ Kaiser: „Der Angeklagte Eminger schließt sich dem Ablehnungsgesuch an.“ Götzl: „Welchem Gesuch, Herr Rechtsanwalt Kaiser, schließt sich der Herr Eminger an?“ Kaiser: „Dem heute gestellten, von der Verteidigung Zschäpe.“ Götzl: „Rein informatorisch: Wären denn noch weitere Anträge oder Erklärungen heute?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung fortgesetzt. Die Fortsetzung ist trotz erfolgter Ablehnung in Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz sachgerecht.“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Die Verteidigung Wohlleben beantragt, die Hauptverhandlung für weitere 30 Minuten zu unterbrechen für weitere Anträge.“ Heer: „Ich beantrage ebenso die Unterbrechung für 30 Minuten zur internen Beratung.“ Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen bis 13:50 Uhr.“

Um 13:57 Uhr geht es weiter. Heer: „Ich widerspreche der Fortsetzung der Hauptverhandlung.“ Seine Mitverteidigerin RAin Sturm sei erkrankt, so Heer. Heer weiter: „Ich beabsichtige, mich mit ihr zu beraten, was mir aktuell nicht möglich ist. Das Kommunikationsproblem innerhalb der Verteidigung Zschäpe ist Ihnen bekannt.“ OStA Weingarten: „Frau Zschäpe ist aus Sicht der Bundesanwaltschaft hinreichend ordnungsgemäß verteidigt, so dass der von der Verteidigung Wohlleben beabsichtigten Stellung eines Antrags nichts entgegensteht, insbesondere steht heute ja auch keine Beweisaufnahme an.“ Götzl fragt nach Stellungnahmen dazu. Klemke: „Ich habe nur ganz kurz zu erklären, dass wir zwei Anträge stellen möchten, einen betreffend die Ablehnung durch Herrn Wohlleben vom 8. März und zum anderen einen Beweisermittlungsantrag.“ Heer: „Ich begründe den Unterbrechungsantrag derart, dass ich das Ablehnungsgesuch arbeitsteilig mit Rechtsanwältin Sturm gemacht habe und ich mich mit ihr – Stichwort Antrag im Ablehnungsverfahren – mich mit ihr berate, wie weiter vorgegangen wird.“ Götzl: „Ja, steht dem entgegen, dass von der Wohlleben-Verteidigung noch Ausführungen gemacht werden?“ Klemke: „Es wird keine Ausführungen geben, sondern noch einen Antrag zum Ablehnungsantrag. Und im Übrigen: ein Beweisermittlungsantrag; wir haben eine Frist gesetzt bekommen!“ [phon.] Götzl: „Wir unterbrechen nochmal für 10 Minuten, bis 14:10 Uhr.“ Um 14:13 Uhr erfolgt eine Durchsage, dass erst um 14:30 Uhr fortgesetzt wird.

Weiter geht es um 14:33 Uhr. Götzl verkündet den Beschluss, dass die Verfügung des Vorsitzenden, mit der die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zurückgestellt wurde, bestätigt wird. Eine Entscheidung würde, so verliest Götzl, eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich machen. Eine Fortsetzung sei aber sachgerecht und der Angeklagten Zschäpe im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen zumutbar. Es sei nicht ersichtlich, welche Beratung jetzt durchgeführt werden müsse, die geplante Fortsetzung erstrecke sich lediglich auf den Antrag der Verteidigung Wohlleben und auf das rechtliche Gehör bzgl. des Anschlusses des Angeklagten Eminger.

Heer beantragt eine Abschrift und eine Unterbrechung bis 15:10 Uhr, um zu besprechen, ob ein Ablehnungsgesuch gegen alle Senatsmitglieder geplant wird. Götzl: „Wir setzen jetzt fort, ohne dass ein Rechtsverlust für Ihre Antragsstellung eintreten wird. Wir kommen zunächst zur Antragstellung, die Sie, Herr Rechtsanwalt Klemke, treffen wollen.“ Heer: „Ich beanstande das und beantrage einen Senatsbeschluss.“ Weingarten: „Die Zusicherung des Vorsitzenden ist seit vielen Jahren gängige Übung, völlig unproblematisch und in diesem Fall geboten, nachdem die Verteidigung Wohlleben angekündigt hat, einen Antrag zum Ablehnungsverfahren zu stellen, was wiederum nicht aufschiebbar ist.“ Heer: „Es geht gerade darum, ob die Verteidigung Zschäpe ebenfalls einen Antrag im Ablehnungsverfahren stellt. Ich kenne den beabsichtigten Antrag der Verteidigung Wohlleben nicht. Es geht zum Beispiel darum, ob sich angeschlossen wird, ob weitere Anträge im Ablehnungsverfahren zu stellen sind. Dies möchte ich mit Frau Sturm besprechen. Ich weise nochmal auf das u. a. von Ihnen geschaffene Problem mit Frau Zschäpe hin. Ich möchte mich mit Frau Sturm beraten.“ Götzl: „Worauf bezieht sich die Änderung? Sie sagen, Sie ändern Ihren Antrag.“ Heer: „Nein, ich begründe meine ausgesprochene Beanstandung.“ [phon.] Weingarten: „Der Herr Rechtsanwalt Heer ist ein sehr erfahrenes Organ der Rechtspflege. Es ist überhaupt nicht zu erkennen, warum er sich jetzt, bevor Rechtsanwalt Klemke oder dessen Mitverteidiger den Antrag gestellt hat, sich mit Rechtsanwältin Sturm beraten muss, ob man sich diesem Antrag anschließt. Es ist so, dass Rechtsanwalt Heer durch seine Zulassung als Rechtsanwalt zur Ausübung seines Berufs – auch ohne Rechtsanwältin Sturm – befähigt ist, und es besteht überhaupt kein Anlass, das Verfahren zu torpedieren.“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich habe schon Verständnis, dass Besprechungsbedarf besteht. Aber warum das jetzt erfolgen soll? Sie haben ja gerade angekündigt, dass er das ohne Rechtsverlust tun kann, das mit seiner Kollegin zu besprechen und ohne Rechtsverlust darauf reagieren kann. Ich sehe keinen Grund jetzt zu unterbrechen.“ Heer: „Ich begründe das ergänzend damit, dass Sie drei Verteidiger anerkannt haben. Sie haben anerkannt, dass drei Verteidiger mitwirken müssen. [phon.]“ Götzl: „Dann wird unterbrochen, wir setzen um 15:15 Uhr fort.“

Um 15:17 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass die Verfügung des Vorsitzenden, die Hauptverhandlung nicht sofort zu unterbrechen und stattdessen RA Heer das Recht einzuräumen, ohne Rechtsverlust bis zum Ende der heutigen Sitzung ein etwaiges Ablehnungsgesuch anzubringen, bestätigt wird. Götzl führt zur Begründung u.a aus, es liege kein Ermessensmissbrauch vor. Der Vorsitzende sei grundsätzlich nicht verpflichtet, Anträge zu jeder Zeit entgegenzunehmen. Er könne den Antragsteller auf einen späteren Zeitpunkt verweisen. Die Entscheidung des Vorsitzenden sei sachgerecht und ermessensfehlerfrei gewesen. Die Angeklagte Zschäpe erleide keinen Rechtsverlust. Es sei nicht ersichtlich, welche Beratung RA Heer nun ohne Aufschub mit RAin Sturm durchführen müsse. Mit der Bestellung von drei Verteidigern sei nicht die Feststellung verbunden, dass ein RA nicht ohne die anderen agieren könne, außerdem seien auch RA Grasel und RA Borchert Verteidiger von Zschäpe. Die Beeinträchtigung der Angeklagten sei nicht ersichtlich, sie habe nur den geringen Zeitraum bis zum Ende des heutigen Verhandlungstages abzuwarten. Dann stellt RA Klemke den Antrag, dass der Vorsitzende und die anderen Mitglieder des Senats ihre dienstliche Äußerungen dahingehend ergänzen mögen, ob sie seit dem 01.12.2016 betreffend das vorliegende Verfahren, eine Kommunikation mit dem Vorsitzenden oder anderen Mitgliedern des 3. Strafsenats beim BGH hatten und welchen Inhalt diese ggf. hatte.

Danach verliest RAin Schneiders den Antrag, 1. die Protokolle der Vernehmungen der Zeugen, die durch baden-württembergischen NSUUA betreffend die „mögliche Anwesenheit von FBI-Agenten am Tatort des Mordes an Michèle Kiesewetter in Heilbronn“ vernommen wurden, beizuziehen und der Verteidigung Akteneinsicht zu gewähren, und 2. die „namentlich nicht bekannten FBI-Agenten, die sich zur Tatzeit des Mordes an Michèle Kiesewetter aus dienstlichen Gründen am Tatort auf der
Theresienwiese in Heilbronn aufhielten und Wahrnehmungen gemacht haben können sowie deren ladungsfähige Anschriften durch Anfrage beim NSUUA Baden-Württemberg oder beim „Federal Bureau of Investigation, J. Edgar Hoover Building, 935 Pennsylvania Avenue, Washington D.C 20535, USA“ zu ermitteln, diese als Zeugen zu laden und zu ihren möglichen Wahrnehmungen betreffend des Mordes an Michèle Kiesewetter zu vernehmen. Zur Begründung führt sie aus:
„Die noch nicht namentlich bekannten FBI-Agenten kommen als Tatzeugen in Betracht. Die Amtsaufklärungspflicht gebietet daher die Ermittlung ihrer Identität und deren Vernehmung als Zeugen.“

Dann zitiert Schneiders einen Artikel in der „Südwestpresse“ von Thumilan Selvakumaran vom 20.09.2016 unter dem Titel: „Heilbronner Polizistenmord: Hinweise von US-Agenten“. In diesem Artikel wird aus dem baden-württembergischen UA berichtet. Der Artikel verweist u.a. auf einen Bericht des „Stern“ von 2011 zu einer „möglichen Anwesenheit“ von US-Agenten. Dies hätten die Behörden abgestritten, so der Artikel der „Südwestpresse“ weiter, doch Protokolle und Mail-Verkehr hätten eine rege Kommunikation zwischen BND, MAD und Bundeskanzleramt belegt. Aus geheimen Dokumenten gehe hervor, so der Artikel, dass ein amerikanischer Beamter erklärt habe, dass eine „FBI-Operation auf deutschem Boden mit einer Zielperson im islamistischen Bereich wegen der Tat abgebrochen wurde“; die Amerikaner hätten demnach signalisiert, bei der Aufklärung zu helfen, was vom BND abgelehnt worden sei; die Dokumente seien teilweise bis 2071 als Verschlusssache eingestuft; das habe auch Konsequenzen für den UA; die Befragung des zuständigen BND– Beamten dürfe nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Weder BND noch Bundeskanzleramt hätten laut Ausschussvorsitzendem Wolfgang Drexler die eingeschränkte Aussagegenehmigung aufweichen wollen, fährt der Artikel fort; dieser habe aber nach der geheimen Vernehmung bekannt gegeben, dass tatsächlich ein „amerikanischer Dienst Kontakt mit dem Beamten aufgenommen hatte“; auch halte Drexler die Protokolle über die Kommunikation in den Behörden inzwischen für authentisch. Der Artikel zitiert Drexler weiter, dass es zwar noch keinen Beleg gebe, dass US-Agenten Zeugen der Tat wurden, aber: „wir wollen wissen, wie das innerhalb des Dienstes weitergelaufen ist“. Der Artikel endet auf die Information, dass nun drei weitere Zeugen von BND, MAD und Bundeskanzleramt sowie der Landespolizeipräsident befragt werden sollten; dieser habe wenige Tage vor dem Polizistenmord einen Rahmenbefehl unterschrieben, in dem es um eine Terrorwarnung der Amerikaner wegen möglichen islamistischen Anschlägen gegangen sei; dazu seien Kräfte zusammengezogen worden, um US-Einrichtungen zu schützen – auch Bereitschaftspolizisten [wie Kiesewetter].

Schneiders fährt nach der Wiedergabe des Artikels fort: „Die Verteidigung hat dahingehend den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages Baden Württemberg angeschrieben und um Übersendung der entsprechenden Protokolle ersucht.“ Schneiders verliest dann das von ihr verfasste Schreiben vom 07.12.16: „Nach Medieninformationen hatte der Untersuchungsausschuss am 14.10.2016 Zeugen zu folgenden Themen geladen: Ute Sch., Erste Kriminalhauptkomissarin Bundeskriminalamt, wurde im Rahmen der Veröffentlichung eines Stern-Artikels mit Ermittlungen in dem Zusammenhang betraut; Olaf C., Kapitän zur See, Miltärischer Abschirmdienst, soll berichten, was von Seiten des MAD zu dem ganzen Thema zu sagen ist; Rudolf K., ehemaliger Mitarbeiter des US-Militärgeheimdienstes MI, er will am Tag nach dem Anschlag in Heilbronn ein Gespräch zweier US-Geheimdienstkollegen mit angehört haben, in dem sich diese über eine abgebrochene Observation unterhalten hätten.“ In ihrem Schreiben an den UA zitiert Schneiders dann einen Artikel des SWR über die UA-Sitzung. Dieser Artikel besagt, dass der Ausschuss in Bezug auf den Mord an Kiesewetter ausgeschlossen habe, dass der US-Geheimdienst zum Zeitpunkt des Mordes am Tatort Theresienwiese aktiv gewesen sei; der ehemalige Zivilbedienstete der US-Armee in Deutschland Rudolf K. habe dem Gremium erzählt, wie er ein Gespräch zweier hochkarätiger Soldaten nach dem Tod von Kiesewetter belauscht habe: „Hast du mitgekriegt, was gestern in Heilbronn passiert ist?“ habe der Mann einen Agenten zitiert; nachdem dessen Gesprächspartner das bejaht habe, habe er gesagt: „Hoffentlich war da keiner von unseren dabei, das könnte politische Verwicklungen geben.“

Der Artikel berichtet über die Aussage von K., dass dieser das in Zusammenhang mit der ihm aus den Medien bekannten Tat gesetzt und seinen Chef informiert habe. Der habe ihn rausgeschmissen und er habe sich dann per E-Mail ans BKA gewandt, aber von dort keine Antwort erhalten. Der Artikel fährt fort: „Seine Darstellungen stehen allerdings nach Überzeugung der Ausschussmitglieder in Widerspruch zu früheren Aussagen bei der Polizei. Der Zeuge, der nach mehrfacher Krankmeldung mit dem Krankenwagen aus Hessen zu dem Ausschuss transportiert wurde, bestritt Informant des Magazins ‚Stern‘ gewesen zu sein.“ Im Schreiben von RAin Schneiders heißt es weiter, dass sie als Verteidigerin von Wohlleben um Auskunft bitte, ob sich Erkenntnisse ergeben haben, dass am Tattag in Heilbronn tatsächlich zwei US-Geheimdienstangehörige als Tatzeugen anwesend waren bzw. ob dies ausgeräumt werden konnte und ob sich durch die genannten Zeugenvernehmungen weitere Sachaufklärung zum Mordfall Kiesewetter ergeben hätten: „Ich darf Sie bitten, mir die Zeugen mit ladungsfähiger Anschrift zu benennen, damit ggf. Beweisanträge beim OLG München gestellt werden können.“

Für das Verfahren vor dem OLG könnten sich, so das Schreiben von Schneiders weiter, weitere Ansätze zur Tataufklärung ergeben: „Ich darf Sie bitten, zu prüfen, ob eine Übersendung der Vernehmungsprotokolle zu den vorgenannten Zeugen möglich ist.“ Schneiders zitiert dann das Antwortschreiben des UA-Vorsitzenden Drexler vom 14.12.2016, demzufolge dem Ersuchen von Schneiders nicht entsprochen werden könne, weil eine Preisgabe von etwaigen Erkenntnissen des laufenden UA mit den geltenden Bestimmungen des UA-Gesetzes nicht in Einklang gebracht werden könne. Nachdem Schneiders auch dieses Schreiben komplett verlesen hat, verliest sie ein weiteres Antwortschreiben des UA-Vorsitzenden Drexler vom 23.02.2017, in dem dieser im Namen des UA mitteilt, dass der UA den Antrag von Schneiders auf Übergabe der Protokolle abgelehnt habe. Der UA habe schon in seiner konstituierenden Sitzung beschlossen, dass eine Weitergabe von öffentlichen wie nichtöffentlichen Protokollen an sonstige Stellen und Dritte grundsätzlich nicht stattfindet, so das Schreiben von Drexler, nun habe der UA in nichtöffentlicher Sitzung entschieden, dass auch der Antrag von Schneiders keine Ausnahme darstellt und daher abgelehnt wird. Zum Abschluss des Beweisantrages sagt Schneiders: „Die Amtsaufklärung gebietet die Beiziehung der Protokolle sowie die Namhaftmachung und Vernehmung der potentiellen Tatortzeugen.“

Götzl: „Soll denn zum Ablehnungsgesuch des Herrn Eminger, soll dazu noch Stellung genommen werden?“ Weingarten: „Das Gesuch des Angeklagten Eminger ist verspätet, der geltend gemachte Ablehnungsgrund liegt 48 Stunden zurück. Es kann dem Angeklagten Eminger nicht entgangen sein, dass die Grundlage die anderen Verfahrensbeteiligten seit langem dazu gebracht hat, Ablehnungsgesuche zu stellen. Wir würden noch auf den Antrag des Rechtsanwalts Klemke zur Abgabe dienstlicher Erklärungen sogleich Stellung nehmen.“ Götzl: „Sie meinen den Beweisermittlungsantrag?“ Weingarten; „Nein, zu dem nicht, nur auf die Abgabe dienstlicher Erklärung.“ RA Kaiser: „Ich weiß nicht, ob es Oberstaatsanwalt Weingarten entgangen ist: Herr Eminger hat sich dem Antrag, gestellt von Rechtsanwalt Heer und Rechtsanwältin Sturm angeschlossen. Während der Antrag des Herrn Wohlleben sehr auf die Person Wohlleben zugeschnitten war, war der Antrag, den die Verteidigung Zschäpe gestellt hat, sehr wohl auch für andere Mitangeklagte bedeutsam. Nachdem er die schriftliche Begründung hatte, hat sich Herr Eminger in der Mittagspause damit auseinandergesetzt und sich angeschlossen.“ Götzl: „Dann zu dem Antrag Herrn Klemkes betreffend das Ablehnungsverfahren?“ Heer: „Es wäre sinnvoll, wenn ich da erst einen Antrag stelle, der sich darauf bezieht.“ Götzl: „Sie kommen alle zu Wort!“ Klemke: „Sie haben das bezeichnet, als ob es mein persönlicher Antrag wäre.“

Weingarten: „Nachdem der Antrag sich an die abgelehnten Richter richtet und nicht an die zur Entscheidung berufenen: Es besteht kein Anspruch auf die begehrte Abgabe der dienstlichen Erklärungen. Ein solcher Anspruch erschöpft sich auf die Abgabe dienstlicher Äußerungen bezogen auf die im Befangenheitsgesuch geltend gemachten Tatsachen, nicht aber darüber hinaus. Bei Lichte betrachtet handelt es sich um einen spekulativen Verdacht, mithin einen Befangenheitsbegründungsermittlungsantrag, für den es keine rechtliche Grundlage gibt.“ Heer stellt den Antrag, ihm bis zum 11.03.2017 Gelegenheit zu geben, zu dem eben gestellten Antrag von Klemke Stellung zu nehmen und sich gegebenenfalls anzuschließen oder ihm Zeit [phon.] für einen erneuten Antrag einzuräumen, und bezieht sich erneut auf ein „Beratungsbedürfnis mit der Mitverteidigerin“. Götzl: „Haben Sie den Antrag in Schriftform? Können Sie den noch ausdrucken?“ Heer: „Ich habe ihn auf meinen Bildschirm. Ich kann ihn auch gerne nochmals langsam vorlesen, das wäre schneller. Was möchten Sie?“ Götzl: „Wir können uns das notieren, was Sie gesagt haben. Wollen Sie ihn übergeben oder nicht?“ Heer: „Wie Sie möchten.“ Götzl: „Dann würde ich Sie bitten, dass Sie ihn ausdrucken.“

Klemke: „Die Verteidigung des Herrn Wohlleben beantragt – nunmehr gegenüber den zu der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufenen Richtern -, diese mögen den Vorsitzenden und die anderen abgelehnten Mitglieder des Senats ersuchen, sich dienstlich dahingehend zu äußern, ob sie eine Kommunikation mit dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des 3. Strafsenats beim BGH betreffend dieses Verfahren hatten und welchen Inhalt dieses ggf. hatte. Das werden wir noch ausdrucken, damit der Spruchkörper noch darüber entscheiden kann.“ Heer: „Und ich stelle sinngemäß meinen soeben gestellten Antrag [auf Zeit zur Stellungnahme]auch im Hinblick auf diesen eben von Rechtsanwalt Klemke gestellten Antrag.“ Götzl: „Sind zu diesem Komplex noch Stellungnahmen oder Erklärungen?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Sind ansonsten noch Anträge oder Erklärungen?“

NK-Vertreter RA Daimagüler: „Ich würde gern noch ein Wort zum Antrag von Rechtsanwältin Schneiders sagen: Im Frühjahr 2012 hatte das BKA auf Grundlage von Medienberichterstattungen Kontakt aufgenommen zum FBI und das FBI hat, meine ich, am 15.10.2012 Stellung genommen in der Person des FBI Liaison Officers bei der amerikanischen Botschaft Stuart P. Wirtz, und der hat erklärt, dass es im Frühjahr 2007 keine operativen Vorgänge des FBI in Deutschland gab und am Tattag Heilbronn keine FBI-Beamten am Ort waren. Und insofern jetzt zu versuchen, Namen herauszubekommen von FBI-Beamten, wird also zu nichts führen. Die Berichterstattung kam im Januar 2012 auf, wurde vom BKA aufgenommen, wurde immer mal wieder in den Medien aufgenommen mit dem Hinweis, dass das nur Gerüchte waren. Dass jetzt, nach 350 Verhandlungstagen, solche Anträge kommen – und wir hatten ja in den letzten Monaten schon mehrfach Anträge der Verteidigung Wohlleben, die relativ wortreich, aber substanzarm waren -, ist für mich als rechtsmissbräuchliche Verschleppung zu sehen.“ NK-Vertreter RA Martinek: „Auch auf die Gefahr hin, sich ebenfalls dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszusetzen: Die Nebenklage [Martin] A. schließt sich ausdrücklich dem Beweisermittlungsantrag der Verteidigung Wohlleben an.“

Heer: „Ich beantrage eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Beratung bis 16:05 Uhr.“ Götzl: „Ja, machen wir gleich, aber vorher war noch eine Wortmeldung.“ Schneiders: „Zur Stellungnahme des Kollegen Daimagüler: Ich weiß nicht, wie ich es nett formulieren soll. Ihr Wissen um die Presseberichterstattung in allen Ehren, aber es hat mit dem hiesigen Strafverfahren nichts zu tun, weil die StPO vorgibt, was hier wie eingeführt wird. [phon.] Ihr Wissen in allen Ehren, aber es ist nicht prozessual ordnungsgemäß hier eingeführt.“ Daimagüler: „Ich versuche es gar nicht, nett zu formulieren. Ich finde, dass man nach vier Jahren Verhandlung nicht jedem offensichtlichen Unfugsantrag nachgehen muss.“ Schneiders: „Herr Vorsitzender, ich bitte, Herrn Daimagüler hier anzuleiten, die Sachlichkeit zu wahren.“ Daimagüler: „Es ist ein grober Unfugsantrag!“ Klemke ruft: „Ich beantrage Protokollierung! Und ich stelle fest, es erfolgte erneut keine Erwiderung Ihrerseits auf die erneute Entgleisung des Herrn Daimagüler, Herr Vorsitzender. Die Verteidigung Wohlleben beantragt jetzt die Unterbrechung für 20 Minuten zur internen Beratung.“ Götzl: „Dann unterbrechen wir und setzen um 16:15 Uhr fort.“ Um 16:27 Uhr erfolgt eine Durchsage, dass um 16:50 Uhr fortgesetzt werden soll.

Weiter geht es dann um 16:51 Uhr. Götzl: „Herr Dr. Daimagüler, ich rufe Sie nachdrücklich zu Ordnung und Sachlichkeit auf! Dann wird nach § 182 GVG [Gerichtsverfassungsgesetz] protokolliert: ‚Am 09.03.2017 kam es in der Hauptverhandlung gegen 15:50 Uhr zu folgendem Wortwechsel: Rechtsanwalt Dr. Daimagüler nahm in öffentlicher Hauptverhandlung mündlich Stellung zu einem kurz zuvor gestellten Beweisermittlungsantrag. Dabei führte er u. a. aus, nach vier Jahren Prozess müsse nicht jedem Unfugsantrag nachgegangen werden. Ohne dass ihr das Wort erteilt worden war, bat Rechtsanwältin Schneiders, Rechtsanwalt Daimagüler zur Sachlichkeit anzuleiten. Rechtsanwalt Daimagüler unterbrach, ohne dass ihm das Wort erteilt worden war, und sagte: ‚grober Unfugsantrag‘. Rechtsanwältin Schneiders unterbrach ohne Worterteilung: Protokollierung. Dann unterbrach Rechtsanwalt Klemke, ohne dass ihm das Wort erteilt wurde, und beantragte eine Unterbrechung von 20 Minuten.‘“ Klemke: „Die Verteidigung Wohlleben beantragt, die Hauptverhandlung für 15 Minuten für eine interne Beratung zu unterbrechen.“ Götzl: „Im Hinblick worauf?“ Klemke: „Im Hinblick auf Ihren Ordnungsruf und den Inhalt der wörtlichen Protokollierung.“ Götzl:“ Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen, wir setzen fort um 17:10 Uhr.“

Um 17:15 Uhr geht es weiter. Götzl: „Dann noch Folgendes: Ohne dass eine Rechtspflicht zur dienstlichen Äußerung erkennbar wäre, erkläre ich für mich und die anderen Mitglieder des Spruchkörpers, dass kein Senatsmitglied seit dem 01.12.2016 eine Kommunikation mit dem Vorsitzenden oder anderen Mitgliedern des 3. Strafsenats beim BGH hatte. Dann zu Ihrem Antrag, Herr Rechtsanwalt Heer, der Antrag, ich möge bis zum 11.03. Gelegenheit geben, zum Antrag von Rechtsanwalt Klemke Stellung zu nehmen: Da bin ich der falsche Adressat.“ Heer: „Deswegen habe ich ihn schriftlich übergeben.“ Götzl: „Soll dazu Stellung genommen werden.“ Klemke: „Ist ja toll, dass wir Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen, doch zu welchem Antrag von Herrn Heer? Die BAW hat den verschriftlichten Antrag, wir nicht.“ Im Saal sagt jemand ohne Mikrofonverstärkung: „Den gibt es draußen.“ [Gemeint ist vermutlich der Ort, an dem für die Verfahrensbeteiligten kopierte Schriftstücke ausliegen.] Götzl: „Das ist der mündlich vorgetragene Antrag von Herrn Heer, der dann verschriftlicht wurde, machen wir eine kurze Unterbrechung.“ [Eine Kopie des Antrags wird zur Wohlleben-Verteidigung gereicht, RA Klemke und RA Nahrath lesen.] Götzl: „Soll dazu noch was ausgeführt werden.“ Klemke: „Nein, danke.“

Götzl: „Zurück zu Ihnen, Herr Rechtsanwalt Heer. Soll denn heute noch ein Antrag gestellt werden von Ihrer Seite?“ Heer: „Frau Zschäpe wird derzeit kein weiteres Ablehnungsgesuch stellen.“ Götzl: „Sind dann ansonsten noch weitere Erklärungen? Keine. Zum weiteren Prozedere: Nachdem ja über die gestellten Befangenheitsgesuche hintereinander von verschiedenen Spruchgruppen zu entscheiden ist, wird abgesetzt der 14.03., 15.03., 21.03. und 22.03., so dass wir fortsetzen würden am Donnerstag, 23.03. Dann wird unterbrochen. Wir setzen fort am Donnerstag, 23. März 2017, 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 17:21 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage“ kommentiert: „Ansonsten bestand der Verhandlungstag vor allem aus einer Pause nach der nächsten – hier 30 Minuten für die „interne Beratung“ der Verteidigungen, dort 25 Minuten zur Abfassung eines Gerichtsbeschlusses, mit dem eine Unterbrechung von 20 Minuten abgelehnt wurde, usw. usf. […] Es ist offensichtlich, dass die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben nicht so sehr von der Fristsetzung überrascht sind, sondern vielmehr darüber hinwegtäuschen wollen, dass sie keine weiteren Verteidigungsansätze und Ideen parat haben. Spätestens seit Dezember letzten Jahres war klar, dass das Beweisprogramm des Gerichts nach dem Sachverständigen Prof. Saß abgeschlossen sein würde. Seither haben weder die Zschäpe- noch die Wohlleben-Verteidigung Sinnvolles vorgebracht. Das angeblich vorbereitete Gutachten eines weiteren Sachverständigen ist eine Luftnummer, die Verteidigung Wohlleben verstieg sich zu Propagandaanträgen bezüglich der angeblichen Ermordung des Hitlerstellvertreters Hess und dem drohenden ‚Volkstod‘. Heute gipfelte diese verzweifelte Strategie in einem Antrag zur möglichen Anwesenheit von ‚FBI-Agenten‘ am Tatort in Heilbronn. Dieser Antrag wäre vielleicht vor zwei Jahren ein witziger Vorstoß in Richtung Verschwörungstheorie gewesen, allerspätestens nach Zschäpes Angabe, Böhnhardt und Mundlos hätten ihr gegenüber auch diese Tat gestanden, ist der Antrag vollständig sinnlos. Insofern ist nachzuvollziehen, dass das Gericht mit der Beweisaufnahme langsam zum Ende kommen will. Das Vorgehen vom Dienstag allerdings, als das Gericht erst mehrere – zum Teil schon vor längerem gestellte – Beweisanträge mit zum Teil arg konstruierter Begründung ablehnte und im selben Atemzug eine Frist von unter einer Woche für weitere Beweisanträge stellte, ist dennoch arg forsch und wenig überzeugend. Auch stellt sich die Frage, warum das Gericht nach Monaten sehr schleppender Verhandlungsführung auf einmal so stark beschleunigt. Vielleicht liegt es daran, dass in dieser Woche der Untersuchungsausschuss des Bundestages seine letzte Beweisaufnahme durchgeführt hat und das Gericht abwarten wollte, ob sich in Berlin noch relevante Informationen ergeben, bevor es in München zum Urteil kommt.“
https://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/03/09/09-03-2017/

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